Der Sehnsucht verfallen
Roman. Deutsche Erstausgabe
Vor dem Befehl des Königs gibt es kein Entrinnen: Gegen ihren Willen muss die zarte Isobel Douglas, dem »Schwarzen Wolf von Schottland«, auf seine Burg folgen. Isobel soll ihn, den Sohn des Königs, heiraten. Beide widersetzen sich....
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Produktinformationen zu „Der Sehnsucht verfallen “
Vor dem Befehl des Königs gibt es kein Entrinnen: Gegen ihren Willen muss die zarte Isobel Douglas, dem »Schwarzen Wolf von Schottland«, auf seine Burg folgen. Isobel soll ihn, den Sohn des Königs, heiraten. Beide widersetzen sich. Dann aber entbrennt zwischen ihnen eine Leidenschaft, der sie nicht gebieten können. Doch Isobels Vergangenheit droht für sie und Douglas zur Gefahr zu werden ...
Klappentext zu „Der Sehnsucht verfallen “
Vor dem Befehl des Königs gibt es kein Entrinnen: Gegen ihren Willen muss die zarte Isobel Douglas, dem "Schwarzen Wolf von Schottland", auf seine Burg folgen. Isobel soll ihn, den Sohn des Königs, heiraten. Beide widersetzen sich. Dann aber entbrennt zwischen ihnen eine Leidenschaft, der sie nicht gebieten können. Doch Isobels Vergangenheit droht für sie und Douglas zur Gefahr zu werden ...
Lese-Probe zu „Der Sehnsucht verfallen “
Der Sehnsucht verfallen von Gerri RusselAus dem Englischen von Ralph Sander
Prolog
Isle of St. Kilda, Schottland 1353
Sie hasste die Dunkelheit.
Lady Grisel Grange zog unwillkürlich an ihren eisernen Fesseln. Die Nacht würde jeden Augenblick über sie hereinbrechen. Gebannt starrte sie auf den orangefarbenen Lichtstreifen, der sich seinen Weg durch die schmale Schießscharte in der Mauer bahnte.
Die Angst ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen, als sich das Orange in ein tiefes Rot veränderte. Sie war mit dem Entsetzen, das sie jede Nacht überkam, genauso vertraut wie mit jeder Fuge in dem kalten Mauerwerk hinter ihr.
Immerhin hatte sie vier Monate Zeit gehabt, um sich jedes Detail ihres Gefängnisses einzuprägen. Vier Monate, in denen sie darüber nachdenken konnte, warum ihr Ehemann so grausam war, sie an diesem so einsamen und abgeschiedenen Ort einzusperren. Schon nach der ersten Woche hatte sie gewusst, dass weder die Leute, die ihr Essen brachten, noch sonst jemand sie retten kommen würde.
Als sie sich mit dieser Erkenntnis abgefunden hatte, fragte sie sich, warum er sie nicht einfach getötet hatte, anstatt sie in dieses kalte Gefängnis auf der Isle of St. Kilda abzuschieben. Aber eigentlich kannte sie die Antwort längst: Er fürchtete sich vor ihrer mächtigen Familie und davor, was die mit ihm machen würde, sollte man sie tot auffinden. Also entführte er sie und nahm ihr alles weg, was ihr lieb und teuer war. Alles, nur eines nicht, da er nicht gewusst hatte, dass sie es besaß.
... mehr
Mit zitternden Händen zog sie die schweren Fesseln nach vorn, bis sie mit den Fingern ihren Bauch berühren konnte. Da sie spürte, wie das Kind in ihrem Bauch trat, ließ die Angst vor der Dunkelheit, die sie jede Nacht überfiel, ein bisschen nach.
Als er sie hier einsperren ließ, da wusste er nicht, dass sie ein Kind erwartete. Anderenfalls hätte er das Kind genauso erbarmungslos für seine Zwecke benutzt, wie er es mit ihr getan hatte, um einen Thron zu besteigen, auf den er keinen Anspruch anmelden konnte. Ihm war es um ihre blutsmäßige Herkunft und ihre Fähigkeiten als Seherin gegangen. Als sie ihm dann aber kein Kind schenken konnte, da entledigte er sich ihrer wie einer Sache, die jeglichen Wert verloren hatte. Ironischerweise würde er niemals erfahren, dass sich seine Bestrebungen doch noch erfüllt hatten.
Sie strich sich über den Bauch, der mit jedem Tag ein wenig an Umfang zunahm. Würde das Kind in ihrem Leib ein Fluch oder ein Segen sein? Das Leben, das in ihrem Inneren heranwuchs, bewahrte sie vor der Einsamkeit, die sie mit Anbruch der Nacht heimsuchte. Doch würde ihr Kind bald diesen Alptraum einer Gefangenschaft mit ihr teilen müssen?
Der dunkelviolette Streifen Licht erlosch, und dann war die Zelle in tiefe Dunkelheit getaucht. Der Mond stand nicht am Himmel, weshalb sie sogar auf dessen schwachen Schein verzichten musste. Trotz des Kindes in ihrem Leib konnte sie ein Schluchzen nicht unterdrücken.
Wieder lag eine Nacht völliger Einsamkeit vor ihr, so unausweichlich und unverzeihlich wie jede Nacht. Unverzeihlich, weil die Finsternis sie zu etwas zwang, was sie lieber vermieden hätte.
Sie hob eine Hand an ihren Hals und griff nach dem kleinen weißen Stein mit der abgerundeten und der gezackten Seite, der in ein Geflecht aus zarten Lederstreifen eingebettet war. Er stellte ein weiteres Geheimnis dar, von dessen Existenz ihr Mann nichts wusste. Anderenfalls hätte er ihr den Stein sofort abgenommen. Sie klammerte sich an die Halskette wie an eine Rettungsleine, da sie wusste, dass dieses Objekt ihre Ängste lindern konnte.
Der Schicksalsstein und die von ihm ausgehenden Visionen boten ihr eine Flucht aus dieser Welt. Sie hielt den Stein fest umschlossen, bis seine glatte Oberfläche in ihrer Hand warm wurde. Eigentlich war es verkehrt, sich von diesen Visionen mitreißen zu lassen, doch ihr blieb keine andere Wahl, nachdem sie sich bereits vor Monaten dem Licht der Visionen hingegeben hatte
Sie nahm die Halskette ab und ließ den Kopf sinken, bis ihre Stirn den Stein berührte, da sie nur dann in die Zukunft blicken konnte.
Wessen Zukunft sie sah? Das war für sie nicht länger von Bedeutung, solange die Visionen Licht in diese Finsternis brachten. Der Verlockung des Steins erlegen, fielen ihr langsam die Augen zu, und sofort sah sie vor sich eine Myriade wirbelnder Farben - Rot, Blau, Grün, Orange und jede erdenkliche Schattierung dazwischen.
Sie klammerte sich an das Bild, hielt es in ihrem Geist fest, während sie den Rücken gegen die Steinmauer drückte und ihre Knie weich wurden. Sie sank langsam zu Boden, begleitet vom Rasseln ihrer Ketten, und ließ sich von ihren Visionen überwältigen.
Doch jede Flucht aus der Wirklichkeit der Zelle forderte ihren Preis, und so glitt sie langsam, aber unaufhaltsam in den Wahnsinn hinab. Sie konnte regelrecht spüren, wie sich ihr Verstand zurückzog und ihre Verbindung zur realen Welt mit jedem Mal ein Stück mehr kappte. Und in jeder Nacht schwor sie sich, den Stein nicht wieder anzufassen, doch sobald am nächsten Tag die Sonne unterging, war ihr guter Vorsatz längst vergessen.
