Die emotionale Obdachlosigkeit männlicher Singles
Roman. Originalausgabe
Nora ist glücklich. Sie hat ja auch alles. Doch ihre Freundin Florentine ist völlig verzweifelt. Grund: die schlimmen Männer. So beschließt Nora, Florentine zu zeigen, dass es auch tolle männliche Modelle gibt. Und damit startet sie ins Chaos.
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Buch
7.99 €
Produktdetails
Produktinformationen zu „Die emotionale Obdachlosigkeit männlicher Singles “
Nora ist glücklich. Sie hat ja auch alles. Doch ihre Freundin Florentine ist völlig verzweifelt. Grund: die schlimmen Männer. So beschließt Nora, Florentine zu zeigen, dass es auch tolle männliche Modelle gibt. Und damit startet sie ins Chaos.
Klappentext zu „Die emotionale Obdachlosigkeit männlicher Singles “
Super Job. Super Beziehung. Super Freundinnen. Nora ist glücklich. Wäre da nicht der Katzenjammer ihrer Freundin Florentine, dass es in ihrer Welt nur Typen gibt, die entweder verrückt sind oder verheiratet oder noch bei Mutti wohnen.Alles Unsinn!
Um ihre Freundin davon zu überzeugen, dass es tolle Kerle im Überfluss gibt, startet Nora eine umfassende Traummann-Fahndung. Mit Erfolg. Jedoch nicht für Florentine.
Statt einen Mann für die Freundin zu finden, drohe Nora ihr eigenes Herz zu verlieren. Ihren Job. Ihre Beziehung. Und schließlich sogar Florentine ...
Lese-Probe zu „Die emotionale Obdachlosigkeit männlicher Singles “
Die emotionale Obdachlosigkeit männlicher Singles von Michaela Möller1.
Interessanterweise wollen wir Frauen alle eine feste
Bindung, und verdammt, ja, das wollen wir!
Meine Haare riechen nach Schwarzpulver und Zigarettenrauch. Das Dekolleté klebt von verschüttetem Sekt. Auf dem Rücken liegend ziehe ich meine Haare zwischen Kleid und Wintermantel hervor, während sich die Tütenlampe aus den Fünfzigerjahren an der Zimmerdecke dreht.
Die Frage ist nicht, wo bin ich oder vielmehr wer - für solche Fragen bin ich definitiv noch zu betrunken -, sondern wa rum habe ich meine braunen Lederstiefel an? Vorsichtig, ganz vorsichtig drehe ich den Kopf nach links, wodurch Papierkonfetti von meinem Pony auf das Kopfkissen rieselt. Und noch eine interessantere Frage: Wa rum ist Henrik splitterfasernackt?
Ich liege in meinen Klamotten eingepackt wie ein Eskimomädchen auf der rechten Betthälfte, während Henrik völlig entblößt auf der linken Seite vor sich hin schlummert! Ein absurdes Bild.
Und dennoch macht es mich glücklich.
Ich schaue auf die mit nacktem Mann belegte Seite meines Bettes. Mein Blick wandert an Henriks markanter Nase und seiner trotz Winterzeit zart gebräunten Brust bis zu den Lenden hi nab. Hmm. Henrik hat also Phase 3 in dem Spannungsverhältnis erreicht, in dem Mann sich vom Singlezustand hinüber zum Beziehungszustand und eventuell wieder zurück in den Singlezustand bewegt.
Phase 1
Singlemann, umtriebig wegen der Frage:
»Wie bekomme ich sie aus ihren Klamotten he raus?«
Phase 2
Mann in Beziehung, gut erkennbar an folgenden Worten: »Ach Schatz, zieh dich doch schon mal selbst aus! «
Phase 3
Mann als Wesen, das entspannt in seiner Beziehung ruht: »Entschuldige, Liebling, du bist ja noch gar nicht ausgezogen ...«
... mehr
Phase 4
Mann nähert sich seiner Ausgangssituation:
»Schatzi, jetzt nicht. Komm, zieh dich bitte wieder an.«
Henrik nackt. Ich angezogen. Phase 3. Wir ruhten in unserer Beziehung. Und das schon nach einem halben Jahr? Und das schon nach einem halben Jahr! Es kommt nur auf die richtige Betonung an ... Das Gefühl von Zufriedenheit breitet sich in mir aus, gerade als ein Zucken der Mundwinkel über Henriks schlafendes Gesicht huscht. Wie ich es liebe, wenn er das macht.
