Die Falschspieler
Der Falschspieler von David Liss
LESEPROBE
Seit der Veröffentlichung des ersten Bandes meiner Memoirenbin ich auf eine Weise zum Spielball der öffentlichen Meinung geworden, wie iches niemals vermutet hätte. Selbstverständlich habe ich weder Beschwerden nochBedauern anzumelden, denn wer wie ich ins Licht der Öffentlichkeit tritt, hatkeinen Grund, sich über die ihm entgegengebrachte Aufmerksamkeit zu beklagen.Eher sollte er dankbar dafür sein, dass die Öffentlichkeit ihren launischenBlick auf ihn zu richten geruht. Diese Wahrheit bezeugen die zahllosen Bände,welche in der Hölle eines jeden Schreiberlings - der Nichtbeachtung -schmachten.
Offen gesagt, habe ich mich sehr über die Anteilnahme gefreut, mit der dieLeser die Berichte über meine frühen Jahre aufgenommen haben. Zugleich mussteich mich jedoch ein wenig wundern - und zwar über so manche Leute, die sichnach der Lektüre nur weniger Zeilen meiner Gedanken sogleich als gute Freundebetrachten und sich die Freiheit herausnehmen, mich einfach unverfroren anzusprechen.Und so ich keinen Fehl darin sehe, wenn jemand, der meine Worte so nachhaltiggelesen hat, dass er den Wunsch verspürt, einige Bemerkungen darüber zuverlieren, muss ich meiner Bestürzung über die Anzahl von Leuten Ausdruckverleihen, die meinen, sich ohne jegliche Rücksicht auf Anstand und Sitteungestraft über jeden Aspekt meines Lebens auslassen zu dürfen.
Einige Monate nach der Veröffentlichung meines schmalen Büchleins nahm ich aneiner Abendgesellschaft teil und sprach gerade von einem besonders üblenVerbrecher, den ich der Gerechtigkeit zu übergeben beabsichtigte. Woraufhinsich ein junger Bursche, den ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte, zu mirumdrehte und meinte, dieser Kerl sollte sich besser in Acht nehmen, sonst nähmees mit ihm noch das gleiche Ende wie mit Walter Yate. An dieser Stelle lächelteer affektiert, als hüteten er und ich ein gemeinsames Geheimnis.
Ich bekenne, dass ich derart verdutzt war, dass ich mit keinem Wort daraufeinging. Schon seit geraumer Zeit hatte ich nicht mehr an Walter Yate gedachtund hätte auch nicht vermutet, dass sein Name nach all den Jahren immer nochgeläufig ist. Bald schon machte ich jedoch die Erfahrung, dass, wenn schonnicht ich selbst, so doch andere sich ihre Gedanken über diesen armen Burschenmachten. Kaum vierzehn Tage später bemerkte ein anderer Herr, auch er für michkaum mehr als ein Fremder, hinsichtlich eines Problems, dem ich michgegenübergestellt sah, ich solle die Angelegenheit doch auf die gleiche Art undWeise angehen wie damals die Sache mit Walter Yate. Den Namen sprach er miteinem Nicken und einem verstohlenen Zwinkern aus, als mache uns diesesLosungswort, einmal ausgesprochen, sofort zu den verschworensten Kumpanen.
Im Allgemeinen störe ich mich nicht daran, wenn sich manche Leute aufBegebenheiten aus meiner Vergangenheit beziehen. Hingegen verwirrt es michdurchaus, wenn sie sich die Freiheit nehmen, über Dinge zu reden, von denen sienichts verstehen, und sich obendrein die plumpeste Vertraulichkeit anmaßen. Esverwundert mich über alle Maßen, dass diese Leute, mögen sie von diesemZwischenfall halten, was sie wollen, ihn mir gegenüber überhaupt erwähnen, unddas auch noch in der allervergnügtesten Stimmung. Macht man sich denn beimBesuch eines fahrenden Zirkus über die gefletschten Zähne der Tiger lustig?