Auch jetzt war es längst zu spät zur Umkehr, also drang sie tiefer in die Vision ein, bis der Geruch salziger Meeresluft sie umgab und den üblen Gestank ihrer Zelle vertrieb. Ein Bild nahm vor ihr Gestalt an, und Wellen mit weißen Schaumkronen rollten in endloser Abfolge an einen Strand.
Die Wellen wirkten hypnotisierend auf sie, und sie gestattete diese Wirkung auf sich. Sie konzentrierte ihre Gedanken auf die an Land kommenden Wellen und war dankbar dafür, dass außer ihnen nichts existierte. Vielleicht würde sie auf diese Weise ihren Verstand diesmal vor weiterem Schaden bewahren können. Womöglich würde sie vor der Geburt ihres Kindes noch nicht ganz dem Wahnsinn verfallen sein.
Während ihr der Gedanke durch den Kopf ging, entstand das Bild einer schlanken blonden Frau an einem Strand. Schaumige Wellen umspülten ihre Füße und lockten sie, ihnen ins Meer zu folgen. Die Frau schaute in die Ferne, als halte sie nach jemandem oder nach etwas Ausschau.
Das Bild entfernte sich von der Küste und wanderte zu einem Schiff, dessen Segel vom Wind aufgebläht wurden. An Deck stand ein dunkelhaariger Mann, der angespannte Entschlossenheit ausstrahlte. Als hätte er gewusst, dass Lady Grange ihn beobachtete, ging sein Blick in ihre Richtung. Sein Gesicht spannte sich vor Wut an, bis es wie eine starre Maske wirkte. Die Farbe der Augen wurde von einem satten Dunkelbraun zu einem eisigen, metallischen Schwarz.
Sie schnappte nach Luft.
»Wie seid Ihr an Bord meines Schiffs gelangt?«, fragte er und musterte sie eindringlich.
Er konnte sie sehen, aber ... wie war das möglich? Niemandem war das bislang jemals gelungen.
Als sie versuchte, sich aus dieser Vision zurückzuziehen, hielt die sie einfach fest. Die Finsternis wäre ihr lieber gewesen als der Anblick dieses zornigen Mannes. Wer war er bloß? Und warum hatte die Vision sie hergebracht?
»Antwortet mir«, forderte er sie auf und kam näher. Er griff nach ihrer Schulter, und sie hielt unwillkürlich die Luft an. Sein Griff war fest, jedoch nicht brutal, doch sie spürte ihn weiterhin, als die Vision sich längst wieder veränderte. Der Mann verblasste allmählich, und an seine Stelle rückte der Nachthimmel.
Ein endloses schwarzes Meer, das nur vom Mond unterbrochen wurde. Doch dieser Mond war zweigeteilt, die beiden gleich großen Hälften standen etwas entfernt voneinander am Himmel, die gezackten Ränder der einen waren auf die der anderen gerichtet. Und langsam trieben die Hälften aufeinander zu, um wieder eins zu werden.
Um eins zu werden ...
Ein gellender Schrei zerriss die Leere am Nachthimmel, ein anhaltender, urtümlicher Schrei, der erst verstummte, als die Stimme vor Heiserkeit versagte.
Mit viel Mühe gelang es ihr, den Stein von ihrer Stirn wegzureißen, während der letzte Gedanke in ihrem Kopf nachhallte. Um eins zu werden ...
Die Halskette mit dem Stein fiel ihr auf die Brust, da sie die Hand auf ihren Mund presste, damit ihr kein weiterer Schrei über die Lippen kam. Sie würde niemals wieder eins sein, solange sie den Schicksalsstein benutzte, um der Dunkelheit zu entfliehen.
Ihre Zukunft würde ihr den Wahnsinn bringen, das hatte ihr die Vision dieser Nacht gezeigt. Nie zuvor hatte sie erlebt, dass die Menschen in ihren Visionen sie ebenfalls sehen konnten.
Ein erstickter Schluchzer entkam in die Stille des dunklen, klammen Gefängnisses. Wie viele Tage, Wochen oder - Gott möge das verhindern - gar Jahre würde sie das hier noch ertragen müssen?
So lange, wie es sein muss, antwortete eine Stimme tief aus ihrem Inneren. Jetzt zählte nur ihr Kind.
Sie nahm die Hand vom Mund und strich sich über den Bauch. Für ihr Kind musste sie stark sein.
Langsam reckte sie das zuckende Kinn und starrte in die Nacht. Der erste schwache Schein des neuen Morgens war zu erkennen. Erleichterung erfasste sie. Den schlimmsten Teil der Nacht hatte sie hinter sich gebracht.
Dieser einen Nacht, betonte eine Stimme in ihrem Kopf. Natürlich würde dem anbrechenden Tag eine weitere Nacht folgen. Doch für den Augenblick verdrängte sie diesen Gedanken.
Sie verweigerte der Angst, Fuß zu fassen. Alles was zählte, war die Freiheit für ihr Kind. Weder in ihrem Leib noch in diesem Gefängnis eingesperrt. Und mit etwas Glück auch nicht gefangen auf dieser abgeschiedenen Insel.
Für ihr Kind würde sie weiterhin stark sein.
Erstes Kapitel
Isle of St. Kilda, Schottland 1372
Isobel Grange verspürte ein beängstigendes Kribbeln im Nacken. Ein Vorzeichen für nahendes Unheil. Ihre Mutter hatte sie vor solchen Dingen stets gewarnt, aber was sollte ihr hier im Cottage schon geschehen, das ihr Zuhause war? Die anderen Bewohner der abgeschiedenen Isle of St. Kilda schenkten ihr keine Beachtung, und ihre Pflegefamilie interessierte sich nur dafür, wie schnell sie ihre Hausarbeit erledigte.
Izzy verdrängte dieses seltsame Gefühl. Als sie gerade einen Korb mit Eiern auf den Holztisch in der Zimmermitte gestellt hatte, wurde hinter ihr mit einem lauten Knall die Haustür zugeschlagen.
Erschrocken drehte sie sich um, und dann stockte ihr der Atem, als sie den großen, breitschultrigen Mann entdeckte, der hinter ihr im Zimmer stand. Mit seinem gelben Hemd und dem dunklen wollenen Tartan war er im typischen Stil ihrer Landsleute gekleidet.
»Lady Isobel?«
Ihr Herz setzte ein paar Schläge lang aus. Er kannte ihren Namen ... ihren wahren Namen. Die Wände des Cottages schienen von allen Seiten auf sie einzustürzen.
Seine dunklen Augen musterten sie forschend. »Seid Ihr Lady Isobel?« Sein Tonfall war kurz und knapp.
Erdrückende Stille machte sich im Raum breit, bis die einzigen Geräusche das Knistern der Holzscheite im Kamin und ihr angestrengtes Atmen waren. Nervös nahm Izzy die Hände herunter und kämpfte gegen eine aufkommende Panik an. »Ich bin Izzy ... Isobel.«
Er musterte sie weiter abschätzend mit seinen pechschwarz erscheinenden Augen, die von genauso dunklen Wimpern gesäumt wurden. Ihm war keine Gemütsregung anzusehen, dennoch bemühte sie sich, die Ruhe zu bewahren, als sein Blick von ihrem Gesicht zu den zerzausten Haaren, ihrem zerlumpten Rock und den schmutzigen Schuhen wanderte.
