Das Schokoladenmädchen
Ende des 19. Jahrhunderts: Die junge Madeleine kommt als talentierte Konditorin nach Riga. Im Nu erobert sie mit ihren süßen Verführungen die Stadt und auch so manches Männerherz. Ihr eigenes Herz gehört einem jungen Adeligen. Wird sie ihn erobern?
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Produktinformationen zu „Das Schokoladenmädchen “
Ende des 19. Jahrhunderts: Die junge Madeleine kommt als talentierte Konditorin nach Riga. Im Nu erobert sie mit ihren süßen Verführungen die Stadt und auch so manches Männerherz. Ihr eigenes Herz gehört einem jungen Adeligen. Wird sie ihn erobern?
Lese-Probe zu „Das Schokoladenmädchen “
Das Schokoladenmädchen von Katryn Berlinger LESEPROBE Im Winde auf- und abschwebend, flogen Silbermöwen, Vorboten des heimatlichen Kontinents, dem Schiff entgegen. Neugierig umflatterten sie den Bug des deutschen Frachtdampfers Eleonora, der sich 1896 unter Führung von Kapitän Hilmar Pilar zügig der europäischen Küste näherte. Doch im Schiffsbauch, ohne Licht, ohne Frischluft, kämpfte die knapp achtzehnjährige Madelaine Elisabeth Gürtler mit jeder Seemeile gegen Seekrankheit und Albträume.
Wie mochte Alabaster aussehen? Madelaine delirierte seit Tagen. Trotz ihrer Übelkeit stellte sie sich weiße Blüten vor, so blendend weiß wie die in der chilenischen Sonne gleißenden Kristalle der Salpetersalze, die auf Ladebühnen in der Oficina, der verhassten Salpeterfabrik, zu riesigen Kegeln gehäuft wurden. Alabaster, umflort von einer selig machenden Kraft, die Wunden schloss, Schmerzen nahm und Trauer in Frohsinn wandelte. Madelaines Zähne knirschten, sie versuchte zu schlucken. Vage spürte sie den brackigen Lappen, den ihre Mutter ihr unters Kinn legte, und fühlte fiebernd die Nässe ihres verklebten Körpers. Doch die Erinnerungen drückten sie wie eine Ertrinkende zurück - in die Trauer um den toten Vater. Madelaines Seele war wund und flatterte wie ein verängstigter Vogel, der sich in einem fremden Haus verirrt hat.
Erst als die Eleonora sich der Küste des portugiesischen Festlands näherte, fiel sie in einen traumlosen Schlaf.
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Kapitän Hilmar Pilar betrachtete nachsinnend ein bauchiges weißgraues Wolkengebilde, das backbords seines Dampfschiffs auftauchte - rund wie die Großsegel eines Windjammers, in die der kräftige Wind blies, rund wie Busen und Hüften einer Frau. Pilar schnalzte mit der Zunge und rief sich Figur und Gesicht eines weiblichen Passagiers in Erinnerung, der tief unten im Bauch seines Schiffs auf den harten Pritschen des Zwischendecks lag, nur durch eine Bretterwand von der kostbaren Salpeterladung und den Edelhölzern getrennt.
Eine schmucke Deern, das ist sie, dachte er, mit Augen, dunkel und schimmernd wie Südseemuscheln, Lippen ..., er überlegte amüsiert, ... na ja, wie ein aufgeschlagener Granatapfel. Und unter den Lumpen ein Körper, der nach Zimt und Vanille duften könnte. Er runzelte die Stirn und fügte in Gedanken hinzu: Wenn sie gesund und sauber wäre ... das arme Ding! Kam schon schmutzig und unglücklich an Bord.
Steuerbordseitig lag nur wenige Seemeilen entfernt die nordspanische Küste. Die Fahrt von Chile, rund ums sturmgepeitschte Kap Hoorn, quer über den Atlantik war ohne Zwischenfälle verlaufen. Der Wind blies von Nordwest, und hätte er, Kapitän Pilar, noch wie früher einen schönen Windjammer unter den Füßen, hätte er ohne Probleme mit vollen Segeln in den Ärmelkanal einlaufen können. Doch die Zeit der stolzen Großsegler, die als Frachtschiffe eingesetzt waren, ging zu Ende. Dieses war nun schon die sechste Fahrt von Hamburg nach Valparaiso, und er hatte mehr und mehr Gefallen an diesem modernen, technisch aufgerüsteten Dampfschiff und seiner Geschwindigkeit gefunden.
