Das Gift der alten Heimat
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Das Gift der alten Heimat von Heinz G. Konsalik
LESEPROBE
An den grünen, weitläufigen Ufern des Michigansees, fast imHäuserschatten der Riesenstadt Chicago, liegt das aus weißem Sandstein erbaute,große Gebäude des in den ganzen USA bekannten >PS-Clubs<, über den zuberichten die Medien nicht müde werden. P und S - das sind hier dieAnfangsbuchstaben der Wörter Potentiell und Stifter. An die sich spontanaufdrängenden Pferde-Stärken darf man also, wenn vom PS-Club die Rede ist,nicht denken.
Dieser Club in Chicago ist eine Vereinigung möglicherStifter- reicher, alter Männer, die sich mit dem Gedanken tragen,testamentarisch mit ihrem Geld dem Gemeinwohl dienende Stiftungen ins Leben zurufen. Aus dem Club sind also im Laufe eines halben Jahrhunderts - solangebesteht er schon - bereits einige Museen und Altersheime, mehrere Krankenhäuserund Forschungsstätten, ja sogar auch ein Golfgelände hervorgegangen. Daß dieMänner, die dem Club angehören, in hohem öffentlichen Ansehen stehen, ist dahernicht verwunderlich.
Ein weiter Park umgibt das Clubgelände. Das Marmorfoyer mitseinen Spiegelwänden und den Glastüren gehört zu den schönsten Chicagos. Vonden Herren, die in den tiefen Ledersesseln ihrer Leibesfülle die nötige Ruhegönnen, kann man sagen, daß sie zu den Kreisen gehören, die über den genauenStand ihres Vermögens nicht mehr Bescheid wissen und für die der Satz gilt:>Über Geld spricht man nicht - man hat es!<
An einem ruhigen Sommertag war der Club nur schwach besucht.Draußen über dem See und der Steinwüste der Stadt lag brütende Hitze. Es warAugust, und einige Millionäre, welche die Mittel dazu gehabt hätten, nach demNordpol auszuweichen, fragten sich, warum sie das nicht taten. Sie faßten sichan ihre Stirnen und wischten den Schweiß herunter. Auch der Kellner, der Diensthatte, schwitzte und genehmigte sich diskret ein Eissoda, wobei er natürlichnicht vergaß, in den Lesesaal zu schielen, wo an einem großen runden Tisch dievier Millionäre saßen, denen sich gerade der Nordpol als begehrenswertesReiseziel darstellte.
Oder der Südpol, der könnte es auch sein«, sagte einer vonihnen.
Die drei anderen nickten Beifall, rauchten, bliesen denQualm aus dicken, teuren Importen empor zur Decke und schwitzten.
»Die Pinguine dort unten haben's gut«, bemerkte der dickstedes Quartetts. »Was meinst du, Johnny?«
Johnny Miller war derjenige, der es nicht lassen konnte,jede Gelegenheit, jemandem ein bißchen auf die Zehen zu treten, beim Schöpf zupacken.
»Du gleichst ihnen, Percy«, sagte er.
»Ich? Den Pinguinen?«
»Mit deinem Fett«, grinste Johnny Miller. »Das würde dichvor der Kälte genauso schützen.«
»Du mußt reden, Johnny!« gab Percy Waller zurück.
Die Lacher hatte aber schon Miller auf seiner Seite. Er warein rüstiger Sechziger, groß, nicht ganz so dick wie die anderen, in allem derTyp eines Geschäftsmannes, der nicht mehr zu rechnen brauchte. Sein Vermögenhatte er mit Uhren gemacht, die er in einer halb Amerika umspannendenLadenkette verkaufte. Angefangen hatte er, vor drei Jahrzehnten aus Deutschlandeingewandert, als mittelloser Uhrmachergeselle. Sein ursprünglicher Name:Johann Müller. Er war Witwer, ein Flugzeugabsturz hatte ihm Frau und Tochtergeraubt. Diese Katastrophe lag schon zwölf Jahre zurück, so daß er sieeinigermaßen verwunden hatte. Die Frage für ihn lautete aber seit diesemdunklen Tag: Wohin mit meinem Geld, wenn ich einmal die Augen zumache? So alsohatten er und der PS-Club zusammengefunden.
Percy Waller besaß eine gutgehende Konservenfabrik im WestenChicagos. Er lag preislich immer um fünf bis zehn Prozent unter der Konkurrenzund hatte deshalb keine Schwierigkeiten, seine Büchsen an den Mann zu bringen.Wie er das machte mit seiner Kalkulation war sein Geheimnis. Die Konkurrenz zerbrachsich darüber die Köpfe. Manchmal wurde gemunkelt, seine Rindfleischkonservenseien auch mit Känguruhfleisch versetzt, aber den Nachweis dafür hatte bishernoch niemand erbringen können. Percy Waller versprach jedem, der es wagte,dieses geschäftsschädigende Gerücht zu verbreiten, eine Klage vor Gericht inMillionenhöhe. Verwitwet, wie Miller, war er noch nicht, sondern seitJahrzehnten verheiratet mit einem Satan von Weib, das er per Scheidung schonlängst in die Wüste geschickt hätte, wenn nicht ausgerechnet sie es gewesenwäre, über die er auf verschlungenen verwandtschaftlichen Wegen an dasbenötigte Känguruhfleisch herankam, weil sie aus Australien stammte. Sie hatteihn also, wie man so sagt, >am Band<. Sie hätte jederzeit ihm gegenüber daserreichen können, was er anderen androhte: ihn vor den Kadi zu schleppen. Um somehr freue er sich, erklärte er seinen Freunden oft, auf den Moment seinerTestamentseröffnung nach seinem Tode, wenn seine Gattin erfahren werde, daß einwesentlicher Teil seines Vermögens nicht ihr verbleiben, sondern eingehen werdein die Stiftung eines Heims für bedürftige Witwer, die den Fesseln ihrer Ehenzu Lebzeiten ihrer Gattinnen nachweisbar nicht hätten entfliehen können.