Ein Hauch von Missbilligung schlich sich in die Schwärze seiner Augen, und Izzy bekam fast sofort eine Gänsehaut. So wie alle anderen beurteilte er sie nach ihrem Äußeren, aber nach nichts anderem. Trotz der Furcht, die an ihr nagte, trotzte sie ihrem Gegenüber. »Wer seid Ihr?«, fragte sie langsam und merkte, wie diese Worte ihr halfen, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. Wenn nichts anderes mehr half, sie zur Ruhe zu bringen, dann war auf ihre Neugier immer noch Verlass.
Als er nicht antwortete, ging sie auf ihn zu und näherte sich damit der Tür. »Hinaus mit Euch, und lasst mich nach draußen gehen«, forderte sie ihn auf und staunte über ihren herrischen Tonfall. Nie zuvor hatte sie so mit jemandem gesprochen. Dabei konnte ein solches Verhalten dazu führen, dass man sie wieder in das Gefängnis brachte, wohin sie unter keinen Umständen zurückwollte.
Er schüttelte den Kopf und ließ seine Hand auf dem Türgriff ruhen. »Ich werde die Tür freigeben, wenn Ihr mir versprecht, Euch hinzusetzen und mir zuzuhören. Ich bin gekommen, um Euch ein Angebot zu unterbreiten.«
Izzy musste schlucken, da sie auf einmal einen trockenen Hals hatte. »Ein Angebot?«
Sein kantiges Gesicht nahm einen harten Zug an. »Ich möchte um Eure Hand anhalten und Euch heiraten. «
Eine Heirat? Izzy zwinkerte, und einen Moment lang konnte sie den Mann nur anstarren. »Niemals.«
»Ich fürchte, mein Angebot an Euch ist nicht besser als das, das mir gemacht wurde.« Ein Anflug von Mitleid blitzte in seinen Augen auf, war aber sogleich wieder verschwunden. »Ihr werdet mich heiraten, und Ihr werdet auf der Stelle diese Insel verlassen.«
»Nein, ich ...»
»Ich biete Euch ein neues Leben an.«
Ein neues Leben? Neue Hoffnung? Wie lange war es her, seit sie davon zum letzten Mal zu träumen gewagt hatte? Bot er ihr tatsächlich eine Chance an, von dieser Insel zu entkommen und dem Alptraum zu entrinnen, in das Gefängnis zurückzumüssen, in dem sie die ersten sieben Jahre ihres Lebens verbracht hatte? Der Tod ihrer Mutter hatte sie von dieser Tortur erlöst, doch gleich danach hatten die MacDonalds sie zu ihrer Dienerin gemacht und sie damit mehr oder weniger versklavt. Izzy sah dem Mann in die Augen, die einen Hauch von Ungeduld erkennen ließen.
»Ihr habt keine andere Wahl. Meine Männer warten am Ufer auf uns. Kommt.«
»Wer seid Ihr, und warum ...» Ein hektisches Rütteln an der Tür ließ Izzy verstummen.
»Izzy! Izzy!«, rief ihr Pflegevater und schlug mit der Faust gegen die geschlossene Tür. »Am Ufer liegt ein Boot, und man erzählt mir, dass ein Fremder hierher unterwegs gewesen ist. Ist er bei dir, Izzy? Antworte!«
Ihre Anspannung steigerte sich nur weiter, als sie die Stimme ihres Pflegevaters vernahm. »Aldous MacDonald wird nicht zulassen, dass Ihr mich von hier wegbringt.«
»Da solltet Ihr Euch nicht so sicher sein«, widersprach der Fremde entschlossen. Er war von breiter und hoch aufragender Statur und deutlich größer als Izzy. Wenn er es wollte, konnte er sie unter Anwendung von roher Gewalt hinbringen, wohin er wollte. Aber würde er auch ihren Pflegevater zwingen können, sie gehen zu lassen?
Er nahm die Hand vom Türgriff, die Tür flog auf und gab den Blick auf ihren Pflegevater frei, der den Rahmen ganz ausfüllte. »Was wollt Ihr von Izzy?« Erstaunt sah er zwischen ihr und dem Fremden hin und her, ließ zuerst Angst, dann Wut erkennen.
»Ihr meint Lady Isobel?« Der Fremde zog ein gefaltetes Pergament hervor und hielt es Aldous hin. »Sie soll meine Braut werden.«
Mit Schrecken überflog der Pflegevater das Dokument. Isobel kam näher, bis sie das Siegel von Robert II. von Schottland erkennen konnte, dem Enkel von Robert the Bruce.
»Hat mein Vater Euch hergeschickt?«
»Der König hat mich geschickt«, erwiderte der Fremde ihm.
Aldous zog die Stirn in Falten. »Wie kann irgendwer von ihrer Existenz wissen? Allen voran der König? «
»Der König weiß viele Dinge.« Der Fremde stand vor ihrem Pflegevater wie eine finstere, unverrückbare Macht. »Und er wird eine Missachtung seiner Anweisung nicht ungestraft hinnehmen.«
Angst kroch ihr wie eine Ranke über den Rücken, jedoch nicht wegen der unverhohlenen Drohung, sondern weil sie auf dem Pergament mit dem königlichen Siegel ihren wahren Namen lesen konnte: Lady Isobel.
»Niemand kannte unser Geheimnis«, murmelte Aldous, während er das Dokument auf seine Echtheit hin untersuchte. Sein Gesicht war bleich, Furcht funkelte in seinen Augen. »Wenn der König von ihrer Existenz weiß, weiß er auch davon.«
Der Fremde schaute ihn verständnislos an. »Von wem redet Ihr?«
Izzy wusste, er meinte ihren Vater. Dass Aldous MacDonald den Mann genauso fürchtete, wie sie es tat, hatte etwas sehr Erschreckendes. Ihre Mutter hatte sie immer gewarnt, wenn ihr Vater sie jemals aufspüren sollte, dann sei ihr Leben in Gefahr.
Musste Aldous auch etwas befürchten? Sein Blick wanderte durch den Raum, als suche er in den Schatten nach etwas. »Wenn er und der König die Wahrheit kennen ...» Er sah zu Izzy. »Wenn wir sie verlieren, wird es sehr schwierig werden ... Sie hat in unserem Haushalt eine wichtige Rolle übernommen. «
Der Fremde betrachtete ihr erbärmliches Erscheinungsbild. »Das ist nicht zu übersehen.« Der melodische Klang seiner Worte stand im krassen Gegensatz zu seinem stählernen Blick.
Aldous' Angst ebbte ab, an deren Stelle trat ein hoffnungsvoller Ausdruck, wie Izzy ihn bei ihm immer dann beobachten konnte, wenn er über den Kauf oder Verkauf von Waren verhandelte. Er rechnete sich in diesem Moment aus, welchen Preis der Mann für sie zu zahlen bereit sein mochte. Gereizt verfolgte sie, wie die beiden Männer ihre Verhandlungen führten.
