Das Rätsel der Templer / Die Templer Bd.1
Roman
Südfrankreich, 12. Jahrhundert: Die Templer besitzen einen geheimnisvollen Gegenstand, mit dem sie die Grenzen von Raum und Zeit überwinden können. Als der Orden verboten wird, soll Gero von Breydenbach das Artefakt in Sicherheit bringen...
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Produktinformationen zu „Das Rätsel der Templer / Die Templer Bd.1 “
Südfrankreich, 12. Jahrhundert: Die Templer besitzen einen geheimnisvollen Gegenstand, mit dem sie die Grenzen von Raum und Zeit überwinden können. Als der Orden verboten wird, soll Gero von Breydenbach das Artefakt in Sicherheit bringen und findet sich in einem Dorf in der Eifel im Jahre 2004 wieder.
Klappentext zu „Das Rätsel der Templer / Die Templer Bd.1 “
Das größte Geheimnis des Mittelalters Im Jahr 1156 bringt der Großmeister der Templer einen geheimnisvollen Gegenstand aus Jerusalem nach Frankreich. Dieses Artefakt sorgt dafür, dass der Orden zu unermesslichem Reichtum gelangt - und dass für die Templer die Grenzen von Raum und Zeit verschwinden. Als der Orden 150 Jahre später verboten wird, soll Gero von Breydenbach, ein Ritter aus Trier, dieses sogenannte Haupt der Weisen nach Deutschland überführen, um den Untergang des Ordens zu verhindern. Mit ein paar Getreuen macht er sich auf den Weg, doch plötzlich findet er sich in einer anderen Zeit wieder - in einem Dorf in der Eifel im Jahr 2004. "Martina André erzählt die Templerlegende neu und voller Überraschungen." Rhein-Zeitung
Lese-Probe zu „Das Rätsel der Templer / Die Templer Bd.1 “
Das Rätsel der Templer von Martina AndréProlog
»Die Jünger fragten Jesus:
›Wann wird die Ruhe der Toten eintreten,
und wann wird die neue Welt kommen?‹
Jesus antwortete:
›Die Ruhe, die ihr erwartet, ist schon gekommen,
aber ihr erkennt sie nicht.‹«
(Thomasevangelium 51)
Samstag, 28. Oktober 1307 – Chinon
Der Wind fegte in einer solch erbarmungslosen Strenge über die Festungsmauern von Chinon, als ob er das unbezwingbare Gemäuer mit Gewalt seiner leidvollen Bestimmung entreißen wollte. Währenddessen schoben sich riesige Wolkenberge über das Hochplateau, die mit ihrer einhergehenden Düsternis den Mittag zum Abend verurteilten und deren herabstürzende Wassermassen verlässliche Straßen in tückische Sumpfpfade verwandelten. Blitze zuckten, trotz der kühlen Witterung, und das darauf folgende ohrenbetäubende Donnergrollen bewirkte, dass sich nur draußen aufhielt, wer dazu verdammt worden war.
Heute war der Tag des Heiligen Simon und des Heiligen Judas Thaddäus. Einst waren sie zu Märtyrern geworden, nachdem sie den Zauberern des Königs Xerxes deren Unfähigkeit vor Augen geführt und diese aus Rache einen Aufstand der Priester entfacht hatten, die Simon und Judas Thaddäus gefangen nahmen und – da waren sich die Schreiber nicht einig – sie enthaupten oder zersägen ließen. Bald darauf hatte ein gewaltiges Unwetter Priester und Zauberer erschlagen und den König und sein Volk in Angst und Schrecken versetzt.
Allem Anschein nach wollte der 28. Oktober 1307 seinen Namensgebern die Ehre erweisen – zumindest was das Wetter betraf –, und auch die Märtyrer schienen nicht weit.
Ein Napf mit dünnem Gerstenbrei und eine Scheibe verschimmeltes Brot kennzeichneten für Henri d’Our, Komtur der Templerniederlassung
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von Bar-sur-Aube den Beginn eines weiteren Morgens in der Hölle.
An manchen Tagen ging es in den weit verzweigten Kalksteinkatakomben der Festung Chinon zu wie auf einem Viehmarkt. Gefühllose Folterknechte trieben mit Peitschen und Knüppeln ganze Heerscharen von gepeinigten Kreaturen durch ein Labyrinth von Gängen, in der Absicht, die Widerstandsfähigsten herauszusieben, nur um ihnen danach noch ein wenig heftiger zusetzen zu können. Heute jedoch war es nach der Verteilung der Essensration geradezu unheimlich still gewesen, und nur ein fernes Donnergrollen ließ weiteres Unheil befürchten.
