Dead or Alive
Roman
Terror - der Krieg im Geheimen
Der Terrorismus hat eine neue Stufe erreicht. Mit modernster Technologie bedroht er die gesamte zivilisierte Welt. Jack Ryan und John Clark sind die Einzigen, die die Welt retten könnten. Doch...
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Buch
22.99 €
Produktdetails
Produktinformationen zu „Dead or Alive “
Terror - der Krieg im Geheimen
Der Terrorismus hat eine neue Stufe erreicht. Mit modernster Technologie bedroht er die gesamte zivilisierte Welt. Jack Ryan und John Clark sind die Einzigen, die die Welt retten könnten. Doch dafür müssen sie einen ganz bestimmten, gefährlichen Killer jagen, der sich "der Emir" nennt. Und dabei ist es egal, ob tot oder lebendig.
Wird ihnen das gelingen?
Klappentext zu „Dead or Alive “
Der "Krieg gegen den Terrorismus" ist weit von einem Sieg entfernt, doch scheint dieser Kampf für US-Präsident Kealty, den Nachfolger von Jack Ryan im Oval Office, keine Priorität zu besitzen. Der "Emir", ein weltweit vernetzter Terrorist, der hinter den schändlichsten Terroranschlägen auf die westliche Welt steckt, konnte trotz vereinten internationalen Bemühungen bislang nicht dingfest gemacht werden. Und er plant weitere perfide Anschläge, die Amerika destabilisieren und das Grauen vom 11. September noch übertreffen sollen. Jetzt ist ihm der "Campus", eine geheime Antiterroreinheit, auf der Spur. Im Verein mit den Neuzugängen John Clark und Ding Chavez erhält Jack Ryan jr. den Auftrag, den Emir herbeizuschaffen tot oder lebendig ...
"Fesselnd bis zur letzten Seite und Blockbuster-Literatur in bester Tradition." -- Bild am Sonntag
Lese-Probe zu „Dead or Alive “
Dead or Alive von Tom Clancy1
... mehr
Die Soldaten leichter Einheiten - gemäß des MOS-Systems der US-Army ist das Eleven-Bravo leichte Infanterie - sollen wie geleckt aussehen, makellose Uniformen tragen und glatt rasiert sein. Hauptfeldwebel Sam Driscoll entsprach diesem Bild nicht und das bereits seit einiger Zeit. Zu einer Tarnung gehört eben oft mehr als eine mustergültige BDU (Battle Dress Uniform). Ach nein, so heißen sie ja nicht mehr, oder? Neuerdings werden sie »Army-Kampfanzüge«, also ACU (Army Combat Uniform) genannt. Genau dasselbe, genau dasselbe.
Driscolls Bart war gut zehn Zentimeter lang und so grau meliert, dass seine Männer ihn Santa Claus nannten - äußerst ärgerlich für einen Mann, der gerade 36 Jahre alt war, aber da die meisten seiner Landsleute mindestens zehn Jahre jünger waren ... Nun ja, es hätte schlimmer kommen können, wenn sie ihn »Grandpa« genannt hätten.
Sein langes Haar ärgerte ihn erheblich mehr. Es war dunkel, ungepflegt und fettig, und sein Bart war verwahrlost. Hier war es jedoch für seine Tarnung wichtig, einen Bart zu tragen, und die Einheimischen kümmerten sich nicht um Haarschnitte. Auch hatten er und seine fünfzehn Männer sich wie Einheimische gekleidet. Ihr Kompaniechef, ein Captain, war ausgerutscht und hatte sich das Bein gebrochen - in dieser Gegend reichte das schon, außer Gefecht gesetzt zu werden -, und jetzt wartete er auf einem Hügel auf den Chinook-Hubschrauber, um sich mit einem der beiden Sanitäter evakuieren zu lassen. Der Sanitäter war bei ihm geblieben, um zu verhindern, dass er auch noch in einen Schockzustand fiel. Jetzt hatte Driscoll das Kommando für diesen Einsatz, was ihm nichts ausmachte. Er hatte mehr Fronterfahrung als Captain Wilson, obwohl der Captain einen Hochschulabschluss hatte, der Driscoll noch fehlte. Alles zu seiner Zeit. Erst einmal musste er diesen Einsatz überleben, bevor er wieder die Schulbank an der University von Georgia drücken konnte. Es ist schon komisch, dachte er, dass er fast drei Jahrzehnte gebraucht hatte, um endlich Lust aufs Studieren zu bekommen. Immerhin besser als nie, fand er.
Er war müde. Es war diese die Sinne betäubende Schläfrigkeit, welche die Rangers ständig begleitete. Er konnte tief und fest mit seinem Gewehrkolben als Kopfkissen auf einem Granitfelsen schlafen oder wachsam auf der Hut bleiben, während sein Hirn und sein Körper rebellierten und ihn um Schlaf anflehten. Sein Körper beschwerte sich einfach jetzt, da er seinem vierzigsten Geburtstag näher war als dem dreißigsten, sehr viel mehr, als er es noch vor zehn Jahren getan hatte, und Driscoll brauchte morgens doppelt so lange, um in die Gänge zu kommen. Andererseits wogen seine Weisheit und Erfahrungen diese Schmerzen auf. Er hatte im Laufe der Jahre gelernt, dass der Geist die Materie beherrscht, auch wenn das ein abgegriffenes Klischee war. Und er hatte gelernt, seine Schmerzen auszublenden, was ihm sehr zugute kam, wenn er jüngere Männer führte, auf deren Schultern sich der Rucksack viel leichter anfühlte als auf den seinen. Das ganze Leben bestand aus Kompromissen, sagte er sich.
