Das Zirpen der Grillen
Eine rührende und wunderschöne Geschichte über die Hoffnung der Liebe und den Mut, Vergangenes loszulassen.
Reese lebt zurückgezogen am Lake Burton. Noch immer hat ihn die Erinnerung an seine über alles...
Leider schon ausverkauft
Buch
4.99 €
Produktdetails
Produktinformationen zu „Das Zirpen der Grillen “
Eine rührende und wunderschöne Geschichte über die Hoffnung der Liebe und den Mut, Vergangenes loszulassen.
Reese lebt zurückgezogen am Lake Burton. Noch immer hat ihn die Erinnerung an seine über alles geliebte Frau Emma nicht losgelassen. Als Reese der siebenjährigen Annie begegnet, versetzt es ihm einen Stich. Nicht nur, dass ihn die Kleine mit ihrem Limonadenverkauf anrührt. Viel mehr interessiert Reese die Narbe an Annies Brustkorb, die ihn an ein dunkles Geheimnis in seiner Vergangenheit erinnert. Und dann wird er vor eine schwere Entscheidung gestellt: Wird er sich trotz gebrochenem Herzen auf Annie und ihre faszinierende Tante Cindy einlassen?
Lese-Probe zu „Das Zirpen der Grillen “
Das Zirpen der Grillen von Charles Martin Kapitel 1 Sie war klein für ihr Alter. Vermutlich war sie sechs, vielleicht sogar sieben Jahre alt, doch sie sah eher aus wie vier oder fünf. Das Herz eines Wildfangs im Körper einer Porzellanpuppe. In ihrem kurzen gelben Kleid, den weißen Lackschühchen und dem Strohhut, von dessen Krempe ein gelbes Band herunterbaumelte, das bis zu ihrer Taille reichte, wirkte sie blass und dünn. Doch sie hüpfte lebhaft herum und zog die Aufmerksamkeit auf sich. Ihr Stand befand sich mitten in der Stadt, an der nordwestlichen Kreuzung der Hauptstraße mit der Savannah Street. So laut sie konnte rief sie: „Limonaaaaaaade! Limonaaaaaaade, nur fünfzig Cents!" Aufmerksam behielt sie den Bürgersteig und die Fußgänger im Blick, aber da sich augenscheinlich niemand für ihr Angebot interessierte, reckte sie den Hals, stellte sich auf die Zehenspitzen, legte die Hände an den Mund und rief noch einmal. „Limonaaaaaaade! Limonaaaaaaade, nur fünfzig Cents!"
... mehr
Der Limonadenstand war schon ziemlich ramponiert und sah so aus, als ob er in aller Eile zusammengezimmert worden sei. Vier Kanthölzer und eine Sperrholzplatte bildeten den Tisch. Hinter ihm ragten zwei Pfosten ungefähr zwei Meter in die Höhe, zwischen die ein Transparent gespannt worden war. Jemand hatte das ganze Gestell gelb angesprüht. Auf dem Transparent stand in großen Buchstaben LIMONADE — 50 CENTS — KOSTENLOSES NACHSCHENKEN. Doch der Blickfang war weder der Tisch, das Plakat oder die riesige gelbe Thermoskanne, in der die Limonade kühl gehalten wurde, noch das Mädchen, sondern der Plastikbehälter, der unter dem Tisch stand. Ein Wasserkanister mit einem Fassungsvermögen von 20 Litern — ihr persönlicher Wunschbrunnen, in den offensichtlich die ganze Stadt ihr Kleingeld und ihre stillen Gebete einwarf.
Ich blieb stehen und beobachtete eine ältere Frau, die mit einem Sonnenschirm aus Spitze in der Hand die Hauptstraße überquerte und zwei Vierteldollarstücke in den Styroporbecher auf dem Tisch fallen ließ.
„Vielen Dank, Annie", raunte sie dem Kind zu, als sie den bis an den Rand gefüllten Becher aus den ausgestreckten kleinen Kinderhänden entgegennahm.
„Bitte schön, Miss Blakely. Ihr Sonnenschirm ist sehr hübsch." Eine sanfte Brise strich über den Bürgersteig hinweg, spielte mit den gelben Bändern auf dem Rücken des kleinen Mädchens und trug seine klare, unschuldige Stimme über die Straße.
Miss Blakely schnalzte mit der Zunge und fragte: „Fühlst du dich wieder besser, mein Kind?"
Das Mädchen blickte zu ihr hoch. „Ja, Madam, ganz bestimmt."
