Das Blumenorakel
"Eine ganze Welt voller Gefühle, voller Sehnsucht und Liebe."
FAMILIE & CO.
1871 geht Flora, Tochter der Samenhändlerin Hannah, als Floristin nach Baden-Baden. Die kreative junge Frau hat mit ihrer Arbeit bald die feine...
"Eine ganze Welt voller Gefühle, voller Sehnsucht und Liebe."
FAMILIE & CO.
1871 geht Flora, Tochter der Samenhändlerin Hannah, als Floristin nach Baden-Baden. Die kreative junge Frau hat mit ihrer Arbeit bald die feine Gesellschaft begeistert - ihr Geschäft blüht und sie findet die Liebe. Doch ihre Abenteuerlust treibt sie in die Arme eines Lebemanns. Das Spiel mit dem Feuer bringt ihr Lebensglück bald in Gefahr.
Flora musste anfangs mehr als einmal an Friedrich Sonnenschein und seinen Vater denken. Wie es dem alten Herrn wohl ging? Womöglich hatte die Gesundheit des alten Mannes weiter gelitten, sodass er seinen Laden gar nicht mehr führen konnte?
Doch im Laufe der Wochen schmolzen die Erinnerungen an den Zwischenfall in Baden-Baden dahin - genau wie der Schnee. Nach einem letzten Aufbäumen des Winters mit heftigen Schneefällen und einem Ostwind, der einem die Ohren blau frieren ließ, wurde die Schneedecke Mitte März löchrig wie ein altes Leintuch. Täglich war nun auf den Wiesen mehr Grün zu sehen, und zum Monatsende hin war der Winter völlig verschwunden.
So oft es ging lief Flora aus dem Dorf hinaus, um die Fortschritte der Natur zu beobachten. Aber erst Anfang April zeigten sich die ersten Schlüsselblumen, Gänse- und Leberblümchen. Noch musste man genau hinschauen, um die winzigen Blüten zwischen dem Gras zu entdecken, aber Flora freute sich über jedes noch so winzige Sträußchen, das sie binden konnte. Sie konnte nicht genug bekommen von den zarten Farben der Blüten, die hingehaucht waren wie aus einem Aquarellkasten.
Flora fand darin beispielsweise den Hinweis, dass, wenn man Schlüsselblumen verschenkte, folgende Aussage dahinterstehen konnte: »Wie gern würde ich den Schlüssel zu deinem Herzen erlangen!«
Dass sie im vergangenen Jahr ausgerechnet dem trinkfreudigen Metzger einen Schlüsselblumenstrauß geschenkt hatte, ließ sie jetzt laut auflachen.
Zu dem Stichwort Leberblümchen wiederum las sie, dass auf das Glück des Frühlings nicht zwangsweise auch ein glücklicher Herbst folgen musste. Vielleicht tat sie gut daran, einen solchen Strauß nicht ausgerechnet der Witwe Schlagenhöfer zu schenken, die von früh bis spät nur den frühen Tod ihres geliebten Eugen betrauerte?
Zu Floras Erstaunen zeigten sowohl Seraphine als auch Suse großes Interesse an dem Buch. Die Tante lobte die schönen Blumenzeichnungen, sie interessierte sich aber auch dafür, was es bedeutete, wenn man diese oder jene Blume verschenkte.
»Hör doch nur, Flora, Kreuzblumen bedeuten: ›Ich muss dich vergessen, auch wenn mein Herz dabei blutet.‹« Mit glänzenden Augen schaute sie die Nichte an. »Schenke mir bitte nie einen Strauß Kreuzblumen!«
Flora, die nicht einmal gewusst hätte, woher sie die hätte nehmen sollen, nickte verwirrt.
»Deine Tante ist wirklich ein wenig komisch«, sagte Suse, als Flora ihr davon erzählte.
Es war ein sonniger Frühlingstag, und die Mädchen waren vor ihren Müttern geflohen, die ständig neue Aufgaben für sie ersannen. Jetzt hockten sie auf einer Bank am Ufer der Wiesaz.
»Sei ja nicht so dumm, deiner Tante aus lauter Liebenswürdigkeit das Buch zu schenken, so was bekommst du nie mehr!« Suse versetzte Flora einen Stoß in die Rippen. »Komm, wir schauen lieber, welche Blumen ich meinem Franz schenken könnte.«
»Junge Damen verschenken gar keine Blumen an junge Männer «, entgegnete Flora und verdrehte die Augen. Franz hier und Franz da! Suse nutzte wirklich jede Gelegenheit, um über Franz, einen Samenhändlerssohn aus dem Ort, mit dem sie sich heimlich traf, zu reden.
»Erst gestern hat er mir wieder gesagt, wie sehr er mich liebt. Ob ich ihm wohl glauben kann?« Skeptisch schaute Suse die Freundin an.
