Der Sommer, der uns verband / Strandhaus Nr. 9 Trilogie Bd.1
Deutsche Erstveröffentlichung
Der ergreifende Auftakt zu Christie Ridgways sommerleichter Trilogie.
Eine ausgelassene Strandparty und mittendrin ein sexy Mann mit ozeanblauen Augen und offenem Hawaiihemd: Das ist Griffin Lowell? Jane hat einen grüblerischen Einzelgänger erwartet, nicht...
Eine ausgelassene Strandparty und mittendrin ein sexy Mann mit ozeanblauen Augen und offenem Hawaiihemd: Das ist Griffin Lowell? Jane hat einen grüblerischen Einzelgänger erwartet, nicht...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Der Sommer, der uns verband / Strandhaus Nr. 9 Trilogie Bd.1 “
Klappentext zu „Der Sommer, der uns verband / Strandhaus Nr. 9 Trilogie Bd.1 “
Der ergreifende Auftakt zu Christie Ridgways sommerleichter Trilogie.Eine ausgelassene Strandparty und mittendrin ein sexy Mann mit ozeanblauen Augen und offenem Hawaiihemd: Das ist Griffin Lowell? Jane hat einen grüblerischen Einzelgänger erwartet, nicht diesen Traumtypen. Schließlich wurde sie engagiert, um Griffin in seinem Strandhaus beim Schreiben seiner Biographie zu helfen. Der allerdings will lieber feiern und seinen traumatischen Erinnerungen entfliehen doch so schnell gibt Jane nicht auf, denn sie braucht den Job mehr als alles andere! Bei Strandspaziergängen im Mondschein gelingt es ihr tatsächlich, das Eis um Griffins Herz zum Schmelzen zu bringen. Aber während ihr berufliches Interesse bald tiefer Sehnsucht weicht, scheint er noch nicht bereit für die Liebe
Lese-Probe zu „Der Sommer, der uns verband / Strandhaus Nr. 9 Trilogie Bd.1 “
Beach House Nr.9 von Christie RidgwayÜbersetzung von Sonja Sajlo-Lucich
1. KAPITEL
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Hatte Griffin Lowell etwa Gäste? Bei dem Gedanken blieb Jane abrupt stehen, noch immer gute zwanzig Meter von der Hintertür entfernt. Doch sicher nicht, oder? Sein Agent hatte ihr versichert, der Mann lebe wie ein Einsiedler, verweigere jeden Kontakt mit der Außenwelt, reagiere nicht auf Bitten um Rückrufe, ignoriere sowohl E-Mails als auch Textnachrichten, auch von Freunden und Familie. Jane konnte das aus eigener Erfahrung nur bestätigen.
„Bevor er sich in seine Tonne verkrochen hat und seither mit niemandem mehr kommuniziert, hatte ich ihm den Vorschlag unterbreitet, ihm jemanden zu schicken, der ihn bei seinem Buch unterstützt", hatte Frank, der Agent, gesagt. „Und er hat sich einverstanden erklärt. Also machen Sie ihm Feuer unter dem Hintern, Jane. Und zwar richtig!"
Genau das hatte sie vor. In ihrem Job war sie exzellent, und nach dem Desaster, in dem ihr letzter Auftrag geendet war, hatte sie es bitter nötig, dass sie das bewies.
Sie achtete sorgfältig darauf, dass ihre Peeptoe-Pumps mit dem halb hohen Absatz keine Schrammen abbekamen, während sie die nächsten Meter über den unebenen Muschelweg ging. Dann jedoch hielt sie ein zweites Mal an, atmete mehrmals tief durch, versuchte, die krausen Strähnen und den feuchten Leinstoff ihres Kleides mit den Handflächen glattzustreichen. Dass hier so viel auf dem Spiel stand, machte sie leicht nervös.
Ganz zu schweigen davon, dass sie auch noch auf diese Einsiedler- Geschichte Rücksicht nehmen musste. Griffin hatte ein Jahr lang mit den amerikanischen Truppen in Afghanistan zugebracht. Er musste Dinge gesehen und erlebt haben - daher auch die Memoiren -, die zweifelsohne Spuren bei ihm hinterlassen hatten. Saß er etwa allein in der Hütte, den Blick starr auf den Ozean gerichtet, und grübelte düster über Gott und den Sinn der Welt nach? Ihr wurde noch mulmiger, wenn sie sich vorstellte, wie sie in diese Szene hineinplatzte und seine Ruhe störte.
Du hast eine zweite Chance bekommen, Jane. Einen Rückzieher kannst du dir nicht leisten.
Mit diesem Mantra schaffte sie es immerhin bis zur Fußmatte vor der Tür. Die Matte sah aus wie eine Piratenflagge, und unter dem Totenkopf und den über Kreuz gelegten Knochen stand zu lesen: Ihr, die Ihr eintretet, lasst alle Hoffnung fahren.
Eine andere Frau hätte diese Warnung vermutlich zu den elf ignorierten Anrufen, ihren angespannten Nerven und ihrem ramponierten Aufzug hinzuaddiert und beschlossen, an einem anderen Tag wiederzukommen, um es mit dem Schriftsteller aufzunehmen. Jane jedoch hob ihr Kinn und die geballte Faust an, und wollte an die Tür klopfen.
Die wurde aufgezogen, noch bevor ihre Knöchel das Holz berührt hatten. Ein Typ mit blonden Locken, barfuß und in gelben Surfshorts, starrte sie an. Aus dem Innern des Hauses drangen eindeutige Partygeräusche - Rap-Musik, laute Stimmen, das Scheppern einer zu Boden fallenden Bierflasche, woraufhin jemand fluchte wie ein gestandener Seemann. Hinter dem Beach Boy gingen zwei Frauen vorbei, in identischen Jeans-Miniröcken und winzigen Bikinioberteilen. Beide hatten sie langes Haar, mit Strähnchen aufgefrischt und perfekt frisiert, und beide hielten hohe Gläser mit bunten tropischen Cocktails einschließlich Fruchtscheiben und Schirmchen in den Händen. Jane mit der struppigen Frisur und dem schlaff herabhängenden Kleid würdigten sie keines Blickes. Irgendwo in dem Zimmer rief jetzt eine männliche Stimme lachend: „Mann, bin ich besoffen. Voll, breit, absolut dicht ...", und ein anderer rief: „He, Brittany, wie wär's, wenn wir uns ausziehen und endlich zur Sache kommen?"
