Das haarsträubende Hotel
Als Mängel-Exemplar
nur
In ihrem vorletzten Abenteuer verschlägt es Sunny, Klaus und Violet Baudelaire ins verwirrende Hotel Denouement, den letzten Zufluchtsort der Freiwilligen-Organisation F.F. Dort müssen sie sich als Concierges verdingen, um heimlich für Lemony Snickets Schwester Kit als Spione zu arbeiten. Die Geschwister lernen dort Frank, Ernest und Dewey kennen, die sich allerdings nur schwer voneinander unterscheiden lassen.
Und plötzlich tauchen aus allen Ecken alte Bekannte auf nicht gerade zur Freude der Kinder. Denn unter den Hotelgästen sind nicht nur Esmé Elend, Carmelita Späts und andere finstere Gestalten aus der elenden Vergangenheit der Kinder, sondern auch Graf Olaf. Und alle wollen sie nur das Eine die geheimnisvolle Zuckerdose
Und plötzlich tauchen aus allen Ecken alte Bekannte auf - nicht gerade zur Freude der Kinder. Denn unter den Hotelgästen sind nicht nur Esmé Elend, Carmelita Späts und andere finstere Gestalten aus der elenden Vergangenheit der Kinder, sondern auch Graf Olaf. Und alle wollen sie nur das Eine - die geheimnisvolle Zuckerdose ...
Das haarsträubende Hotel von Lemony Snicket
LESEPROBE
Eins
Die Weltgleicht einem stillen Teich, meinen manche, und sooft ein Mensch etwas tut, undsei es noch so geringfügig, ist es, als würde ein Stein in den Teich geworfen, derseine Wellenringe aussendet, weiter und immer weiter, bis die ganze Welt durchdiese eine kleine Handlung verändert ist. Wenn das stimmt, solltest du dasBuch, das du jetzt eben liest, vielleicht schleunigst in einen Teich werfen.Dann breiten sich die Wellenringe über den Spiegel des Teiches aus, und dieWelt wird ein besserer Ort als zuvor, denn es gibt eine deprimierendeGeschichte weniger für die Menschen zum Lesen und ein Geheimnis mehr, das amGrund eines Teiches verborgen liegt, wo fast niemand je sucht. Die jammervollenSchicksale der Baudelaire-Waisen finden in schlammiger Tiefe Ruhe, und stattvon dem Entsetzlichen lesen zu müssen, das ich hier berichte, kannst dudasitzen und dem Abschaum, der in der Welt ganz oben schwimmt, beim Schwappenzusehen.
DieBaudelaire-Kinder auf dem Rücksitz ihres Taxis, das von einer Frau gelenktwurde, die sie kaum kannten, hätten sich wahrscheinlich gleich selbst in dennächsten Teich werfen wollen, wenn sie gewusst hätten, welche Wendung ihreGeschichte noch nehmen würde. Fürs Erste kurvte der Wagen durch die verwinkeltenStraßen der Stadt, in der die Waisen früher gewohnt hatten, und Violet, Klausund Sunny Baudelaire sahen zu den Autofenstern hinaus und staunten, wie wenigdie Stadt sich verändert hatte, seit ein Brand ihr Zuhause zerstört, ihnen ihreEltern geraubt und Wellen in ihrem Leben geschlagen hatte, die sich womöglichnie wieder glätten würden. Als das Taxi um eine Ecke bog, erblickte Violet den Markt,wo sie und ihre Geschwister die Zutaten für das Abendessen eingekauft hatten,das sie für Graf Olaf hatten kochen müssen, den berüchtigten Bösewicht, der nachdem Feuer ihr Vormund geworden war. Selbst nach all dieser Zeit, in der Olafeinen hinterlistigen Plan nach dem anderen ausgeheckt hatte, um an dasgewaltige Vermögen zu kommen, das die Baudelaire-Eltern hinterlassen hatten,sah der Markt noch haargenau so aus wie an dem Tag, an dem sie mit RichterinStrauss, einer wohlmeinenden Nachbarin und Richterin am Obersten Gerichtshof,zum ersten Mal dort gewesen waren. Hoch über dem Marktplatz ragte ein riesigesglitzerndes Gebäude auf, das Klaus als die Dunkle Allee 667 erkannte, wo dieWaisen eine Zeitlang bei Jerome und Esmé Elend ineinem riesigen Penthaus gewohnt hatten. Dem mittleren der Baudelaire-Kinderschien es, als hätte das Gebäude sich kein bisschen verändert, seit sie damals Esmés verräterischer Liebschaft mit Graf Olaf auf die Spurgekommen waren. Und Sunny, die noch so klein war, dass sie eine stark eingeschränkteSicht nach draußen hatte, hörte einen Schachtdeckel unter den Taxireifenklappern und musste an den unterirdischen Gang denken, auf den sie und ihreGeschwister gestoßen waren und der vom Keller der Dunklen Allee 667 zu denverkohlten Überresten ihres Elternhauses führte. Wie der Marktplatz und das Penthausbestand auch das Geheimnis dieses Ganges unverändert fort, obwohl dieBaudelaire-Kinder seither eine Geheimorganisation mit Namen F.F. kennengelernt hatten, von der, wie sie glaubten, vielesolcher Gänge gebaut worden waren. Jedes Rätsel, das die Kinder gelöst hatten, hattenur ein neues Rätsel zutage gefördert, und dies wieder eins, und dies wiedereins und gleich noch ein paar und dann noch eins, so als würden die dreiGeschwister tief und tiefer in einen Teich hinabtauchen, derweil die Stadtruhig an der Oberfläche lag, unberührt von all den betrüblichen Ereignissen imLeben der Waisen. Und nun kehrten sie zurück in die Stadt, die einmal ihrZuhause gewesen war, und noch immer war kaum eins der Geheimnisse gelüftet, dieihr Dasein überschatteten. Zum Beispiel wussten sie nicht, wohin sie fuhren,und von der Frau, die am Steuer saß, wussten sie letztlich nichts als denNamen.
