Die Casanova-Verschwörung
Ein grausamer Massenmord auf Sizilien erschüttert die Öffentlichkeit. Die Toten waren Anhänger einer obskuren Sekte, die sexuelle Magie praktiziert. Nur die junge Anaïs kann der Hölle entkommen. Aber die Häscher des Sektenführers sind ihr auf der Spur.
Zur gleichen Zeit wird der französische Kommissar und Freimaurer Antoine Marcas ins Kulturministerium gerufen. Der Minister liegt im Krankenhaus, vernehmungsunfähig und unter Schock. Man hat ihn neben der Leiche einer jungen Frau gefunden. Die Tote war seine Geliebte. Ein Skandal, der nicht in die Presse gelangen darf. Bei seinen verdeckten Ermittlungen stößt Marcas auf ein 200 Jahre altes Manuskript, das sich in den Händen des Sektenführers befindet. Es handelt von Sex und Magie. Der Verfasser heißt Giacomo Casanova.
"Fans von Sakrileg werden dieses Buch lieben!" (Gala)
Die Casanova-Verschwörung von Jacques Ravenne, Eric Giacometti
LESEPROBE
1
ParisPalais Royal, März 2006
Das Erste,was er wahrnahm, als er aus seiner Betäubung aufwachte, war dieserdurchdringende und so vertraute Blick. Zwei kleine dunkle Augen, überwölbt vonfeinen Brauen. Ein pausbäckiger Faun betrachtete ihn voller Ironie aus seinemvergoldeten Holzrahmen. Das war nichts Neues, der Faun hatte ihn noch niegemocht. Das war ihm schon vor zwei Jahren klar geworden, kurz nachdem er denScheck über die Kaufsumme unterschrieben und der Antiquitätenhändler das Bildeingepackt hatte. Das kleine mythologische Wesen hatte ihm damals einen erstengrausamen Blick zugeworfen, als wollte es ihm sagen: «Jetzt, wo ich dir gehöre,haben wir beide etwas zu lachen, vor allem ich.»
Es war dasGemälde eines unbedeutenden Meisters des 18. Jahrhunderts, das vergessen imHinterzimmer eines Pariser Antiquitätenhändlers von zweifelhaftem Ruf hing. Eswar nachlässig gemalt und stellte eine banale ländliche Szene dar - wären danicht die zwei unbekleideten Nymphen, die offenbar entzückt waren von einemeigenartigen Geschöpf, halb Satyr, halb Faun. Bei der ersten Betrachtung hatteer verächtlich gelächelt, denn die Komposition erschien ihm vollkommenkonventionell, doch als er näher an das Gemälde herantrat, hatte ihn die feineZeichnung des Ausdrucks auf jedem der drei Gesichter überrascht. Die beidenFrauen schienen in eine unerklärliche Trance gefallen zu sein. Das kleine Geschöpfin der Mitte hatte sie ohne ersichtlichen Grund in einen ekstatischen Zustandversetzt, und das offenbar allein durch seine Anwesenheit. Das Ganze wirkteüberhaupt nicht lächerlich.
Plötzlichwar er fast eifersüchtig geworden auf dieses Geschöpf, das bei den beidenFrauen ein solches Glück auslösen konnte.
Er hattedas Gemälde aus Neugier gekauft, und seitdem prangte es an der Wand seinesSchlafzimmers. Es erregte ihn beinahe, unter den Augen dieses unsympathischenFauns zu lieben.
Ihnschwindelte. Er wandte den Blick vom Gemälde ab und schmiegte sich in diezartblaue Bettwäsche. Er spürte den Körper seiner Geliebten neben sich. SeinerGeliebten ... Ein vulgärer Begriff für die Frau, in die er abgöttisch verliebtwar; er begehrte sie so besitzergreifend, dass er süchtig nach ihr gewordenwar und nicht einen einzigen Tag darauf verzichten konnte, sie zu sehen.