»Ich habe Jahre gebraucht, um sie gut auszubilden «, erklärte ihr Pflegevater. »Sie ist ziemlich wertvoll, wenn man bedenkt, dass sie stark und gehorsam ist und sich im richtigen Alter befindet, um Kinder zur Welt zu bringen. Diese Dinge muss man entsprechend honorieren.«
»Für gewöhnlich ist es der Bräutigam, der eine Mitgift erhält.« Die Miene des Fremden verfinsterte sich wieder, als er nach einem braunen Lederbeutel griff, den er an seinem Gürtel trug. Er warf den Beutel auf den Tisch, dessen Inhalt beim Aufprall deutlich vernehmbar klimperte. »Fünfundzwanzig Goldstücke sollten Euren Verlust wettmachen.«
Bei der Erwähnung dieser Summe stutzte Izzy. Sie wusste vielleicht nicht viel darüber, wie es in der Welt zuging, doch hier schien etwas nicht zu stimmen. »Warum wollt Ihr ein Vermögen dafür bezahlen, um mich von hier fortzubringen?«
»Ruhig!«, herrschte Aldous sie an. »Ich und der Gentleman entscheiden über deine Zukunft!«
Trotzig reckte sie das Kinn und betrachtete abwartend den Fremden, damit der ihr eine Erklärung gab. Doch bevor einer der beiden Männer noch etwas sagen konnte, fuhr sie fort: »Und warum sollte ich mit Euch gehen? Ich kenne ja nicht mal Euren Namen, geschweige denn Euren Plan, was Ihr mit mir vorhabt.«
Die starrsinnige Miene des Mannes verriet ihr, dass sie mit ihm mitgehen würde, auch wenn sie sich noch so sehr dagegen sträubte. »Meine Name ist ...» Er zögerte. »Mein Name ist ... Douglas.« Ihm schien es Schwierigkeiten zu bereiten, den Namen auszusprechen. »Ich bringe Euch nach Black Isle, und Ihr werdet mich begleiten.« Er wandte sich von ihr ab, um ihr deutlich zu machen, dass weiterer Protest weder erwünscht war noch irgendetwas bewirken würde. »Nun«, sagte er zu Aldous, »seid Ihr mit meinen Bedingungen einverstanden?«
Aldous griff nach dem Beutel voller Münzen. »Wir sind uns einig, Izzy. Geh in Frieden mit diesem Mann, und mach aus deiner Zukunft das Beste. Die MacDonalds hatten dich nie wie eine Gefangene halten sollen. Wegen der Geheimnisse über dein Leben waren wir einfach dazu gezwungen gewesen. Nachdem diese Geheimnisse nun gelüftet sind, hast du deine Zukunft selbst in der Hand.«
Seine Worte klangen so, als erwarte er nicht, dass sie überhaupt eine Zukunft hatte. Vor ihrem geistigen Auge sah sie ihre Mutter, schwach und gebrechlich, wie sie im Schatten in ihrer Zelle kauerte, und sie hörte ihre Warnung: Hüte dich vor denjenigen, die deine Vergangenheit kennen, Isobel. Sie stellen eine Gefahr für dich dar und verdienen dein Vertrauen nicht.
Izzy schüttelte den Kopf, um diese Erinnerung zu vertreiben. Ihre Mutter war bereits halb dem Wahnsinn verfallen, als sie diese Worte sprach. Vom Schmerz hervorgerufene, wilde Hirngespinste, weiter nichts. Erinnerungen, die am besten nicht angerührt wurden. Wenn Gefahren auf sie lauerten, dann wurden die allenfalls von ihr selbst heraufbeschworen, indem sie den Menschen zu sehr vertraute, von denen sie umgeben war.
Doch ihr war egal, warum dieser Fremde ein Vermögen in Gold hinlegte, um sie mitnehmen zu können - sie würde diese Gelegenheit nutzen. Er bot ihr die Möglichkeit, die Insel zu verlassen. Was seine Absicht anging, sie zu heiraten ... nun, aus dieser Zwickmühle sollte es schon einen Ausweg geben. Ihrer Mutter hatte die Ehe nur Isolation, Hunger und schließlich den Tod gebracht.
Izzy wollte mehr vom Leben, auch wenn sie zuvor nie irgendwelche Hoffnung gehegt hatte. Doch ihr Traum, eines Tages frei zu sein, hatte ihr durch die schwierigsten Zeiten ihres Daseins geholfen, und jetzt würde dieser Traum ihr Kraft geben.
»Wenn Ihr erledigt habt, wofür Ihr hergekommen seid, können wir uns auf den Weg machen.« Sie griff nach dem abgetragenen Wolltuch, das über einer Stuhllehne hing, und legte es sich um die Schultern.
Die Gesichtszüge des Fremden nahmen einen sanfteren Ausdruck an, dann nickte er zustimmend, und wenn sie sich nicht irrte, war in seinen Augen sogar für einen winzigen Moment Bewunderung aufgeblitzt. »Dann packt Eure Sachen, Lady Isobel.«
»Alles, was ich besitze, trage ich bereits an mir.« Sie straffte die Schultern, um ihrer Verlegenheit zu trotzen.
Der Fremde stieß einen leisen Fluch aus. »Dann lasst uns gehen.«
Mehr aus Höflichkeit als aus Dankbarkeit verabschiedete sie sich von ihrem Pflegevater und verließ das Cottage. Der Fremde folgte ihr über den Hof hinter dem Cottage und hinaus in die nach Heidekraut duftende Frühlingsluft.
Trotz ihrer forschen Worte, sie sei zum Aufbruch bereit, zitterten ihr die Knie, als sie den Hügelkamm überquerte, hinter dem es hinunter zur Küste ging. Als sie einen Dreimaster erblickte, zögerte sie. Sobald sie an Bord dieses Schiffs ging, würde sie den einzigen Ort hinter sich lassen, den sie in ihrem ganzen Leben kennengelernt hatte.
Wie sah wohl der Rest der Welt aus? Diese Frage hatte sie sich so oft gestellt, und nun würde sie die Antwort darauf erhalten. Angst und Begeisterung sorgten dafür, dass sich ihre Kehle wie zugeschnürt anfühlte. Ihr Leben lang hatte sie auf einen solchen Moment gewartet. Warum fiel es ihr dann so schwer, jetzt weiter einen Fuß vor den anderen zu setzen? Sie atmete tief durch, als könnte sie so wieder Mut fassen. Wenn sie sich bloß mit einem Mal nicht so allein gefühlt hätte ...
Der Fremde neben ihr blieb stehen. »Kommt, wir müssen uns beeilen. Sonst setzt die Ebbe ein, und wir liegen am Strand fest.«
»Das hätte ich fast vergessen!« Sie wirbelte herum und rannte zurück zum Haus. Keine drei Schritte weit war sie gekommen, als der Fremde sie packte. Ehe ihr das überhaupt bewusstwurde, hatte er sie bereits hochgehoben und über seine Schulter gelegt.
»Lasst mich runter!«, rief sie keuchend und trat nach seiner Magengegend.
Der Fremde ging ungerührt los und hielt sie noch etwas fester umschlossen, so dass sie die Wärme seiner Hände durch ihre Röcke hindurch auf ihren Schenkeln und ihrem Po spüren konnte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. »Lasst mich bitte runter. «
Er wurde langsamer, ließ sie aber nicht los. »Damit Ihr wieder weglaufen könnt?«
»Ich werde nicht weglaufen. Ihr habt mein Wort.«
Er blieb stehen und setzte sie ab, dann sah er sie verärgert an. »Ihr habt von mir nichts zu befürchten.«
»Es wäre verrückt von mir, Euch zu vertrauen.« Ein verzweifeltes Lachen entrang sich ihren Lippen. »Ich kenne Euch ja nicht mal.«
»Wir werden uns kennenlernen, wenn wir verheiratet sind.« Er legte ihr eine Hand um die Taille und dirigierte sie in Richtung Ufer. »Wir haben noch eine weite Reise vor uns.«
Sie drückte die Absätze in den lehmigen Untergrund, damit er abermals stehen blieb, während sie zum Cottage sah.