Ich betrachte ihn noch eine Weile. Seine Augen rollen unter den Lidern, und die Stoppeln des Dreitagebarts heben und senken sich. Wenn er wüsste, dass ich ihn im Schlaf beobachte, würde er sich wieder mächtig aufregen. Dieser Mann brachte es fertig, selbst beim Schlafen eitler zu sein als ich im Wachzustand. Ich lächle da rüber. Henrik runzelt die Stirn, dann seufzt er. Nur zu gern würde ich ihn jetzt wachrütteln und bitten, nimm mich mit in deine Träume. Stattdessen schiebe ich die Daunenfederdecke über seine Schultern und starte einen Versuch, selbst noch einmal einzuschlafen. Ich drehe mich nach rechts. Nach links. Auf den Rücken. Und stehe auf.
Auf dem Weg vom Schlafzimmer ins angrenzende Badezimmer zerre ich mir unter Aufbringung all meiner Kräfte die Stiefel von den Füßen. Schließlich gelingt es mir, die Schuhe loszuwerden, und ich ziehe auch den Rest meiner Kleider aus, übergebe mich kurz ins Klo und stelle mich unter den warmen Strahl der Dusche. Die Wände im Badezimmer werden mit einer dünnen Dunstschicht aus Wasser überzogen, bis der ganze Raum in weißem Dampf zu verschwinden droht. Als mich die verausgabte Gastherme mit Gepolter zwingt, endlich das Duschen einzustellen, wate ich durch den Nebel. Ich schlüpfe in Pyjama und Bademantel und betrachte mich im Spiegel über dem Waschbecken, nachdem ich mit dem Handrücken einen Kreis vom Kondenswasser freigelegt habe.
»Frohes Neues, Nora!«
Dabei fällt mir auf, hat meine Frisörin den Pony schief geschnitten? Ich liebe meine dunklen dichten Haare, die ich von meinem italienischen Vater geerbt habe und die mir nun auf mysteriöse Weise meinen Blick verschleiern. Zu der neuen Frisur war es gekommen, weil Henriks Mutter Beatrice mich im Weihnachtsgewusel in ihre Lieblingsparfümerie Dufti-Kuss gelockt hatte, um mir vor Ort ihre grandiose Idee für mein Weihnachtsgeschenk zu offenbaren: eine kleine Schönheitsbehandlung. Wie aufmerksam! Ehe ich mich versah, lag ich unter dem OP-artigen Licht in einer Beauty-Lounge zur ersten Begutachtung unter den Experten. Neben der Kosmetikerin, deren Gesicht in Kirschrot und Kajalschwarz getaucht war, stand Beatrice, und beide beäugten kritisch meine Stirnfalte zwischen den Brauen.
»Nein, also, da kann sie so viel cremen, wie sie will! Das ist eine Mimikfalte. Die kriegen wir so nicht weg!«, erklärte die Kosmetikerin.
»Eine Mimikfalte«, wiederholte Beatrice, während ich eine Schnute zog, »wie oft habe ich dir das gesagt, Nora, weil du immer so grimmig guckst? ... Jaaaaa, glaub's mir ruhig. So, wie jetzt gerade! Das ist deine Zornesfalte!«
Ich gucke immer grimmig? Diese Frau kennt mich gerade mal seit der letzten Grillsaison!
Die Kosmetikerin hingegen nickte kurz mitfühlend, verschränkte die Arme vor dem Kittel und verkündete: »Tja, da hilft nur noch Botox! «
»Botox? Tatsächlich, tatsächlich. Nun gut. Wa rum nicht? Haben Sie welches hier?«, fragte Beatrice.