Miss Blakely führte den Becher an die Lippen, und die kleine Limonadenverkäuferin wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Straße zu. „Limonaaaaaaade! Limonaaaaaaaade, fünfzig Cents!" Ihr Südstaatenakzent war spritzig süß, weich und zugleich kratzend. Er war so niedlich, so typisch kleines Mädchen und zog die Aufmerksamkeit ebenso unweigerlich auf sich wie das Feuerwerk am 4. Juli.
Ich konnte es nicht mit hundertprozentiger Gewissheit erkennen, aber nachdem Miss Blakely ihren Becher abgestellt und dem Kind zugenickt hatte, warf sie einen Schein in den Plastikkanister zu ihren Füßen, der aussah wie eine Zwanzig-Dollar-Note.
Das musste ja eine unglaubliche Limonade sein.
Das Geschäft des kleinen Mädchens lief scheinbar ziemlich gut. In dem 20-Liter-Kanister lag ein riesiger Berg Geldscheine, und doch schien sich niemand Sorgen zu machen, dass ihm Beine wachsen könnten, am wenigsten das kleine Mädchen. Abgesehen von dem Transparent, auf dem die Limonade angepriesen wurde, gab es keine Handzettel und auch sonst keine Erklärung. Offensichtlich war das nicht nötig. So ist das eben in Kleinstädten. Alle wissen Bescheid. In diesem Fall, alle außer mir.
Früher an diesem Morgen hatten Charlie — mein Nachbar von der anderen Seite der Bucht und früherer Schwager — und ich begonnen, das Mahagonideck einer 1947er Greavette abzuschmirgeln, als uns das Schmirgelpapier und der Bootslack ausgingen. Wir warfen eine Münze, und ich verlor. Also fuhr ich in die Stadt, während Charlie sich am Bootssteg vergnügte und den kreischenden Mädchen in Bikinis hinterherpfiff, die auf Jetskis vorbeisausten. Charlie fährt eigentlich nie Auto, aber da er gern wettet, bestand er darauf, dass wir eine Münze warfen. Ich verlor.
Die Fahrt an diesem Tag war wegen der Tageszeit so ungewöhnlich. Vormittags, wenn sich so viele Menschen auf den Bürgersteigen drängen, weil sie gerade auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Heimweg sind, meide ich die Stadt normalerweise tunlichst. Eigentlich komme ich überhaupt nur selten in die Stadt. Ich mache meist einen weiten Bogen um sie und fahre in eine der Nachbarstädte. Alle paar Monate wechsle ich die Lebensmittel- und Haushaltswarenläden. Ich bin nirgendwo Stammkunde.
Wenn ich doch einmal hierher komme, dann in der Regel am späten Nachmittag, fünfzehn Minuten vor Ladenschluss, gekleidet wie ein Einheimischer in ausgeblichenen Jeans und mit einer Baseballkappe auf dem Kopf, die für elektrisches Werkzeug oder landwirtschaftliche Geräte wirbt. Ich parke immer hinter dem Laden, ziehe mir meine Kappe tief ins Gesicht, schlage den Kragen hoch und hefte meinen Blick auf den Boden. Ich schlüpfe in den Laden, hole mir, was ich brauche, und verschwinde wieder. Während ich im Geschäft bin, verschmelze ich regelrecht mit der Einrichtung und mache mich so unsichtbar wie möglich. Charlie nennt das verdecktes Einkaufen. Ich nenne es Leben.
Mike Hammermill, ein pensionierter Fabrikant aus Macon, hatte Charlie und mir den Auftrag erteilt, seine 1947er Greavette für die in diesem Jahr zum zehnten Mal am Lake Burton stattfindende Ausstellung antiker und klassischer Boote fitzumachen. Das war unsere dritte Möglichkeit in genauso vielen Jahren, die Jungs von der Blue Ridge Bootswerft zu übertrumpfen. Doch dafür brauchten wir dringend das Schmirgelpapier. Seit fast zehn Monaten arbeiteten wir bereits an der Greavette. Jetzt, einen Monat vor der Ausstellung, war die Fertigstellung endlich in Sicht. Allerdings mussten wir noch die Steuerung mit dem Bootswendegetriebe verbinden und acht Schichten Bootslack auf das Deck und die Bodenplanken auftragen, bevor das Schiff so weit war, dass es zu Wasser gelassen werden konnte.
Mit trockenem Mund und zunehmend neugierig überquerte ich die Straße und warf fünfzig Cents in den Becher. Das Mädchen drückte seine kleinen Finger so fest und lange auf die Pumpe der Thermoskanne, dass die Knöchel schließlich weiß hervortraten und seine Hand zu zittern begann. Die Kleine überreichte mir einen Becher frisch gepresster Limonade, in der jede Menge Fruchtfleisch und Zucker schwammen.