Nicht zuletzt deshalb bin ich zu dem Schluss gekommen, einen weiteren Bandmeiner Erinnerungen zu Papier zu bringen - um die Welt hinsichtlich ihrerfalschen Vorstellungen über dieses Kapitel in meinem persönlichenGeschichtsbuch eines Besseren zu belehren. Ich wünsche, den Namen Walter Yatenie mehr auf gehässige oder verschwörerische Art und Weise vernehmen zu müssen.Nach allem, was ich weiß, hat dieser Mann nichts getan, was ihn zum Gegenstandverstohlenen Gekichers machen müsste. Deshalb sage ich an dieser Stelle,wahrheitsgemäß und ein für alle Mal, dass ich Mr. Yate zu keiner Zeitgewalttätig gegenübergetreten bin - schon gar nicht mit jener äußersten Gewalt,die, wie ich erfahren habe, die Welt mit diesen Vorfällen in Verbindung bringt.Des Weiteren bin ich, wenn ich die Öffentlichkeit noch eines anderenMissverständnisses berauben darf, der fürchterlichen Strafe für seine Ermordungnicht deshalb entgangen, weil ich mich einflussreicher Freunde aus den Kreisender Regierung bedient hätte. Keines dieser Märchen entspricht der Wahrheit. Ichbesaß von derlei Gerüchten keinerlei Kenntnis, weil sie mir bis vor kurzemniemand zugetragen hatte. Nachdem ich aber inzwischen ein paar Zeilen über meinLeben veröffentlicht habe, bin ich plötzlich jedermanns Freund. So lassen Siemich Ihnen allen den Freundschaftsdienst erweisen, die Wahrheit über denVorfall aufzudecken, und sei es nur aus dem Grund, dass anschließend nie wiederdarüber gesprochen werden möge.
Walter Yate starb, nachdem man ihm mit einer Eisenstange den Schädeleingeschlagen hatte. Die Tat hatte sich nur sechs Tage vor dem Zusammentretendes Obersten Strafgerichts Seiner Majestät ereignet, so dass ich nach meinerFestnahme und während ich auf den Prozess wartete glücklicherweise nur wenigZeit hatte, mir über meine prekäre Lage Gedanken zu machen. Ich will ehrlichsein: Ich hätte diese Zeit besser nutzen können, aber ich rechnete in keinemGedanken damit, dass man mich für ein Verbrechen verurteilen würde, das ichnicht begangen hatte - den Mord an einem Mann, von dem ich vor seinem Tod sogut wie nichts gehört hatte. Ich hätte damit rechnen sollen, aber ich tat esnicht.
Mein Vertrauen war so groß, dass ich mich des Öfteren dabei ertappte, überhauptnicht zuzuhören, was bei meiner Verhandlung gerade gesagt wurde. Stattdessenließ ich meine Blicke über die Gaffer schweifen, die sich am Ort derVerhandlung unter freiem Himmel drängten. An jenem Tag, von dem die Rede ist,nieselte es unaufhörlich, und die Februarluft war relativ kalt, was die Mengejedoch nicht vom Kommen abgehalten hatte, auch nicht davon, sich in die grobgezimmerten, ungehobelten Bänke zu quetschen, sich gegen die Feuchtigkeitzusammenzukauern und Augenzeugen dessen zu werden, was in den Zeitungen füreiniges an Aufsehen gesorgt hatte. Die Zuschauer aßen mitgebrachte Orangen,Äpfel und kleine Lammpasteten, rauchten ihre Pfeifchen und schnupften ihrePrisen. Sie pissten in eigens dafür an den Ecken bereitgestellte Töpfe undwarfen den Geschworenen ihre Austernschalen vor die Füße. Sie flüsterten undjubelten und schüttelten die Köpfe, als wäre das alles ein riesigesKasperletheater, das allein zu ihrem Amüsement aufgeführt wurde.
Womöglich hätte ich mich als Objekt einer derartig ausgeprägten öffentlichenNeugier geschmeichelt fühlen dürfen, aber ich konnte dieser traurigenBerühmtheit nichts abgewinnen. Nicht, wenn sie nicht dort war, sie, die ich inmeinem Kummer und meiner Not am liebsten gesehen hätte. Sollte ich verurteiltwerden, so malte ich mir aus (natürlich nur in den romantischsten Farben,schließlich rechnete ich ebenso wenig mit meiner Verurteilung wie damit, dassman mich zum Oberbürgermeister wählen würde), dass sie zu mir käme und zumeinen Füßen weinte und mir sagte, wie Leid ihr das alles täte. Ich wollte ihretränennassen Küsse auf meinem Gesicht. Ich wollte, dass ihre Hände, rau undtrocken vom unablässigen verzweifelten Ringen, die meinen ergriffen und dasssie um Vergebung flehte und darum, meine Liebesschwüre wieder und wieder zuhören.
Das waren, wie ich sehr wohl wusste, nur mehr Wunschvorstellungen einerüberreizten Fantasie. Sie würde nicht zu meinem Prozess erscheinen, und siewürde mich auch vor meiner möglichen Hinrichtung nicht besuchen. Es war ihrschlicht und einfach nicht möglich.