»Nein, tut mir leid, aber ich kann Ihnen einen Schönheitschirurgen auf der Kö empfehlen, der ist wirklich der beste!«, hörte ich die Kosmetikerin noch sagen, während ich vom Kosmetikstuhl rutschte und flinken Schrittes an Parfümflakons und Puderquasten vorbei in die Freiheit floh. Als ich später Henrik von der fürsorglichen Geschenkidee seiner Mutter erzählte, antwortete er schlicht, sie hätte es doch nur gut gemeint, und betrachtete meine Falte zwischen den Brauen mit ungewohnter Intensität. Auch noch am nächsten Tag. Und bilde ich es mir ein, oder starrt Henrik jetzt selbst beim Sex ständig auf meine Stirn? Mal ehrlich, auch der wildeste Sex ist irgendwann anstrengend, wenn man damit beschäftigt ist, unfassbar attraktiv zu sein und sich zugleich möglichst verwegen irgendetwas über die Stirn zu werfen. Und ich habe das Gefühl, sich dabei Henriks Unterhose über den Kopf zu ziehen, steuert irgendwie in die falsche Richtung! Nur eine Vermutung.
Meine beste Freundin, Florentine, prustete herzlich, als ich ihr davon berichtete, und offenbarte mir die beste aller Botox- und Boxershorts-Alternativen.
»Süße, die Lösung für dein Prob lem ist ganz einfach.« »So, und die wäre?«
»Sie heißt: blickdichter Pony!«
Meinen Botox-Gutschein, den Beatrice mir tatsächlich feierlich unter dem Weihnachtsbaum überreichte, habe ich darauf hin Henrik geschenkt. Und man mag es nicht glauben, aber während ich beim Frisör saß, hat er sich doch tatsächlich seine noch nicht vorhandenen Fältchen prophylaktisch auf der Düsseldorfer Königsallee beim »Besten in Fragen Botox« wegspritzen lassen.
Nun starre ich meinen Pony an. Ich mag ihn. Ich mag mich. Mit einem leichten Kopfschütteln lasse ich die Haare über meine Stirn tanzen und lächle mich an. Plötzlich blitzt ein Bild im Spiegel vor mir auf. Das Bild von mir am Neujahrsmorgen vor zwei Jahren. Ein von Wut und Trauer verdunkeltes Gesicht. Von Tränen aufgequollen. Weniger Falten. Kein Pony. Ein altes Leben.
Ich drehe mich zu Henrik um und vergewissere mich, dass er wirklich da ist, mein Freund, in meinem Bett, unter meiner Daunendecke.
Mit ruhigerem Puls blicke ich zurück in den Spiegel, zu meinem Pony, der Nasenspitze und meinen Lippen. Im Grunde sehe ich im Idealzustand genauso aus, wie Courteney Cox aus Friends an einem unfassbar miserablen Grippetag aussieht. Und das ist großartig. Da rüber kann man sich nun wirklich nicht beschweren. Leider fühle ich mich heute auch wie Courteney Cox an einem unfassbar miserablen Grippetag. In meinem Kopf hämmert es so laut, dass ich mit zittrigen Händen im Badezimmerschrank nach einer Kopfschmerztab lette suche. Hinter Henriks Cremetöpfchen und Tiegeln für den Mann ab Mitte dreißig hole ich die grün-weiße Schachtel hervor, ziehe den knisternden Beipackzettel und die Plastikleiste mit den Tab lettenmulden heraus und traue meinen Augen nicht. Leer. Das silberne Papier ist in alle Mulden der Leiste gedrückt. Mist. Fluchend werfe ich sie samt Beipackzettel und Schachtel ins Waschbecken.
Und nun?
Erschöpft sinke ich auf den Klodeckel. Mein Kopf meldet sich erneut mit wildem Hämmern. Während ich mir die Haare aus dem Gesicht streiche und die Fingerspitzen gegen die Schläfen presse, lese ich die Uhrzeit von Henriks lächerlich teurem Chronografen ab, der auf dem Waschbeckenrand liegt.