Er zog an ihrem Arm.
»Wartet.«
»Was?«
»Ich möchte noch etwas von hier mitnehmen.«
Er stutzte. »Habt Ihr mir nicht zu verstehen gegeben, dass Ihr nichts besitzt?«
»Das stimmt ...» Sie zögerte. »Das heißt, es gibt ein einziges kleines Erinnerungsstück.«
Wieder verfinsterte sich seine Miene, während Izzy sich wünschte, er könnte sie wieder so mitfühlend ansehen, wie es einmal kurz der Fall gewesen war. »Könnt Ihr es schnell holen?«, fragte er.
Bei seinen Worten begann sie zu strahlen. »O ja, auf jeden Fall.«
»Gut.« Er machte kehrt, um in Richtung des Hofs zu gehen.
Sie hielt ihn zurück. »Lasst mich allein gehen. Ich beeile mich auch.«
Nach kurzem Überlegen nickte er.
Izzy rannte über die Wiese. Ein kleines Erinnerungsstück war alles, was sie benötigte, damit sie sich auf dem Weg in ihr neues Leben nicht ganz so unsicher fühlte. Sie eilte um das Gebäude herum. Niemand auf der Insel würde je erfahren, was sie mitgenommen hatte.
Zumindest hoffte sie das.
© Weltbild
Mit zitternden Händen zog sie die schweren Fesseln nach vorn, bis sie mit den Fingern ihren Bauch berühren konnte. Da sie spürte, wie das Kind in ihrem Bauch trat, ließ die Angst vor der Dunkelheit, die sie jede Nacht überfiel, ein bisschen nach.
Als er sie hier einsperren ließ, da wusste er nicht, dass sie ein Kind erwartete. Anderenfalls hätte er das Kind genauso erbarmungslos für seine Zwecke benutzt, wie er es mit ihr getan hatte, um einen Thron zu besteigen, auf den er keinen Anspruch anmelden konnte. Ihm war es um ihre blutsmäßige Herkunft und ihre Fähigkeiten als Seherin gegangen. Als sie ihm dann aber kein Kind schenken konnte, da entledigte er sich ihrer wie einer Sache, die jeglichen Wert verloren hatte. Ironischerweise würde er niemals erfahren, dass sich seine Bestrebungen doch noch erfüllt hatten.
Sie strich sich über den Bauch, der mit jedem Tag ein wenig an Umfang zunahm. Würde das Kind in ihrem Leib ein Fluch oder ein Segen sein? Das Leben, das in ihrem Inneren heranwuchs, bewahrte sie vor der Einsamkeit, die sie mit Anbruch der Nacht heimsuchte. Doch würde ihr Kind bald diesen Alptraum einer Gefangenschaft mit ihr teilen müssen?
Der dunkelviolette Streifen Licht erlosch, und dann war die Zelle in tiefe Dunkelheit getaucht. Der Mond stand nicht am Himmel, weshalb sie sogar auf dessen schwachen Schein verzichten musste. Trotz des Kindes in ihrem Leib konnte sie ein Schluchzen nicht unterdrücken.
Wieder lag eine Nacht völliger Einsamkeit vor ihr, so unausweichlich und unverzeihlich wie jede Nacht. Unverzeihlich, weil die Finsternis sie zu etwas zwang, was sie lieber vermieden hätte.
Sie hob eine Hand an ihren Hals und griff nach dem kleinen weißen Stein mit der abgerundeten und der gezackten Seite, der in ein Geflecht aus zarten Lederstreifen eingebettet war. Er stellte ein weiteres Geheimnis dar, von dessen Existenz ihr Mann nichts wusste. Anderenfalls hätte er ihr den Stein sofort abgenommen. Sie klammerte sich an die Halskette wie an eine Rettungsleine, da sie wusste, dass dieses Objekt ihre Ängste lindern konnte.
Der Schicksalsstein und die von ihm ausgehenden Visionen boten ihr eine Flucht aus dieser Welt. Sie hielt den Stein fest umschlossen, bis seine glatte Oberfläche in ihrer Hand warm wurde. Eigentlich war es verkehrt, sich von diesen Visionen mitreißen zu lassen, doch ihr blieb keine andere Wahl, nachdem sie sich bereits vor Monaten dem Licht der Visionen hingegeben hatte
Sie nahm die Halskette ab und ließ den Kopf sinken, bis ihre Stirn den Stein berührte, da sie nur dann in die Zukunft blicken konnte.
Wessen Zukunft sie sah? Das war für sie nicht länger von Bedeutung, solange die Visionen Licht in diese Finsternis brachten. Der Verlockung des Steins erlegen, fielen ihr langsam die Augen zu, und sofort sah sie vor sich eine Myriade wirbelnder Farben - Rot, Blau, Grün, Orange und jede erdenkliche Schattierung dazwischen.
Sie klammerte sich an das Bild, hielt es in ihrem Geist fest, während sie den Rücken gegen die Steinmauer drückte und ihre Knie weich wurden. Sie sank langsam zu Boden, begleitet vom Rasseln ihrer Ketten, und ließ sich von ihren Visionen überwältigen.
Doch jede Flucht aus der Wirklichkeit der Zelle forderte ihren Preis, und so glitt sie langsam, aber unaufhaltsam in den Wahnsinn hinab. Sie konnte regelrecht spüren, wie sich ihr Verstand zurückzog und ihre Verbindung zur realen Welt mit jedem Mal ein Stück mehr kappte. Und in jeder Nacht schwor sie sich, den Stein nicht wieder anzufassen, doch sobald am nächsten Tag die Sonne unterging, war ihr guter Vorsatz längst vergessen.
Auch jetzt war es längst zu spät zur Umkehr, also drang sie tiefer in die Vision ein, bis der Geruch salziger Meeresluft sie umgab und den üblen Gestank ihrer Zelle vertrieb. Ein Bild nahm vor ihr Gestalt an, und Wellen mit weißen Schaumkronen rollten in endloser Abfolge an einen Strand.
Die Wellen wirkten hypnotisierend auf sie, und sie gestattete diese Wirkung auf sich. Sie konzentrierte ihre Gedanken auf die an Land kommenden Wellen und war dankbar dafür, dass außer ihnen nichts existierte. Vielleicht würde sie auf diese Weise ihren Verstand diesmal vor weiterem Schaden bewahren können. Womöglich würde sie vor der Geburt ihres Kindes noch nicht ganz dem Wahnsinn verfallen sein.
Während ihr der Gedanke durch den Kopf ging, entstand das Bild einer schlanken blonden Frau an einem Strand. Schaumige Wellen umspülten ihre Füße und lockten sie, ihnen ins Meer zu folgen. Die Frau schaute in die Ferne, als halte sie nach jemandem oder nach etwas Ausschau.
Das Bild entfernte sich von der Küste und wanderte zu einem Schiff, dessen Segel vom Wind aufgebläht wurden. An Deck stand ein dunkelhaariger Mann, der angespannte Entschlossenheit ausstrahlte. Als hätte er gewusst, dass Lady Grange ihn beobachtete, ging sein Blick in ihre Richtung. Sein Gesicht spannte sich vor Wut an, bis es wie eine starre Maske wirkte. Die Farbe der Augen wurde von einem satten Dunkelbraun zu einem eisigen, metallischen Schwarz.
Sie schnappte nach Luft.
»Wie seid Ihr an Bord meines Schiffs gelangt?«, fragte er und musterte sie eindringlich.
Er konnte sie sehen, aber ... wie war das möglich? Niemandem war das bislang jemals gelungen.
