Deutschland 2008
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Deutschland 2008 von Henri Gault und Christian Millau
LESEPROBE
Vorwort
LiebeLeserin, lieber Leser,
seit 25Jahren ziehen wir nun hierzulande von Tisch zu Tisch der besten, bekanntestenund beachtenswerten Restaurants und suchen die Wahrheit - zumindest unsereWahrheit - auf dem Teller. Dabei haben wir keinen unbeeinflussbaren Computer imMund und nicht den geringsten Unfehlbarkeitsanspruch im Sinn. Wir wollten undwollen nur die Köche anspornen, ihre Sache immer besser zu machen, und dieGäste ermutigen, immer höhere Ansprüche zu stellen. Nur so kann jenerkulinarische Fortschritt gefördert werden, der 1972 mit der Eröffnung derSchweizer Stuben und des Tantris begann.
Wir bemühenuns und tun es weiter, unser Lob für diesen faszinierenden Fortschritt nichtzu inflationieren und bei unserer Kritik niemandemeine Heilsbotschaft vorzuschreiben oder aufzuschwatzen. Die Förderung jungerTalente durch ermunternde Bewertungen und Beschreibungen ist uns wichtig, dieDenkmalpflege beherrschen andere besser. Denen überlassen wir es auch gern,Kopisten genauso zu bewerten wie die Kopierten.
GründervaterChristian Millau predigte vor 25 Jahren jenesGlaubensbekenntnis, das auch die heutige Equipe von 27 Testern verinnerlicht:»In Deutschland gibt es auch gute Produkte - wenn man sich nur etwas Mühemacht, sie ausfindig zu machen. Köche, die ihre Heimat lieben, sollen alteRezepte ausgraben, sie verfeinern und verändern. Eine Art Rückkehr zu denQuellen, im modernen Sinn gemeint, mit der Unterstützung aller Techniken, dieman heute kennt ... Keinesfalls sollten fremde Einflüsse dabei ausgeschlossenwerden, die seit jeher belebend und bereichernd sind.«
Ob er heimatverbunden regionale Zutaten und Rezepte auffrischtoder weltoffen die besten Produkte auf Erden und internationale Trendsinterpretiert, ob er traditionell, modern, exotisch oder kosmopolitischaufkocht, sei jedem Küchenchef unbenommen. Er kann sich mit Ferran Adria für einen grundlegenden Modernisierer haltenoder wie Thomas Keller postulieren, dass er Koch und kein Chemiker sei - wirmöchten nur, dass er eine kreative persönliche Küche bietet. Also das, was diein der kulinarischen Welt immer noch prägenden Franzosen Cuisined'auteur nennen, auf gut Deutsch: Autorenküche. Vonihr spricht man bei echten Kochkünstlern. die einen eigenen Stilentwickelten. Die sich dadurch in einer Welt, die immer mehr ins Uniforme undBanale verfällt, von ihren Kollegen unterscheiden und unserem Leben alsRestaurantgäste mit ihrem weiten Fächer von Aromen spannende Abwechslung zu-wedeln.
Derenöffentliche Wahrnehmung wäre gewiss größer, säßen nicht nur auf den Chefsesselndes FAZ-Feuilletons und der Zeit-Redaktion Genussmenschen, sondern auch in denFührungspositionen anderer meinungsmachender Medien Entscheider, deren guter Geschmack nicht in der Quotensuppevon Kerner, Mälzer und Sarah Wiener ertrunken ist. Es ist ein Armutszeugnisfür das kulinarische Deutschland, dass das Fernsehen keine Sendung mit Niveauhinbringt und dass es außer FAZ-Autor Jürgen Dollasekeinen anderen Journalisten hierzulande gibt, der permanent Bundes- undeuropaweit 'abschmeckt. Schade, dass seine »Neue Deutsche Schule« nicht breiterörtert wird. (Also sagen wir hier nicht ohne Stolz, wie einverständig Millau 1983 seine Schulaufgaben machte.) Die Diskussion istauch bitter nötig, um in der deutschen Küche jene unsägliche allgemeineEntwicklung zu vermeiden, die die Schweizer Wirtschaftsministerin DorisLeuthard den »Cola-Effekt« nennt: »Die Flasche kräftig zu schütteln, den Deckeleffekthascherisch zu entfernen und den Schaum für ein Ereignis zu halten, dasist zu einfach.« Denn das führe einzig zu klebrigenFingern - und die Hälfte werde verschüttet.