»Nordpol hin, Südpol her«, sagte Johnny Miller, »wißt ihr,was der Kasten hier längst brauchte?«
»Was?« fragte Harry White. Er war dieNummer drei der Gesellschaft um den runden Tisch.
»Eine Klimaanlage.«
»Und wer soll die bezahlen?«
»Du zum Beispiel«, grinste Miller.
»Warum ich?« widersprach White. »Warum nicht der Club ausseinem Vermögen? Die Beiträge, die wir entrichten, sind hoch genug.«
Dazu hätte aber laut Statut des Clubs eine sogenannteVollversammlung aller Mitglieder mit gemeinsamer Beschlußfassung stattfindenmüssen, etwas, das äußerst schwer zu bewerkstelligen war. Sattsam gemachteErfahrungen der Vergangenheit lehrten dies. Eine echte Vollversammlung war seitMenschengedenken nicht mehr zustandegekommen, da sich das fortgeschritteneAlter der Mitglieder natürlicherweise ständig mit einem relativ hohenKrankenstand verband.
»Dem Kasten hier«, sagte grinsend der vierte im Bunde,»fehlt's zwar nicht an Vornehmheit, aber an Modernität.« Der Mann hießklangvoll Nicholas Nicholson und grinste immer; kein Wunder, denn eine enormgroße Kundschaft nötigte ihm ihr Geld geradezu auf. Er stellte Pillen undTropfen her, die der Gesundheit des Menschen dienten -dienen sollten! Daß diesder Fall war, setzte voraus, daß die Leute daran glaubten. Der größte Renner inseinem pharmazeutischen Sortiment war ein >Nerventonikum auf rein pflanzlicherBasis<, das paradoxerweise an eine italienische Wurstsorte erinnerte, weiles den Namen >Mortedalla< trug. Menschen mit schlechten Nerven, die esregelmäßig einnahmen, waren davon überzeugt, daß sie noch viel schlechtereNerven hätten, wenn sie es nicht regelmäßig einnähmen. Auf solcher Basisgedeihen die Umsätze der Heilmittelfabrikanten am besten. Nicholson-Produktewurden in drei Werken hergestellt, und er besaß drei Töchter, von denen jedeeines dieser Werke als Mitgift zu erwarten hatte. Das müsse genügen, fand er,und gedachte mit dem Rest seines Vermögens, das sich angehäuft hatte und immernoch weiter anhäufte, irgendeine Stiftung ins Leben zu rufen, über die er sichnoch nicht im klaren war.
Harry White - das wäre noch nachzuholen- nannte nur einenSohn namens Jack sein eigen. Jack interessierte sich nicht für die Firma seinesVaters, die eine der größten in der Strickwarenbranche war. Jack fuhr Rennen.Dies hatte seinen Erzeuger dazu gebracht, Kontakt mit dem PS-Club herzustellen,auf der Suche nach Wegen, das White-Vermögen nach Jacks vorauszusehendem frühenEnde einem sinnvollen Zweck zuzuführen.
»Verdammte Hitze!« stieß Johnny Miller wieder hervor undwinkte dem Kellner, um einen Drink mit Eis zu bestellen. Dieses Beispiel wirkteansteckend, die drei Freunde Johnnys ahmten es nach.
»Verrückte Welt«, sagte dann Nicholson, der Pharmazeut. »InEuropa, habe ich gelesen, schneit's zur Zeit.«
»Wo in Europa?« fragte White.
»In den Bergen.«
»In welchen Bergen?«
»Wieso in welchen?« Nicholson schien erstaunt. »Haben diemehrere?«
Johnny Miller fühlte sich angesprochen.
»In den Alpen«, sagte er. »Ich habe das auch gelesen. Aberin den Tälern regnet's wie verrückt. Der Rhein führt schon gewaltigesHochwasser.«
»Wer?« fragten Nicholson und Percy Waller, derKonservenfabrikant, gleichzeitig.
»Der Rhein.« Miller blickte in die Gesichter der beiden undentdeckte nur Ignoranz. »Das ist ein Strom in Germany«, setzte er deshalbhinzu. »Ihr seid doch typische Amerikaner.«
»Du etwa nicht?« antwortete, wie immer grinsend, Nicholson.
»Doch - aber kein typischer!«
Nicholson hatte vergessen, daß Miller Einwanderer war, wenndas auch schon lange zurücklag.
»Warum nicht?« fragte er deshalb.
Noch ehe Miller antworten konnte, sagte Waller zu Nicholson:»Weil er in Germany geboren wurde, das weißt du doch.«
Miller nickte.
Copyright © in der Verlagsgruppe Random House
- Autor: Konsalik
- 2004, 284 Seiten, Maße: 11,5 x 18 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Ludwig bei Heyne
- ISBN-10: 3453878647
- ISBN-13: 9783453878648
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