Als sie versuchte, sich aus dieser Vision zurückzuziehen, hielt die sie einfach fest. Die Finsternis wäre ihr lieber gewesen als der Anblick dieses zornigen Mannes. Wer war er bloß? Und warum hatte die Vision sie hergebracht?
»Antwortet mir«, forderte er sie auf und kam näher. Er griff nach ihrer Schulter, und sie hielt unwillkürlich die Luft an. Sein Griff war fest, jedoch nicht brutal, doch sie spürte ihn weiterhin, als die Vision sich längst wieder veränderte. Der Mann verblasste allmählich, und an seine Stelle rückte der Nachthimmel.
Ein endloses schwarzes Meer, das nur vom Mond unterbrochen wurde. Doch dieser Mond war zweigeteilt, die beiden gleich großen Hälften standen etwas entfernt voneinander am Himmel, die gezackten Ränder der einen waren auf die der anderen gerichtet. Und langsam trieben die Hälften aufeinander zu, um wieder eins zu werden.
Um eins zu werden ...
Ein gellender Schrei zerriss die Leere am Nachthimmel, ein anhaltender, urtümlicher Schrei, der erst verstummte, als die Stimme vor Heiserkeit versagte.
Mit viel Mühe gelang es ihr, den Stein von ihrer Stirn wegzureißen, während der letzte Gedanke in ihrem Kopf nachhallte. Um eins zu werden ...
Die Halskette mit dem Stein fiel ihr auf die Brust, da sie die Hand auf ihren Mund presste, damit ihr kein weiterer Schrei über die Lippen kam. Sie würde niemals wieder eins sein, solange sie den Schicksalsstein benutzte, um der Dunkelheit zu entfliehen.
Ihre Zukunft würde ihr den Wahnsinn bringen, das hatte ihr die Vision dieser Nacht gezeigt. Nie zuvor hatte sie erlebt, dass die Menschen in ihren Visionen sie ebenfalls sehen konnten.
Ein erstickter Schluchzer entkam in die Stille des dunklen, klammen Gefängnisses. Wie viele Tage, Wochen oder - Gott möge das verhindern - gar Jahre würde sie das hier noch ertragen müssen?
So lange, wie es sein muss, antwortete eine Stimme tief aus ihrem Inneren. Jetzt zählte nur ihr Kind.
Sie nahm die Hand vom Mund und strich sich über den Bauch. Für ihr Kind musste sie stark sein.
Langsam reckte sie das zuckende Kinn und starrte in die Nacht. Der erste schwache Schein des neuen Morgens war zu erkennen. Erleichterung erfasste sie. Den schlimmsten Teil der Nacht hatte sie hinter sich gebracht.
Dieser einen Nacht, betonte eine Stimme in ihrem Kopf. Natürlich würde dem anbrechenden Tag eine weitere Nacht folgen. Doch für den Augenblick verdrängte sie diesen Gedanken.
Sie verweigerte der Angst, Fuß zu fassen. Alles was zählte, war die Freiheit für ihr Kind. Weder in ihrem Leib noch in diesem Gefängnis eingesperrt. Und mit etwas Glück auch nicht gefangen auf dieser abgeschiedenen Insel.
Für ihr Kind würde sie weiterhin stark sein.
Erstes Kapitel
Isle of St. Kilda, Schottland 1372
Isobel Grange verspürte ein beängstigendes Kribbeln im Nacken. Ein Vorzeichen für nahendes Unheil. Ihre Mutter hatte sie vor solchen Dingen stets gewarnt, aber was sollte ihr hier im Cottage schon geschehen, das ihr Zuhause war? Die anderen Bewohner der abgeschiedenen Isle of St. Kilda schenkten ihr keine Beachtung, und ihre Pflegefamilie interessierte sich nur dafür, wie schnell sie ihre Hausarbeit erledigte.
Izzy verdrängte dieses seltsame Gefühl. Als sie gerade einen Korb mit Eiern auf den Holztisch in der Zimmermitte gestellt hatte, wurde hinter ihr mit einem lauten Knall die Haustür zugeschlagen.
Erschrocken drehte sie sich um, und dann stockte ihr der Atem, als sie den großen, breitschultrigen Mann entdeckte, der hinter ihr im Zimmer stand. Mit seinem gelben Hemd und dem dunklen wollenen Tartan war er im typischen Stil ihrer Landsleute gekleidet.
»Lady Isobel?«
Ihr Herz setzte ein paar Schläge lang aus. Er kannte ihren Namen ... ihren wahren Namen. Die Wände des Cottages schienen von allen Seiten auf sie einzustürzen.
Seine dunklen Augen musterten sie forschend. »Seid Ihr Lady Isobel?« Sein Tonfall war kurz und knapp.
Erdrückende Stille machte sich im Raum breit, bis die einzigen Geräusche das Knistern der Holzscheite im Kamin und ihr angestrengtes Atmen waren. Nervös nahm Izzy die Hände herunter und kämpfte gegen eine aufkommende Panik an. »Ich bin Izzy ... Isobel.«
Er musterte sie weiter abschätzend mit seinen pechschwarz erscheinenden Augen, die von genauso dunklen Wimpern gesäumt wurden. Ihm war keine Gemütsregung anzusehen, dennoch bemühte sie sich, die Ruhe zu bewahren, als sein Blick von ihrem Gesicht zu den zerzausten Haaren, ihrem zerlumpten Rock und den schmutzigen Schuhen wanderte.
Ein Hauch von Missbilligung schlich sich in die Schwärze seiner Augen, und Izzy bekam fast sofort eine Gänsehaut. So wie alle anderen beurteilte er sie nach ihrem Äußeren, aber nach nichts anderem. Trotz der Furcht, die an ihr nagte, trotzte sie ihrem Gegenüber. »Wer seid Ihr?«, fragte sie langsam und merkte, wie diese Worte ihr halfen, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. Wenn nichts anderes mehr half, sie zur Ruhe zu bringen, dann war auf ihre Neugier immer noch Verlass.
Als er nicht antwortete, ging sie auf ihn zu und näherte sich damit der Tür. »Hinaus mit Euch, und lasst mich nach draußen gehen«, forderte sie ihn auf und staunte über ihren herrischen Tonfall. Nie zuvor hatte sie so mit jemandem gesprochen. Dabei konnte ein solches Verhalten dazu führen, dass man sie wieder in das Gefängnis brachte, wohin sie unter keinen Umständen zurückwollte.
Er schüttelte den Kopf und ließ seine Hand auf dem Türgriff ruhen. »Ich werde die Tür freigeben, wenn Ihr mir versprecht, Euch hinzusetzen und mir zuzuhören. Ich bin gekommen, um Euch ein Angebot zu unterbreiten.«
Izzy musste schlucken, da sie auf einmal einen trockenen Hals hatte. »Ein Angebot?«
Sein kantiges Gesicht nahm einen harten Zug an. »Ich möchte um Eure Hand anhalten und Euch heiraten. «
Eine Heirat? Izzy zwinkerte, und einen Moment lang konnte sie den Mann nur anstarren. »Niemals.«
»Ich fürchte, mein Angebot an Euch ist nicht besser als das, das mir gemacht wurde.« Ein Anflug von Mitleid blitzte in seinen Augen auf, war aber sogleich wieder verschwunden. »Ihr werdet mich heiraten, und Ihr werdet auf der Stelle diese Insel verlassen.«
»Nein, ich ...»