Miriam, die Witwe meines Cousins, die zur Frau zu nehmen ich beabsichtigthatte, hatte sechs Monate zuvor einen Mann namens Griffin Melbury geheiratet.Ebendieser Mann war zu der Zeit meiner Verhandlung damit beschäftigt, sich aufseine Kandidatur als Tory bei der schon bald anstehenden Wahl in Westminstervorzubereiten. Als zur anglikanischen Staatskirche Konvertierte und Ehefraueines Mannes, der sich einen Aufstieg zum prominenten Oppositionspolitikererhoffte, stand es Miriam Melbury schlecht an, den Prozess eines gedungenenjüdischen Schlägers zu verfolgen, dem sie nicht einmal mehr durchverwandtschaftliche Beziehungen verbunden war. Sich zu meinen Füßenniederzuknien und mein Gesicht mit tränennassen Küssen zu bedecken entsprach wohlkaum dem Verhalten, zu dem sie sich unter welchen Umständen auch immer hättehinreißen lassen. Jetzt, da sie sich einem anderen Mann versprochen hatte,würde so etwas erst recht nicht passieren.
Jedenfalls kreisten meine Gedanken in meiner schicksalhaften Stunde weniger umdas möglicherweise bevorstehende Verhängnis, als vielmehr um Miriam. Ich schobihr die Schuld zu, als könnte man sie für diesen absurden Prozessverantwortlich machen. Aber hätte sie mich geheiratet, so hätte ich meine Jagdauf Langfinger womöglich sein lassen und mich nicht in die missliche Lagegebracht, die zu dieser Katastrophe geführt hatte. Mir selbst warf ich vor, ihrnicht energischer den Hof gemacht zu haben, obwohl drei Heiratsanträge nach derDefinition eines jeden Mannes wohl als energisch genug betrachtet werdensollten.
Also dachte ich, während der Ankläger der Krone die Geschworenen davon zuüberzeugen suchte, mich zu verurteilen, an Miriam. Außerdem dachte ich - auchwenn ich vor Sehnsucht und Melancholie vergehe, bleibe ich doch immer ein Mann- an die Frau mit den goldgelben Haaren.
Es darf nicht verwunderlich anmuten, dass meine Gedanken zu anderen Frauenabschweiften. In dem halben Jahr nach Miriams Hochzeit hatte ich sehr wohlAblenkung gesucht; nicht um zu vergessen, verstehen Sie mich bitte richtig,sondern mit dem Ziel, das Gefühl meines Verlustes besser auskosten zu können.In dieser Absicht hatte ich mich hauptsächlich den Lastern hingegeben, unddiese Laster bestanden in erster Linie aus Frauen und Alkohol. Zu meinem großenBedauern konnte ich mit dem Glücksspiel nicht viel anfangen, fanden doch diemeisten Männer im Kreise meiner Bekannten dieses Laster nicht minderzerstreuend als die beiden von mir favorisierten - wenn nicht gar noch mehr.Aber ich hatte in der Vergangenheit in dieser Hinsicht schon einmal einen zuhohen Preis bezahlt und viel Geld verloren, so dass ich nicht rechtnachzuvollziehen vermochte, welchen Unterhaltungswert ein paar raffgierigeHände haben sollen, die einen Stapel Geld einsammeln, der kurz zuvor noch mirgehört hat.
Alkohol und Frauen. Das waren Laster nach meinem Geschmack, wobei keines vonbeiden von besonders ausgewiesener Qualität sein musste. Mir war nicht danach,mich übermäßig wählerisch zu geben. Trotzdem fiel mir diese eine Frau auf, dieganz außen in einer der Bankreihen saß, eine Frau, die meine Aufmerksamkeit ineinem Maße erregte, wie sonst kaum etwas in jenen finsteren Tagen. Sie hattestrohblondes Haar, ihre Augen strahlten in der Farbe der Sonne selbst. Sie warnicht schön im üblichen Sinne, aber sie war hübsch, und sie tat ein wenig keckmit ihrer spitzen Nase und dem leicht vorspringenden Kinn. Obwohl sie keinegroße Dame war, kleidete sie sich wie eine Frau mittleren Standes, ordentlich,aber ohne Flair oder besondere Zugeständnisse an die Mode. Stattdessen erlaubtesie der Natur das, was ihrem Schneider versagt blieb, und stellte der Welt ineinem tief ausgeschnittenen Mieder einen verwirrend ausladenden Busen zurSchau. Kurz gesagt, sie hatte nichts an sich, was mich davon abgehalten hätte,mich in einem Alehaus oder einer Taverne ihrer Reize zu erfreuen, aber auchnichts, was meine Aufmerksamkeit dermaßen hätte fesseln dürfen, während vorGericht gerade über mein Leben verhandelt wurde.
