Die Eismumie
Seit Monaten fahndet FBI-Profiler Ulysses Grove nach einem Serienkiller, der seinen Opfern einen Pfeil in den Nacken schießt und sie mit einem seltsamen Zeichen auf der Haut versieht. Ulysses ist schockiert, als dann Wanderer im Eis Alaskas eine...
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Seit Monaten fahndet FBI-Profiler Ulysses Grove nach einem Serienkiller, der seinen Opfern einen Pfeil in den Nacken schießt und sie mit einem seltsamen Zeichen auf der Haut versieht. Ulysses ist schockiert, als dann Wanderer im Eis Alaskas eine prähistorische Mumie finden und er sie in Augenschein nimmt: Der mumifizierte Leichnam war ebenfalls ein Mordopfer. Der Eiszeitmensch wurde nach dem selben Schema wie die jüngsten Opfer getötet - und war tätowiert mit den mystischen Zeichen des Bogenschützens. Ulysses spürt, dass es über tausende von Jahren eine unheilvolle Verbindung zwischen den Toten geben muss. Eine Verbindung, die es eigentlich nicht geben kann.
Die Eismumie von JayBonansinga
LESEPROBE
Die Uhr läute ab
In dieser sturmdurchtosten Nacht, als sich der siebenteMord in den zerrissenen Schatten eines Naturschutzgebiets fünfzehnhundertMeilen weiter westlich in Colorado ereignete, lag Ulysses Grove ahnungslos ineinem unruhigen Halbschlaf.
Grove war Profiler beim FBI. Er litt schon seit Monatenan Schlaflosigkeit. Jede Nacht rollte er die Einzelheiten der ungeklärtenVerbrechen in Gedanken von neuem auf. Es war eine Serie von sechs Mordfällen,die als «Sun-City-Morde» bekannt geworden waren (nach der Stadt Huntley, Illinois,in der der erste Mord begangen wurde). Jede Nacht ging er die nutzlosen Spurenund Indizien durch. Wie gefräßige Parasiten bohrten sich die Fragen durchseine Gehirnwindungen und nagten an seinem Selbstvertrauen. Zuweilen mündetendiese fieberhaften Quälereien tatsächlich in grippeartigen Symptomen, und Grovemusste Tabletten schlucken, um überhaupt einschlafen zu können.
Aber in dieser Nacht, in der Grove sich zwischen seinen verknitterten,feuchten Laken wälzte und versuchte, noch ein Zipfelchen Schlaf zu ergattern,wusste er nichts von dem, was sich auf der anderen Seite des Landes in einerentfernten Ecke der Rocky Mountains zutrug.
Im Schutz der Dunkelheit huschte eine hagere Gestalt leise zwischenden Bäumen hindurch. Mit seinem dunklen Tarnanzug war der Mann bei diesemstürmischen Wetter nicht zu erkennen. Er holte aus einer Schultertasche einenin seine Einzelteile zerlegten Präzisionsbogen hervor. Mit ruhiger Handsteckte er die Waffe zusammen. Durch die Nadeln und Blätter der Bäume fieldünner Nieselregen, und die Tropfen verwischten die schwarze Tarnfarbe, die derMann auf dem Gesicht trug. Er legte den Bogen an und zog die Sehne durch.
Der Pfeil zischte lautlos durch die Nacht.
Wenige Meter weiter rollte der Fahrer der städtischen Müllabfuhrgedankenverloren eine Mülltonne zu seinem Wagen hinüber. Er schob einenmassigen Bauch vor sich her, der seinen abgetragenen Parka buchstäblich aus allenNähten platzen ließ. Der Pfeil traf ihn zwischen den beiden Nackenmuskeln undhätte den Mann beinahe aus seinen klobigen Arbeitsschuhen gehoben. Er war tot,noch ehe sein schwerer Körper auf dem bemoosten Waldboden landete. Das Blutschoss pulsierend aus seiner Halsschlagader und färbte das Unterholz rot. DieMülltonne, die er gehalten hatte, kippte um und rollte den schmalen Weg hinunter- über eine Strecke von genau zwölf Metern, wie die Kriminaltechniker dreiStunden später feststellen sollten. Das ohrenbetäubende Getöse verschluckte dieSchritte des Mörders, der nun aus dem Unterholz hervorkam und auf den leblosenKörper zuging. Es waren feste und selbstbewusste Schritte, als verfolge er einklares Ziel. Dabei hatte er das Opfer völlig willkürlich ausgewählt. Dafürlagen Vorsatz und Absicht darin, was er mit der Leiche machte. Was der Mördermit dem Körper anrichtete, sollte nicht nur der Schlüssel zur Lösung der Fällewerden, es würde auch das Schicksal des Mannes bestimmen, der den Verbrecher stellte.
In der Dunkelheit seines Schlafzimmers schreckte Grove hoch,als sein Handy klingelte.
Ein wiederkehrender Traum von Massengräbern und verlassenenKatakomben lastete noch auf ihm, benommen drehte er sich zur Seite und tastetenach dem Telefon, das im Ladegerät steckte. Als Berater der FBI-Eliteabteilung BehavioralScience hatte Ulysses Grove zwar offiziell keinen Bereitschaftsdienst, doch defacto war es so, besonders seit diesen ungelösten Sun-City-Fällen.
«Grove», grummelte er in das Handy und setzte sich auf dieBettkante. Er war ein hoch gewachsener, schlanker Afroamerikaner mit kantigenGesichtszügen und der Gestalt eines Dauerläufers. Er trug nur Boxershorts, unddie Kälte des frühen Morgens jagte ihm eine Gänsehaut über die bloßen Beine.
«Er hat wieder zugeschlagen», sagte eine tonlose, wie unbeteiligtklingende Stimme am anderen Ende der Leitung. Grove erkannte den Anrufersofort, und er benötigte keine weitere Erklärung, worum es ging.
«Sun City?»
(...)
© Rowohlt Taschenbuchverlag
Übersetzung: Teja Schwaner
- Autor: Jay Bonansinga
- 2006, 1, 412 Seiten, Maße: 13 x 19,1 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828987524
- ISBN-13: 9783828987524
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