Acht Uhr einundzwanzig. Eindeutig zu früh, um am Neujahrsmorgen bei den Nachbarn wegen einer Kopfschmerztablette zu klingeln.
Hm.
Jetzt kann nur Cem helfen!
Ohne weiteres Zögern schlüpfe ich also zurück in meine Winterstiefel und stopfe den Saum der Pyjamabeine zwischen die nackten Knöchel und das Futter der Schuhe. Außerdem binde ich den Gürtel des Bademantels enger, wickle mir den dicken Wollschal dreimal um den Hals und ziehe meinen Wintermantel über.
Los geht's.
Bevor ich das Haus verlasse, werfe ich einen letzten Blick auf den schnarchenden Henrik. Der Mann, der mich aus meinem Singleleben befreit hatte. Und der Mann, den ich seines Singlelebens beraubt hatte. Interessanterweise wollen wir Frauen alle eine feste Bindung, und verdammt, ja, das wollen wir, während Männer sich mit aller Kraft an ihre Freiheit klammern. Der einsame Wolf. Lonesome rider. Free bird. Mein Pferd und ich und vielleicht noch 'ne Kippe. Bloß nicht binden, sonst ist das Spiel, nein, was sage ich, das ganze Leben vorbei, blablabla. Ich frage mich, wie es unter diesen Umständen zu so vielen gemischtgeschlechtlichen Beziehungen kommt? Sind es wirklich so viele Männer, die an dem Glauben festhalten, dass das Leben allein am schönsten ist, und deshalb mit den absurdesten Gegenmaßnahmen den Fängen einer Beziehung entgegenwirken? Nun gut, es gibt auch Männer, die das Leben allein am allerbeschissensten finden und dennoch mit den absurdesten Gegenmaßnahmen den Fängen einer Beziehung entgegenwirken. Widerwillige Herzen, die des Nachts, bei Regen, Wind und Kälte einsam auf einer Parkbank schlafen und Frauen wild fuchtelnd wegscheuchen, die sich mit einem aufgespannten Regenschirm danebensetzen wollen. Oder anders he rum, von jenen Frauen weggescheucht werden. Herzen, die sich in die letzte Ritze der Parkbank verkrochen haben, sodass Frau mit Schirm sie gar nicht entdeckt. Sich am Ende sogar noch draufsetzt.
Nun gut.
Das einsame männliche Wesen ist mir seit jeher ein Rätsel. Und so habe ich irgendwann begonnen, eine Bestandsaufnahme des freien Mannes zu erfassen, wann immer ich auf ein interessantes Exemplar getroffen bin. Ich kann sagen, dass ich mittlerweile einen Schuhkarton voll beschriebener Zettel habe. Aber alles der Reihe nach. Als ich Henrik im Sommer begegnete, notierte ich Folgendes auf der Rückseite eines Kontoauszugs:
Name: Henrik Linden
Alter: angeblich 30, aber ich schätze mal eher 35! Anmachspruch: »Sind Sie die Italienischlehrerin?«
Singlephase: erst kürzlich getrennt, maximal ein paar Wochen Singlestatusbegründung: »Wenn ich das wüsste!« Gegenmaßnahmen: Selbstfindungstrip nach Rom
Notiz: Was heißt hier, eine Lehrerin darf nichts mit ihrem Schüler anfangen! Nun gut, ich werde eventuell aufs Rechnungenschreiben verzichten müssen.
...
Copyright © 2012 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
Phase 4
Mann nähert sich seiner Ausgangssituation:
»Schatzi, jetzt nicht. Komm, zieh dich bitte wieder an.«
Henrik nackt. Ich angezogen. Phase 3. Wir ruhten in unserer Beziehung. Und das schon nach einem halben Jahr? Und das schon nach einem halben Jahr! Es kommt nur auf die richtige Betonung an ... Das Gefühl von Zufriedenheit breitet sich in mir aus, gerade als ein Zucken der Mundwinkel über Henriks schlafendes Gesicht huscht. Wie ich es liebe, wenn er das macht.
