Die Bestie
Ein Kindermörder, flieht aus dem Gefängnis - und mordet wieder. Der Vater des ermordeten Mädchens spürt den Täter auf und erschießt ihn. Die Öffentlichkeit hat Verständnis für seine Tat. Doch der Richter des Prozesses fällt ein Urteil mit schrecklichen Folgen.
Ein Kindermörder, flieht aus dem Gefängnis - und mordet wieder. Der Vater des ermordeten Mädchens spürt den Täter auf und erschießt ihn. Die Öffentlichkeit hat Verständnis für seine Tat. Doch der Richter des Prozesses fällt ein Urteil mit schrecklichen Folgen.
Und wieder mordet. Ein Vater, der den Mörder seiner Tochter
aufspürt und erschießt. Eine Stadt, die Beifall klatscht für diese Tat.
Ein Richter im Konflikt.
Ein Urteil mit schrecklichen Folgen."Schon lange hat der Kaffee aus dem Kaffeeautomaten im Polizeirevier nicht mehr so bitter geschmeckt..."Stockholm City
Die Bestie von Roslund und Hellström
Leseprobe
Das tutsie ja auch nicht. Sie pöbelt sie nur an. Ida traut sich nicht. Sie
aber trautsich. Ihre Eltern werden böse sein, wenn sie erfahren, dass
sie mit soeinem geredet hat. Das will sie nicht, sie will nicht, dass sie
bösewerden.
Nr. 33 istder beste Abstellraum. Da hat er das Fahrrad gefunden. Da
hat ergeschlafen.
Sieschreien nicht lange. Sitzen still da. Haben still zu sitzen. Haben zu
warten. Erhat hier zu bestimmen.
»ScheißScheißkerl! Ich will nach Hause!«
Er hathier das Sagen.
Er hättees nicht tun dürfen. Er atmet schwer, versetzt der kleinen
dickenBlonden einen Tritt, als die sich für einen Moment abwendet.
Sieweinen. Warum weinen die nur immer so verdammt viel?
Er ziehtsie aus.
Ziehtihnen alles aus, nur nicht die Schuhe. Nicht die Schuhe. Noch
nicht. DieBlonde hat rosa Schuhe. Fast Lackschuhe. Die Dunkle hat
weißeTurnschuhe. Solche, wie sie beim Tennis getragen werden.
Erverbeugt sich. Er küsst die rosa Lackschuhe, leckt sie ab. Er zieht
die Schuheaus. Ihr Fuß ist so schön. Er hebt ihn hoch, sie sinkt noch
weiterzurück.
Sie wirddavon geweckt, dass die Zeitung kommt. Jeden Morgen. Ein
Scheißklatschenauf dem Holzboden. Nächste Tür, nächste Tür. Sie hat
schonversucht, aufzuspringen und dem Boten zuvorzukommen, immer
zu spät,sie hat mehrere Male seinen Rücken gesehen. Ein junger Typ
mitPferdeschwanz. Wenn sie jemals rechtzeitig hochkommt, wird sie
ihm klarmachen, wie einem Menschen sonntags morgens um fünf zu
Mute ist.
Sie kanndann nicht wieder einschlafen. Sie dreht sich um, wälzt sich
von einerSeite auf die andere, schwitzt, muss muss muss wieder
einschlafen,so geht es nicht mehr weiter, früher war es nie ein
Problem,aber jetzt, ihre Gedanken wirbeln durcheinander, sie ist um
sechs Uhrmorgens schon verspannt, soll doch der Teufel den
Zeitungsbotenund seinen Pferdeschwanz holen.
DieZeitung ist sonntags dick wie eine Bibel. Sie holt sich irgendeinen
Teil insBett, sucht Wörter und andere Wörter, zu viel Text, sie bringt
keinenZusammenhang hinein, alle diese interessanten Reportagen
überinteressante Menschen, die sie lesen müsste, was sie aber nicht
über sichbringt, die sie sorgfältig aufeinander stapelt, um sie doch
wenigstensspäter zu lesen, was sie aber nie tut.
Sie findetkeine Ruhe. Alle diese Stunden. Zeitung, Kaffee, Zähne,
Frühstück,Bett, Spülen, wieder Zähne. Es ist noch keine halb acht an
einemSonntagmorgen im Juni, die Sonne peitscht durch das Rollo, sie
kann jetztnoch kein Licht ertragen, zu viel Sommer, zu viele
Menschen,die andere Menschen an den Händen halten, zu viele
Menschen,die an andere Menschen geschmiegt schlafen, zu viele
Menschen,die lachen, spielen, lieben, sie kann das alles nicht ertragen,
jetztnicht.