„Vielen Dank", sagte ich.
„Ich heiße Annie", stellte sie sich vor. Sie schob einen Fuß hinter den anderen und knickste tief. „Annie Stephens."
Ich nahm den Becher in die andere Hand, schlug die Hacken zusammen und erwiderte: „Dank für die Ablösung! 's ist bitter kalt, und mir ist schlimm zumut."
Sie lachte. „Hast du dir das gerade ausgedacht?"
„Nein." Ich schüttelte den Kopf. „Ein Mann namens Shakespeare hat das geschrieben, in einer Geschichte mit dem Titel Hamlet." Während die meisten meiner Freunde sich Fernsehserien wie Die Waltons oder Drei Engel für Charlie ansahen, verbrachte ich einen großen Teil meiner Kindheit mit Lesen. Bis heute besitze ich keinen Fernseher, und so kommt es, dass sich viele längst verstorbene Schriftsteller in meinem Kopf tummeln und mir ihre Worte einflüstern.
Ich lüpfte meine Kappe und reichte ihr die Hand. „Reese. Ich heiße Reese."
Mein Schatten fiel über den Bürgersteig und schützte die Augen
der Kleinen vor der Sonne, die jetzt am späten Vormittag schon ziemlich hoch stand und immer wärmer wurde.
Sie überlegte einen Augenblick. „Reese ist ein guter Name."
Dann bemerkte sie, dass ein Mann mit zwei Einkaufstüten in der Hand den Bürgersteig entlanghastete. Schnell drehte das Kind sich um und rief so laut, dass die Menschen drei Straßenzüge entfernt es noch hören konnten: „Limonaaaaaaade!"
Der Mann nickte und sagte freundlich: „Morgen, Annie. Bin gleich zurück."
Sie wandte sich wieder mir zu. „Das ist Mr Potter. Er arbeitet hier unten. Er mag seine Limonade mit extra viel Zucker, aber bei ihm ist es anders als bei einigen anderen meiner Kunden. Manche brauchen mehr Zucker, weil sie selbst nicht besonders süß sind." Sie lachte über ihren eigenen Scherz.
„Stehst du jeden Tag hier?", fragte ich zwischen zwei Schlucken. Eines hatte ich im Laufe der Zeit gelernt, und zwar, die richtigen Fragen zu stellen. Die Art von Fragen, die den Sachverhalt, der einen tatsächlich interessierte, lediglich streiften, aber nicht direkt ansprachen. Wenn man genug solche Fragen stellte, bekam man fast immer die Information, die man erhalten wollte. Man musste nur wissen, was man fragen sollte und wann der richtige Zeitpunkt gekommen war, und vor allem, wie man ein nettes Gespräch in Gang brachte.
„Außer am Sonntag, wenn Cici die lebenden Köder drüben in Butch's Angelshop verkauft. An den anderen sechs Tagen arbeitet sie da drüben."
Sie deutete auf den Eisenwarenladen, in dem eine blonde Frau mit dem Rücken zu uns an der Kasse stand und die Einkäufe eines Kunden eintippte. Die Frau musste sich nicht umdrehen, um uns zu sehen. An der Wand gegenüber von ihrer Kasse hing ein riesiger Spiegel, der ihr genau zeigte, was am Limonadenstand vor sich ging. Auf diese Weise konnte sie Annie die ganze Zeit über im Auge behalten.„Cici?"
Das Mädchen lächelte und deutete erneut zu dem Laden hinüber.
Copyright © 2006 by Charles Martin
German © 2010/2008 by Verlag der Francke-Buchhandlung GmbH
Übersetzung:»Kathrin Schultheis«
Ich blieb stehen und beobachtete eine ältere Frau, die mit einem Sonnenschirm aus Spitze in der Hand die Hauptstraße überquerte und zwei Vierteldollarstücke in den Styroporbecher auf dem Tisch fallen ließ.
„Vielen Dank, Annie", raunte sie dem Kind zu, als sie den bis an den Rand gefüllten Becher aus den ausgestreckten kleinen Kinderhänden entgegennahm.
„Bitte schön, Miss Blakely. Ihr Sonnenschirm ist sehr hübsch." Eine sanfte Brise strich über den Bürgersteig hinweg, spielte mit den gelben Bändern auf dem Rücken des kleinen Mädchens und trug seine klare, unschuldige Stimme über die Straße.
Miss Blakely schnalzte mit der Zunge und fragte: „Fühlst du dich wieder besser, mein Kind?"