Ich betrachte ihn noch eine Weile. Seine Augen rollen unter den Lidern, und die Stoppeln des Dreitagebarts heben und senken sich. Wenn er wüsste, dass ich ihn im Schlaf beobachte, würde er sich wieder mächtig aufregen. Dieser Mann brachte es fertig, selbst beim Schlafen eitler zu sein als ich im Wachzustand. Ich lächle da rüber. Henrik runzelt die Stirn, dann seufzt er. Nur zu gern würde ich ihn jetzt wachrütteln und bitten, nimm mich mit in deine Träume. Stattdessen schiebe ich die Daunenfederdecke über seine Schultern und starte einen Versuch, selbst noch einmal einzuschlafen. Ich drehe mich nach rechts. Nach links. Auf den Rücken. Und stehe auf.
Auf dem Weg vom Schlafzimmer ins angrenzende Badezimmer zerre ich mir unter Aufbringung all meiner Kräfte die Stiefel von den Füßen. Schließlich gelingt es mir, die Schuhe loszuwerden, und ich ziehe auch den Rest meiner Kleider aus, übergebe mich kurz ins Klo und stelle mich unter den warmen Strahl der Dusche. Die Wände im Badezimmer werden mit einer dünnen Dunstschicht aus Wasser überzogen, bis der ganze Raum in weißem Dampf zu verschwinden droht. Als mich die verausgabte Gastherme mit Gepolter zwingt, endlich das Duschen einzustellen, wate ich durch den Nebel. Ich schlüpfe in Pyjama und Bademantel und betrachte mich im Spiegel über dem Waschbecken, nachdem ich mit dem Handrücken einen Kreis vom Kondenswasser freigelegt habe.
»Frohes Neues, Nora!«
Dabei fällt mir auf, hat meine Frisörin den Pony schief geschnitten? Ich liebe meine dunklen dichten Haare, die ich von meinem italienischen Vater geerbt habe und die mir nun auf mysteriöse Weise meinen Blick verschleiern. Zu der neuen Frisur war es gekommen, weil Henriks Mutter Beatrice mich im Weihnachtsgewusel in ihre Lieblingsparfümerie Dufti-Kuss gelockt hatte, um mir vor Ort ihre grandiose Idee für mein Weihnachtsgeschenk zu offenbaren: eine kleine Schönheitsbehandlung. Wie aufmerksam! Ehe ich mich versah, lag ich unter dem OP-artigen Licht in einer Beauty-Lounge zur ersten Begutachtung unter den Experten. Neben der Kosmetikerin, deren Gesicht in Kirschrot und Kajalschwarz getaucht war, stand Beatrice, und beide beäugten kritisch meine Stirnfalte zwischen den Brauen.
»Nein, also, da kann sie so viel cremen, wie sie will! Das ist eine Mimikfalte. Die kriegen wir so nicht weg!«, erklärte die Kosmetikerin.
»Eine Mimikfalte«, wiederholte Beatrice, während ich eine Schnute zog, »wie oft habe ich dir das gesagt, Nora, weil du immer so grimmig guckst? ... Jaaaaa, glaub's mir ruhig. So, wie jetzt gerade! Das ist deine Zornesfalte!«
Ich gucke immer grimmig? Diese Frau kennt mich gerade mal seit der letzten Grillsaison!
Die Kosmetikerin hingegen nickte kurz mitfühlend, verschränkte die Arme vor dem Kittel und verkündete: »Tja, da hilft nur noch Botox! «
»Botox? Tatsächlich, tatsächlich. Nun gut. Wa rum nicht? Haben Sie welches hier?«, fragte Beatrice.