Aha. Der Mann, mit dem sie zu tun hatte, war definitiv kein Einsiedler.
Die Augenbrauen fragend hochgezogen, musterte sie den Surfer. „Griffin?"
„Nee, ich bin Ted. Wollen Sie was von ihm?"
„Ja." Sollte sie jetzt froh oder enttäuscht sein, dass der Beach Boy nicht der Mann war, den sie suchte? „Ist er zu sprechen?" Könnte ja sein, dass er sturzbetrunken oder gerade mit Brittany beschäftigt war.
„Für Sie? Immer." Der Surfertyp deutete mit dem Daumen über die Schulter. „Irgendwo da drinnen. Sie können ihn gar nicht verfehlen."
Als sie an ihm vorbei über die Schwelle trat, rief der Typ in den Raum hinein: „He, Griffin, sieh nur! Der Getränkeladen nutzt jetzt kleine Bibliothekarinnen, um Chips und Schnaps auszuliefern!"
Auch wenn Ärger über den dummen Kommentar in ihr aufbrodelte ... sie ignorierte es, schaute sich stattdessen um. Hier war definitiv eine Party in vollem Gange. Gut zwanzig Leute hatten sich in dem großen Wohnzimmer versammelt. An der einen Wand gab es einen offenen Kamin, ihm gegenüber lagen die gläsernen Schiebetüren, die auf die Veranda zum Ozean hinausführten. Da draußen hielten sich noch mehr Leute auf. Dem Rap-Song folgte jetzt etwas von Jimmy Buffett, begleitete Jane sozusagen auf dem Weg durch die Menge. Sie fragte sich, wie sie den Reporter „nicht verfehlen" sollte. Er arbeitete für Zeitschriften und Magazine, im Fernsehen hatte sie ihn noch nie gesehen. Und das Schwarz-Weiß-Foto von ihm, über das sie bei ihren Nachforschungen im Internet gestolpert war, zeigte nur eine verschwommene Gestalt mit Soldatenhelm, Bomberjacke und verstaubter Sonnenbrille.
Für einen Moment setzte die Musik aus, dann plärrte der Jimmy-Buffett-Song wieder von vorn aus den Lautsprechern, gerade, als Jane bei der Veranda angekommen war. Ihr Blick glitt nach rechts, angezogen von einem sich drehenden Windspiel aus Treibholzstücken und ausgedienten Flipflops in den verschiedensten Farben, und unter diesem „Kunstwerk" entdeckte sie ihn. Sie wusste nicht, weshalb sie so sicher war, aber sie hätte hundert Dollar gewettet - die sie gar nicht erübrigen konnte -, dass sie soeben Griffin Lowell gefunden hatte.
In verwaschenen Cargo-Shorts, das Hawaii-Hemd offen stehen, saß er lässig zurückgelehnt auf einer Lederliege, die ihre beste Zeit längst hinter sich hatte, zu beiden Seiten eingerahmt von vollbusigen Bikini-Schönheiten. Ein rotes Bandana saß auf seinem Kopf, wie bei einem Biker ... oder besser, wie bei einem Piraten, denn in einem Ohr hing eine goldene Kreole, und er trug Augenklappen auf beiden Augen. Die Finger einer Hand hielt er um eine Bierflasche gekrümmt, die er auf seinem flachen Bauch abgestellt hatte. Er schien zu schlafen. Oder vielleicht zu meditieren - falls Freibeuter so etwas taten.
Tief holte Jane Luft. „Griffin? Griffin Lowell?"
Seine freie Hand glitt zu seinem Schritt. Hektisch riss Jane den Blick los, doch dann wurde ihr klar, dass er nur in seine Tasche fasste. „Wie viel schulde ich Ihnen?", brummte er. „Sie haben doch hoffentlich den Tequila mitgebracht, oder?"
„Und die Cherrycola light", meldete sich eine von den Bikini-Schönheiten. „Tequila trinke ich immer nur mit Cherrycola light."
Er verzog den Mund, wiederholte es dennoch. „Und die Cherrycola light."
Jane starrte den Mann kopfschüttelnd an. Es war schwer, überhaupt einen Eindruck von ihm zu bekommen, mit dem Bandana über seinem Haar und diesen lächerlichen Augenklappen, die sein Gesicht halb verdeckten. Als sie genauer hinschaute, stellte sie fest, dass auch das schwarze Plastik mit einem Totenkopf verziert war. „Ich habe überhaupt nichts mitgebracht." Sie musste lauter sprechen, da das Buffet-Lied zu Ende war und nun ein Song von einer Band lief, die sie nicht kannte. „Aber sagen wir es mal so: Sie schulden mir tatsächlich etwas, Griffin Lowell."
Einen Moment stutzte er, dann schnellte die Rücklehne der Liege vor, während er sich erhob, verscheuchte so die Bikini-Mädchen von den Armlehnen. Griffin streckte die Hand mit dem Bier aus, und einer von den beiden Frauen nahm sie ihm ab. Jetzt hatte er beide Hände frei, um die Piratenverkleidung abzulegen: Ohrring, die beiden Augenklappen, eine nach der anderen, dann zog er sich das Bandana vom Kopf. Und Jane erhielt den ersten Blick auf ihn.
Großer Gott, dachte sie und schluckte.
Der Mann war unbestreitbar attraktiv. Das von der Sonne gebräunte Gesicht war ebenso schlank und kräftig wie seine Hände, die Züge markant. Dunkle Bartstoppeln standen auf Wangen und Kinn, das Haar auf seinem Kopf war nicht viel länger, vielleicht nur einen Zentimeter. Vermutlich Soldatenschnitt. Seine Augen jedoch ... sie leuchteten aquamarinblau unter den dunklen Brauen hervor und musterten sie mit der Intensität eines Lasers. Reporter-Augen.