Aus allemund jedem Schaum zu schlagen, halten zuviele Köchebereits für ein oder sogar das Ereignis ihrer Küche, wie wir am Ende der 25.Testsaison beklagen müssen. Nicht minder verdrießen uns andere landplagenartigeModetorheiten: Die stark nach Nichts schmeckenden Sommertrüffel werden immereifriger gehobelt. kaum irgendwo entgeht man Chili, das vom Hummer bis zurSchokolade alles schärfen muss, aussageschwache Beigaben wie Heringskaviarnamens Avruga, Ingwer- Karotten und junge Maiskolbennerven schon fast so sehr wie das kalte Gurkensüppchen im Reagenzgläschen ...
Nichtminder häufig finden wir Biolachs auf den Speisenkarten. Dass der sich netterliest als Zuchtfisch, darf ja die Betreiber von Aquakulturenfreuen, stimmt aber die Gourmets trübsinnig. Aus der Not, dass edle Produktedurch die globalen Folgen naturverachtenderUmweltpolitik immer rarer und kostspieliger werden, hilft derzeit nur dasRezept von Joachim Wissler: »Wir müssen daraus dieTugend machen, aus unseren deutschen Asservatenkammern alles hervorzuholen, wasan Produkten und Rezepten vernachlässigt worden ist. Damit kann sich jeder Kochmehr profilieren als mit dem Anlernen modernster Kochtechniken.«
Da diemeisten Köche und Gastronomen nach nichts lieber fragen als nach dem Trend, seihier mit einem gedient: Das Überbemühte in Küche, Service und Ambiente istnicht mehr gefragt, die Wertschätzung für das Formelle wird schwinden, im Gebarender Restaurants wie im Auftritt der Gäste. Zulauf haben die gastlichen Stätten,in denen nichts zelebriert, nichts künstlich aufgebrezeltwird, sondern eine selbstbewusste Lässigkeit herrscht, in der Küche undService nicht auftrumpfen, um sich zu beweisen. Der neue Stil ist relaxt, dieSelbstdarstellung folgt dem Motto: tiefer hängen.
Als erstestrifft es die bislang so beeindruckenden dicken und großen Weinbibeln. Denn derZeitaufwand beim Durchsehen oder deren Handling an kleinen Tischen sind nichtso amüsant wie die menübegleitenden Weindegustationendurch kundige Sommeliers. Eine riesengroße Weinauswahl mag aller Ehren wertbleiben, aber die Gastronomen verringern mit schlanken Weinofferten ihreKapitalbindung, entgehen der Alterungsproblematik und können schneller aufModetrinker reagieren.
Wenigerprobat sind bislang die Rezepte gegen die Nachwuchssorgen in der Küche und imService, ausgelöst durch den allgemeinen, bei der Jugend noch stärkerenWertewandel und forciert durch die demographische Entwicklung. Aufgrund der Ratlosigkeitder Branche sei ein naseweiser Vorschlag erlaubt, um wenigstens die Topgastronomiezum attraktiveren Arbeitsplatz zu machen: Die Spitzenrestaurants in den Städtenkönnen Samstag und Sonntag schließen, weil da eh fast nur die GenussundUmsatzschwachen einkehren. Und die aufbleibenden Gourmettempel auf dem Landekönnen dann die Preise verlangen und erzielen, die sie für höhere Löhne brauchen.
Herzlichst,Ihr Manfred Kohnke
© ChristianVerlag
- Autoren: Henri Gault , Christian Millau
- 2007, 908 Seiten, mit zahlreichen farbigen Abbildungen, Maße: 21,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Christian
- ISBN-10: 3884727818
- ISBN-13: 9783884727812
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