»Nein, tut mir leid, aber ich kann Ihnen einen Schönheitschirurgen auf der Kö empfehlen, der ist wirklich der beste!«, hörte ich die Kosmetikerin noch sagen, während ich vom Kosmetikstuhl rutschte und flinken Schrittes an Parfümflakons und Puderquasten vorbei in die Freiheit floh. Als ich später Henrik von der fürsorglichen Geschenkidee seiner Mutter erzählte, antwortete er schlicht, sie hätte es doch nur gut gemeint, und betrachtete meine Falte zwischen den Brauen mit ungewohnter Intensität. Auch noch am nächsten Tag. Und bilde ich es mir ein, oder starrt Henrik jetzt selbst beim Sex ständig auf meine Stirn? Mal ehrlich, auch der wildeste Sex ist irgendwann anstrengend, wenn man damit beschäftigt ist, unfassbar attraktiv zu sein und sich zugleich möglichst verwegen irgendetwas über die Stirn zu werfen. Und ich habe das Gefühl, sich dabei Henriks Unterhose über den Kopf zu ziehen, steuert irgendwie in die falsche Richtung! Nur eine Vermutung.
Meine beste Freundin, Florentine, prustete herzlich, als ich ihr davon berichtete, und offenbarte mir die beste aller Botox- und Boxershorts-Alternativen.
»Süße, die Lösung für dein Prob lem ist ganz einfach.« »So, und die wäre?«
»Sie heißt: blickdichter Pony!«
Meinen Botox-Gutschein, den Beatrice mir tatsächlich feierlich unter dem Weihnachtsbaum überreichte, habe ich darauf hin Henrik geschenkt. Und man mag es nicht glauben, aber während ich beim Frisör saß, hat er sich doch tatsächlich seine noch nicht vorhandenen Fältchen prophylaktisch auf der Düsseldorfer Königsallee beim »Besten in Fragen Botox« wegspritzen lassen.
Nun starre ich meinen Pony an. Ich mag ihn. Ich mag mich. Mit einem leichten Kopfschütteln lasse ich die Haare über meine Stirn tanzen und lächle mich an. Plötzlich blitzt ein Bild im Spiegel vor mir auf. Das Bild von mir am Neujahrsmorgen vor zwei Jahren. Ein von Wut und Trauer verdunkeltes Gesicht. Von Tränen aufgequollen. Weniger Falten. Kein Pony. Ein altes Leben.
Ich drehe mich zu Henrik um und vergewissere mich, dass er wirklich da ist, mein Freund, in meinem Bett, unter meiner Daunendecke.
Mit ruhigerem Puls blicke ich zurück in den Spiegel, zu meinem Pony, der Nasenspitze und meinen Lippen. Im Grunde sehe ich im Idealzustand genauso aus, wie Courteney Cox aus Friends an einem unfassbar miserablen Grippetag aussieht. Und das ist großartig. Da rüber kann man sich nun wirklich nicht beschweren. Leider fühle ich mich heute auch wie Courteney Cox an einem unfassbar miserablen Grippetag. In meinem Kopf hämmert es so laut, dass ich mit zittrigen Händen im Badezimmerschrank nach einer Kopfschmerztab lette suche. Hinter Henriks Cremetöpfchen und Tiegeln für den Mann ab Mitte dreißig hole ich die grün-weiße Schachtel hervor, ziehe den knisternden Beipackzettel und die Plastikleiste mit den Tab lettenmulden heraus und traue meinen Augen nicht. Leer. Das silberne Papier ist in alle Mulden der Leiste gedrückt. Mist. Fluchend werfe ich sie samt Beipackzettel und Schachtel ins Waschbecken.
Und nun?
Erschöpft sinke ich auf den Klodeckel. Mein Kopf meldet sich erneut mit wildem Hämmern. Während ich mir die Haare aus dem Gesicht streiche und die Fingerspitzen gegen die Schläfen presse, lese ich die Uhrzeit von Henriks lächerlich teurem Chronografen ab, der auf dem Waschbeckenrand liegt.
Acht Uhr einundzwanzig. Eindeutig zu früh, um am Neujahrsmorgen bei den Nachbarn wegen einer Kopfschmerztablette zu klingeln.
Hm.
Jetzt kann nur Cem helfen!