Flora grinste. »Frag doch das Blumenorakel!«
»Könntest du nicht …? Och bitte! Dir ist das Orakel immer wohlgesinnt.«
Seufzend pflückte Flora ein Gänseblümchen neben ihrem linken Fuß, dann begann sie, die einzelnen Blütenblättchen auszuzupfen. »Er liebt dich, er liebt dich nicht, er …« Unauffällig zupfte sie am Ende zwei Blättchen auf einmal ab, damit das Orakel gut ausging.
»Er liebt mich«, seufzte Suse hochzufrieden. »Ich wusste es doch!« Sie blätterte ein wenig in Floras Buch, dann hob sie den Kopf. »Du könntest mir ruhig mal ein wenig Brunnenkresse schenken.«
»Und was will ich damit sagen?« Flora kicherte.
»Folge dem Ruf deines Herzens.«
»Das könnte dir so passen! Nein, von mir bekommst du höchstens …« Flora sprang auf, lief hinter die Bank, rupfte dort mit spitzen Fingern etwas ab und kniete mit einem Büschel Grün in der Hand vor Suse nieder. »Brennnesseln!«, sagte sie pathetisch.
»Brennnesseln? Was bedeuten denn die?«
»Sei vorsichtig, damit du dir vor Übermut nicht die Finger verbrennst. Da, nimm!«, antwortete Flora und bewarf die Freundin übermütig mit den kratzigen Blättern.
Suse kreischte auf, und Flora brach in lautes Gelächter aus.
»Schau mal, hier steht, dass es die Sprache der Blumen schon seit ewigen Zeiten sowohl im Orient als auch im Abendland gibt«, sagte Suse, nachdem sie sich wieder beruhigt hatten. »Und dass die Bedeutung, die einer Blume zugesprochen wird, entweder von ihrem Namen oder von ihren Eigenschaften herrührt.
Auch alte Sagen oder die Verwendung der Pflanzen spielen eine Rolle …« Herausfordernd schaute Suse ihre Freundin an. »Nun, dann frage ich dich, du holde Göttin der Blumen - was könnte wohl eine Klette bedeuten?«
»Das ist doch völlig klar: Jemand ist anhänglich wie eine Klette. Oder wie dein Franz!«, entgegnete Flora und schon ging das Gelächter wieder los.
Am siebten April, dem Karfreitag, kamen endlich Helmut und Valentin von ihrer langen Reise zurück. Hannah liefen vor Freude Tränen die Wangen hinab. Sie und Helmut umarmten und küssten sich, als wollten sie sich nie wieder loslassen. Gustav und Siegfried wandten sich peinlich berührt ab - mussten sich die Eltern so unmöglich aufführen? Flora hingegen verspürte ein leises Sehnen in ihrer Brust - wie es sich wohl anfühlte, so zu lieben?
Je weiter der Frühling voranschritt, desto größer und abwechslungsreicher wurden Floras Sträuße: Sie schnitt blühende Forsythienzweige, dazu Weidenkätzchen und Erle. Als sich endlich die frühen Narzissen- und Tulpensorten im Garten hinter dem Haus zeigten, stieß Flora einen Seufzer der Erleichterung aus. Im Herbst hatte sie so viele Zwiebeln wie noch nie in der Erde verbuddelt - und ihr Vater hatte wegen der Kosten ziemlich gemurrt. Zum Glück waren die teuren Zwiebeln wenigstens nicht von den Mäusen verspeist worden. Und so drängte sich jetzt dicht an dicht das Grün der Tulpen und Narzissen aus der Erde.
Der Gedanke, dass sie nun doch keine Blumenbinderin werden würde, war weit weg. Immerhin hatte sie ihre Blumen auf den Wiesen und im Garten. Und niemand konnte ihr verbieten, sich in ihrer freien Zeit damit zu beschäftigen. Als Mitte April der Brief ankam, war Flora genauso fassungslos wie alle anderen.
© List Verlag
Interview
mit
Petra Durst-Benning
Im Februar erscheint Ihrneues Buch "Das Blumenorakel" - was ist ein Blumenorakel eigentlich ganz genau?
"Er liebt mich, er liebt mich nicht " - Jedes Mädchen hatmit diesem Spruch schon einmal ein Gänseblümchen zerrupft! Es ist ja auch vieleinfacher, eine Blume in Gefühlsdingen zu befragen als den Herzallerliebstenselbst!
In früheren Zeiten war das Wahrsagen mithilfe vonOrakelblumen noch viel üblicher als heutzutage - Flora, die Blumenbinderin inmeiner Geschichte, beherrscht diese Kunst besonders gut.
Ihre ProtagonistinFlora bewegt sich in einem für historische Romane sehr untypischen Umfeld: ImBaden-Baden des späten 19. Jahrhunderts. Der deutsch-französische Krieg hatseine Spuren hinterlassen und in der Stadt herrschen Angst und Aufbruchsstimmungzugleich. Was hat Sie dazu bewogen, den Roman gerade in so eine Umbruchszeit zuversetzen?