Mit der messerscharfen Kante ihres begradigten Klipperbugs durchschnitt die Eleonora die leichte Dünung der See, volle Kraft voraus. Vor gut zwei Wochen hatte sie in Valparaiso, Chiles berühmtesten Hafen, Salpeter, Tropenhölzer, Kisten mit Zigarren und Zigaretten, Post und Pakete geladen. Seitdem war sie unterwegs, hatte nur kurz in Lissabon Anker geworfen und fuhr jetzt weiter gen Osten, Zielhafen Hamburg.
Die Mehrzahl der gut dreißig Erste-Klasse-Passagiere lagin Liegestühlen aus Teakholz auf dem Oberdeck und löffelte heiße Brühe. Es waren vornehmlich Techniker, Vertreter deutscher Handelshäuser, Kaufleute und höhere Beamte. Manche von ihnen kannte Kapitän Pilar von früheren Reisen. Allesamt eigentlich langweilige Leute. Interessanter waren da schon der Bankdirektor und der Naturforscher mit weißem Kakadu, am unterhaltsamsten aber war Urs Sprüngli, der Schweizer Konditor mit Hang zu Klavierspiel und flotten Liedern.
Alles ging seinen gewohnten Gang. Im Bauch der Eleonora fütterten Heizer in glühender Hitze die Kessel mit Kohle, und heißer Dampf trieb die malmenden Schiffsschrauben an. Der Rauch, der aus den beiden Schornsteinen qualmte, zerstob im Blaugrau des Himmels. Jedes Mal, wenn Krüger, der hagere Steward, seinen hölzernen Servierwagen über das Deck rollte, zog ein leichtes Zittern über die Planken. Sich bückend und verbeugend verteilte er die stärkende Suppe nebst Servietten und weißem Brot. Die Passagiere plauderten unter einer aufgezogenen Markise. In den Duft der Brühe mischte sich der würzige Rauch von Zigarren, die zwei beleibte Herren in schwarzem Anzug und Zylinder mittschiffs an der Reling schmauchten.
»Ein Fraß ist das, was der Engländer Cunard auf seinen Schiffen anbot«, empörte sich Christian Voith, Banker aus Hamburg. »Stellen Sie sich einmal vor, dunkelgelb gekochte Hammelkeule. Und als Dessert ein verdorbenes Mischmasch aus Äpfeln, Trauben und Orangen. Scheußlich, sage ich Ihnen, scheußlich! Aber die Zeiten haben sich geändert. «
»Zum Glück«, pflichtete ihm Werner Strauss, Maschinentechniker aus Dortmund, bei. »Und der Collins aus Amerika hat's ihm ja auch gegeben. Allein die Keller seiner Schiffe fassten schon vierzig Tonnen Eis. Buntglasfenster, Spiegel überall, Brocatelli-Marmor und das Schiffsinnere aus Steineiche, Rosen- und Atlasholz. Und nun ist er pleite. Vorbei der Prunk. Doch Sie haben recht, wie beim Essen so auch sonst - alles ändert sich. Vorbei die Zeit der Segler. Charlie Parsons Dampfturbine macht achtzehntausend Umdrehungen die Minute. Das gibt Kraft. Unsere Schiffe pflügen jetzt geradezu durch die Meere. Ohne Bugspriet, dafür mit stolzen Schornsteinen. «
»Albert Ballin bringt ja beides unter einen Hut, Sicherheit und Luxus. Und ein gutes Verhältnis zum Kaiser hat er auch.«
»Na ja, wo er doch seine Passagierschiffe mit Doppelschrauben ausrüstet und nach des Kaisers Gemahlin getauft hat - Auguste Victoria und Columbia. Der Kaiser soll sogar mehrmals im Jahr privat zum Essen zu Ballin ins Haus kommen. «
»Ein schlauer Fuchs ist er. Residiert im Schloss an der Elbe. Und auf der Auguste gibt es eine Rokokotreppe über zwei Decks. Stellen Sie sich mal vor, was das gekostet hat. Und dann noch sternförmige Lampen, die von vergoldeten Cherubim gehalten werden.«
»Wissen Sie, worauf ich jetzt Appetit habe? Auf Schildkrötensuppe, Truthahn in Austernsauce, Gans in Champagner und Mandelpudding.«
»Oh, gegen gekochten Barsch in Sauce hollandaise plus Apfelbeignets in Gelee und Johannisbeertörtchen hätte ich auch nichts einzuwenden.«
Die beiden Herren lachten und winkten einen wohl fünfzehnjährigen Schiffsjungen herbei. Barsch befahlen sie ihm, man möge ihnen einen Cognac bringen. Die Gläser kamen schnell. Rasch schoben die Herren ihren Zylinder in den Nacken und prosteten mit ausgestrecktem Arm dem Kapitän auf der Brücke zu. Pilar grüßte grimmig zurück. Noch mindestens vierzehn Jahre Seefahrt, dann würde auch er es sich gemütlich machen können. Plötzlich lauschte er. Tatsächlich, da spielte jemand im Salon Klavier. Er gab dem wachhabenden Offizier ein Zeichen und verließ die Kommandobrücke.