»Ich biete Euch ein neues Leben an.«
Ein neues Leben? Neue Hoffnung? Wie lange war es her, seit sie davon zum letzten Mal zu träumen gewagt hatte? Bot er ihr tatsächlich eine Chance an, von dieser Insel zu entkommen und dem Alptraum zu entrinnen, in das Gefängnis zurückzumüssen, in dem sie die ersten sieben Jahre ihres Lebens verbracht hatte? Der Tod ihrer Mutter hatte sie von dieser Tortur erlöst, doch gleich danach hatten die MacDonalds sie zu ihrer Dienerin gemacht und sie damit mehr oder weniger versklavt. Izzy sah dem Mann in die Augen, die einen Hauch von Ungeduld erkennen ließen.
»Ihr habt keine andere Wahl. Meine Männer warten am Ufer auf uns. Kommt.«
»Wer seid Ihr, und warum ...» Ein hektisches Rütteln an der Tür ließ Izzy verstummen.
»Izzy! Izzy!«, rief ihr Pflegevater und schlug mit der Faust gegen die geschlossene Tür. »Am Ufer liegt ein Boot, und man erzählt mir, dass ein Fremder hierher unterwegs gewesen ist. Ist er bei dir, Izzy? Antworte!«
Ihre Anspannung steigerte sich nur weiter, als sie die Stimme ihres Pflegevaters vernahm. »Aldous MacDonald wird nicht zulassen, dass Ihr mich von hier wegbringt.«
»Da solltet Ihr Euch nicht so sicher sein«, widersprach der Fremde entschlossen. Er war von breiter und hoch aufragender Statur und deutlich größer als Izzy. Wenn er es wollte, konnte er sie unter Anwendung von roher Gewalt hinbringen, wohin er wollte. Aber würde er auch ihren Pflegevater zwingen können, sie gehen zu lassen?
Er nahm die Hand vom Türgriff, die Tür flog auf und gab den Blick auf ihren Pflegevater frei, der den Rahmen ganz ausfüllte. »Was wollt Ihr von Izzy?« Erstaunt sah er zwischen ihr und dem Fremden hin und her, ließ zuerst Angst, dann Wut erkennen.
»Ihr meint Lady Isobel?« Der Fremde zog ein gefaltetes Pergament hervor und hielt es Aldous hin. »Sie soll meine Braut werden.«
Mit Schrecken überflog der Pflegevater das Dokument. Isobel kam näher, bis sie das Siegel von Robert II. von Schottland erkennen konnte, dem Enkel von Robert the Bruce.
»Hat mein Vater Euch hergeschickt?«
»Der König hat mich geschickt«, erwiderte der Fremde ihm.
Aldous zog die Stirn in Falten. »Wie kann irgendwer von ihrer Existenz wissen? Allen voran der König? «
»Der König weiß viele Dinge.« Der Fremde stand vor ihrem Pflegevater wie eine finstere, unverrückbare Macht. »Und er wird eine Missachtung seiner Anweisung nicht ungestraft hinnehmen.«
Angst kroch ihr wie eine Ranke über den Rücken, jedoch nicht wegen der unverhohlenen Drohung, sondern weil sie auf dem Pergament mit dem königlichen Siegel ihren wahren Namen lesen konnte: Lady Isobel.
»Niemand kannte unser Geheimnis«, murmelte Aldous, während er das Dokument auf seine Echtheit hin untersuchte. Sein Gesicht war bleich, Furcht funkelte in seinen Augen. »Wenn der König von ihrer Existenz weiß, weiß er auch davon.«
Der Fremde schaute ihn verständnislos an. »Von wem redet Ihr?«
Izzy wusste, er meinte ihren Vater. Dass Aldous MacDonald den Mann genauso fürchtete, wie sie es tat, hatte etwas sehr Erschreckendes. Ihre Mutter hatte sie immer gewarnt, wenn ihr Vater sie jemals aufspüren sollte, dann sei ihr Leben in Gefahr.
Musste Aldous auch etwas befürchten? Sein Blick wanderte durch den Raum, als suche er in den Schatten nach etwas. »Wenn er und der König die Wahrheit kennen ...» Er sah zu Izzy. »Wenn wir sie verlieren, wird es sehr schwierig werden ... Sie hat in unserem Haushalt eine wichtige Rolle übernommen. «
Der Fremde betrachtete ihr erbärmliches Erscheinungsbild. »Das ist nicht zu übersehen.« Der melodische Klang seiner Worte stand im krassen Gegensatz zu seinem stählernen Blick.
Aldous' Angst ebbte ab, an deren Stelle trat ein hoffnungsvoller Ausdruck, wie Izzy ihn bei ihm immer dann beobachten konnte, wenn er über den Kauf oder Verkauf von Waren verhandelte. Er rechnete sich in diesem Moment aus, welchen Preis der Mann für sie zu zahlen bereit sein mochte. Gereizt verfolgte sie, wie die beiden Männer ihre Verhandlungen führten.
»Ich habe Jahre gebraucht, um sie gut auszubilden «, erklärte ihr Pflegevater. »Sie ist ziemlich wertvoll, wenn man bedenkt, dass sie stark und gehorsam ist und sich im richtigen Alter befindet, um Kinder zur Welt zu bringen. Diese Dinge muss man entsprechend honorieren.«
»Für gewöhnlich ist es der Bräutigam, der eine Mitgift erhält.« Die Miene des Fremden verfinsterte sich wieder, als er nach einem braunen Lederbeutel griff, den er an seinem Gürtel trug. Er warf den Beutel auf den Tisch, dessen Inhalt beim Aufprall deutlich vernehmbar klimperte. »Fünfundzwanzig Goldstücke sollten Euren Verlust wettmachen.«
Bei der Erwähnung dieser Summe stutzte Izzy. Sie wusste vielleicht nicht viel darüber, wie es in der Welt zuging, doch hier schien etwas nicht zu stimmen. »Warum wollt Ihr ein Vermögen dafür bezahlen, um mich von hier fortzubringen?«
»Ruhig!«, herrschte Aldous sie an. »Ich und der Gentleman entscheiden über deine Zukunft!«
Trotzig reckte sie das Kinn und betrachtete abwartend den Fremden, damit der ihr eine Erklärung gab. Doch bevor einer der beiden Männer noch etwas sagen konnte, fuhr sie fort: »Und warum sollte ich mit Euch gehen? Ich kenne ja nicht mal Euren Namen, geschweige denn Euren Plan, was Ihr mit mir vorhabt.«
Die starrsinnige Miene des Mannes verriet ihr, dass sie mit ihm mitgehen würde, auch wenn sie sich noch so sehr dagegen sträubte. »Meine Name ist ...» Er zögerte. »Mein Name ist ... Douglas.« Ihm schien es Schwierigkeiten zu bereiten, den Namen auszusprechen. »Ich bringe Euch nach Black Isle, und Ihr werdet mich begleiten.« Er wandte sich von ihr ab, um ihr deutlich zu machen, dass weiterer Protest weder erwünscht war noch irgendetwas bewirken würde. »Nun«, sagte er zu Aldous, »seid Ihr mit meinen Bedingungen einverstanden?«
Aldous griff nach dem Beutel voller Münzen. »Wir sind uns einig, Izzy. Geh in Frieden mit diesem Mann, und mach aus deiner Zukunft das Beste. Die MacDonalds hatten dich nie wie eine Gefangene halten sollen. Wegen der Geheimnisse über dein Leben waren wir einfach dazu gezwungen gewesen. Nachdem diese Geheimnisse nun gelüftet sind, hast du deine Zukunft selbst in der Hand.«
Seine Worte klangen so, als erwarte er nicht, dass sie überhaupt eine Zukunft hatte. Vor ihrem geistigen Auge sah sie ihre Mutter, schwach und gebrechlich, wie sie im Schatten in ihrer Zelle kauerte, und sie hörte ihre Warnung: Hüte dich vor denjenigen, die deine Vergangenheit kennen, Isobel. Sie stellen eine Gefahr für dich dar und verdienen dein Vertrauen nicht.