Sie bewegten sich jetzt seit zwei Tagen durch diese Hügel und bekamen nachts nur zwei bis drei Stunden Schlaf. Er gehörte zum Team für Spezialeinsätze des 75th Ranger Regiment, das fest in Fort Benning, Georgia, stationiert war. Dort hatten sie ein schönes Unteroffizierskasino, in dem es leckeres, frisch gezapftes Bier gab. Wenn er die Augen schloss und sich konzentrierte, konnte er das herbe Bier noch immer schmecken, doch dieser Augenblick verflog viel zu schnell wieder. Hier musste er immer, jede Sekunde einen klaren Kopf bewahren. Sie befanden sich 15 000 Fuß über dem Meeresspiegel, in den Bergen des Hindukusch, in dieser Steinwüste, die gleichzeitig zu Afghanistan und Pakistan gehörte - in den Augen der Einheimischen war das Gebiet Niemandsland.
Driscoll wusste, dass die auf den Karten verzeichneten Linien besonders in indischen Gebieten wie diesem nicht mit dem Grenzverlauf übereinstimmten. Hin und wieder kontrollierte er seine GPS-Geräte, um seine genaue Position festzustellen, doch im Grunde waren bei dieser Mission weder Breiten- noch Längengrade von Bedeutung. Wichtig war nur das Ziel, das sie anpeilten, unabhängig von den Koordinaten, anhand deren es auf der Landkarte verzeichnet war.
Die einheimische Bevölkerung verstand nicht viel von Landesgrenzen und schenkte ihnen allenfalls minimale Beachtung. Für die Einheimischen war nur von Bedeutung, welchem Volksstamm sie angehörten, in welche Familie sie geboren waren und welcher Spielart des muslimischen Glaubens sie anhingen. Hier hatten Erinnerungen hundert Jahre lang Bestand, Geschichten mehr als das - und die alten gehegten Feindseligkeiten noch viel länger. Die Einheimischen prahlten immer noch stolz damit, dass ihre Vorfahren Alexander den Großen aus ihrem Land vertrieben hatten, und manch einer konnte noch jederzeit die Namen aller Krieger auflisten, welche die bis dahin unbesiegbaren makedonischen Lanzenmänner das Fürchten gelehrt hatten. Am liebsten sprachen sie jedoch von den Russen und darüber, wie viele sie getötet hatten. Die meisten hatten sie aus dem Hinterhalt erschossen, andere Auge in Auge erstochen. Wenn sie sich diese Geschichten, diese beharrlich von Vätern an Söhne überlieferten Legenden grinsend erzählten, lachten sie aus vollem Halse. Driscoll war sich jedoch sicher, dass die russischen Soldaten, die Afghanistan überlebt hatten, über ihre Erfahrungen nicht lachen konnten. Nein, die Leute hier waren ganz und gar nicht nett, das war ihm klar. Sie waren erschreckend brutal. Wetter, Krieg und Hunger hatten sie abgehärtet, und sie versuchten einfach nur in einem Land zu überleben, das alles daranzusetzen schien, möglichst viele seiner Einwohner umzubringen. Driscoll wusste, er sollte für diese Menschen Mitleid empfinden. Gott hatte ihnen einfach übel mitgespielt, und daran trugen sie wahrscheinlich keine Schuld, aber Driscoll eben auch nicht, und außerdem ging ihn das alles nichts an. Sie waren schlicht Feinde seines Landes, dessen Machthaber ihm und seinen Männern den Marschbefehl gegeben hatten, und jetzt waren sie da. Das war alles und der einzige Grund, warum er in diesen gottverdammten Bergen herumkroch.
Ein weiterer Grund war dieser Bergrücken. Seit sie aus dieser Deltaversion des Boeing CH-47 Chinook gesprungen waren - übrigens der einzige zur Verfügung stehende Hubschrauber, der in dieser Höhe eingesetzt werden konnte -, waren sie bereits fünfzehn Kilometer über spitze Felsen und Geröll hinaufgestürmt.
Da ... der Kamm. Noch fünfzig Meter.
Driscoll verlangsamte das Tempo. Er führte den Spähtrupp als Stabsunteroffizier (Senior NCO) an, während seine für solche Einsätze ausgebildeten Männer sich auf etwa hundert Meter hinter ihm verteilten. Alarmbereit ließen sie die Blicke nach rechts und links, nach oben und unten schweifen und hielten ihre M4-Sturmgewehre kampfbereit im Anschlag. Sie rechneten damit, dass auf dem Kamm Wachposten stationiert waren. Die Einheimischen hatten zwar keine militärische Ausbildung, aber sie waren keineswegs dumm. Darum führten die Ranger diese Operation in der Nacht durch - 01:44 zeigte seine Digitaluhr. Die dicken, hoch stehenden Wolken sorgten dafür, dass weder Mond noch Sterne sie beleuchten konnten. Ideales Wetter zum Jagen, dachte er.
Sein Augenmerk war mehr nach unten als nach oben gerichtet, denn er wollte jedes Geräusch vermeiden, das er mit den Füßen verursachen könnte. Ein einziger losgetretener Stein, der den Hang runterrollte, konnte sie alle verraten. Und das durfte nicht passieren. Damit wären die drei Tage und die fünfzehn Kilometer, die sie ihrem Ziel so nahe gebracht hatten, umsonst gewesen.
Noch zwanzig Meter zum Kamm. Sechzig Fuß.