Der eindringliche Schrei einer Frau, der diese Stille zerriss wie ein morsches Leichentuch, bestätigte Henri d’Ours finsterste Ahnungen. Zurückgezogen hockte er im hintersten Winkel seiner Zelle. Der ehemals weiße Habit ließ die ursprüngliche Farbe nur noch erahnen, und der teilweise zerfetzte Stoff schützte seinen ausgemergelten Körper nur unzureichend vor schamlosen Blicken. Das verfilzte, silberne Haupthaar und der noch bis vor kurzem gepflegte, würdevolle Bart waren mit Blut und Dreck verschmiert.
D’Ours Kiefer schmerzte so fürchterlich, dass er seinen Mund kaum zu öffnen vermochte, und mit seinen geschwollenen Augenlidern kostete es ihn einige Mühe, zu erkennen, was um ihn herum geschah. Arme und Beine, übersät mit blauen Flecken und kleinen, schmerzhaften Brandmalen, konnte er nur noch mit äußerster Kraftanstrengung bewegen.
Bislang hatte er sämtlichen Folterungen erbittert Widerstand geleistet, indem er scheinbar über den Schmerz hinausgegangen war und seinen Geist ermächtigt hatte, den Körper zu verlassen, um den unerträglichen Qualen mit Gleichmut begegnen zu können. Und doch ergriff Zug um Zug eine jämmerliche Angst von seiner Seele Besitz. Was wäre, wenn König Philipp IV. von Franzien und Guillaume de Nogaret, seines Zeichens Großsiegelbewahrer und Oberhaupt der königlichen Geheimpolizei, der sogenannten Gens du Roi, herausfinden würden, dass Henri d’Our tatsächlich zu den Eingeweihten des Templerordens gehörte und sich trotz seines bescheidenen Postens ab und an mit dem Großmeister oder dessen Vertreter in Franzien getroffen hatte? Vielleicht hatten die Gens du Roi, deren grauenhafte Folter jedem anständigen Menschen das Blut in den Adern gefrieren ließen, Spione in die wirtschaftlich unbedeutende Templerniederlassung im Osten der Champagne eingeschleust, die dem Königshof in Paris regelmäßig Bericht erstatteten?
Ein Folterknecht, hässlich wie der Teufel, kam herbeigeschlurft. Mit einem blöden Grinsen zückte er seinen schweren Schlüsselbund und öffnete das monströse Eisenschloss zu Henri d’Ours unfreiwilligem Domizil. Eine Maßnahme, die der Tatsache Hohn spottete, dass er – wie alle Gefangenen an Armen und Beinen in Ketten gelegt – wohl kaum in der Lage sein würde, das Weite zu suchen.
»So mein Guter, auf zur nächsten Runde.« Die Ironie in der Stimme des Mannes war nicht zu überhören. »Man erwartet Euch bereits.«
Rücksichtslos zerrte er Henri d’Our aus der finsteren Behausung heraus.
»Heilige Jungfrau Maria«, betete der Komtur von Bar-sur-Aube lautlos, während er Mühe hatte, auf die Beine zu kommen. »Lass mich stark bleiben in meiner Ehre und mutig im Glauben an das Gute in der Welt.«
Als er jedoch in die große, hell erleuchtete Folterkammer gelangte, war es um seinen Mut geschehen. Ein Stich fuhr ihm ins Herz, als er erkennen musste, dass mit Francesco de Salazar ein weiterer Ritterbruder seiner Komturei in die Hände der Gens du Roi gefallen war.
Und was die Sache weit schlimmer machte, war die weinende junge Frau, die an seiner Seite saß. Ohne Zweifel handelte es sich um die Schwester des ehemals stolzen Katalanen, weil sie mit den gleichen, großen Haselnussaugen zum Komtur der Templer von Bar-sur-Aube aufsah, als ob sie von ihm die himmlische Erlösung erwartete.
Francesco hing wie leblos und lediglich mit einer zerrissenen Unterhose am Leib an dem schräg gestellten Holzbrett wie Jesus am Kreuz. Dunkel verfärbte Striemen überzogen seinen flachen Bauch, und münzgroße Brandmale umkreisten seine Brustwarzen wie ein grausiger Reigen. Die Lippen, ausgetrocknet und blutverkrustet, waren dem unverwechselbaren Lachen mit den leuchtend weißen Zähnen so fern wie nie zuvor.