Izzy schüttelte den Kopf, um diese Erinnerung zu vertreiben. Ihre Mutter war bereits halb dem Wahnsinn verfallen, als sie diese Worte sprach. Vom Schmerz hervorgerufene, wilde Hirngespinste, weiter nichts. Erinnerungen, die am besten nicht angerührt wurden. Wenn Gefahren auf sie lauerten, dann wurden die allenfalls von ihr selbst heraufbeschworen, indem sie den Menschen zu sehr vertraute, von denen sie umgeben war.
Doch ihr war egal, warum dieser Fremde ein Vermögen in Gold hinlegte, um sie mitnehmen zu können - sie würde diese Gelegenheit nutzen. Er bot ihr die Möglichkeit, die Insel zu verlassen. Was seine Absicht anging, sie zu heiraten ... nun, aus dieser Zwickmühle sollte es schon einen Ausweg geben. Ihrer Mutter hatte die Ehe nur Isolation, Hunger und schließlich den Tod gebracht.
Izzy wollte mehr vom Leben, auch wenn sie zuvor nie irgendwelche Hoffnung gehegt hatte. Doch ihr Traum, eines Tages frei zu sein, hatte ihr durch die schwierigsten Zeiten ihres Daseins geholfen, und jetzt würde dieser Traum ihr Kraft geben.
»Wenn Ihr erledigt habt, wofür Ihr hergekommen seid, können wir uns auf den Weg machen.« Sie griff nach dem abgetragenen Wolltuch, das über einer Stuhllehne hing, und legte es sich um die Schultern.
Die Gesichtszüge des Fremden nahmen einen sanfteren Ausdruck an, dann nickte er zustimmend, und wenn sie sich nicht irrte, war in seinen Augen sogar für einen winzigen Moment Bewunderung aufgeblitzt. »Dann packt Eure Sachen, Lady Isobel.«
»Alles, was ich besitze, trage ich bereits an mir.« Sie straffte die Schultern, um ihrer Verlegenheit zu trotzen.
Der Fremde stieß einen leisen Fluch aus. »Dann lasst uns gehen.«
Mehr aus Höflichkeit als aus Dankbarkeit verabschiedete sie sich von ihrem Pflegevater und verließ das Cottage. Der Fremde folgte ihr über den Hof hinter dem Cottage und hinaus in die nach Heidekraut duftende Frühlingsluft.
Trotz ihrer forschen Worte, sie sei zum Aufbruch bereit, zitterten ihr die Knie, als sie den Hügelkamm überquerte, hinter dem es hinunter zur Küste ging. Als sie einen Dreimaster erblickte, zögerte sie. Sobald sie an Bord dieses Schiffs ging, würde sie den einzigen Ort hinter sich lassen, den sie in ihrem ganzen Leben kennengelernt hatte.
Wie sah wohl der Rest der Welt aus? Diese Frage hatte sie sich so oft gestellt, und nun würde sie die Antwort darauf erhalten. Angst und Begeisterung sorgten dafür, dass sich ihre Kehle wie zugeschnürt anfühlte. Ihr Leben lang hatte sie auf einen solchen Moment gewartet. Warum fiel es ihr dann so schwer, jetzt weiter einen Fuß vor den anderen zu setzen? Sie atmete tief durch, als könnte sie so wieder Mut fassen. Wenn sie sich bloß mit einem Mal nicht so allein gefühlt hätte ...
Der Fremde neben ihr blieb stehen. »Kommt, wir müssen uns beeilen. Sonst setzt die Ebbe ein, und wir liegen am Strand fest.«
»Das hätte ich fast vergessen!« Sie wirbelte herum und rannte zurück zum Haus. Keine drei Schritte weit war sie gekommen, als der Fremde sie packte. Ehe ihr das überhaupt bewusstwurde, hatte er sie bereits hochgehoben und über seine Schulter gelegt.
»Lasst mich runter!«, rief sie keuchend und trat nach seiner Magengegend.
Der Fremde ging ungerührt los und hielt sie noch etwas fester umschlossen, so dass sie die Wärme seiner Hände durch ihre Röcke hindurch auf ihren Schenkeln und ihrem Po spüren konnte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. »Lasst mich bitte runter. «
Er wurde langsamer, ließ sie aber nicht los. »Damit Ihr wieder weglaufen könnt?«
»Ich werde nicht weglaufen. Ihr habt mein Wort.«
Er blieb stehen und setzte sie ab, dann sah er sie verärgert an. »Ihr habt von mir nichts zu befürchten.«
»Es wäre verrückt von mir, Euch zu vertrauen.« Ein verzweifeltes Lachen entrang sich ihren Lippen. »Ich kenne Euch ja nicht mal.«
»Wir werden uns kennenlernen, wenn wir verheiratet sind.« Er legte ihr eine Hand um die Taille und dirigierte sie in Richtung Ufer. »Wir haben noch eine weite Reise vor uns.«
Sie drückte die Absätze in den lehmigen Untergrund, damit er abermals stehen blieb, während sie zum Cottage sah.
Er zog an ihrem Arm.
»Wartet.«
»Was?«
»Ich möchte noch etwas von hier mitnehmen.«
Er stutzte. »Habt Ihr mir nicht zu verstehen gegeben, dass Ihr nichts besitzt?«
»Das stimmt ...» Sie zögerte. »Das heißt, es gibt ein einziges kleines Erinnerungsstück.«
Wieder verfinsterte sich seine Miene, während Izzy sich wünschte, er könnte sie wieder so mitfühlend ansehen, wie es einmal kurz der Fall gewesen war. »Könnt Ihr es schnell holen?«, fragte er.
Bei seinen Worten begann sie zu strahlen. »O ja, auf jeden Fall.«
»Gut.« Er machte kehrt, um in Richtung des Hofs zu gehen.
Sie hielt ihn zurück. »Lasst mich allein gehen. Ich beeile mich auch.«
Nach kurzem Überlegen nickte er.
Izzy rannte über die Wiese. Ein kleines Erinnerungsstück war alles, was sie benötigte, damit sie sich auf dem Weg in ihr neues Leben nicht ganz so unsicher fühlte. Sie eilte um das Gebäude herum. Niemand auf der Insel würde je erfahren, was sie mitgenommen hatte.
Zumindest hoffte sie das.
© Weltbild
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Autoren-Porträt von Gerri Russell
Was das Schreiben angeht, so kennt sich Gerri Russell aus: Sie war Fernsehjournalistin, Zeitungsreporterin, Kolumnistin und Herausgeberin. Heute widmet sie sich dem, was sie schon immer tun wollte: Sie macht die Welt ein klein wenig romantischer durch ihre historischen Liebesromane, für die sie bereits drei Preise gewonnen hat. Gerri Russell lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern im Bundesstaat Washington.
Bibliographische Angaben
- Autor: Gerri Russell
- 2010, 396 Seiten, Maße: 11,6 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Sander, Ralph
- Übersetzer: Ralph Sander
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 345377261X
- ISBN-13: 9783453772618
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