Mit den Augen suchte er die Kammlinie nach einer Bewegung ab. Nichts. Noch ein paar Schritte, Augen nach links und rechts, seinen schallgedämpften Karabiner fest an die Brust gedrückt und im Anschlag, den Finger leicht auf dem Abzugsbügel ruhend, damit er sofort schussbereit war.
Außenstehenden wäre nur schwer zu erklären, wie schwierig und ermüdend dies alles war und wie viel Kraft es kostete - sehr viel mehr als ein normaler fünfzehn Kilometer langer Marsch durch Wälder. Und das alles in dem Bewusstsein, jederzeit auf jemanden stoßen zu können, der seinen Finger auf dem Abzug einer auf Dauerfeuer stehenden AK 47 Kalaschnikow hatte, um dir den Arsch zu vierteilen. Seine Männer würden sich um so jemanden kümmern, aber Driscoll wusste, dass ihm das auch nicht mehr helfen würde. Er tröstete sich damit, dass er das in solch einem Fall auch nicht mehr mitkriegen würde. Er hatte genug Feinde getötet, um zu wissen, wie das ging: Man machte gerade noch einen Schritt mit lauernden Augen und Ohren ... und dann nichts mehr. Tot.
Driscoll wusste, welche Regeln hier draußen in den Badlands mitten in der Nacht herrschten: Langsam ist schnell. Langsame Bewegungen und vorsichtige Schritte. Das hatte ihn in all diesen Jahren am Leben erhalten.
Erst vor sechs Monaten hatte er bei der Endausscheidung der besten Spezialeinsatzteams als Dritter abgeschnitten. Eigentlich waren Driscoll und Captain Wilson als Team 21 eingeteilt worden. Aber dann war Wilson mit einem gebrochenen Bein angepisst worden. Er war eigentlich ein ziemlich guter Ranger, dachte Driscoll, aber ein gebrochenes Schienbein war nun mal ein gebrochenes Schienbein. Wenn ein Knochen brach, konnte man nicht viel tun. Ein gezerrter Muskel tat auch verdammt weh, aber der heilte schnell wieder. Ein gebrochener Knochen musste geschient werden und heilen, und das bedeutete, im Army-Krankenhaus mehrere Wochen auf dem Rücken zu liegen, bevor die Ärzte einem erlaubten, das Bein wieder zu belasten. Und dann musste man erst wieder gehen und später rennen lernen. Das konnte einem ganz schön auf die Eier gehen ... In seiner Laufbahn hatte er bisher Glück gehabt. Ein verrenktes Fußgelenk, ein gebrochener kleiner Finger und ein Bluterguss der Hüfte hatten ihn nie länger als eine Woche außer Gefecht gesetzt. Kein Kratzer von einer Kugel oder einem Granatsplitter. Der Ranger-Gott hatte es gut mit ihm gemeint. Das stand fest.
Noch fünf Schritte ...
Okay, geschafft ... Der Wachposten stand genau da, wo er ihn erwartet hatte. Fünfundzwanzig Meter rechts von ihm. Es war naheliegend, dort einen Wachposten zu stationieren, aber dieser machte einen hundsmiserablen Job. Er saß gelangweilt herum und schaute halb eingeschlafen zurück. Wahrscheinlich zählte er die Minuten bis zu seiner Ablösung. Langeweile konnte einen umbringen, und diesem Typen sollte genau das in weniger als einer Minute passieren, auch wenn er es nicht mehr merken würde. Es sei denn, ich schieße daneben, dachte Driscoll, wohl wissend, dass er das nicht tun würde.
Er drehte sich ein letztes Mal um und suchte die Gegend durch sein PVS -1 7-Nachtsichtgerät ab. Keiner in der Nähe. Okay. Er ließ sich nieder, hob den Karabiner an seine rechte Schulter und zielte mit angehaltenem Atem auf das rechte Ohr des Wachpostens ...
Rechts führte ein schmaler Pfad hinunter, und von dort hörte er plötzlich, wie Leder über einen Felsen schrappte.
Driscoll erstarrte.
Schnell checkte er in Gedanken, wo der Rest seines Teams war. War jemand da drüben? Nein. Sie waren alle hinter und rechts von ihm verteilt. Übertrieben langsam drehte er den Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Durch seine Brille sah er nichts. Er senkte seinen Karabiner und hielt ihn diagonal über die Brust. Dann sah er nach links. Drei Meter entfernt kauerte Collins hinter einem Felsen. Driscoll gab ihm Zeichen: Geräusch von links, nimm zwei Männer mit. Collins nickte und zog sich im Krebsgang zurück. Driscoll tat dasselbe und legte sich zwischen zwei Büschen flach auf den Boden.
Von dem Pfad her ertönte jetzt ein anderes Geräusch: Flüssigkeit spritzte gegen einen Stein. Driscoll musste lächeln. Die Notdurft verlangte ihr Recht. Das Geräusch von Wasserlassen wurde schwächer und verstummte dann ganz. Schritte bewegten sich den Pfad herunter. Sieben Meter entfernt, schätzte Driscoll, hinter der Kurve.
Kurz darauf erschien eine Gestalt auf dem Weg. Sie bewegte sich langsam, fast träge. Durch seine Nachtsichtbrille konnte Driscoll sehen, dass sie eine AK 47 Kalaschnikow über der Schulter hängen hatte, deren Lauf nach unten gerichtet war. Der Wachmann kam immer näher. Driscoll rührte sich nicht. Fünf Meter ... dann drei.