© Knaur Taschenbuch Verlag
Eine schmucke Deern, das ist sie, dachte er, mit Augen, dunkel und schimmernd wie Südseemuscheln, Lippen ..., er überlegte amüsiert, ... na ja, wie ein aufgeschlagener Granatapfel. Und unter den Lumpen ein Körper, der nach Zimt und Vanille duften könnte. Er runzelte die Stirn und fügte in Gedanken hinzu: Wenn sie gesund und sauber wäre ... das arme Ding! Kam schon schmutzig und unglücklich an Bord.
Steuerbordseitig lag nur wenige Seemeilen entfernt die nordspanische Küste. Die Fahrt von Chile, rund ums sturmgepeitschte Kap Hoorn, quer über den Atlantik war ohne Zwischenfälle verlaufen. Der Wind blies von Nordwest, und hätte er, Kapitän Pilar, noch wie früher einen schönen Windjammer unter den Füßen, hätte er ohne Probleme mit vollen Segeln in den Ärmelkanal einlaufen können. Doch die Zeit der stolzen Großsegler, die als Frachtschiffe eingesetzt waren, ging zu Ende. Dieses war nun schon die sechste Fahrt von Hamburg nach Valparaiso, und er hatte mehr und mehr Gefallen an diesem modernen, technisch aufgerüsteten Dampfschiff und seiner Geschwindigkeit gefunden.
Mit der messerscharfen Kante ihres begradigten Klipperbugs durchschnitt die Eleonora die leichte Dünung der See, volle Kraft voraus. Vor gut zwei Wochen hatte sie in Valparaiso, Chiles berühmtesten Hafen, Salpeter, Tropenhölzer, Kisten mit Zigarren und Zigaretten, Post und Pakete geladen. Seitdem war sie unterwegs, hatte nur kurz in Lissabon Anker geworfen und fuhr jetzt weiter gen Osten, Zielhafen Hamburg.
Die Mehrzahl der gut dreißig Erste-Klasse-Passagiere lagin Liegestühlen aus Teakholz auf dem Oberdeck und löffelte heiße Brühe. Es waren vornehmlich Techniker, Vertreter deutscher Handelshäuser, Kaufleute und höhere Beamte. Manche von ihnen kannte Kapitän Pilar von früheren Reisen. Allesamt eigentlich langweilige Leute. Interessanter waren da schon der Bankdirektor und der Naturforscher mit weißem Kakadu, am unterhaltsamsten aber war Urs Sprüngli, der Schweizer Konditor mit Hang zu Klavierspiel und flotten Liedern.
Alles ging seinen gewohnten Gang. Im Bauch der Eleonora fütterten Heizer in glühender Hitze die Kessel mit Kohle, und heißer Dampf trieb die malmenden Schiffsschrauben an. Der Rauch, der aus den beiden Schornsteinen qualmte, zerstob im Blaugrau des Himmels. Jedes Mal, wenn Krüger, der hagere Steward, seinen hölzernen Servierwagen über das Deck rollte, zog ein leichtes Zittern über die Planken. Sich bückend und verbeugend verteilte er die stärkende Suppe nebst Servietten und weißem Brot. Die Passagiere plauderten unter einer aufgezogenen Markise. In den Duft der Brühe mischte sich der würzige Rauch von Zigarren, die zwei beleibte Herren in schwarzem Anzug und Zylinder mittschiffs an der Reling schmauchten.