Gerade die schwierigen Zeiten sind besonders spannend. Endedes 19. Jahrhunderts blieben in Baden-Baden plötzlich die französischenKurgäste fern, vertrieben von den Folgen des deutsch-französischen Krieges. DasCasino wurde geschlossen und die "Sommerhauptstadt Europas" drohte zu einemProvinzbad zu verkommen. Keine leichte Zeit! Es bedarf schon einer besonderenPersönlichkeit, um mit einer solchen Umbruchzeit umgehen zu können underfolgreich zu sein! Flora, meine Protagonistin, ist eine solche Frau: Mutig, beharrlich,einfallsreich.
Heutzutage istBaden-Baden eine moderne Kurstadt - ist es da für Ihre Leser überhaupt noch möglich,auf Floras Spuren zuwandeln?
Absolut! Wann immer ich zu Recherchen in Baden-Baden war,fühlte ich mich nach kurzer Zeit in die Vergangenheit zurückversetzt! DasKurhaus, die historische Trinkhalle, die LichtenthalerAllee und die jahrhundertealten Nobelhotels verleihen der Stadt ihren besonderenCharme. Auch heute noch genießen viele reiche Russen die Vorzüge der"Sommerhauptstadt Europas" und die internationalen Kurgäste sind mindestens soglamourös wie zu Floras Zeiten. Dasselbe gilt für die Geschäfte: In Baden-Badengibt es keine Fastfood- und Billigläden, dafür aber Schuhmacher, diehandgenähte Schuhe anbieten, Schneiderateliers, in deren Auslagen die teuerstenStoffe der Welt ballenweise liegen, Confiserien, in denen feinste Trüffelverführerisch glänzen - und Feinkostläden, die Dutzende von Champagnersortenführen!
Apropos Flora - nicht nur "Das Blumenorakel", sondern alleIhre
Romane drehen sich um eine starke Frauenfigur, die innerhalb eines durchKonventionen und Gebräuche festgelegten Rahmens, sehr unkonventionell handelt.Was reizt Sie an diesen Rebellinnen?
Ich sehe meine Frauenfiguren nicht als Rebellinnen, sonderneinfach als Frauen, die ihren Weg gehen. Die nicht nur in die Fußstapfen ihrerEltern treten, sondern lieber eigene Spuren hinterlassen. Heutzutage mag man oftdaran nichts besonderes mehr finden, in vergangenen Zeiten jedoch waren dieWahlmöglichkeiten für Frauen extrem eingeschränkt. Umso mutiger waren Flora,Hannah und all die andern ja!
"Floras Blumen-ABC" - das hört sich jawirklich spannend an
Ja, in früheren Zeiten hatte jeder Blumenstrauß seineBedeutung: Mit Blumen wurde um eine Liebste geworben, aber damit wurden auchBeziehungen beendet. Der Beschenkte bekam zu jedem Strauß gleich noch einkleines Heftchen mit Blumendeutungen dazu, damit er die Aussage eines Straußesauch wirklich verstand
Als Extra befindetsich hinten im Buch Floras komplettes Blumen-ABC- glauben Sie, der moderne Mensch kann damit noch was anfangen?
Unbedingt! Die romantische Spracheder Blumen wird nie altmodisch!
Nach Ihren Recherchen:Welche Blume möchten Sie auf gar keinen Fall auf den Frühstückstisch gestelltbekommen?
Brennesseln!
Der "HistorischeRoman" ist eines der umsatzstärksten Genres innerhalb der Belletristiküberhaupt. Wie erklären Sie sich diese Beliebtheit?
Der historische Roman hat einen besonders hohenUnterhaltungswert - das Kino, das im Kopf dazu abläuft, ist besonders bunt. Esmacht einfach viel Spaß, in vergangene Zeiten abzutauchen! Natürlich müssenZahlen, Daten und Fakten sauber recherchiert sein, so dass der Leser quasi"zwischen den Zeilen" etwas dazulernt, aber für mich ist das lediglich ein schönerNebeneffekt des historischen Romans.
Dies ist nun Ihr 10.Roman innerhalb von 12 Jahren. Woher nehmen Sie diese unerschöpflicheSchaffenskraft?
Ich arbeite leidenschaftlich gern und genieße jeden Aspektdes Bücherschreibens: Angefangen bei den Recherchen übers Schreiben, dieLesungen, die Pressearbeit
Oft ist es so, dass ich mich spätabends gewaltsam vom Schreibtischloseisen muss!
Dürfen sich Ihre Leserinnen und Leser schon auf den nächsten Romanfreuen?
Natürlich. Der Tag, an dem ich nicht mehr schreibe, wird derTag sein, an dem ich tot umfalle
© List / UllsteinBuchverlage
- Autor: Petra Durst-Benning
- 2008, 413 Seiten, Maße: 14,2 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: List
- ISBN-10: 347177355X
- ISBN-13: 9783471773550
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
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