Der Mandant
Der Strafverteidiger Mickey Haller gilt als begnadeter Stratege. Bis ihn sein Gesp r verl sst und er ein Mandat bernimmt, das ihn mehr als nur seine Reputation kosten k nnte. Mit seinem neuen Thriller sorgte Bestsellerautor Michael Connelly f r Furore. Von der Presse als sein bislang bester Roman gefeiert, stand "Der Mandant" wochenlang auf Platz eins der New York Times-Bestsellerliste.
Mickey Haller ist der "Lincoln Lawyer" . Der Anwalt l sst sich in seinem Wagen durch Los Angeles chauffieren und erledigt dabei auf der R ckbank seine F lle. Seine Maxime: Jeder Angeklagte verdient die denkbar beste Verteidigung. Bislang hat sich Haller nie von diesem Grundsatz abbringen lassen. Ob Dealer, Kleinkriminelle, Prostituierte - er versteht sich exzellent darauf, das Optimum f r seine Klienten herauszuholen. Als ihm die Verteidigung eines reichen Spr sslings aus gutem Hause angeboten wird, z gert er nicht lange, verspricht dies doch ein u erst lukrativer Auftrag zu werden. Die Anklage lautet auf schwere K rperverletzung und Vergewaltigung einer Prostituierten. Obwohl die Beweislage erdr ckend ist, beteuert der Angeklagte seine Unschuld. Haller recherchiert und findet bald einen ersten Hinweis, der die Beweisf hrung der Anklage zu entkr ften vermag. Der Fall scheint gel st zu sein, doch was als Routine beginnt, entpuppt sich als ein teuflisches Spiel, bei dem nicht nur Mickey Haller um sein Leben k mpfen muss.
"Verbl ffend, wie Michael Connelly sich von Mal zu Mal steigert. Jedes Buch ist besser als das vorherige. Mit 'Der Mandant' liefert er sein Meisterst ck." Stephen King
"Temporeich, h chst raffiniert und mit gro er Souver nit t geschrieben. Ein sensationelles Buch!" Scott Turow
"Connelly erz hlt knapp, pr zise und sehr spannend." Die Zeit
Der Mandant von Michael Connelly
LESEPROBE
Montag, 7. März
EINS
ImSpätwinter ist die Morgenluft aus der Mojave-Wüste dasFrischeste und Sauberste, was man im Los Angeles Countyjemals zu atmen bekommt. Sie führt den Geschmack der Verheißung mit sich. Wennsie so hereinzuwehen beginnt, lasse ich in meiner Kanzlei gern ein Fenster offen.Es gibt nur wenig Menschen, die von dieser Angewohnheit wissen. Fernando Valenzuela zum Beispiel - der Kautionsbürge, nicht der Baseballpitcher. Ich war gerade zu einer Neun-Uhr-Terminbesprechungins Gericht von Lancaster unterwegs, als er michanrief. Er muss den Wind in meinem Handy pfeifen gehört haben.
»Mick«,sagte er, »bist du heute Morgen im Norden oben?«
»Im Moment,ja«, sagte ich und fuhr das Fenster hoch, um ihn besser verstehen zu können.»Hast du was für mich?«
»Sieht soaus. Klingt nach einer richtig lohnenden Sache. Aber der Kerl wird schon um elfdem Richter vorgeführt. Schaffst du s bis dahin zurück in die Stadt?«
Valenzuelahat ein Ladenbüro am Van Nuys Boulevard, nur einenBlock vom Civic Center entfernt, zu dem auch zwei Gerichte und das Van-Nuys-Gefängnis gehören. Seine Firma nennt sich Liberty Bail Bonds. SeineTelefonnummer prangt in rotem Neon auf dem Dach seines Büros und ist vomHochsicherheitstrakt im zweiten Stock des Gefängnisses aus zu sehen. Außerdem findetsie sich in sämtlichen Zellenblocks in die Wandfarbe neben den Münztelefonengekratzt.
Fast ebensounauslöschlich ist sein Name auf meiner Weihnachtsgrußliste verewigt. AmJahresende schenke ich jedem auf dieser Liste eine Dose gesalzener Nüsse. Die Planters-Festtagsmischung. Jede Dose hübsch mit einem Bandund einer Schleife versehen. Aber sie enthält keine Nüsse. Nur Bargeld. Ichhabe eine Menge Kautionsbürgen auf meiner Weihnachtsgrußliste stehen. Und bisweit in den Frühling hinein esse ich dann aus Tupperware-Behältern Planters-Festtagsmischung. Seit meiner letzten Scheidung istdas manchmal alles, was ich zum Abendessen kriege.