Er legteseine Hand auf ihre Haare und liebkoste eine schwarze, seidige Locke. Sie hatteihm so viel über das Leben beigebracht. Und über sich selbst. Fieberhaftwartete er auf den Tag, an dem seine Scheidung endlich rechtskräftig war under endlich frei und glücklich mit der Frau leben konnte, die alle seineVerrücktheiten teilte. Selbst die intimsten. Zum ersten Mal in seinem Leben warer richtig verliebt. Es war eine vollkommene Liebe, ohne Vorbehalt, und ergenoss die Hingabe wie ein göttliches Geschenk.
DerKopfschmerz überfiel ihn mit brutaler Macht. Ihm ging plötzlich auf, dass dieSonnenstrahlen für einen jungen Morgen zu hell waren. Was war passiert? Hatteer nicht einige Stunden zuvor ... vielleicht aber auch am Vortag ... an einemTreffen des Rats teilgenommen? Er wusste es nicht mehr.
Irritiertdrehte er sich auf dem Bett um, bemüht, die spärlichen Informationen zusortieren, die ihm im Kopf herumschwirrten. Mit der Hand griff er nach demelektronischen Wecker, der am Kopfende stand. 15 Uhr 45. Unmöglich, er hättejetzt in seinem Büro sein müssen..
Langsam zoger die Bettdecke zu sich heran und entblößte so den Rücken seiner Gefährtin; erlächelte, während er ihre harmonischen Linien betrachtete, die sich in dieverschlungenen Falten des Bettes schmiegten. Noch gut einen Monat, bis seineScheidung rechtskräftig war, dann würde er sich nicht mehr zu versteckenbrauchen, am wenigsten vor den Medien, Sie wären frei, zusammen zu leben. EinLuxus, den sie sich seit seinem Auszug aus der ehelichen Wohnung vor dreiMonaten nie erlaubt hatten. Damals hatte er eine Frau und zwei halbwüchsigejungen verlassen, denen seine Abwesenheit allerdings nichts auszumachenschien.
Gabriellewar überraschend in seinem Leben aufgetaucht und hatte ihn mit ihrer Artverzaubert. Die augenblickliche Zärtlichkeit, die vollkommene Harmonie, diewiedergewonnene Jugend: Alles kam von ihr. Das hatte ihn so verrückt gemacht,dass er die Last der sechzig Jahre nicht mehr spürte, die unentrinnbar näherrückte.
Gabriellewar von eher klassischer als von strahlender Schönheit. Sie besaß etwasUndefinierbares, was den jungen Geliebten fehlte, die er bis dahin gewohnheitsmäßigbenutzt und ausgenutzt hatte.
Als er sichaufrichten wollte, durchzuckte ein elektrischer Schlag sein Gehirn. DieHeftigkeit des Schmerzes ließ ihn nach hinten fallen, und sein Kopf landete wiederauf dem Kissen. Eine solche Migräne hatte er noch nie gehabt.
Beruhigedich, das geht vorbei, es kommt alles wieder in Ordnung.
Er mussteam späten Nachmittag an einer wichtigen Sitzung teilnehmen. Nervosität begannin ihm aufzusteigen.
Was gehthier vor?
Erbetrachtete die Wand gegenüber dem Bett. Der Faun schien sich nochunverschämter über ihn lustig zu machen.
Es läutete.
Das Bildbefand sich zwei Meter vom Bett entfernt, und die Gesichtszüge des kleinenGeschöpfs traten mit drastischer Deutlichkeit hervor.
Ich seheihn ohne meine Brille. Das ist nicht möglich!
Sein Herzschlug heftig in der Brust.
Es sei denn...
Wie gelähmtblieb er liegen. Die lückenhafte Erinnerung, die plötzliche Besserung seinerKurzsichtigkeit, die schmerzhafte Migräne ... All diese eigenartigen Symptome,die er beim Aufwachen verspürt hatte, schienen einer tiefen gemeinsamen Quellezu entspringen. Was war nur mit ihm los?
Wir haben...
Er musstesich unbedingt genaue Notizen machen - wenn er es denn endlich schaffteaufzustehen. Doch seine Freude war von kurzer Dauer, denn schon überkam ihneine neue Migräneattacke.
Reglosblieb er auf der Matratze liegen und wartete darauf, dass der Schmerz nachließ.Er musste wieder einen klaren Kopf bekommen, er musste aufstehen und einAspirin nehmen.