Zuerst schienen sie kalt zu glitzern, doch als sein Blick weiter über Janes Gesicht wanderte, an ihrem Mund haften blieb, auf dem hochgeschlossenen Kragen, der ihr plötzlich zu eng schien und ihr die Luft abschnürte, dann über ihr zerknittertes Kleid und weiter zu den Knien glitt, die nachgeben wollten, kam es ihr so vor, als würde ich gründlich taxierte Haut plötzlich zu brennen anfangen, Zentimeter für Zentimeter. Es erinnerte sie an die Warnfeuer, die man früher angezündet hatte, um die Ankunft des Feindes zu signalisieren. Flammte an der einen Stelle das Feuer auf, folgte schon bald eines nach dem anderen, wie eine Kettenreaktion, damit jeder - in ihrem Falle jede Nervenzelle - vorgewarnt war. Jane hatte allerdings auch gehört, dass Piraten diese Feuer ebenfalls genutzt hatten, um Schiffe in gefährliche Gewässer zu locken, wo sie auf Grund liefen und sanken.
Der Gedanke hätte sie erschaudern lassen sollen, stattdessen schwappte eine neue Hitzewelle durch ihren Körper. Sie konnte tatsächlich fühlen, wie die Härchen an ihrem Nacken sich aufrichteten und sich zu Locken kräuselten, die sie noch nie in ihrem Leben gehabt hatte.
Sie räusperte sich - das war bestimmt besser, als sich verlegen den Nacken zu massieren. „Sie haben nicht auf meine Anrufe reagiert", sagte sie also streng. „Daher blieb mir nichts anderes, als persönlich hier aufzutauchen, damit wir über Ihr Buch reden können."
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, senkte er die Lieder und ließ sich wieder auf die Liege sinken. „Kein Interesse." Er hielt die Hand nach seinem Bier hin, leerte es in einem Schluck.
Jane ließ sich nicht von seinen geschlossenen Augen aufhalten, auch wenn klar war, dass er sie damit auf wirklich rüpelhafte Weise abwies. „Sie haben einen Vertrag für Ihre Memoiren unterzeichnet", erinnerte sie ihn nüchtern, zwang sich dazu, ihre Stimme freundlicher klingen zu lassen. „Doch Sie müssen es nicht allein durchstehen. Deshalb bin ich hier - für Sie."
Als er jetzt die Augen öffnete, schaffte sie es sogar, aufmunternd zu lächeln. Er ließ den Blick wieder von Kopf bis Fuß über sie wandern. Unwillkürlich presste sie die Lippen zusammen, innerlich krümmte sie sich. Gut, dann sah man ihr äußerlich wenigstens nichts an. Als sein Blick erneut auf ihrem Mund zu liegen kam, biss sie sich auf die Unterlippe, um das seltsame kleine Wimmern zurückzuhalten, das ihr beinahe entschlüpft wäre. Das war ebenso bizarr wie der ungewöhnliche Impuls, die Beine in die Hand zu nehmen und zu rennen, so weit sie konnte.
Du kannst dir einen Rückzieher nicht erlauben, Jane.
Diese kleine Stimme in ihrem Kopf hatte die gleiche Wirkung wie ein Eimer kalten Wassers. „Sie haben demnächst Manuskriptsseiten abzugeben", rief sie Griffin ins Gedächtnis. Sie hatte sich wieder unter Kontrolle. „Mich hat man damit beauftragt, Sie zu unterstützen und Ihnen zu helfen, dass Sie Ihre Fristen einhalten."
Er legte den Kopf leicht schief, der Mangel an Begeisterung war ihm deutlich anzusehen.
Trotzdem fuhr sie fort: „In diesem Sinne stehe ich zu Ihrer vollständigen Verfügung und werde Sie mit allem versorgen, was Sie brauchen." Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass manchmal auch ein Tritt in den geschätzten Autorenhintern dazugehörte, eine Vorstellung, die mehr und mehr an Reiz gewann.
„So, tatsächlich?", fragte er träge, eine dunkle Augenbraue hochgezogen. „Das Einzige, was ich brauche, Engelchen, sind eine Flasche Tequila, noch ein Sixpack Bier und eine Nacht mit heißem Sex." Jetzt zog er auch die zweite Augenbraue hoch. „Was ist, haben Sie Lust?"
Jane hatte gerade noch Zeit, ein ersticktes Schnauben hervorzubringen, als jemand aus dem Haus nach ihm rief. Dann war er auch schon verschwunden, ließ Jane allein zurück mit der leeren Liege und den beiden Bikini-Schönheiten.
„Wurde aber auch Zeit", meinte die eine. „Ich hoffe, das ist jetzt die Cherrycola light." Sie schlenderte davon, vermutlich, um nachzuschauen.
Die zweite Bikini-Schönheit lächelte Jane an - die es tatsächlich schaffte, zurückzulächeln. „Nette ... äh ... Party. Gibt es einen besonderen Anlass?"
Die junge Frau zuckte mit den Schultern. „Ist heute Dienstag?"
„Um genau zu sein ... wir haben bereits Mittwoch", antwortete Jane.
„Oh." Die andere massierte sich die Stirn. „Ich habe überhaupt kein Zeitgefühl mehr. Endspurt, Sie wissen schon ..."
Musste man etwa spezielle Prüfungen ablegen, um die Sonnenbänke in Bräunungsstudios zu bedienen? „Sie sind Studentin?"
„Abschlussarbeit. Meeresbiologie." Dann brach sie in Gelächter aus. „Sie müssten mal Ihr Gesicht sehen! Nein, war nur ein Witz. Ich bin Kosmetikerin."
In Punkto Aussehen brauchte die junge Frau wohl niemanden, der ihr sagte, wo es langging. Sie war der Schmollmund-Typ mit ausladender Oberweite, die in Seifenopern im Fernsehen mitspielten. Oder einen von den Titelseiten des Maxim entgegenlächelten. „Besuchen Sie Griffin oft?"
„Das hier ist die Partyzentrale. Der Freund meiner Freundin geht mit ihm surfen, also feiern wir hier alle zusammen. Er scheint nichts dagegen zu haben."
Was nur bestätigte, dass er nicht gerade konzentriert an seinem Manuskript arbeitete. Inzwischen hatte er wohl genug Zeit gehabt, damit er die Alkohollieferung annehmen konnte, also entschuldigte Jane sich und machte sich auf die Suche nach ihm. Es dauerte eine Weile, bevor sie sich versichert hatte, dass er weder in der Küche noch in einem der Schlafzimmer war, auch nicht im Bad oder in der Garage, wo sich eine andere Gruppe Partygänger zu irgendeinem Trinkspiel um den aufgestellten Tisch herum versammelt hatte. Bei ihrem zweiten Rundgang durchs Haus stellte sie dann fest, dass er ungesehen an ihr vorbeigekommen war. Mit geschlossenen Augen hatte er es sich auf einer Liege in der Ecke der Veranda gemütlich gemacht und hielt eine frische Flasche Bier in der Hand.