Eine Gestalt löste sich aus dem Schatten und glitt hinter den Wachmann, über dessen Schulter erst eine Hand erschien und dann die Klinge eines Messers aufblitzte. Collins drehte den Mann nach rechts auf den Boden, wo ihre Schatten miteinander verschmolzen. Es dauerte einige Sekunden, bis Collins sich erhob, vom Weg abduckte und den Mann aus dem Blickfeld zog.
Ausschalten eines Wachpostens wie aus dem Lehrbuch, dachte Driscoll. Anders als in Filmen kam das Messer im wirklichen Leben eher selten zum Einsatz. Dennoch hatte Collins diese Kunst nicht verlernt.
Wenige Augenblicke später tauchte Collins wieder neben Driscoll auf. Dessen Aufmerksamkeit galt jetzt dem Wachposten oben auf dem Kamm. Der war noch da, hatte sich nicht bewegt. Driscoll brachte sein M4 wieder in Anschlag, zielte auf den Nacken des Mannes und legte seinen Finger an den Abzug.
Langsam, langsam ... Druck an der Fingerkuppe steigern ...
Plopp. Ein kaum zu hörendes Geräusch, jedenfalls nicht weiter als fünfzig Meter. Dennoch hatte die Kugel den Kopf des Ziels durchschlagen. Nach einem letzten Atemzug war der Mann auf dem Weg zu Allah oder zu welchem Gott auch immer. Ein etwas über zwanzigjähriges Wachsen, Essen, Lernen und wahrscheinlich auch Kämpfen hatte ohne Vorwarnung ein abruptes Ende genommen.
Die Zielperson brach zusammen und kippte seitwärts aus dem Blickfeld.
Pech für dich, Gomer, dachte Driscoll. Aber wir haben heute Nacht noch mehr vor.
»Wache ausgeschaltet«, sagte Driscoll ruhig in sein Funkgerät. »Der Kamm ist sauber. Kommt rauf. Macht keine Fehler.« Den Zusatz hätte er sich schenken können - jedenfalls bei diesen Männern.
Er schaute zurück und sah, dass sie sich jetzt etwas schneller bewegten -- gespannt, aber kontrolliert und kampfbereit. Das konnte er an ihrer Haltung erkennen und daran, dass sie keine Bewegung zu viel machten. Das unterschied wahre Schützen von den Angebern und Draufgängern, die nur darauf warteten, ins Zivilleben zurückzukehren.
Ihr eigentliches Ziel war jetzt vermutlich weniger als hundert Meter entfernt, und sie hatten die letzten drei Monate hart trainiert, um diesen Bastard beim Kanthaken zu kriegen. Diese Kletterei war für keinen ein Vergnügen, außer vielleicht für die paar Verrückten, die unbedingt den Mount Everest oder den K2 besteigen wollen. Wie auch immer, zu diesem Job gehörte es dazu, und alle hatten sich damit abgefunden. Langsam bewegten sie sich hangaufwärts.
Die fünfzehn Männer bildeten drei Teams mit je fünf Rangern. Ein Team musste mit seinen schweren Waffen hierbleiben. Sie hatten zwei M249 SAW Maschinengewehre, um ihnen Deckung zu geben, aber sie hatten keine Ahnung, auf wie viele böse Jungs sie stoßen würden, und die SAWs konnten für Ausgleich sorgen. Satelliten konnten ein Terrain nur begrenzt auskundschaften, und sie mussten vor Ort mit Überraschungen rechnen. Seine Männer suchten mit den Augen die Felsen nach kleinsten Bewegungen ab - und wenn nur einer der bösen Jungs Müll rausbrachte. In diesem Gestrüpp konnten sie zu neunzig Prozent davon ausgehen, dass jeder, dem sie begegneten, ein Böser war. Das machte den Job irgendwie einfacher, dachte Driscoll.
Jetzt pirschte er sich noch langsamer vorwärts. Sein Blick wanderte von seinen Füßen, wo er keinen Stein und Zweig übersehen durfte, nach vorn und wieder zurück ... Auch das war eine Art von Weisheit, dachte er, dass er die Erregung unterdrücken konnte, die ihn so kurz vor dem Ziel packen wollte. Sie hatte schon viele Rekruten das Leben gekostet, wenn sie glaubten, so kurz vor dem Ziel das Schlimmste überstanden zu haben. Genau dann schlug der gute alte Murphy zu, der das sprichwörtliche Murphys Law entdeckt hatte. Er tippte dir auf die Schulter und bescherte dir eine hässliche Überraschung. Ahnungen und Erwartungen waren die tödliche Seite derselben Medaille. Beide konnten im falschen Moment dein Ende bedeuten.
Aber nicht dieses Mal. Nicht wenn ich die verdammte Verantwortung habe. Und nicht mit einem Team, das so gut war wie seines.
Die vor ihm sich abzeichnende Kammlinie war keine sieben Meter weit entfernt. Driscoll beugte sich katzenhaft vor und achtete darauf, dass sein Kopf unterhalb dieser Linie blieb, damit er nicht für einen wachsamen Gomer zur Zielscheibe wurde. Über die letzten Meter robbte er flach am Boden, bis er sich vorbeugen und mit der linken Hand auf einem Felsen abstützen konnte. Er hob den Kopf.
Und da war sie ... die Höhle.