»Ihr habtsicher tausend Fragen, Baudelaires«, sagte Kit Snicket, und ihre Hände, die in weißen Handschuhen steckten,kurbelten energisch am Lenkrad. Violet, die technisch sehr versiert war - einAusdruck, der hier so viel bedeutet wie »begabt im Erfinden mechanischerVorrichtungen « -, war beeindruckt, wie weich der Wagen dahinschnurrte, währendKit ihn in rasantem Bogen durch ein breites Metalltorsteuerte und dann weiter eine schmale, kurvenreiche Straße entlang, die vonBuschwerk gesäumt war. »Ich wünschte, wir hätten mehr Zeit zum Reden, aberheute ist schon Dienstag. Ihr werdet euch gerade noch zu eurem hochwichtigenBrunch hinsetzen können, bevor ihr in eure Concierge-Verkleidungen schlüpft undeure Beobachtungen als Flaneure aufnehmt.«
»Concierge?«, fragte Violet.
»Flaneure?«, fragte Klaus.
»Brunch?«, fragte Sunny.
Kitlächelte und nahm schwungvoll die nächste Kurve. Zwei Gedichtbände rutschtenvom Beifahrersitz auf die Fußmatte - Das Walross und der Zimmermann undandere Gedichte von Lewis Carroll und Das wüste Land von T.S. Eliot.Die Baudelaire-Kinder hatten eben erst eine verschlüsselte Nachricht empfangenund sie mit Hilfe der Gedichte von Mr. Carroll und Mr. Eliot decodiert, wodurchsie zur Kahlen Küste und damit zu Kit Snicket gelangt waren - und nun sprach auch Kit in Rätseln! »Ein bedeutender Mann hat einmal gesagt,das Recht, auch wenn es daniederliegt, siegt doch über das auftrumpfende Böse.Versteht ihr, was das bedeutet?«
Violet undSunny sahen ihren Bruder an, den Literaturexperten der Familie. Klaus hatte soviele Bücher gelesen, dass er praktisch eine wandelnde Bibliothek war, und neuerdingshatte er damit begonnen, wichtige und interessante Fakten in ein dunkelblauesNotizbuch einzutragen. »Ich glaube schon«, sagte Klaus. »Er meint damit, dassgute Menschen stärker sind als schlechte, auch wenn die Schlechten zu gewinnenscheinen. Ist er ein Mitglied von F.F.?«
»Wie man snimmt«, sagte Kit. »Auf jeden Fall trifft seineBotschaft auf unsere gegenwärtige Situation zu. Wie ihr wisst, hat sich unsereOrganisation vor einiger Zeit in zwei Teile gespalten, mit viel bösem Blut aufbeiden Seiten.«
»DasSchisma«, sagte Violet.
»Ja«,bestätigte Kit mit einem Seufzer. »Das Schisma. F.F.war einmal eine große Gruppe Freiwilliger, die mit vereinten Kräften Brände zulöschen versuchten - im wörtlichen und im übertragenen Sinn. Aber jetzt sind eszwei Gruppen von erbitterten Gegnern. Manche von uns löschen nach wie vorFeuer, aber andere verfolgen weit weniger ehrenhafte Ziele.«
»Olaf«,sagte Sunny. Ihre Sprechkünste waren noch nicht völlig ausgereift, aber alle imTaxi wussten, was sie meinte, als sie den Namen des berüchtigten Bösewichts aussprach.
»Graf Olafist einer unserer Gegner«, bestätigte Kit, wobei sie stirnrunzelnd in den Rückspiegel sah, »aber es gibt nochviele, viele andere, die genauso böse oder sogar noch böser sind.Wennich recht informiert bin, seid ihr zweien davon in den Bergen begegnet - einemMann mit Bart, aber ohne Haare und einer Frau mit Haaren, aber ohne Bart. Esgibt etliche mehr, mit allen möglichen Frisuren und Gesichtsdekorationen.Seinerzeit konnte man die Mitglieder von F.F. natürlich an der Tätowierung überdem Knöchel erkennen. Aber inzwischen nehmen die schlechten Menschen soüberhand, dass wir gar nicht allen unseren Feinden auf der Spur bleiben können- während sie uns leider permanent auf den Fersen sind. Jetzt gerade übrigensauch wieder, wenn mich nicht alles täuscht.« ( )
© ManhattanVerlag
Übersetzung:Sabine Roth
- Autor: Lemony Snicket
- Altersempfehlung: 12 - 15 Jahre
- 2007, 309 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 13 x 19 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Sabine Roth
- Verlag: MANHATTAN
- ISBN-10: 3442545943
- ISBN-13: 9783442545940
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