Er hätte genauso gut allein sein können.
Davon ließ Jane sich jedoch nicht von ihrer Mission abbringen. Sie zog einen der Plastikstühle heran und setzte sich neben ihn, steckte sich die krausen Strähnen hinter die Ohren. Er rührte sich nicht.
Sie räusperte sich und starrte ihn durchdringend an, doch auch das rief keine Reaktion bei ihm hervor. Nichts drang durch den Kokon, den er um sich gezogen hatte. Vermutlich wäre sie im Vorteil, wenn sie nur lange genug wartete und ihn damit aus der Reserve lockte, allerdings kannte auch ihre Geduld Grenzen. Er hatte eine Frist einzuhalten und sie ihren Ruf wiederherzustellen.
Noch ein Räuspern. „Griffin."
„Engelchen." Nur seine Lippen bewegten sich.
Geräuschlos mahlte sie mit den Zähnen. „Hören Sie. Sie haben Ihrem Agenten gesagt, dass Sie jemanden benötigen, der Ihnen mit dem Manuskript hilft. Deshalb bin ich hier, damit verdiene ich mir meinen Lebensunterhalt."
Da er noch immer nicht reagierte, wurde sie etwas lauter. „Ich bin Buchärztin", verkündete sie. „Ich heiße Jane."
Das schien immerhin zu ihm durchzudringen, seine Augen öffneten sich kurz zu schmalen Schlitzen, und als er sie wieder schloss, zuckte einer seiner Mundwinkel in die Höhe. „Natürlich heißen Sie so."
Seinen amüsierten Ton ignorierte sie, es war schließlich nicht das erste Mal, dass sie eine solche Reaktion erhielt. Sie sah auch aus wie eine Jane. Ihr Bruder Byron, ein ebenso ernster und anerkannter Wissenschaftler wie ihr Vater, ähnelte mit seinem dramatischen Aussehen tatsächlich seinem literarischen Namensgeber. Und der andere Überflieger, den sie ebenfalls ihren Bruder nannte, Philipp Marlowe Pearson, könnte wirklich als hartgesottener Detektiv durchgehen, obwohl er in der medizinischen Forschung viel mehr daran interessiert war, DNS-Stränge zu identifizieren als Verbrecher. Und genau wie bei ihren Brüdern, passte auch ihr Name zu ihrem Äußeren. Das blonde Haar, das hübsche, aber unauffällige Gesicht und die schlichten grauen Augen verrieten eigentlich schon alles - eine zurückhaltende, damenhafte Jane.
Wäre ihre Mutter nicht schon gestorben, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, hätte sie sie wohl irgendwann gefragt, weshalb sie nicht einen exotischeren Namen für die einzige Tochter gewählt hatte. Würde sie vielleicht anders aussehen, wenn man sie Daisy oder Delilah genannt hätte?
Nichtsdestotrotz drängte sich Jane der Verdacht auf, dass Griffin Lowell sie auch dann ignorieren würde, wenn sie wie Scheherazade aussähe. Außerdem war er es, der Geschichten zu erzählen hatte. „Was nun Ihr Buch betrifft ...", hob sie an.
„Darüber kann ich im Moment nicht reden."
„Wieso? Sie haben doch gerade Zeit."
Noch immer die Augen festgeschlossen. „Ich habe Gäste."
„Die längst ihre Cola bekommen haben", merkte sie spitz an. Unverständlich, weshalb sie so verärgert sein sollte, nur weil sie die andere Frau jetzt am gegenüberliegenden Ende der Veranda erblickte. Die Schönheit beugte sich vor, um sich ein paar Sandkörnchen von der Wade zu wischen, und fast hätten die winzigen Dreiecke ihres Bikinioberteils die vollen Brüste nicht mehr gehalten.
„Sie wirkt nicht so, als würde sie auf ihr Gewicht achten müssen, oder?" Die Augen jetzt weit offen, schaute er in die gleiche Richtung wie Jane.
„Dazu habe ich keine Meinung", erwiderte sie spröde.
Er schnaubte. „Sie klingen sogar wie eine Gouvernante."
Sie lächelte schmal. „Das hilft beim Job."
„Meinen Sie?" Er verschränkte die Arme vor der Brust und schlug die Beine an den Knöcheln übereinander - die verkörperte Nonchalance. „Ich glaube eher, Sie hätten mehr Erfolg, wenn Sie lockerer wären. Warum suchen Sie sich nicht im Haus einen Badeanzug und holen sich einen Drink? Dann reden wir."
Sie kniff die Augen zusammen. Für den Moment würde sie vorgeben, mitzuspielen. „Und Sie sind noch hier, wenn ich wieder zurückkomme? Kann ich mich darauf verlassen?"
Er wandte das Gesicht ab. „Machen wir einen Termin für nächste Woche aus."
Ja, sicher. Nachdem sie ihn jetzt gesehen hatte und wusste, wie er hauste, würde sie ihm keinen Zentimeter Freiraum mehr lassen. Er wollte sich nur herauswinden. Sein Agent hatte völlig recht: Der Mann verweigerte sich. „Sie müssen sofort mit der Arbeit anfangen, Griffin, sonst können Sie den Abgabetermin nicht halten. Die erste Hälfte hat bis zum Ende des Monats vorzuliegen.
Er ignorierte die Bemerkung, studierte angelegentlich das Etikett auf der Bierflasche. „Buchärztin, also, was? Sind Sie mit Vokabular und Grammatik vertraut?"
„Natürlich. Aber meine Arbeit besteht aus mehr als nur ..."
„Sind Sie wirklich vom Fach?", fiel er ihr ins Wort. „Können Sie Humulus lupulus buchstabieren? Wissen Sie, was es mit Saccharomyces uvarum auf sich hat?"
Sie bemühte sich um Geduld. „Solange Sie keine Abhandlung über das Bierbrauen schreiben wollen, über Lager im Besonderen, wird wohl keiner dieser Begriffe auftauchen, oder?"