Übersetzung: Michael Bayer, Karlheinz Dürr und Dagmar Mallett
Copyright © 2011 der deuschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München
in der Verlagsgrupe Random House GmbH
Die Soldaten leichter Einheiten - gemäß des MOS-Systems der US-Army ist das Eleven-Bravo leichte Infanterie - sollen wie geleckt aussehen, makellose Uniformen tragen und glatt rasiert sein. Hauptfeldwebel Sam Driscoll entsprach diesem Bild nicht und das bereits seit einiger Zeit. Zu einer Tarnung gehört eben oft mehr als eine mustergültige BDU (Battle Dress Uniform). Ach nein, so heißen sie ja nicht mehr, oder? Neuerdings werden sie »Army-Kampfanzüge«, also ACU (Army Combat Uniform) genannt. Genau dasselbe, genau dasselbe.
Driscolls Bart war gut zehn Zentimeter lang und so grau meliert, dass seine Männer ihn Santa Claus nannten - äußerst ärgerlich für einen Mann, der gerade 36 Jahre alt war, aber da die meisten seiner Landsleute mindestens zehn Jahre jünger waren ... Nun ja, es hätte schlimmer kommen können, wenn sie ihn »Grandpa« genannt hätten.
Sein langes Haar ärgerte ihn erheblich mehr. Es war dunkel, ungepflegt und fettig, und sein Bart war verwahrlost. Hier war es jedoch für seine Tarnung wichtig, einen Bart zu tragen, und die Einheimischen kümmerten sich nicht um Haarschnitte. Auch hatten er und seine fünfzehn Männer sich wie Einheimische gekleidet. Ihr Kompaniechef, ein Captain, war ausgerutscht und hatte sich das Bein gebrochen - in dieser Gegend reichte das schon, außer Gefecht gesetzt zu werden -, und jetzt wartete er auf einem Hügel auf den Chinook-Hubschrauber, um sich mit einem der beiden Sanitäter evakuieren zu lassen. Der Sanitäter war bei ihm geblieben, um zu verhindern, dass er auch noch in einen Schockzustand fiel. Jetzt hatte Driscoll das Kommando für diesen Einsatz, was ihm nichts ausmachte. Er hatte mehr Fronterfahrung als Captain Wilson, obwohl der Captain einen Hochschulabschluss hatte, der Driscoll noch fehlte. Alles zu seiner Zeit. Erst einmal musste er diesen Einsatz überleben, bevor er wieder die Schulbank an der University von Georgia drücken konnte. Es ist schon komisch, dachte er, dass er fast drei Jahrzehnte gebraucht hatte, um endlich Lust aufs Studieren zu bekommen. Immerhin besser als nie, fand er.
Er war müde. Es war diese die Sinne betäubende Schläfrigkeit, welche die Rangers ständig begleitete. Er konnte tief und fest mit seinem Gewehrkolben als Kopfkissen auf einem Granitfelsen schlafen oder wachsam auf der Hut bleiben, während sein Hirn und sein Körper rebellierten und ihn um Schlaf anflehten. Sein Körper beschwerte sich einfach jetzt, da er seinem vierzigsten Geburtstag näher war als dem dreißigsten, sehr viel mehr, als er es noch vor zehn Jahren getan hatte, und Driscoll brauchte morgens doppelt so lange, um in die Gänge zu kommen. Andererseits wogen seine Weisheit und Erfahrungen diese Schmerzen auf. Er hatte im Laufe der Jahre gelernt, dass der Geist die Materie beherrscht, auch wenn das ein abgegriffenes Klischee war. Und er hatte gelernt, seine Schmerzen auszublenden, was ihm sehr zugute kam, wenn er jüngere Männer führte, auf deren Schultern sich der Rucksack viel leichter anfühlte als auf den seinen. Das ganze Leben bestand aus Kompromissen, sagte er sich.
Sie bewegten sich jetzt seit zwei Tagen durch diese Hügel und bekamen nachts nur zwei bis drei Stunden Schlaf. Er gehörte zum Team für Spezialeinsätze des 75th Ranger Regiment, das fest in Fort Benning, Georgia, stationiert war. Dort hatten sie ein schönes Unteroffizierskasino, in dem es leckeres, frisch gezapftes Bier gab. Wenn er die Augen schloss und sich konzentrierte, konnte er das herbe Bier noch immer schmecken, doch dieser Augenblick verflog viel zu schnell wieder. Hier musste er immer, jede Sekunde einen klaren Kopf bewahren. Sie befanden sich 15 000 Fuß über dem Meeresspiegel, in den Bergen des Hindukusch, in dieser Steinwüste, die gleichzeitig zu Afghanistan und Pakistan gehörte - in den Augen der Einheimischen war das Gebiet Niemandsland.
Driscoll wusste, dass die auf den Karten verzeichneten Linien besonders in indischen Gebieten wie diesem nicht mit dem Grenzverlauf übereinstimmten. Hin und wieder kontrollierte er seine GPS-Geräte, um seine genaue Position festzustellen, doch im Grunde waren bei dieser Mission weder Breiten- noch Längengrade von Bedeutung. Wichtig war nur das Ziel, das sie anpeilten, unabhängig von den Koordinaten, anhand deren es auf der Landkarte verzeichnet war.