Plötzlichverschwand das Zimmer aus seinem Blickfeld. Bilder tauchten vor seinem innerenAuge auf.
Gabrielle,in ihrem schwarzen Kostüm, kam ihm auf dem Pont des Arts entgegen. Die Szenewar so unglaublich wirklich, er konnte genau die Platinbrosche am Reversihrer Jacke erkennen. Ihr Lächeln ließ ihn den Atem anhalten. Das Bildverschwamm vor seinen Augen, die Szenerie änderte sich. Wieder Gabrielle, dieim Muse d'Orsay mit einem Finger auf ein Gemälde von Moreau deutete. Deutlichhörte er die Kommentare zweier deutscher Touristen, die neben ihm standen. Eineandere Vision tauchte auf. Gabrielle beugte sich über ihn, im Hintergrund dasDeckengemälde seines Büros. Sie presste ihn auf das Parkett aus Nussbaumholz.Der Geruch von frischem Bohnerwachs stieg kaum merklich von den Fußbodendielenauf. Ihre tiefbraunen Augen durchbohrten ihn. Dieser Augenblick war ihmvertraut. Er erinnerte sich: Es war das erste Mal, dass sie sich nach Wochendes Wartens und der Verführung geliebt hatten.
Eineheftige und berauschende Umarmung in seinem Büro, während in dem angrenzendengroßen Empfangsraum das Stimmengewirr von rund hundert Gästen zu hören war.Er, der Gastgeber des Abends, fand sich auf dem Fußboden hegend wieder, auf ihmsaß rittlings diese verstörende Frau, und er verspürte eine bis dahinunbekannte Lust. Der warme Duft des Bohnerwachses war noch immer in seinemGedächtnis eingegraben, sodass er sich gelegentlich, wenn er allein in seinemBüro und vor Blicken geschützt war, zum Parkett hinunterbeugte, um den Dufteinzuatmen. Normal war das nicht. Aber so aufregend.
SeineKopfschmerzen waren rasend, und die Umgebung schien sich erneut zu ändern. EinFriedhof vor einem Strand. Gabrielle stand mit einem Dolch in der Hand voreinem Grab und weinte. Die Szenerie war ihm unbekannt. Und sie machte ihmAngst.
DasKaleidoskop aus Bildern überwältigte seinen Verstand, er kämpfte, um in diesemunkontrollierten Strom beunruhigender Visionen nicht zu versinken.
Hört aufdamit.
Er weinte.Gabrielle warf ihm einen irritierten Blick zu und verschwand.
Da tauchtensein Zimmer und der Faun wieder auf. Zu seiner großen Erleichterung einsichtbares Zeichen, dass er wieder in der Wirklichkeit Fuß fasste. Er musstesofort aufstehen, um sein Treffen abzusagen oder seinen Assistenten zu instruieren.Außerdem musste er dringend einen Untersuchungstermin im Krankenhaus vonVal-de-Grâce ausmachen, um einen Spezialisten zu konsultieren. Wenn er jedenAugenblick in ein Paralleluniversum kippen konnte, würde er wohl kaum eineKonferenz leiten können.
Es klopfte.
«Alles inOrdnung, Herr Minister?», fragte eine männliche Stimme hinter der Zimmertür.
Es war seinAssistent, der immer genügend Distanz wahrte, ihn aber vor aufdringlichenBesuchern schützte, wenn er allein bleiben oder einen Moment in GabriellesGesellschaft verbringen wollte.
«Natürlich.Sagen Sie den nächsten Termin ab und bitten Sie den Fahrer, sich in zwanzigMinuten bereitzuhalten.» ( )
© Rowohlt Verlag
Übersetzung:Hans-Joachim Maass u. Anja Malich
- Autoren: Eric Giacometti , Jacques Ravenne
- 2007, 512 Seiten, Maße: 11,5 x 19,1 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Dtsch. v. Hans-Joachim Maass u. Anja Malich
- Übersetzer: Hans-Joachim Maass, Anja Malich
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499245892
- ISBN-13: 9783499245893
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