Er stutzte kurz, schien erstaunt, dann schüttelte er den Kopf. „Fein. Reden wir über Interpunktion, zum Beispiel Kommas ..."
„Kommas oder Kommata, beides ist zulässig. Und die feinen Unterschiede, wie Journalisten anders schreiben, sind mir ebenfalls bewusst."
„Aber ..."
Sie ließ sich nicht von ihm unterbrechen, fachsimpelte eine Weile und verblüffte ihn mit ihrem Wissen. „Habe ich den Test bestanden?" Sie wartete auf seine Antwort.
Copyright © 2013 BY CHRISTIE RIDGWAY.
Hatte Griffin Lowell etwa Gäste? Bei dem Gedanken blieb Jane abrupt stehen, noch immer gute zwanzig Meter von der Hintertür entfernt. Doch sicher nicht, oder? Sein Agent hatte ihr versichert, der Mann lebe wie ein Einsiedler, verweigere jeden Kontakt mit der Außenwelt, reagiere nicht auf Bitten um Rückrufe, ignoriere sowohl E-Mails als auch Textnachrichten, auch von Freunden und Familie. Jane konnte das aus eigener Erfahrung nur bestätigen.
„Bevor er sich in seine Tonne verkrochen hat und seither mit niemandem mehr kommuniziert, hatte ich ihm den Vorschlag unterbreitet, ihm jemanden zu schicken, der ihn bei seinem Buch unterstützt", hatte Frank, der Agent, gesagt. „Und er hat sich einverstanden erklärt. Also machen Sie ihm Feuer unter dem Hintern, Jane. Und zwar richtig!"
Genau das hatte sie vor. In ihrem Job war sie exzellent, und nach dem Desaster, in dem ihr letzter Auftrag geendet war, hatte sie es bitter nötig, dass sie das bewies.
Sie achtete sorgfältig darauf, dass ihre Peeptoe-Pumps mit dem halb hohen Absatz keine Schrammen abbekamen, während sie die nächsten Meter über den unebenen Muschelweg ging. Dann jedoch hielt sie ein zweites Mal an, atmete mehrmals tief durch, versuchte, die krausen Strähnen und den feuchten Leinstoff ihres Kleides mit den Handflächen glattzustreichen. Dass hier so viel auf dem Spiel stand, machte sie leicht nervös.
Ganz zu schweigen davon, dass sie auch noch auf diese Einsiedler- Geschichte Rücksicht nehmen musste. Griffin hatte ein Jahr lang mit den amerikanischen Truppen in Afghanistan zugebracht. Er musste Dinge gesehen und erlebt haben - daher auch die Memoiren -, die zweifelsohne Spuren bei ihm hinterlassen hatten. Saß er etwa allein in der Hütte, den Blick starr auf den Ozean gerichtet, und grübelte düster über Gott und den Sinn der Welt nach? Ihr wurde noch mulmiger, wenn sie sich vorstellte, wie sie in diese Szene hineinplatzte und seine Ruhe störte.
Du hast eine zweite Chance bekommen, Jane. Einen Rückzieher kannst du dir nicht leisten.
Mit diesem Mantra schaffte sie es immerhin bis zur Fußmatte vor der Tür. Die Matte sah aus wie eine Piratenflagge, und unter dem Totenkopf und den über Kreuz gelegten Knochen stand zu lesen: Ihr, die Ihr eintretet, lasst alle Hoffnung fahren.
Eine andere Frau hätte diese Warnung vermutlich zu den elf ignorierten Anrufen, ihren angespannten Nerven und ihrem ramponierten Aufzug hinzuaddiert und beschlossen, an einem anderen Tag wiederzukommen, um es mit dem Schriftsteller aufzunehmen. Jane jedoch hob ihr Kinn und die geballte Faust an, und wollte an die Tür klopfen.
Die wurde aufgezogen, noch bevor ihre Knöchel das Holz berührt hatten. Ein Typ mit blonden Locken, barfuß und in gelben Surfshorts, starrte sie an. Aus dem Innern des Hauses drangen eindeutige Partygeräusche - Rap-Musik, laute Stimmen, das Scheppern einer zu Boden fallenden Bierflasche, woraufhin jemand fluchte wie ein gestandener Seemann. Hinter dem Beach Boy gingen zwei Frauen vorbei, in identischen Jeans-Miniröcken und winzigen Bikinioberteilen. Beide hatten sie langes Haar, mit Strähnchen aufgefrischt und perfekt frisiert, und beide hielten hohe Gläser mit bunten tropischen Cocktails einschließlich Fruchtscheiben und Schirmchen in den Händen. Jane mit der struppigen Frisur und dem schlaff herabhängenden Kleid würdigten sie keines Blickes. Irgendwo in dem Zimmer rief jetzt eine männliche Stimme lachend: „Mann, bin ich besoffen. Voll, breit, absolut dicht ...", und ein anderer rief: „He, Brittany, wie wär's, wenn wir uns ausziehen und endlich zur Sache kommen?"
Aha. Der Mann, mit dem sie zu tun hatte, war definitiv kein Einsiedler.
Die Augenbrauen fragend hochgezogen, musterte sie den Surfer. „Griffin?"
„Nee, ich bin Ted. Wollen Sie was von ihm?"
„Ja." Sollte sie jetzt froh oder enttäuscht sein, dass der Beach Boy nicht der Mann war, den sie suchte? „Ist er zu sprechen?" Könnte ja sein, dass er sturzbetrunken oder gerade mit Brittany beschäftigt war.
„Für Sie? Immer." Der Surfertyp deutete mit dem Daumen über die Schulter. „Irgendwo da drinnen. Sie können ihn gar nicht verfehlen."
Als sie an ihm vorbei über die Schwelle trat, rief der Typ in den Raum hinein: „He, Griffin, sieh nur! Der Getränkeladen nutzt jetzt kleine Bibliothekarinnen, um Chips und Schnaps auszuliefern!"