Die einheimische Bevölkerung verstand nicht viel von Landesgrenzen und schenkte ihnen allenfalls minimale Beachtung. Für die Einheimischen war nur von Bedeutung, welchem Volksstamm sie angehörten, in welche Familie sie geboren waren und welcher Spielart des muslimischen Glaubens sie anhingen. Hier hatten Erinnerungen hundert Jahre lang Bestand, Geschichten mehr als das - und die alten gehegten Feindseligkeiten noch viel länger. Die Einheimischen prahlten immer noch stolz damit, dass ihre Vorfahren Alexander den Großen aus ihrem Land vertrieben hatten, und manch einer konnte noch jederzeit die Namen aller Krieger auflisten, welche die bis dahin unbesiegbaren makedonischen Lanzenmänner das Fürchten gelehrt hatten. Am liebsten sprachen sie jedoch von den Russen und darüber, wie viele sie getötet hatten. Die meisten hatten sie aus dem Hinterhalt erschossen, andere Auge in Auge erstochen. Wenn sie sich diese Geschichten, diese beharrlich von Vätern an Söhne überlieferten Legenden grinsend erzählten, lachten sie aus vollem Halse. Driscoll war sich jedoch sicher, dass die russischen Soldaten, die Afghanistan überlebt hatten, über ihre Erfahrungen nicht lachen konnten. Nein, die Leute hier waren ganz und gar nicht nett, das war ihm klar. Sie waren erschreckend brutal. Wetter, Krieg und Hunger hatten sie abgehärtet, und sie versuchten einfach nur in einem Land zu überleben, das alles daranzusetzen schien, möglichst viele seiner Einwohner umzubringen. Driscoll wusste, er sollte für diese Menschen Mitleid empfinden. Gott hatte ihnen einfach übel mitgespielt, und daran trugen sie wahrscheinlich keine Schuld, aber Driscoll eben auch nicht, und außerdem ging ihn das alles nichts an. Sie waren schlicht Feinde seines Landes, dessen Machthaber ihm und seinen Männern den Marschbefehl gegeben hatten, und jetzt waren sie da. Das war alles und der einzige Grund, warum er in diesen gottverdammten Bergen herumkroch.
Ein weiterer Grund war dieser Bergrücken. Seit sie aus dieser Deltaversion des Boeing CH-47 Chinook gesprungen waren - übrigens der einzige zur Verfügung stehende Hubschrauber, der in dieser Höhe eingesetzt werden konnte -, waren sie bereits fünfzehn Kilometer über spitze Felsen und Geröll hinaufgestürmt.
Da ... der Kamm. Noch fünfzig Meter.
Driscoll verlangsamte das Tempo. Er führte den Spähtrupp als Stabsunteroffizier (Senior NCO) an, während seine für solche Einsätze ausgebildeten Männer sich auf etwa hundert Meter hinter ihm verteilten. Alarmbereit ließen sie die Blicke nach rechts und links, nach oben und unten schweifen und hielten ihre M4-Sturmgewehre kampfbereit im Anschlag. Sie rechneten damit, dass auf dem Kamm Wachposten stationiert waren. Die Einheimischen hatten zwar keine militärische Ausbildung, aber sie waren keineswegs dumm. Darum führten die Ranger diese Operation in der Nacht durch - 01:44 zeigte seine Digitaluhr. Die dicken, hoch stehenden Wolken sorgten dafür, dass weder Mond noch Sterne sie beleuchten konnten. Ideales Wetter zum Jagen, dachte er.
Sein Augenmerk war mehr nach unten als nach oben gerichtet, denn er wollte jedes Geräusch vermeiden, das er mit den Füßen verursachen könnte. Ein einziger losgetretener Stein, der den Hang runterrollte, konnte sie alle verraten. Und das durfte nicht passieren. Damit wären die drei Tage und die fünfzehn Kilometer, die sie ihrem Ziel so nahe gebracht hatten, umsonst gewesen.
Noch zwanzig Meter zum Kamm. Sechzig Fuß.
Mit den Augen suchte er die Kammlinie nach einer Bewegung ab. Nichts. Noch ein paar Schritte, Augen nach links und rechts, seinen schallgedämpften Karabiner fest an die Brust gedrückt und im Anschlag, den Finger leicht auf dem Abzugsbügel ruhend, damit er sofort schussbereit war.
Außenstehenden wäre nur schwer zu erklären, wie schwierig und ermüdend dies alles war und wie viel Kraft es kostete - sehr viel mehr als ein normaler fünfzehn Kilometer langer Marsch durch Wälder. Und das alles in dem Bewusstsein, jederzeit auf jemanden stoßen zu können, der seinen Finger auf dem Abzug einer auf Dauerfeuer stehenden AK 47 Kalaschnikow hatte, um dir den Arsch zu vierteilen. Seine Männer würden sich um so jemanden kümmern, aber Driscoll wusste, dass ihm das auch nicht mehr helfen würde. Er tröstete sich damit, dass er das in solch einem Fall auch nicht mehr mitkriegen würde. Er hatte genug Feinde getötet, um zu wissen, wie das ging: Man machte gerade noch einen Schritt mit lauernden Augen und Ohren ... und dann nichts mehr. Tot.
Driscoll wusste, welche Regeln hier draußen in den Badlands mitten in der Nacht herrschten: Langsam ist schnell. Langsame Bewegungen und vorsichtige Schritte. Das hatte ihn in all diesen Jahren am Leben erhalten.
Erst vor sechs Monaten hatte er bei der Endausscheidung der besten Spezialeinsatzteams als Dritter abgeschnitten. Eigentlich waren Driscoll und Captain Wilson als Team 21 eingeteilt worden. Aber dann war Wilson mit einem gebrochenen Bein angepisst worden. Er war eigentlich ein ziemlich guter Ranger, dachte Driscoll, aber ein gebrochenes Schienbein war nun mal ein gebrochenes Schienbein. Wenn ein Knochen brach, konnte man nicht viel tun. Ein gezerrter Muskel tat auch verdammt weh, aber der heilte schnell wieder. Ein gebrochener Knochen musste geschient werden und heilen, und das bedeutete, im Army-Krankenhaus mehrere Wochen auf dem Rücken zu liegen, bevor die Ärzte einem erlaubten, das Bein wieder zu belasten. Und dann musste man erst wieder gehen und später rennen lernen. Das konnte einem ganz schön auf die Eier gehen ... In seiner Laufbahn hatte er bisher Glück gehabt. Ein verrenktes Fußgelenk, ein gebrochener kleiner Finger und ein Bluterguss der Hüfte hatten ihn nie länger als eine Woche außer Gefecht gesetzt. Kein Kratzer von einer Kugel oder einem Granatsplitter. Der Ranger-Gott hatte es gut mit ihm gemeint. Das stand fest.