Wie durch einen Nebel nahm Henri d’Our die nicht weniger vornehm gekleidete, ältere Frau wahr. Da sie offensichtlich in Ohnmacht gefallen war, hatte man sie auf eine schmuddelige Matratze gebettet und ihr Haupt von dem straffen Gebende befreit, das Frauen ihres Alters gewöhnlich trugen. Die dunklen, silberdurchwirkten Locken und der olivfarbene Teint ließen auf Francescos Mutter, die Gräfin de Salazar, schließen. Ein Schauer überlief den Komtur bei dem Gedanken, dass die Inquisition nicht einmal vor verängstigten Angehörigen Halt machte, um ihre Opfer zu einer gefälligen Aussage zu zwingen.
Vornehmlich Frauen, getrieben von der Sorge um ihre Söhne und Brüder, wurden in die Verliese vorgeladen, um die bis dahin standhaften Ritterbrüder zu einem belastenden Geständnis gegen den Orden zu bewegen. Nogaret und seine Leute wussten darum, dass die gefangenen Templer die eigene Folter bis hin zum Tod ertrugen, nicht aber das Weinen und die Schreie der Frauen, die dabei zuschauen mussten.
Neben der Gräfin stand ein Medicus. Er verkehrte regelmäßig an diesem Ort des Leidens, und in seinem langen schwarzen Gewand nährte er in d’Our die Vorstellung von einem allgegenwärtigen Todesengel. Doch dann bemerkte der Komtur die Anwesenheit von jemandem, bei dem diese Bezeichnung noch passender gewesen wäre: Guillaume Imbert, Großinquisitor, Bischof von Paris und persönlicher Beichtvater Philipps IV. und zudem unseliger Verbündeter Guillaume de Nogarets.
»So sieht man sich wieder«, sagte der Mann im schwarzgrauen Surcot leise. Mit einem arroganten Lächeln entblößte er seine scharfkantigen Zähne, derweil er nervös an seinem weißen Spitzenkragen zupfte.
Der dickbäuchige Foltergehilfe hatte den Komtur von Bar-sur-Aube inzwischen auf dem Boden abgesetzt und an eine hölzerne Kiste gelehnt. Die Gliedmaßen in Ketten geschmiedet, das Genick steif wie ein Stock, traf d’Our von oben herab der vermeintlich mitleidige Blick seines Peinigers.
»Nun ja«, resümierte Imbert in spöttischem Tonfall, »Wenn Ihr Euren Hochmut überwinden könnt und endlich eine vernünftige Aussage für mich bereithaltet …«, beiläufig blickte er auf Francesco, »seid Ihr es vielleicht, der das Leben dieses Jungen zu retten vermag …«
Francescos Schwester hatte die Bemerkungen des Inquisitors mit weit geöffneten Augen verfolgt, und nun sprang sie auf und warf sich vor d’Our in den Schmutz, das Gesicht zwischen ihren ausgestreckten Armen unter einer Flut von herabfallenden Locken verborgen.
»Edler Mann«, klagte sie schluchzend, »was immer man von Euch wissen will, kann nicht so geheim sein, dass man dafür auch nur ein Menschenleben opfert! Ich flehe Euch an!«
Während ihr Körper von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt wurde, blickte d’Our anklagend zu Imbert, der teuflisch grinsend neben ihr stand und damit seine tiefe Befriedigung anstandslos zur Schau stellte.
Der Komtur der Templer von Bar-sur-Aube würde es nicht über sich bringen, seinen Schützling zu opfern, schon gar nicht vor den Augen von Mutter und Schwester.
Ein Schatten bewegte sich hinter Imbert und räusperte sich verhalten. Es war der Medicus, der die Szene mit großem Interesse verfolgt hatte.
Imberts Augenmerk schnellte zwischen der reglos daliegenden Gräfin und dem neugierig dreinblickenden Arzt hin und her.
»Habt Ihr nicht gesagt, die Frau kommt wieder zu sich?«
Der Medicus nickte willfährig.
»Gut. Dann könnt Ihr fürs Erste verschwinden. Aber haltet Euch bereit, wie immer, falls ich Euch rufen lasse.«
Mit einem enttäuschten Zug um den Mund und einer unterwürfigen Verbeugung entfernte sich die schwarze Gestalt ebenso eilig, wie sie erschienen war.
Imbert wandte sich um und holte unter einem an der Wand stehenden, hölzernen Schreibpult einen unscheinbaren Leinensack hervor. Mit lauerndem Blick brachte er einen filigran gearbeiteten Frauenkopf aus reinem Silber zum Vorschein, der nur geringfügig kleiner war als ein echter menschlicher Kopf. Er stand auf einem kleinen Sockel, in den gut lesbar die Initialen CAPUT LVIII eingraviert waren.