Auch wenn Ärger über den dummen Kommentar in ihr aufbrodelte ... sie ignorierte es, schaute sich stattdessen um. Hier war definitiv eine Party in vollem Gange. Gut zwanzig Leute hatten sich in dem großen Wohnzimmer versammelt. An der einen Wand gab es einen offenen Kamin, ihm gegenüber lagen die gläsernen Schiebetüren, die auf die Veranda zum Ozean hinausführten. Da draußen hielten sich noch mehr Leute auf. Dem Rap-Song folgte jetzt etwas von Jimmy Buffett, begleitete Jane sozusagen auf dem Weg durch die Menge. Sie fragte sich, wie sie den Reporter „nicht verfehlen" sollte. Er arbeitete für Zeitschriften und Magazine, im Fernsehen hatte sie ihn noch nie gesehen. Und das Schwarz-Weiß-Foto von ihm, über das sie bei ihren Nachforschungen im Internet gestolpert war, zeigte nur eine verschwommene Gestalt mit Soldatenhelm, Bomberjacke und verstaubter Sonnenbrille.
Für einen Moment setzte die Musik aus, dann plärrte der Jimmy-Buffett-Song wieder von vorn aus den Lautsprechern, gerade, als Jane bei der Veranda angekommen war. Ihr Blick glitt nach rechts, angezogen von einem sich drehenden Windspiel aus Treibholzstücken und ausgedienten Flipflops in den verschiedensten Farben, und unter diesem „Kunstwerk" entdeckte sie ihn. Sie wusste nicht, weshalb sie so sicher war, aber sie hätte hundert Dollar gewettet - die sie gar nicht erübrigen konnte -, dass sie soeben Griffin Lowell gefunden hatte.
In verwaschenen Cargo-Shorts, das Hawaii-Hemd offen stehen, saß er lässig zurückgelehnt auf einer Lederliege, die ihre beste Zeit längst hinter sich hatte, zu beiden Seiten eingerahmt von vollbusigen Bikini-Schönheiten. Ein rotes Bandana saß auf seinem Kopf, wie bei einem Biker ... oder besser, wie bei einem Piraten, denn in einem Ohr hing eine goldene Kreole, und er trug Augenklappen auf beiden Augen. Die Finger einer Hand hielt er um eine Bierflasche gekrümmt, die er auf seinem flachen Bauch abgestellt hatte. Er schien zu schlafen. Oder vielleicht zu meditieren - falls Freibeuter so etwas taten.
Tief holte Jane Luft. „Griffin? Griffin Lowell?"
Seine freie Hand glitt zu seinem Schritt. Hektisch riss Jane den Blick los, doch dann wurde ihr klar, dass er nur in seine Tasche fasste. „Wie viel schulde ich Ihnen?", brummte er. „Sie haben doch hoffentlich den Tequila mitgebracht, oder?"
„Und die Cherrycola light", meldete sich eine von den Bikini-Schönheiten. „Tequila trinke ich immer nur mit Cherrycola light."
Er verzog den Mund, wiederholte es dennoch. „Und die Cherrycola light."
Jane starrte den Mann kopfschüttelnd an. Es war schwer, überhaupt einen Eindruck von ihm zu bekommen, mit dem Bandana über seinem Haar und diesen lächerlichen Augenklappen, die sein Gesicht halb verdeckten. Als sie genauer hinschaute, stellte sie fest, dass auch das schwarze Plastik mit einem Totenkopf verziert war. „Ich habe überhaupt nichts mitgebracht." Sie musste lauter sprechen, da das Buffet-Lied zu Ende war und nun ein Song von einer Band lief, die sie nicht kannte. „Aber sagen wir es mal so: Sie schulden mir tatsächlich etwas, Griffin Lowell."
Einen Moment stutzte er, dann schnellte die Rücklehne der Liege vor, während er sich erhob, verscheuchte so die Bikini-Mädchen von den Armlehnen. Griffin streckte die Hand mit dem Bier aus, und einer von den beiden Frauen nahm sie ihm ab. Jetzt hatte er beide Hände frei, um die Piratenverkleidung abzulegen: Ohrring, die beiden Augenklappen, eine nach der anderen, dann zog er sich das Bandana vom Kopf. Und Jane erhielt den ersten Blick auf ihn.
Großer Gott, dachte sie und schluckte.
Der Mann war unbestreitbar attraktiv. Das von der Sonne gebräunte Gesicht war ebenso schlank und kräftig wie seine Hände, die Züge markant. Dunkle Bartstoppeln standen auf Wangen und Kinn, das Haar auf seinem Kopf war nicht viel länger, vielleicht nur einen Zentimeter. Vermutlich Soldatenschnitt. Seine Augen jedoch ... sie leuchteten aquamarinblau unter den dunklen Brauen hervor und musterten sie mit der Intensität eines Lasers. Reporter-Augen.
Zuerst schienen sie kalt zu glitzern, doch als sein Blick weiter über Janes Gesicht wanderte, an ihrem Mund haften blieb, auf dem hochgeschlossenen Kragen, der ihr plötzlich zu eng schien und ihr die Luft abschnürte, dann über ihr zerknittertes Kleid und weiter zu den Knien glitt, die nachgeben wollten, kam es ihr so vor, als würde ich gründlich taxierte Haut plötzlich zu brennen anfangen, Zentimeter für Zentimeter. Es erinnerte sie an die Warnfeuer, die man früher angezündet hatte, um die Ankunft des Feindes zu signalisieren. Flammte an der einen Stelle das Feuer auf, folgte schon bald eines nach dem anderen, wie eine Kettenreaktion, damit jeder - in ihrem Falle jede Nervenzelle - vorgewarnt war. Jane hatte allerdings auch gehört, dass Piraten diese Feuer ebenfalls genutzt hatten, um Schiffe in gefährliche Gewässer zu locken, wo sie auf Grund liefen und sanken.
Der Gedanke hätte sie erschaudern lassen sollen, stattdessen schwappte eine neue Hitzewelle durch ihren Körper. Sie konnte tatsächlich fühlen, wie die Härchen an ihrem Nacken sich aufrichteten und sich zu Locken kräuselten, die sie noch nie in ihrem Leben gehabt hatte.
Sie räusperte sich - das war bestimmt besser, als sich verlegen den Nacken zu massieren. „Sie haben nicht auf meine Anrufe reagiert", sagte sie also streng. „Daher blieb mir nichts anderes, als persönlich hier aufzutauchen, damit wir über Ihr Buch reden können."
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, senkte er die Lieder und ließ sich wieder auf die Liege sinken. „Kein Interesse." Er hielt die Hand nach seinem Bier hin, leerte es in einem Schluck.