Noch fünf Schritte ...
Okay, geschafft ... Der Wachposten stand genau da, wo er ihn erwartet hatte. Fünfundzwanzig Meter rechts von ihm. Es war naheliegend, dort einen Wachposten zu stationieren, aber dieser machte einen hundsmiserablen Job. Er saß gelangweilt herum und schaute halb eingeschlafen zurück. Wahrscheinlich zählte er die Minuten bis zu seiner Ablösung. Langeweile konnte einen umbringen, und diesem Typen sollte genau das in weniger als einer Minute passieren, auch wenn er es nicht mehr merken würde. Es sei denn, ich schieße daneben, dachte Driscoll, wohl wissend, dass er das nicht tun würde.
Er drehte sich ein letztes Mal um und suchte die Gegend durch sein PVS -1 7-Nachtsichtgerät ab. Keiner in der Nähe. Okay. Er ließ sich nieder, hob den Karabiner an seine rechte Schulter und zielte mit angehaltenem Atem auf das rechte Ohr des Wachpostens ...
Rechts führte ein schmaler Pfad hinunter, und von dort hörte er plötzlich, wie Leder über einen Felsen schrappte.
Driscoll erstarrte.
Schnell checkte er in Gedanken, wo der Rest seines Teams war. War jemand da drüben? Nein. Sie waren alle hinter und rechts von ihm verteilt. Übertrieben langsam drehte er den Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Durch seine Brille sah er nichts. Er senkte seinen Karabiner und hielt ihn diagonal über die Brust. Dann sah er nach links. Drei Meter entfernt kauerte Collins hinter einem Felsen. Driscoll gab ihm Zeichen: Geräusch von links, nimm zwei Männer mit. Collins nickte und zog sich im Krebsgang zurück. Driscoll tat dasselbe und legte sich zwischen zwei Büschen flach auf den Boden.
Von dem Pfad her ertönte jetzt ein anderes Geräusch: Flüssigkeit spritzte gegen einen Stein. Driscoll musste lächeln. Die Notdurft verlangte ihr Recht. Das Geräusch von Wasserlassen wurde schwächer und verstummte dann ganz. Schritte bewegten sich den Pfad herunter. Sieben Meter entfernt, schätzte Driscoll, hinter der Kurve.
Kurz darauf erschien eine Gestalt auf dem Weg. Sie bewegte sich langsam, fast träge. Durch seine Nachtsichtbrille konnte Driscoll sehen, dass sie eine AK 47 Kalaschnikow über der Schulter hängen hatte, deren Lauf nach unten gerichtet war. Der Wachmann kam immer näher. Driscoll rührte sich nicht. Fünf Meter ... dann drei.
Eine Gestalt löste sich aus dem Schatten und glitt hinter den Wachmann, über dessen Schulter erst eine Hand erschien und dann die Klinge eines Messers aufblitzte. Collins drehte den Mann nach rechts auf den Boden, wo ihre Schatten miteinander verschmolzen. Es dauerte einige Sekunden, bis Collins sich erhob, vom Weg abduckte und den Mann aus dem Blickfeld zog.
Ausschalten eines Wachpostens wie aus dem Lehrbuch, dachte Driscoll. Anders als in Filmen kam das Messer im wirklichen Leben eher selten zum Einsatz. Dennoch hatte Collins diese Kunst nicht verlernt.
Wenige Augenblicke später tauchte Collins wieder neben Driscoll auf. Dessen Aufmerksamkeit galt jetzt dem Wachposten oben auf dem Kamm. Der war noch da, hatte sich nicht bewegt. Driscoll brachte sein M4 wieder in Anschlag, zielte auf den Nacken des Mannes und legte seinen Finger an den Abzug.
Langsam, langsam ... Druck an der Fingerkuppe steigern ...
Plopp. Ein kaum zu hörendes Geräusch, jedenfalls nicht weiter als fünfzig Meter. Dennoch hatte die Kugel den Kopf des Ziels durchschlagen. Nach einem letzten Atemzug war der Mann auf dem Weg zu Allah oder zu welchem Gott auch immer. Ein etwas über zwanzigjähriges Wachsen, Essen, Lernen und wahrscheinlich auch Kämpfen hatte ohne Vorwarnung ein abruptes Ende genommen.
Die Zielperson brach zusammen und kippte seitwärts aus dem Blickfeld.
Pech für dich, Gomer, dachte Driscoll. Aber wir haben heute Nacht noch mehr vor.
»Wache ausgeschaltet«, sagte Driscoll ruhig in sein Funkgerät. »Der Kamm ist sauber. Kommt rauf. Macht keine Fehler.« Den Zusatz hätte er sich schenken können - jedenfalls bei diesen Männern.