Sie gehtin den Keller hinunter. Zu ihrer Abstellkammer. Da ist es
dunkel,einsam, verdreckt.
Sie weiß,dass sie dort mindestens für zwei Stunden Arbeit hat. Und
danachwäre es dann immerhin schon halb zehn.
Das Erste,was sie sieht, ist das aufgebrochene Vorhängeschloss. Auch
die Schlösserder benachbarten Verschläge sind aufgebrochen, sie
mussfeststellen, wem die gehören, 32 und 34, sieben Jahre im Haus,
und siehat diese Leute noch nie gesehen. Jetzt haben sie eine
Gemeinsamkeit,sie alle besitzen ein aufgebrochenes Hängeschloss.
Jetztkönnen sie miteinander reden.
Und dannist da das Fahrrad. Genauer gesagt, es ist nicht da. Jonathans
teuresschwarzes Rad mit den fünf Gängen. Das sie verkaufen wollte,
mindestensfür fünfhundert. Jetzt muss sie ihn anrufen, seinen Vater,
besser, siesagt es gleich, dann wird er sich einigermaßen beruhigt
haben,wenn er zurückkommt.
Danachfällt es ihr schwer zu begreifen, dass sie es nicht gesehen hat.
Dass siesich überlegen konnte, wem Nr. 32 und Nr. 34 gehören, dass
sie anJonathans schwarzes Mountainbike denken konnte. Sie wollte
offenbarnicht sehen, konnte nicht sehen. Bei der Vernehmung durch
diePolizei brach sie in hysterisches Gelächter aus, auf die Frage, was
sie beimÖffnen des Abstellraums zuerst gesehen habe. Was ihr erster
wichtigerEindruck gewesen sei. Sie lachte lange, dann fing sie an zu
husten.Sie lachte, und während ihr die Tränen übers Gesicht strömten,
erklärtesie, ihr erster und einziger Gedanke sei gewesen, wie traurig
Jonathanüber das Verschwinden seines schwarzen Mountainbikes sein
würde,denn nun könnte er sich das neue Computerspiel nicht kaufen,
das sieihm für das Geld für den Verkauf versprochen hatte,
mindestensfünfhundert nämlich.
Sie hattedoch noch nie den Tod gesehen, hatte niemals vor stillen
Menschengestanden, die sie ansahen, ohne zu atmen.
Denn dastaten sie. Sahen sie an. Sie lagen unten auf dem
Zementboden,jede mit dem Kopf auf einem Blumentopf, wie einem
hartenKissen. Es waren kleine Mädchen, jünger als Jonathan,
höchstenszehn. Ein blondes und ein dunkles. Sie waren blutig, im
Gesicht,an der Brust, am Unterleib, an den Oberschenkeln. Überall
geronnenesBlut, nur nicht an den Füßen, die Füße waren so sauber,
fast wiefrisch gewaschen.
Sie hattesie noch nie gesehen. Oder vielleicht doch. Sie wohnten doch
ganz inder Nähe. Natürlich musste sie sie gesehen haben. Im Laden
vielleicht.Oder im Park. Im Park waren doch immer so viele Kinder.
Sie lagenseit drei Tagen in ihrem Kellerraum. Das hatte der
Gerichtsmedizinergesagt. Seit sechzig Stunden. Sie waren misshandelt
worden.Mehrmals, was zu heftigen inneren Blutungen geführt hatte.
Vielleichtbesuchten sie dieselbe Schule wie Jonathan. Auf dem
Schulhofwaren immer so viele Mädchen, sie sahen alle gleich aus, das
tun kleineMädchen doch.
Sie warennackt. Ihre Kleider lagen vor ihnen, genau vor der Tür.
EinKleidungsstück neben dem anderen, sozusagen aufgereiht, wie zu
einerAusstellung. Die Jacken zusammengefaltet, die Hosen aufgerollt,
Hemden,Unterhosen, Strümpfe, Schuhe, Haarbänder, alles in einer
ordentlichenReihe, sorgfältig ausgestellt, zwei Zentimeter dazwischen,
zweiZentimeter bis zum nächsten Kleidungsstück.
Sie sahensie an. Aber sie atmeten nicht.
© S.Fischer Verlag
Übersetzung: GabrieleHaefs
- Autoren: Anders Roslund , Börge Hellström
- 2006, 2, 300 Seiten, Maße: 12,4 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Haefs, Gabriele
- Übersetzer: Gabriele Haefs
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596165660
- ISBN-13: 9783596165667
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