Jane ließ sich nicht von seinen geschlossenen Augen aufhalten, auch wenn klar war, dass er sie damit auf wirklich rüpelhafte Weise abwies. „Sie haben einen Vertrag für Ihre Memoiren unterzeichnet", erinnerte sie ihn nüchtern, zwang sich dazu, ihre Stimme freundlicher klingen zu lassen. „Doch Sie müssen es nicht allein durchstehen. Deshalb bin ich hier - für Sie."
Als er jetzt die Augen öffnete, schaffte sie es sogar, aufmunternd zu lächeln. Er ließ den Blick wieder von Kopf bis Fuß über sie wandern. Unwillkürlich presste sie die Lippen zusammen, innerlich krümmte sie sich. Gut, dann sah man ihr äußerlich wenigstens nichts an. Als sein Blick erneut auf ihrem Mund zu liegen kam, biss sie sich auf die Unterlippe, um das seltsame kleine Wimmern zurückzuhalten, das ihr beinahe entschlüpft wäre. Das war ebenso bizarr wie der ungewöhnliche Impuls, die Beine in die Hand zu nehmen und zu rennen, so weit sie konnte.
Du kannst dir einen Rückzieher nicht erlauben, Jane.
Diese kleine Stimme in ihrem Kopf hatte die gleiche Wirkung wie ein Eimer kalten Wassers. „Sie haben demnächst Manuskriptsseiten abzugeben", rief sie Griffin ins Gedächtnis. Sie hatte sich wieder unter Kontrolle. „Mich hat man damit beauftragt, Sie zu unterstützen und Ihnen zu helfen, dass Sie Ihre Fristen einhalten."
Er legte den Kopf leicht schief, der Mangel an Begeisterung war ihm deutlich anzusehen.
Trotzdem fuhr sie fort: „In diesem Sinne stehe ich zu Ihrer vollständigen Verfügung und werde Sie mit allem versorgen, was Sie brauchen." Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass manchmal auch ein Tritt in den geschätzten Autorenhintern dazugehörte, eine Vorstellung, die mehr und mehr an Reiz gewann.
„So, tatsächlich?", fragte er träge, eine dunkle Augenbraue hochgezogen. „Das Einzige, was ich brauche, Engelchen, sind eine Flasche Tequila, noch ein Sixpack Bier und eine Nacht mit heißem Sex." Jetzt zog er auch die zweite Augenbraue hoch. „Was ist, haben Sie Lust?"
Jane hatte gerade noch Zeit, ein ersticktes Schnauben hervorzubringen, als jemand aus dem Haus nach ihm rief. Dann war er auch schon verschwunden, ließ Jane allein zurück mit der leeren Liege und den beiden Bikini-Schönheiten.
„Wurde aber auch Zeit", meinte die eine. „Ich hoffe, das ist jetzt die Cherrycola light." Sie schlenderte davon, vermutlich, um nachzuschauen.
Die zweite Bikini-Schönheit lächelte Jane an - die es tatsächlich schaffte, zurückzulächeln. „Nette ... äh ... Party. Gibt es einen besonderen Anlass?"
Die junge Frau zuckte mit den Schultern. „Ist heute Dienstag?"
„Um genau zu sein ... wir haben bereits Mittwoch", antwortete Jane.
„Oh." Die andere massierte sich die Stirn. „Ich habe überhaupt kein Zeitgefühl mehr. Endspurt, Sie wissen schon ..."
Musste man etwa spezielle Prüfungen ablegen, um die Sonnenbänke in Bräunungsstudios zu bedienen? „Sie sind Studentin?"
„Abschlussarbeit. Meeresbiologie." Dann brach sie in Gelächter aus. „Sie müssten mal Ihr Gesicht sehen! Nein, war nur ein Witz. Ich bin Kosmetikerin."
In Punkto Aussehen brauchte die junge Frau wohl niemanden, der ihr sagte, wo es langging. Sie war der Schmollmund-Typ mit ausladender Oberweite, die in Seifenopern im Fernsehen mitspielten. Oder einen von den Titelseiten des Maxim entgegenlächelten. „Besuchen Sie Griffin oft?"
„Das hier ist die Partyzentrale. Der Freund meiner Freundin geht mit ihm surfen, also feiern wir hier alle zusammen. Er scheint nichts dagegen zu haben."
Was nur bestätigte, dass er nicht gerade konzentriert an seinem Manuskript arbeitete. Inzwischen hatte er wohl genug Zeit gehabt, damit er die Alkohollieferung annehmen konnte, also entschuldigte Jane sich und machte sich auf die Suche nach ihm. Es dauerte eine Weile, bevor sie sich versichert hatte, dass er weder in der Küche noch in einem der Schlafzimmer war, auch nicht im Bad oder in der Garage, wo sich eine andere Gruppe Partygänger zu irgendeinem Trinkspiel um den aufgestellten Tisch herum versammelt hatte. Bei ihrem zweiten Rundgang durchs Haus stellte sie dann fest, dass er ungesehen an ihr vorbeigekommen war. Mit geschlossenen Augen hatte er es sich auf einer Liege in der Ecke der Veranda gemütlich gemacht und hielt eine frische Flasche Bier in der Hand.
Er hätte genauso gut allein sein können.
Davon ließ Jane sich jedoch nicht von ihrer Mission abbringen. Sie zog einen der Plastikstühle heran und setzte sich neben ihn, steckte sich die krausen Strähnen hinter die Ohren. Er rührte sich nicht.
Sie räusperte sich und starrte ihn durchdringend an, doch auch das rief keine Reaktion bei ihm hervor. Nichts drang durch den Kokon, den er um sich gezogen hatte. Vermutlich wäre sie im Vorteil, wenn sie nur lange genug wartete und ihn damit aus der Reserve lockte, allerdings kannte auch ihre Geduld Grenzen. Er hatte eine Frist einzuhalten und sie ihren Ruf wiederherzustellen.
Noch ein Räuspern. „Griffin."
„Engelchen." Nur seine Lippen bewegten sich.
Geräuschlos mahlte sie mit den Zähnen. „Hören Sie. Sie haben Ihrem Agenten gesagt, dass Sie jemanden benötigen, der Ihnen mit dem Manuskript hilft. Deshalb bin ich hier, damit verdiene ich mir meinen Lebensunterhalt."