Bevor ich Valenzuelas Frage beantwortete, dachte ich über dieTerminbesprechung nach, zu der ich unterwegs war. Mein Mandant hieß Harold Casey. Würden die Namen auf der Prozessliste alphabetischaufgerufen, könnte ich es bis elf Uhr problemlos zu einer Anhörung in Van Nuys schaffen. Aber Richter OrtonPowell absolvierte gerade seine letzte Amtsperiode. Danach ging er in Pension.Das hieß, im Gegensatz zu seinen Kollegen musste er sich keine Gedanken mehr umseine Wiederwahl machen. Und um seine neu gewonnene Unabhängigkeit zu demonstrieren- und möglicherweise auch aus Rache an allen, denen er zwölf Jahre langpolitisch verpflichtet gewesen war -, warf er in seinem Gerichtssaal gern allesüber den Haufen. Manchmal ging er bei der Terminbesprechung alphabetisch vor, manchmalumgekehrt alphabetisch, manchmal nach dem Einreichungsdatum. Nach welchemSchema er sich richtete, erfuhr man erst, wenn man da war. Nicht selten standensich Anwälte in Powells Gerichtssaal über eine Stunde lang die Beine in denBauch. Das gefiel dem Richter.
»Ichglaube, ich schaffe es bis elf«, sagte ich, ohne mir wirklich sicher zu sein.»Worum geht s?«
»Der Kerlmuss ordentlich Kohle haben. Adresse in Beverly Hills, und gleich als Ersteskommt der Familienanwalt angerauscht. Ein richtig dicker Fisch, Mick. Sie habendie Kaution auf eine halbe Million festgesetzt, und heute ist der Anwalt seinerMutter vorbeigekommen, um eine Immobilie in Malibu als Sicherheit zuhinterlegen. Hat erst gar nicht versucht, die Kaution runterzuhandeln. Schätze mal,sie sind sich ziemlich sicher, dass er freikommt.« »Wegenwas haben sie ihn hochgenommen?«, fragte ich. MeineStimme blieb ruhig. Ein lukrativer Fall wie dieser konnte in kürzester Zeit dieKonkurrenz auf den Plan rufen, aber ich hatte Valenzuelaan Weihnachten oft genug bedacht, um zu wissen, dass ich den Fall exklusiv amHaken hatte. Ich konnte die Sache ganz gelassen angehen. »Die Cops haben ihn wegen schwerer Körperverletzung undversuchter Vergewaltigung festgenommen«, antwortete der Kautionsbürge. »DerStaatsanwalt hat meines Wissens noch keine Anklage erhoben.«
Die Polizeifuhr bei den Anklagepunkten gern schwere Geschütze auf. Doch am Ende zähltenur, was die Ankläger tatsächlich einreichten und gerichtlich geltend machten. Ichsage immer, Fälle kommen anmarschiert wie Löwen und schleichen sich dann wieLämmer. Ein Fall, der als schwere Körperverletzung mit versuchterVergewaltigung daherkam, konnte sich am Ende als harmlose Tätlichkeit entpuppen.Es würde mich nicht groß wundern, und in dem Fall spränge nicht viel für michheraus. Trotzdem, wenn ich das Mandat erhielt und ein Honorar auf Basis derursprünglichen Anklagepunkte vereinbarte, stünde ich auch dann noch gut da,wenn sie die Staatsanwaltschaft später herunterstufte.
»IrgendwelcheEinzelheiten?«, fragte ich.
»Man hatihn gestern Nacht verhaftet. Klingt, als hätte er jemanden aus einer Barabgeschleppt und die Sache wäre eskaliert. Der Anwalt der Familie behauptet,die Frau hätte es auf sein Geld abgesehen. Du weißt schon, Zivilklage imAnschluss an den Strafprozess. Aber ich wäre mir da nicht so sicher. Angeblichhat er sie ziemlich übel zugerichtet.«
»Wie heißtder Anwalt der Familie?«
»Augenblick.Ich hab seine Karte hier irgendwo rumliegen.«
Während ichwartete, dass Valenzuela die Visitenkarte hervorkramte,sah ich aus dem Fenster. Bis zum Gericht von Lancasterwaren es noch zwei Minuten, bis zum Beginn der Terminbesprechung zwölf.Dazwischen brauchte ich noch mindestens drei Minuten, um mich mit meinem Mandantenzu besprechen und ihm die schlechte Nachricht zu überbringen.
»Ah, hierist sie«, sagte Valenzuela. »Er heißt Cecil C. Dobbs, Esquire. Aus Century City. Hab ich s nicht gesagt. Kohle.«
Valenzuelahatte recht. Aber es war nicht die Century-City-Adressedes Anwalts, die nach Geld roch. Es war der Name. Ich wusste, welcher Ruf C. C.Dobbs vorauseilte, und vermutlich gab es unter seinenMandanten nur wenige, die keine Adresse in Bel-Airoder Holmby Hills vorzuweisen hatten. Orte, an denendie Menschen dem Himmel näher schienen als gewöhnliche Sterbliche.