Er schaute zurück und sah, dass sie sich jetzt etwas schneller bewegten -- gespannt, aber kontrolliert und kampfbereit. Das konnte er an ihrer Haltung erkennen und daran, dass sie keine Bewegung zu viel machten. Das unterschied wahre Schützen von den Angebern und Draufgängern, die nur darauf warteten, ins Zivilleben zurückzukehren.
Ihr eigentliches Ziel war jetzt vermutlich weniger als hundert Meter entfernt, und sie hatten die letzten drei Monate hart trainiert, um diesen Bastard beim Kanthaken zu kriegen. Diese Kletterei war für keinen ein Vergnügen, außer vielleicht für die paar Verrückten, die unbedingt den Mount Everest oder den K2 besteigen wollen. Wie auch immer, zu diesem Job gehörte es dazu, und alle hatten sich damit abgefunden. Langsam bewegten sie sich hangaufwärts.
Die fünfzehn Männer bildeten drei Teams mit je fünf Rangern. Ein Team musste mit seinen schweren Waffen hierbleiben. Sie hatten zwei M249 SAW Maschinengewehre, um ihnen Deckung zu geben, aber sie hatten keine Ahnung, auf wie viele böse Jungs sie stoßen würden, und die SAWs konnten für Ausgleich sorgen. Satelliten konnten ein Terrain nur begrenzt auskundschaften, und sie mussten vor Ort mit Überraschungen rechnen. Seine Männer suchten mit den Augen die Felsen nach kleinsten Bewegungen ab - und wenn nur einer der bösen Jungs Müll rausbrachte. In diesem Gestrüpp konnten sie zu neunzig Prozent davon ausgehen, dass jeder, dem sie begegneten, ein Böser war. Das machte den Job irgendwie einfacher, dachte Driscoll.
Jetzt pirschte er sich noch langsamer vorwärts. Sein Blick wanderte von seinen Füßen, wo er keinen Stein und Zweig übersehen durfte, nach vorn und wieder zurück ... Auch das war eine Art von Weisheit, dachte er, dass er die Erregung unterdrücken konnte, die ihn so kurz vor dem Ziel packen wollte. Sie hatte schon viele Rekruten das Leben gekostet, wenn sie glaubten, so kurz vor dem Ziel das Schlimmste überstanden zu haben. Genau dann schlug der gute alte Murphy zu, der das sprichwörtliche Murphys Law entdeckt hatte. Er tippte dir auf die Schulter und bescherte dir eine hässliche Überraschung. Ahnungen und Erwartungen waren die tödliche Seite derselben Medaille. Beide konnten im falschen Moment dein Ende bedeuten.
Aber nicht dieses Mal. Nicht wenn ich die verdammte Verantwortung habe. Und nicht mit einem Team, das so gut war wie seines.
Die vor ihm sich abzeichnende Kammlinie war keine sieben Meter weit entfernt. Driscoll beugte sich katzenhaft vor und achtete darauf, dass sein Kopf unterhalb dieser Linie blieb, damit er nicht für einen wachsamen Gomer zur Zielscheibe wurde. Über die letzten Meter robbte er flach am Boden, bis er sich vorbeugen und mit der linken Hand auf einem Felsen abstützen konnte. Er hob den Kopf.
Und da war sie ... die Höhle.
Übersetzung: Michael Bayer, Karlheinz Dürr und Dagmar Mallett
Copyright © 2011 der deuschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München
in der Verlagsgrupe Random House GmbH
... weniger
Autoren-Porträt von Tom Clancy
Tom Clancy, geb. 1948, arbeitete lange Jahre als Versicherungsagent. Eine Meuterei auf einem sowjetischen Zerstörer regte Clancy dazu an, seinen ersten Thriller, 'Jagd auf Roter Oktobe', zu schreiben. Das Buch wurde auf Anhieb ein internationaler Erfolg, der sich in der Verfilmung mit Sean Connery in der Hauptrolle wiederholte. Seither war Tom Clancy der Erfolg treu geblieben, seine Romane belegen regelmäßig über Wochen hinweg die ersten Plätze der internationalen Bestsellerlisten, die Verfilmungen mit Harrison Ford als Jack Ryan waren ausnahmslos Kassenschlager. Wie realistisch und gut recherchiert seine Bücher sind, zeigt die Tatsache, dass der Autor nach den Anschlägen vom 11. September von der amerikanischen Regierung als spezieller Berater hinzugezogen wurde. Tom Clancy verstarb im Jahr 2013.Dr. Karlheinz Dürr wurde 1947 in Lörrach/Baden geboren. Er ist Leiter des Fachreferats "Europa" bei der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Nebenberuflich ist er in der politischen Erwachsenenbildung tätig. Als Deutschland-Koordinator des Europarats für Demokratie-Lernen ist er häufig in anderen europäischen Ländern unterwegs. Darüber hinaus hat er bislang über 60 Bücher aus dem Englischen bzw. Amerikanischen übersetzt und schreibt Kurzgeschichten für Kinder und Jugendliche. Er lebt mit seiner Familie in der Nähe von Tübingen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Tom Clancy
- 2011, 1039 Seiten, Maße: 15 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Mitarbeit: Blackwood, Grant; Übersetzung: Bayer, Michael; Dürr, Karlheinz; Mallett, Dagmar
- Übersetzer: Michael Bayer, Karlheinz Dürr, Dagmar Mallett
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453012224
- ISBN-13: 9783453012226
Rezension zu „Dead or Alive “
"Fesselnd bis zur letzten Seite und Blockbuster-Literatur in bester Tradition."
Kommentar zu "Dead or Alive"
0 Gebrauchte Artikel zu „Dead or Alive“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Dead or Alive".
Kommentar verfassen