Da er noch immer nicht reagierte, wurde sie etwas lauter. „Ich bin Buchärztin", verkündete sie. „Ich heiße Jane."
Das schien immerhin zu ihm durchzudringen, seine Augen öffneten sich kurz zu schmalen Schlitzen, und als er sie wieder schloss, zuckte einer seiner Mundwinkel in die Höhe. „Natürlich heißen Sie so."
Seinen amüsierten Ton ignorierte sie, es war schließlich nicht das erste Mal, dass sie eine solche Reaktion erhielt. Sie sah auch aus wie eine Jane. Ihr Bruder Byron, ein ebenso ernster und anerkannter Wissenschaftler wie ihr Vater, ähnelte mit seinem dramatischen Aussehen tatsächlich seinem literarischen Namensgeber. Und der andere Überflieger, den sie ebenfalls ihren Bruder nannte, Philipp Marlowe Pearson, könnte wirklich als hartgesottener Detektiv durchgehen, obwohl er in der medizinischen Forschung viel mehr daran interessiert war, DNS-Stränge zu identifizieren als Verbrecher. Und genau wie bei ihren Brüdern, passte auch ihr Name zu ihrem Äußeren. Das blonde Haar, das hübsche, aber unauffällige Gesicht und die schlichten grauen Augen verrieten eigentlich schon alles - eine zurückhaltende, damenhafte Jane.
Wäre ihre Mutter nicht schon gestorben, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, hätte sie sie wohl irgendwann gefragt, weshalb sie nicht einen exotischeren Namen für die einzige Tochter gewählt hatte. Würde sie vielleicht anders aussehen, wenn man sie Daisy oder Delilah genannt hätte?
Nichtsdestotrotz drängte sich Jane der Verdacht auf, dass Griffin Lowell sie auch dann ignorieren würde, wenn sie wie Scheherazade aussähe. Außerdem war er es, der Geschichten zu erzählen hatte. „Was nun Ihr Buch betrifft ...", hob sie an.
„Darüber kann ich im Moment nicht reden."
„Wieso? Sie haben doch gerade Zeit."
Noch immer die Augen festgeschlossen. „Ich habe Gäste."
„Die längst ihre Cola bekommen haben", merkte sie spitz an. Unverständlich, weshalb sie so verärgert sein sollte, nur weil sie die andere Frau jetzt am gegenüberliegenden Ende der Veranda erblickte. Die Schönheit beugte sich vor, um sich ein paar Sandkörnchen von der Wade zu wischen, und fast hätten die winzigen Dreiecke ihres Bikinioberteils die vollen Brüste nicht mehr gehalten.
„Sie wirkt nicht so, als würde sie auf ihr Gewicht achten müssen, oder?" Die Augen jetzt weit offen, schaute er in die gleiche Richtung wie Jane.
„Dazu habe ich keine Meinung", erwiderte sie spröde.
Er schnaubte. „Sie klingen sogar wie eine Gouvernante."
Sie lächelte schmal. „Das hilft beim Job."
„Meinen Sie?" Er verschränkte die Arme vor der Brust und schlug die Beine an den Knöcheln übereinander - die verkörperte Nonchalance. „Ich glaube eher, Sie hätten mehr Erfolg, wenn Sie lockerer wären. Warum suchen Sie sich nicht im Haus einen Badeanzug und holen sich einen Drink? Dann reden wir."
Sie kniff die Augen zusammen. Für den Moment würde sie vorgeben, mitzuspielen. „Und Sie sind noch hier, wenn ich wieder zurückkomme? Kann ich mich darauf verlassen?"
Er wandte das Gesicht ab. „Machen wir einen Termin für nächste Woche aus."
Ja, sicher. Nachdem sie ihn jetzt gesehen hatte und wusste, wie er hauste, würde sie ihm keinen Zentimeter Freiraum mehr lassen. Er wollte sich nur herauswinden. Sein Agent hatte völlig recht: Der Mann verweigerte sich. „Sie müssen sofort mit der Arbeit anfangen, Griffin, sonst können Sie den Abgabetermin nicht halten. Die erste Hälfte hat bis zum Ende des Monats vorzuliegen.
Er ignorierte die Bemerkung, studierte angelegentlich das Etikett auf der Bierflasche. „Buchärztin, also, was? Sind Sie mit Vokabular und Grammatik vertraut?"
„Natürlich. Aber meine Arbeit besteht aus mehr als nur ..."
„Sind Sie wirklich vom Fach?", fiel er ihr ins Wort. „Können Sie Humulus lupulus buchstabieren? Wissen Sie, was es mit Saccharomyces uvarum auf sich hat?"
Sie bemühte sich um Geduld. „Solange Sie keine Abhandlung über das Bierbrauen schreiben wollen, über Lager im Besonderen, wird wohl keiner dieser Begriffe auftauchen, oder?"
Er stutzte kurz, schien erstaunt, dann schüttelte er den Kopf. „Fein. Reden wir über Interpunktion, zum Beispiel Kommas ..."
„Kommas oder Kommata, beides ist zulässig. Und die feinen Unterschiede, wie Journalisten anders schreiben, sind mir ebenfalls bewusst."
„Aber ..."
Sie ließ sich nicht von ihm unterbrechen, fachsimpelte eine Weile und verblüffte ihn mit ihrem Wissen. „Habe ich den Test bestanden?" Sie wartete auf seine Antwort.
Copyright © 2013 BY CHRISTIE RIDGWAY.
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Autoren-Porträt von Christie Ridgway
Christie Ridgway arbeitete zunächst als Programmiererin. Nach der Geburt ihres ersten Kindes kündigte sie den Job in der Computerfirma und schrieb ihre erste Romance, die prompt veröffentlicht wurde. Seitdem ist sie hauptberuflich Autorin, während sie mit der Unterstützung ihres Mannes den Haushalt bewältigt und sich um ihre zwei Söhne kümmert.
Bibliographische Angaben
- Autor: Christie Ridgway
- 2014, 1. Aufl., 400 Seiten, Maße: 12,5 x 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Sonja Sajlo-Lucich
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3956490126
- ISBN-13: 9783956490125
- Erscheinungsdatum: 14.04.2014
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