»Mich interessiert weder, ob Ihr selbst gezeugte, frisch gebratene Neugeborene zum Abendmahl verspeist habt«, begann er in scharfem Ton, »noch, ob Eure Novizen ihre unkeuschen Schwänze in den Arsch des Meisters schieben mussten, bevor man sie selbst in einen weißen Mantel steckte.«
Für einen Moment weidete sich Imbert an dem bestürzten Blick der jungen Frau, die sich aufgerichtet hatte und nun zitternd auf ihren Fersen hockte.
»Ich weiß, dass Ihr etwas viel Interessanteres für mich bereithaltet.« Seine Stimme erhob sich in teuflischer Genugtuung. »Damit wir uns richtig verstehen. Mich interessiert weder Euer Gold, noch wo Ihr es versteckt habt. Das sollen andere herausfinden. Mich interessiert vielmehr, wo der Born Eures Wissens sprudelt.« Beinahe zärtlich strich er über das silbern schimmernde Gesichtchen. »Und ob dieses reizende Antlitz etwas damit zu tun hat.«
Unvermittelt setzte er die wissensdurstige Miene eines Gelehrten auf. »Warum, frage ich mich«, fuhr er mit dozierender Stimme fort, »finden wir beim Durchstöbern der Privatgemächer des Großmeisters der Templer in Paris einen silbernen Kopf, dessen nebulöse Existenz durch unzählige Verhöre geistert, darin versteckt eine Botschaft, die besagt: Geht zu H d O – nur er weiß, wie man die Stimme zum Sprechen bringt?«
Imbert lachte boshaft. »Ja, da schaut Ihr«, rief er und versah Henri d’Our mit einem triumphierenden Blick. »Wir sind in der Lage Eure geheimen Schriften zu dechiffrieren. Der Rest war ein Kinderspiel.« Wieder lachte er, diesmal leise und noch bösartiger. »Könnt Ihr mir verraten, warum diese drei Initialen nur auf einen einzigen Namen zutreffen, von den vielen, die wir in den ellenlangen Personallisten in der Ordensburg von Troyes gefunden haben?« Der Großinquisitor hielt inne. »Nämlich auf den Euren?«
D’Our blieb regungslos, bemüht darum, seinen Blick so klar zu halten wie reines Quellwasser.
»Was seid Ihr?«, fauchte Imbert ungehalten. »Ein Zauberer? Könnt Ihr dieses Ding hier zum Sprechen bringen?« Wie ein lauerndes Reptil näherte er sich seinem Opfer und ließ sich dazu herab, vor ihm in die Hocke zu gehen.
Dabei kam er d’Our so nahe, dass dessen bereits abgestumpfter Geruchssinn mühelos die unappetitliche Mischung aus fauligem Atem und teurem Parfüm wahrnehmen konnte.
»Wir haben Euren Großmeister verhört, vor vier Tagen in Corbeil«, resümierte Imbert in der ihm eigenen Selbstgefälligkeit.
Wohl eher unbeabsichtigt verriet er Henri d’Our damit, wo man das Oberhaupt der Templer zurzeit gefangen hielt.
»Auf dieses Phänomen hin angesprochen, behauptete Jacques de Molay, er sei nur ein einfacher Mann, der noch nicht einmal des Lesens und Schreibens mächtig sei, und er wisse nichts von einem Kopf, geschweige denn etwas von einem Zettel, den er zusammen mit diesem niedlichen Antlitz in das ihm völlig unbekannte Versteck gelegt haben sollte!« Imberts Stimme war immer lauter geworden, und sein ansonsten bleicher Schädel hatte vor lauter Wut die Farbe eines gekochten Hummers angenommen.
Unvermittelt heftig sprang er auf. »Wollt Ihr mich alle zum Narren halten?«
Voller Zorn warf er d’Our mit Schwung das Haupt zu, das der Komtur wegen seiner angeketteten Arme nicht auffangen konnte. So landete der kleine Kopf aus massivem Silber in d’Ours Schoß und traf dessen Hoden, die einzige Stelle seines Körpers, die man bis jetzt von den Folterungen ausgespart hatte.
Mit schmerzverzerrter Miene hielt d’Our für einen Moment die Luft an und schluckte anschließend verkrampft. Sein Mund war mit einem Mal trocken, und sein Blick wanderte unruhig hin und her, zwischen der vor ihm liegenden Frau und dem schwer gefolterten Francesco, für den er eine tiefe Verantwortung empfand.