Das Mädchen blickte zu ihr hoch. „Ja, Madam, ganz bestimmt."
Miss Blakely führte den Becher an die Lippen, und die kleine Limonadenverkäuferin wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Straße zu. „Limonaaaaaaade! Limonaaaaaaaade, fünfzig Cents!" Ihr Südstaatenakzent war spritzig süß, weich und zugleich kratzend. Er war so niedlich, so typisch kleines Mädchen und zog die Aufmerksamkeit ebenso unweigerlich auf sich wie das Feuerwerk am 4. Juli.
Ich konnte es nicht mit hundertprozentiger Gewissheit erkennen, aber nachdem Miss Blakely ihren Becher abgestellt und dem Kind zugenickt hatte, warf sie einen Schein in den Plastikkanister zu ihren Füßen, der aussah wie eine Zwanzig-Dollar-Note.
Das musste ja eine unglaubliche Limonade sein.
Das Geschäft des kleinen Mädchens lief scheinbar ziemlich gut. In dem 20-Liter-Kanister lag ein riesiger Berg Geldscheine, und doch schien sich niemand Sorgen zu machen, dass ihm Beine wachsen könnten, am wenigsten das kleine Mädchen. Abgesehen von dem Transparent, auf dem die Limonade angepriesen wurde, gab es keine Handzettel und auch sonst keine Erklärung. Offensichtlich war das nicht nötig. So ist das eben in Kleinstädten. Alle wissen Bescheid. In diesem Fall, alle außer mir.
Früher an diesem Morgen hatten Charlie — mein Nachbar von der anderen Seite der Bucht und früherer Schwager — und ich begonnen, das Mahagonideck einer 1947er Greavette abzuschmirgeln, als uns das Schmirgelpapier und der Bootslack ausgingen. Wir warfen eine Münze, und ich verlor. Also fuhr ich in die Stadt, während Charlie sich am Bootssteg vergnügte und den kreischenden Mädchen in Bikinis hinterherpfiff, die auf Jetskis vorbeisausten. Charlie fährt eigentlich nie Auto, aber da er gern wettet, bestand er darauf, dass wir eine Münze warfen. Ich verlor.
Die Fahrt an diesem Tag war wegen der Tageszeit so ungewöhnlich. Vormittags, wenn sich so viele Menschen auf den Bürgersteigen drängen, weil sie gerade auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Heimweg sind, meide ich die Stadt normalerweise tunlichst. Eigentlich komme ich überhaupt nur selten in die Stadt. Ich mache meist einen weiten Bogen um sie und fahre in eine der Nachbarstädte. Alle paar Monate wechsle ich die Lebensmittel- und Haushaltswarenläden. Ich bin nirgendwo Stammkunde.
Wenn ich doch einmal hierher komme, dann in der Regel am späten Nachmittag, fünfzehn Minuten vor Ladenschluss, gekleidet wie ein Einheimischer in ausgeblichenen Jeans und mit einer Baseballkappe auf dem Kopf, die für elektrisches Werkzeug oder landwirtschaftliche Geräte wirbt. Ich parke immer hinter dem Laden, ziehe mir meine Kappe tief ins Gesicht, schlage den Kragen hoch und hefte meinen Blick auf den Boden. Ich schlüpfe in den Laden, hole mir, was ich brauche, und verschwinde wieder. Während ich im Geschäft bin, verschmelze ich regelrecht mit der Einrichtung und mache mich so unsichtbar wie möglich. Charlie nennt das verdecktes Einkaufen. Ich nenne es Leben.
Mike Hammermill, ein pensionierter Fabrikant aus Macon, hatte Charlie und mir den Auftrag erteilt, seine 1947er Greavette für die in diesem Jahr zum zehnten Mal am Lake Burton stattfindende Ausstellung antiker und klassischer Boote fitzumachen. Das war unsere dritte Möglichkeit in genauso vielen Jahren, die Jungs von der Blue Ridge Bootswerft zu übertrumpfen. Doch dafür brauchten wir dringend das Schmirgelpapier. Seit fast zehn Monaten arbeiteten wir bereits an der Greavette. Jetzt, einen Monat vor der Ausstellung, war die Fertigstellung endlich in Sicht. Allerdings mussten wir noch die Steuerung mit dem Bootswendegetriebe verbinden und acht Schichten Bootslack auf das Deck und die Bodenplanken auftragen, bevor das Schiff so weit war, dass es zu Wasser gelassen werden konnte.