Ohne weiteres Zögern schlüpfe ich also zurück in meine Winterstiefel und stopfe den Saum der Pyjamabeine zwischen die nackten Knöchel und das Futter der Schuhe. Außerdem binde ich den Gürtel des Bademantels enger, wickle mir den dicken Wollschal dreimal um den Hals und ziehe meinen Wintermantel über.
Los geht's.
Bevor ich das Haus verlasse, werfe ich einen letzten Blick auf den schnarchenden Henrik. Der Mann, der mich aus meinem Singleleben befreit hatte. Und der Mann, den ich seines Singlelebens beraubt hatte. Interessanterweise wollen wir Frauen alle eine feste Bindung, und verdammt, ja, das wollen wir, während Männer sich mit aller Kraft an ihre Freiheit klammern. Der einsame Wolf. Lonesome rider. Free bird. Mein Pferd und ich und vielleicht noch 'ne Kippe. Bloß nicht binden, sonst ist das Spiel, nein, was sage ich, das ganze Leben vorbei, blablabla. Ich frage mich, wie es unter diesen Umständen zu so vielen gemischtgeschlechtlichen Beziehungen kommt? Sind es wirklich so viele Männer, die an dem Glauben festhalten, dass das Leben allein am schönsten ist, und deshalb mit den absurdesten Gegenmaßnahmen den Fängen einer Beziehung entgegenwirken? Nun gut, es gibt auch Männer, die das Leben allein am allerbeschissensten finden und dennoch mit den absurdesten Gegenmaßnahmen den Fängen einer Beziehung entgegenwirken. Widerwillige Herzen, die des Nachts, bei Regen, Wind und Kälte einsam auf einer Parkbank schlafen und Frauen wild fuchtelnd wegscheuchen, die sich mit einem aufgespannten Regenschirm danebensetzen wollen. Oder anders he rum, von jenen Frauen weggescheucht werden. Herzen, die sich in die letzte Ritze der Parkbank verkrochen haben, sodass Frau mit Schirm sie gar nicht entdeckt. Sich am Ende sogar noch draufsetzt.
Nun gut.
Das einsame männliche Wesen ist mir seit jeher ein Rätsel. Und so habe ich irgendwann begonnen, eine Bestandsaufnahme des freien Mannes zu erfassen, wann immer ich auf ein interessantes Exemplar getroffen bin. Ich kann sagen, dass ich mittlerweile einen Schuhkarton voll beschriebener Zettel habe. Aber alles der Reihe nach. Als ich Henrik im Sommer begegnete, notierte ich Folgendes auf der Rückseite eines Kontoauszugs:
Name: Henrik Linden
Alter: angeblich 30, aber ich schätze mal eher 35! Anmachspruch: »Sind Sie die Italienischlehrerin?«
Singlephase: erst kürzlich getrennt, maximal ein paar Wochen Singlestatusbegründung: »Wenn ich das wüsste!« Gegenmaßnahmen: Selbstfindungstrip nach Rom
Notiz: Was heißt hier, eine Lehrerin darf nichts mit ihrem Schüler anfangen! Nun gut, ich werde eventuell aufs Rechnungenschreiben verzichten müssen.
...
Copyright © 2012 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
... weniger
Autoren-Porträt von Michaela Möller
Michaela Möller, geboren 1980, studierte Modejournalismus und Medienkommunikation in Hamburg und München. Zurzeit lebt sie in der Nähe von Köln, wo sie sich dem Studium der Psychologie widmet. "Unklare Verhältnisse" ist nach "Champagnerwillich", "Beziehungsweise blond" und "Mehrwegmänner" ihr vierter Roman.
Bibliographische Angaben
- Autor: Michaela Möller
- 2012, 2. Aufl., 347 Seiten, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404166345
- ISBN-13: 9783404166343
Kommentare zu "Die emotionale Obdachlosigkeit männlicher Singles"
0 Gebrauchte Artikel zu „Die emotionale Obdachlosigkeit männlicher Singles“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
5 von 5 Sternen
5 Sterne 3Schreiben Sie einen Kommentar zu "Die emotionale Obdachlosigkeit männlicher Singles".
Kommentar verfassen