Fieberhaft überlegte er, wie er sich aus dieser Falle herauswinden konnte. Er hatte einen minimalen Vorteil. Imbert wollte etwas von ihm, und zwar etwas, das er sich einiges kosten lassen würde. Bisher waren dessen Bemühungen nicht gerade von Erfolg gekrönt gewesen, und König Philipp würde die weitere Karriere seines Großinquisitors vermutlich von eben diesem Erfolg abhängig machen.
»Wenn Ihr mir einen Schluck Wasser geben wollt«, sagte d’Our mit einer Ruhe, die ihn selbst zum Erstaunen brachte, »dann könnte ich es mir in Eurem Sinne überlegen, mein Schweigen zu brechen.« Er senkte den Blick und versuchte anteilslos zu wirken. Imbert durfte auf keinen Fall bemerken, wie viel ihm am Leben des Jungen lag.
»Tut, was er verlangt«, sagte Imbert und wies den Kerkermeister mit einer Geste an, d’Our eine Kelle mit Wasser zu reichen.
Gierig trank er das kalte Nass, wie ein Kamel, das man wochenlang durch die Wüste getrieben hatte. Seine verbliebenen Zähne schmerzten grauenvoll, jedoch seine Gedanken klärten sich mit jedem Schluck, und seine Stimme klang fest und deutlich, als er fortfuhr.
»Ich sage Euch, was Ihr hören wollt«, begann er, und dabei schaute er den Großinquisitor von unten herauf mit einer unschuldigen Miene an. »Unter einer Bedingung.«
An manchen Tagen ging es in den weit verzweigten Kalksteinkatakomben der Festung Chinon zu wie auf einem Viehmarkt. Gefühllose Folterknechte trieben mit Peitschen und Knüppeln ganze Heerscharen von gepeinigten Kreaturen durch ein Labyrinth von Gängen, in der Absicht, die Widerstandsfähigsten herauszusieben, nur um ihnen danach noch ein wenig heftiger zusetzen zu können. Heute jedoch war es nach der Verteilung der Essensration geradezu unheimlich still gewesen, und nur ein fernes Donnergrollen ließ weiteres Unheil befürchten.
Der eindringliche Schrei einer Frau, der diese Stille zerriss wie ein morsches Leichentuch, bestätigte Henri d’Ours finsterste Ahnungen. Zurückgezogen hockte er im hintersten Winkel seiner Zelle. Der ehemals weiße Habit ließ die ursprüngliche Farbe nur noch erahnen, und der teilweise zerfetzte Stoff schützte seinen ausgemergelten Körper nur unzureichend vor schamlosen Blicken. Das verfilzte, silberne Haupthaar und der noch bis vor kurzem gepflegte, würdevolle Bart waren mit Blut und Dreck verschmiert.
D’Ours Kiefer schmerzte so fürchterlich, dass er seinen Mund kaum zu öffnen vermochte, und mit seinen geschwollenen Augenlidern kostete es ihn einige Mühe, zu erkennen, was um ihn herum geschah. Arme und Beine, übersät mit blauen Flecken und kleinen, schmerzhaften Brandmalen, konnte er nur noch mit äußerster Kraftanstrengung bewegen.
Bislang hatte er sämtlichen Folterungen erbittert Widerstand geleistet, indem er scheinbar über den Schmerz hinausgegangen war und seinen Geist ermächtigt hatte, den Körper zu verlassen, um den unerträglichen Qualen mit Gleichmut begegnen zu können. Und doch ergriff Zug um Zug eine jämmerliche Angst von seiner Seele Besitz. Was wäre, wenn König Philipp IV. von Franzien und Guillaume de Nogaret, seines Zeichens Großsiegelbewahrer und Oberhaupt der königlichen Geheimpolizei, der sogenannten Gens du Roi, herausfinden würden, dass Henri d’Our tatsächlich zu den Eingeweihten des Templerordens gehörte und sich trotz seines bescheidenen Postens ab und an mit dem Großmeister oder dessen Vertreter in Franzien getroffen hatte? Vielleicht hatten die Gens du Roi, deren grauenhafte Folter jedem anständigen Menschen das Blut in den Adern gefrieren ließen, Spione in die wirtschaftlich unbedeutende Templerniederlassung im Osten der Champagne eingeschleust, die dem Königshof in Paris regelmäßig Bericht erstatteten?
Ein Folterknecht, hässlich wie der Teufel, kam herbeigeschlurft. Mit einem blöden Grinsen zückte er seinen schweren Schlüsselbund und öffnete das monströse Eisenschloss zu Henri d’Ours unfreiwilligem Domizil. Eine Maßnahme, die der Tatsache Hohn spottete, dass er – wie alle Gefangenen an Armen und Beinen in Ketten gelegt – wohl kaum in der Lage sein würde, das Weite zu suchen.