»Und derName des Mandanten?«, sagte ich.
»Louis RossRoulet.«
Erbuchstabierte, und ich notierte ihn auf einem Schreibblock.
»Fast wieRoulette, aber man spricht ihn Ru-lee aus«,erklärte er. »Schaffst du es rechtzeitig, Mick?«
Bevor ichantwortete, notierte ich noch den Namen C. C. Dobbs.Dann stellte ich Valenzuela eine Gegenfrage. »Warumich? Haben sie ausdrücklich nach mir verlangt? Oder hast du mich empfohlen?«
Ich musstevorsichtig sein. Womöglich gehörte Dobbs zu derSorte, die schnurstracks zur Anwaltskammer rannte, wenn sie Wind davon bekam,dass ein Strafverteidiger Kautionsbürgen schmierte. Ich begann mich sogar zufragen, ob Valenzuela nicht vielleicht in eine Falleder Anwaltskammer getappt war. Ich gehörte nicht gerade zu den Lieblingen derKammer. Sie hatten mir früher schon am Zeug zu f licken versucht. Und das mehr als einmal. »Ich hab Roulet gefragt, ob er schon einen Anwalt hat. EinenStrafverteidiger. Und er sagte Nein. Daraufhin hab ich ihm von dir erzählt.Ohne ihn irgendwie zu drängen. Ich hab nur gesagt, dass du gut bist. Auf diesubtile Tour, verstehst du?«
»War das,bevor oder nachdem Dobbs ins Spiel kam?«
»Vorher. Roulet hat mich heute Morgen aus dem Gefängnis angerufen.Sie haben ihn rauf in den Hochsicherheitstrakt gebracht, und von dort aus hater wahrscheinlich meine Reklame gesehen. Dobbs isterst später aufgetaucht. Ich hab ihm von dir erzählt, von deinen Referenzen,und er war ganz angetan. Er wird auch um elf kommen. Dann kannst du dir jaselbst ein Bild von ihm machen.«
Ich schwiegeine Weile. Ich fragte mich, wie ehrlich Valenzuela war.Ein Typ wie Dobbs hatte sicher seinen eigenen Mann.Selbst wenn ihm so ein Fall nicht lag, hatte er entweder in seiner Kanzleieinen Strafrechtsspezialisten oder jemanden in der Hinterhand. Aber Valenzuelas Geschichte schien dem zu widersprechen. Roulet war mit leeren Händen zu ihm gekommen. Hinter derSache steckte offensichtlich mehr, als ich im Moment überblickte.
»Was ist,Mick, bist du noch da?«, drängte Valenzuela.Ich traf eine Entscheidung. Sie sollte mich auf den Fall Jesus Menendezzurückwerfen, und ich würde sie in vielerlei Hinsicht bereuen. Aber in demMoment war es einfach nur eine weitere Entscheidung, getroffen aus finanziellenZwängen und reiner Gewohnheit.
»Also gut«,sagte ich ins Telefon. »Bis um elf.«
Ich wolltedas Handy schon zuklappen, da drang noch einmal ValenzuelasStimme aus dem Hörer.
»Und ichkann davon ausgehen, dass du dich erkenntlich zeigst, ja, Mick? Ich meine, wennbei der Sache was rausspringt.«
Es war daserste Mal, dass Valenzuela eine solche Zusicherung vonmir verlangte. Das trug noch mehr zu meiner Paranoia bei, und ich legte mir dieAntwort sehr sorgfältig zurecht, damit sie sowohl ihn als auch dieAnwaltskammer zufriedenstellen würde - falls Letzteremithörte.
»KeineSorge, Val. Du stehst auf meiner Weihnachtsliste.«
Bevor ernoch mehr sagen konnte, klappte ich das Handy zu und wies meinen Fahrer an,mich zum Personaleingang des Gerichts zu bringen. Die Schlange vor demMetalldetektor war dort kürzer, und die Sicherheitsbeamten drückten meist einAuge zu, wenn sich Anwälte durchmogelten, um es rechtzeitig ins Gericht zu schaffen.
Während ichüber den Fall Louis Ross Roulet nachdachte und diedamit verbundenen potenziellen Reichtümer und Gefahren, ließ ich das Fensterwieder runter, um die letzte Minute sauberer, frischer Luft genießen zu können.Noch führte sie den Geschmack der Verheißung mit sich.
© HeyneVerlag
Übersetzung:Sepp Leeb
- Autor: Michael Connelly
- 2007, 525 Seiten, Maße: 13,5 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Aus d. Amerikan. v. Sepp Leeb
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453014340
- ISBN-13: 9783453014343
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