Mit trockenem Mund und zunehmend neugierig überquerte ich die Straße und warf fünfzig Cents in den Becher. Das Mädchen drückte seine kleinen Finger so fest und lange auf die Pumpe der Thermoskanne, dass die Knöchel schließlich weiß hervortraten und seine Hand zu zittern begann. Die Kleine überreichte mir einen Becher frisch gepresster Limonade, in der jede Menge Fruchtfleisch und Zucker schwammen.
„Vielen Dank", sagte ich.
„Ich heiße Annie", stellte sie sich vor. Sie schob einen Fuß hinter den anderen und knickste tief. „Annie Stephens."
Ich nahm den Becher in die andere Hand, schlug die Hacken zusammen und erwiderte: „Dank für die Ablösung! 's ist bitter kalt, und mir ist schlimm zumut."
Sie lachte. „Hast du dir das gerade ausgedacht?"
„Nein." Ich schüttelte den Kopf. „Ein Mann namens Shakespeare hat das geschrieben, in einer Geschichte mit dem Titel Hamlet." Während die meisten meiner Freunde sich Fernsehserien wie Die Waltons oder Drei Engel für Charlie ansahen, verbrachte ich einen großen Teil meiner Kindheit mit Lesen. Bis heute besitze ich keinen Fernseher, und so kommt es, dass sich viele längst verstorbene Schriftsteller in meinem Kopf tummeln und mir ihre Worte einflüstern.
Ich lüpfte meine Kappe und reichte ihr die Hand. „Reese. Ich heiße Reese."
Mein Schatten fiel über den Bürgersteig und schützte die Augen
der Kleinen vor der Sonne, die jetzt am späten Vormittag schon ziemlich hoch stand und immer wärmer wurde.
Sie überlegte einen Augenblick. „Reese ist ein guter Name."
Dann bemerkte sie, dass ein Mann mit zwei Einkaufstüten in der Hand den Bürgersteig entlanghastete. Schnell drehte das Kind sich um und rief so laut, dass die Menschen drei Straßenzüge entfernt es noch hören konnten: „Limonaaaaaaade!"
Der Mann nickte und sagte freundlich: „Morgen, Annie. Bin gleich zurück."
Sie wandte sich wieder mir zu. „Das ist Mr Potter. Er arbeitet hier unten. Er mag seine Limonade mit extra viel Zucker, aber bei ihm ist es anders als bei einigen anderen meiner Kunden. Manche brauchen mehr Zucker, weil sie selbst nicht besonders süß sind." Sie lachte über ihren eigenen Scherz.
„Stehst du jeden Tag hier?", fragte ich zwischen zwei Schlucken. Eines hatte ich im Laufe der Zeit gelernt, und zwar, die richtigen Fragen zu stellen. Die Art von Fragen, die den Sachverhalt, der einen tatsächlich interessierte, lediglich streiften, aber nicht direkt ansprachen. Wenn man genug solche Fragen stellte, bekam man fast immer die Information, die man erhalten wollte. Man musste nur wissen, was man fragen sollte und wann der richtige Zeitpunkt gekommen war, und vor allem, wie man ein nettes Gespräch in Gang brachte.
„Außer am Sonntag, wenn Cici die lebenden Köder drüben in Butch's Angelshop verkauft. An den anderen sechs Tagen arbeitet sie da drüben."
Sie deutete auf den Eisenwarenladen, in dem eine blonde Frau mit dem Rücken zu uns an der Kasse stand und die Einkäufe eines Kunden eintippte. Die Frau musste sich nicht umdrehen, um uns zu sehen. An der Wand gegenüber von ihrer Kasse hing ein riesiger Spiegel, der ihr genau zeigte, was am Limonadenstand vor sich ging. Auf diese Weise konnte sie Annie die ganze Zeit über im Auge behalten.„Cici?"
Das Mädchen lächelte und deutete erneut zu dem Laden hinüber.
Copyright © 2006 by Charles Martin
German © 2010/2008 by Verlag der Francke-Buchhandlung GmbH
Übersetzung:»Kathrin Schultheis«
... weniger
Bibliographische Angaben
- Autor: Charles Martin
- 381 Seiten, Maße: 13,4 x 19,2 cm, Gebunden
- Verlag: Francke-Buchhandlung GmbH
- ISBN-10: 3868271309
- ISBN-13: 9783868271300
Kommentar zu "Das Zirpen der Grillen"
0 Gebrauchte Artikel zu „Das Zirpen der Grillen“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
2 von 5 Sternen
5 Sterne 0Schreiben Sie einen Kommentar zu "Das Zirpen der Grillen".
Kommentar verfassen