»So mein Guter, auf zur nächsten Runde.« Die Ironie in der Stimme des Mannes war nicht zu überhören. »Man erwartet Euch bereits.«
Rücksichtslos zerrte er Henri d’Our aus der finsteren Behausung heraus.
»Heilige Jungfrau Maria«, betete der Komtur von Bar-sur-Aube lautlos, während er Mühe hatte, auf die Beine zu kommen. »Lass mich stark bleiben in meiner Ehre und mutig im Glauben an das Gute in der Welt.«
Als er jedoch in die große, hell erleuchtete Folterkammer gelangte, war es um seinen Mut geschehen. Ein Stich fuhr ihm ins Herz, als er erkennen musste, dass mit Francesco de Salazar ein weiterer Ritterbruder seiner Komturei in die Hände der Gens du Roi gefallen war.
Und was die Sache weit schlimmer machte, war die weinende junge Frau, die an seiner Seite saß. Ohne Zweifel handelte es sich um die Schwester des ehemals stolzen Katalanen, weil sie mit den gleichen, großen Haselnussaugen zum Komtur der Templer von Bar-sur-Aube aufsah, als ob sie von ihm die himmlische Erlösung erwartete.
Francesco hing wie leblos und lediglich mit einer zerrissenen Unterhose am Leib an dem schräg gestellten Holzbrett wie Jesus am Kreuz. Dunkel verfärbte Striemen überzogen seinen flachen Bauch, und münzgroße Brandmale umkreisten seine Brustwarzen wie ein grausiger Reigen. Die Lippen, ausgetrocknet und blutverkrustet, waren dem unverwechselbaren Lachen mit den leuchtend weißen Zähnen so fern wie nie zuvor.
Wie durch einen Nebel nahm Henri d’Our die nicht weniger vornehm gekleidete, ältere Frau wahr. Da sie offensichtlich in Ohnmacht gefallen war, hatte man sie auf eine schmuddelige Matratze gebettet und ihr Haupt von dem straffen Gebende befreit, das Frauen ihres Alters gewöhnlich trugen. Die dunklen, silberdurchwirkten Locken und der olivfarbene Teint ließen auf Francescos Mutter, die Gräfin de Salazar, schließen. Ein Schauer überlief den Komtur bei dem Gedanken, dass die Inquisition nicht einmal vor verängstigten Angehörigen Halt machte, um ihre Opfer zu einer gefälligen Aussage zu zwingen.
Vornehmlich Frauen, getrieben von der Sorge um ihre Söhne und Brüder, wurden in die Verliese vorgeladen, um die bis dahin standhaften Ritterbrüder zu einem belastenden Geständnis gegen den Orden zu bewegen. Nogaret und seine Leute wussten darum, dass die gefangenen Templer die eigene Folter bis hin zum Tod ertrugen, nicht aber das Weinen und die Schreie der Frauen, die dabei zuschauen mussten.
Neben der Gräfin stand ein Medicus. Er verkehrte regelmäßig an diesem Ort des Leidens, und in seinem langen schwarzen Gewand nährte er in d’Our die Vorstellung von einem allgegenwärtigen Todesengel. Doch dann bemerkte der Komtur die Anwesenheit von jemandem, bei dem diese Bezeichnung noch passender gewesen wäre: Guillaume Imbert, Großinquisitor, Bischof von Paris und persönlicher Beichtvater Philipps IV. und zudem unseliger Verbündeter Guillaume de Nogarets.
»So sieht man sich wieder«, sagte der Mann im schwarzgrauen Surcot leise. Mit einem arroganten Lächeln entblößte er seine scharfkantigen Zähne, derweil er nervös an seinem weißen Spitzenkragen zupfte.
Der dickbäuchige Foltergehilfe hatte den Komtur von Bar-sur-Aube inzwischen auf dem Boden abgesetzt und an eine hölzerne Kiste gelehnt. Die Gliedmaßen in Ketten geschmiedet, das Genick steif wie ein Stock, traf d’Our von oben herab der vermeintlich mitleidige Blick seines Peinigers.
»Nun ja«, resümierte Imbert in spöttischem Tonfall, »Wenn Ihr Euren Hochmut überwinden könnt und endlich eine vernünftige Aussage für mich bereithaltet …«, beiläufig blickte er auf Francesco, »seid Ihr es vielleicht, der das Leben dieses Jungen zu retten vermag …«
Francescos Schwester hatte die Bemerkungen des Inquisitors mit weit geöffneten Augen verfolgt, und nun sprang sie auf und warf sich vor d’Our in den Schmutz, das Gesicht zwischen ihren ausgestreckten Armen unter einer Flut von herabfallenden Locken verborgen.