»Ein Fraß ist das, was der Engländer Cunard auf seinen Schiffen anbot«, empörte sich Christian Voith, Banker aus Hamburg. »Stellen Sie sich einmal vor, dunkelgelb gekochte Hammelkeule. Und als Dessert ein verdorbenes Mischmasch aus Äpfeln, Trauben und Orangen. Scheußlich, sage ich Ihnen, scheußlich! Aber die Zeiten haben sich geändert. «
»Zum Glück«, pflichtete ihm Werner Strauss, Maschinentechniker aus Dortmund, bei. »Und der Collins aus Amerika hat's ihm ja auch gegeben. Allein die Keller seiner Schiffe fassten schon vierzig Tonnen Eis. Buntglasfenster, Spiegel überall, Brocatelli-Marmor und das Schiffsinnere aus Steineiche, Rosen- und Atlasholz. Und nun ist er pleite. Vorbei der Prunk. Doch Sie haben recht, wie beim Essen so auch sonst - alles ändert sich. Vorbei die Zeit der Segler. Charlie Parsons Dampfturbine macht achtzehntausend Umdrehungen die Minute. Das gibt Kraft. Unsere Schiffe pflügen jetzt geradezu durch die Meere. Ohne Bugspriet, dafür mit stolzen Schornsteinen. «
»Albert Ballin bringt ja beides unter einen Hut, Sicherheit und Luxus. Und ein gutes Verhältnis zum Kaiser hat er auch.«
»Na ja, wo er doch seine Passagierschiffe mit Doppelschrauben ausrüstet und nach des Kaisers Gemahlin getauft hat - Auguste Victoria und Columbia. Der Kaiser soll sogar mehrmals im Jahr privat zum Essen zu Ballin ins Haus kommen. «
»Ein schlauer Fuchs ist er. Residiert im Schloss an der Elbe. Und auf der Auguste gibt es eine Rokokotreppe über zwei Decks. Stellen Sie sich mal vor, was das gekostet hat. Und dann noch sternförmige Lampen, die von vergoldeten Cherubim gehalten werden.«
»Wissen Sie, worauf ich jetzt Appetit habe? Auf Schildkrötensuppe, Truthahn in Austernsauce, Gans in Champagner und Mandelpudding.«
»Oh, gegen gekochten Barsch in Sauce hollandaise plus Apfelbeignets in Gelee und Johannisbeertörtchen hätte ich auch nichts einzuwenden.«
Die beiden Herren lachten und winkten einen wohl fünfzehnjährigen Schiffsjungen herbei. Barsch befahlen sie ihm, man möge ihnen einen Cognac bringen. Die Gläser kamen schnell. Rasch schoben die Herren ihren Zylinder in den Nacken und prosteten mit ausgestrecktem Arm dem Kapitän auf der Brücke zu. Pilar grüßte grimmig zurück. Noch mindestens vierzehn Jahre Seefahrt, dann würde auch er es sich gemütlich machen können. Plötzlich lauschte er. Tatsächlich, da spielte jemand im Salon Klavier. Er gab dem wachhabenden Offizier ein Zeichen und verließ die Kommandobrücke.
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Autoren-Porträt von Katryn Berlinger
Katryn Berlinger war mehrere Jahre lang Direktionsassistentin, bevor sie Literaturwissenschaft und Systematische Musikwissenschaft studierte. Nach dem Magister baute sie das Lektorat eines Schallplattenunternehmens in Hamburg auf. Einige Jahre spter tauschte sie dann den Beruf gegen ihre Familie ein. Heute lebt und arbeitet sie als Schriftstellerin in Norddeutschland. Ihr Roman "Das Schokoladenmädchen" war ein groer Erfolg.
Bibliographische Angaben
- Autor: Katryn Berlinger
- 2008, 1, 414 Seiten, Maße: 12,5 x 18,5 cm, Kartoniert (TB)
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3898978281
- ISBN-13: 9783898978286
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