»Edler Mann«, klagte sie schluchzend, »was immer man von Euch wissen will, kann nicht so geheim sein, dass man dafür auch nur ein Menschenleben opfert! Ich flehe Euch an!«
Während ihr Körper von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt wurde, blickte d’Our anklagend zu Imbert, der teuflisch grinsend neben ihr stand und damit seine tiefe Befriedigung anstandslos zur Schau stellte.
Der Komtur der Templer von Bar-sur-Aube würde es nicht über sich bringen, seinen Schützling zu opfern, schon gar nicht vor den Augen von Mutter und Schwester.
Ein Schatten bewegte sich hinter Imbert und räusperte sich verhalten. Es war der Medicus, der die Szene mit großem Interesse verfolgt hatte.
Imberts Augenmerk schnellte zwischen der reglos daliegenden Gräfin und dem neugierig dreinblickenden Arzt hin und her.
»Habt Ihr nicht gesagt, die Frau kommt wieder zu sich?«
Der Medicus nickte willfährig.
»Gut. Dann könnt Ihr fürs Erste verschwinden. Aber haltet Euch bereit, wie immer, falls ich Euch rufen lasse.«
Mit einem enttäuschten Zug um den Mund und einer unterwürfigen Verbeugung entfernte sich die schwarze Gestalt ebenso eilig, wie sie erschienen war.
Imbert wandte sich um und holte unter einem an der Wand stehenden, hölzernen Schreibpult einen unscheinbaren Leinensack hervor. Mit lauerndem Blick brachte er einen filigran gearbeiteten Frauenkopf aus reinem Silber zum Vorschein, der nur geringfügig kleiner war als ein echter menschlicher Kopf. Er stand auf einem kleinen Sockel, in den gut lesbar die Initialen CAPUT LVIII eingraviert waren.
»Mich interessiert weder, ob Ihr selbst gezeugte, frisch gebratene Neugeborene zum Abendmahl verspeist habt«, begann er in scharfem Ton, »noch, ob Eure Novizen ihre unkeuschen Schwänze in den Arsch des Meisters schieben mussten, bevor man sie selbst in einen weißen Mantel steckte.«
Für einen Moment weidete sich Imbert an dem bestürzten Blick der jungen Frau, die sich aufgerichtet hatte und nun zitternd auf ihren Fersen hockte.
»Ich weiß, dass Ihr etwas viel Interessanteres für mich bereithaltet.« Seine Stimme erhob sich in teuflischer Genugtuung. »Damit wir uns richtig verstehen. Mich interessiert weder Euer Gold, noch wo Ihr es versteckt habt. Das sollen andere herausfinden. Mich interessiert vielmehr, wo der Born Eures Wissens sprudelt.« Beinahe zärtlich strich er über das silbern schimmernde Gesichtchen. »Und ob dieses reizende Antlitz etwas damit zu tun hat.«
Unvermittelt setzte er die wissensdurstige Miene eines Gelehrten auf. »Warum, frage ich mich«, fuhr er mit dozierender Stimme fort, »finden wir beim Durchstöbern der Privatgemächer des Großmeisters der Templer in Paris einen silbernen Kopf, dessen nebulöse Existenz durch unzählige Verhöre geistert, darin versteckt eine Botschaft, die besagt: Geht zu H d O – nur er weiß, wie man die Stimme zum Sprechen bringt?«
Imbert lachte boshaft. »Ja, da schaut Ihr«, rief er und versah Henri d’Our mit einem triumphierenden Blick. »Wir sind in der Lage Eure geheimen Schriften zu dechiffrieren. Der Rest war ein Kinderspiel.« Wieder lachte er, diesmal leise und noch bösartiger. »Könnt Ihr mir verraten, warum diese drei Initialen nur auf einen einzigen Namen zutreffen, von den vielen, die wir in den ellenlangen Personallisten in der Ordensburg von Troyes gefunden haben?« Der Großinquisitor hielt inne. »Nämlich auf den Euren?«
D’Our blieb regungslos, bemüht darum, seinen Blick so klar zu halten wie reines Quellwasser.
»Was seid Ihr?«, fauchte Imbert ungehalten. »Ein Zauberer? Könnt Ihr dieses Ding hier zum Sprechen bringen?« Wie ein lauerndes Reptil näherte er sich seinem Opfer und ließ sich dazu herab, vor ihm in die Hocke zu gehen.
Dabei kam er d’Our so nahe, dass dessen bereits abgestumpfter Geruchssinn mühelos die unappetitliche Mischung aus fauligem Atem und teurem Parfüm wahrnehmen konnte.
»Wir haben Euren Großmeister verhört, vor vier Tagen in Corbeil«, resümierte Imbert in der ihm eigenen Selbstgefälligkeit.
Wohl eher unbeabsichtigt verriet er Henri d’Our damit, wo man das Oberhaupt der Templer zurzeit gefangen hielt.
»Auf dieses Phänomen hin angesprochen, behauptete Jacques de Molay, er sei nur ein einfacher Mann, der noch nicht einmal des Lesens und Schreibens mächtig sei, und er wisse nichts von einem Kopf, geschweige denn etwas von einem Zettel, den er zusammen mit diesem niedlichen Antlitz in das ihm völlig unbekannte Versteck gelegt haben sollte!« Imberts Stimme war immer lauter geworden, und sein ansonsten bleicher Schädel hatte vor lauter Wut die Farbe eines gekochten Hummers angenommen.
Unvermittelt heftig sprang er auf. »Wollt Ihr mich alle zum Narren halten?«
Voller Zorn warf er d’Our mit Schwung das Haupt zu, das der Komtur wegen seiner angeketteten Arme nicht auffangen konnte. So landete der kleine Kopf aus massivem Silber in d’Ours Schoß und traf dessen Hoden, die einzige Stelle seines Körpers, die man bis jetzt von den Folterungen ausgespart hatte.
Mit schmerzverzerrter Miene hielt d’Our für einen Moment die Luft an und schluckte anschließend verkrampft. Sein Mund war mit einem Mal trocken, und sein Blick wanderte unruhig hin und her, zwischen der vor ihm liegenden Frau und dem schwer gefolterten Francesco, für den er eine tiefe Verantwortung empfand.
Fieberhaft überlegte er, wie er sich aus dieser Falle herauswinden konnte. Er hatte einen minimalen Vorteil. Imbert wollte etwas von ihm, und zwar etwas, das er sich einiges kosten lassen würde. Bisher waren dessen Bemühungen nicht gerade von Erfolg gekrönt gewesen, und König Philipp würde die weitere Karriere seines Großinquisitors vermutlich von eben diesem Erfolg abhängig machen.
»Wenn Ihr mir einen Schluck Wasser geben wollt«, sagte d’Our mit einer Ruhe, die ihn selbst zum Erstaunen brachte, »dann könnte ich es mir in Eurem Sinne überlegen, mein Schweigen zu brechen.« Er senkte den Blick und versuchte anteilslos zu wirken. Imbert durfte auf keinen Fall bemerken, wie viel ihm am Leben des Jungen lag.
»Tut, was er verlangt«, sagte Imbert und wies den Kerkermeister mit einer Geste an, d’Our eine Kelle mit Wasser zu reichen.
Gierig trank er das kalte Nass, wie ein Kamel, das man wochenlang durch die Wüste getrieben hatte. Seine verbliebenen Zähne schmerzten grauenvoll, jedoch seine Gedanken klärten sich mit jedem Schluck, und seine Stimme klang fest und deutlich, als er fortfuhr.
»Ich sage Euch, was Ihr hören wollt«, begann er, und dabei schaute er den Großinquisitor von unten herauf mit einer unschuldigen Miene an. »Unter einer Bedingung.«
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Autoren-Porträt von Martina André
Martina André wurde 1961 in Bonn geboren. Der französisch klingende Nachname ist ein Pseudonym und stammt von ihrer Urgroßmutter, die hugenottische Wurzeln in die Familiengeschichte miteinbrachte. Martina André lebt heute mit ihrer Familie in der Nähe von Koblenz sowie in Edinburgh/Schottland, das ihr zur zweiten Heimat geworden ist. Im Aufbau Taschenbuch sind die Romane um Gero von Breydenbach "Das Rätsel der Templer", "Die Rückkehr der Templer", "Das Geheimnis des Templers", "Das Schicksal der Templer" und "Das Erbe der Templer" lieferbar. Außerdem sind lieferbar "Die Gegenpäpstin", "Schamanenfeuer. Das Geheimnis von Tunguska", "Die Teufelshure" und "Totentanz".Mehr Informationen zur Autorin unter www.martinaandre.com und https://www.facebook.com/Autorin.Martina.Andre/
Bibliographische Angaben
- Autor: Martina André
- 2012, 759 Seiten, Maße: 13,2 x 20,4 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Aufbau TB
- ISBN-10: 3746624983
- ISBN-13: 9783746624983
- Erscheinungsdatum: 22.01.2009
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