Abgesehen von der Tatsache, dass sie ihren Blick nicht von mir nahm. Keineeinzige Sekunde lang.
Natürlich sahen mich auch andere Leute an - mein Onkel und meine Tante vollerMitleid und vielleicht auch ein wenig ermahnend, meine Freunde mit Angst, meineFeinde voller Schadenfreude, Fremde mit unbarmherziger Neugier -, aber dieseFrau fixierte mich mit einem verzweifelten, fast gierigen Ausdruck. Als sichunsere Blicke trafen, reagierte sie weder mit einem Lächeln noch mitMissbilligung, sondern erwiderte meinen Blick lediglich auf eine Weise, alshätten wir bereits ein ganzes Leben miteinander verbracht, so dass es zwischenuns keiner Worte bedurfte. Ein unbeteiligter Beobachter hätte uns für Eheleuteoder für ein Liebespaar gehalten, aber ich hatte sie, soweit mich meine Erinnerung- die in den vergangenen sechs Monaten exzessiver Sauferei nicht dieverlässlichste gewesen war - nicht täuschte, noch nie zuvor gesehen. Ihrrätselhafter Blick nahm von all meinen Gedanken Besitz, weit mehr als dasRätsel, weshalb ich überhaupt des Mordes an einem Hafenarbeiter angeklagtwurde, von dem ich bis zwei Tage vor meiner Festnahme noch nie etwas gehörthatte.
Als der Ankläger, ein alter Knabe namens Lionel Antsy, Jonathan Wild in dieZeugenbank rief, verwandelte sich der jetzt stärker fallende Regen in kleineEisstückchen. In jenem Jahr, 1722, hielten weite Kreise diesen berüchtigtenVerbrecher immer noch für das einzig ernst zu nehmende Bollwerk gegen diemarodierenden Horden von Dieben und Straßenräubern, die unsere Hauptstadtunsicher machten. Bei unserer Tätigkeit, dem Einfangen von Dieben und anderenTunichtguten, waren er und ich schon seit langem Konkurrenten gewesen, dennunsere Methoden waren recht unterschiedlich. Ich war der Ansicht, dass mir,wenn ich ehrenhaften Leuten dabei half, ihre verloren gegangenen Besitztümerwiederzubeschaffen, eine ordentliche Belohnung für meine Mühen zustand.Zugegeben, meine Arbeit war nicht immer nur von hehren Grundsätzen geleitet.Ich war bereit, flüchtige Schuldner ausfindig zu machen, meine Fähigkeiten, dieich als professioneller Faustkämpfer im Ring erworben hatte, einzusetzen, umräudigen Schurken eine Lektion zu erteilen (sofern sie in meinen Augen einersolchen Behandlung bedurften), und Männer, bei denen eine solchen Behandlungerforderlich war, einzuschüchtern und ihnen einen tüchtigen Schreckeneinzujagen. Niemals hätte ich Leuten, die eine solch grobe Behandlung nichtverdienten, etwas angetan, und es war sogar bekannt, dass ich - stets verbundenmit einer entschuldigenden Ausflucht gegenüber meinen Auftraggebern - den einenoder anderen Schuldner hatte laufen lassen, wenn er mir glaubhaft von einer amHungertuch nagenden Frau und kranken Kindern erzählen konnte.
Wild hingegen war ein skrupelloser Halunke. Er schickte seine Diebe aus, damit sieSachen klauten, die er den Eigentümern anschließend zum Rückkauf anbot, wobeier die ganze Zeit über so tat, als sei er die einzige Stimme der armen OpferLondons. Seine Methoden waren, das gebe ich gern zu, weitaus profitabler alsdie meinen. Kaum ein Beutelschneider in London füllte sich die Taschen, ohnedass Wild seinen Anteil daran hatte. Kein Mörder konnte seine blutverschmiertenHände vor Wilds strengem Blick verbergen, selbst wenn der große Diebesfängerden Mord selbst befohlen hatte. Ihm gehörten Schmugglerschiffe, die sämtlicheHäfen des Königreichs anliefen, in jedem Land Europas hatte er seine Handlangersitzen. Die Börsenspekulanten in der Change Alley wagten ohne seine Zustimmungkaum zu kaufen und zu verkaufen. Kurz gesagt, er war ein bemerkenswertgefährlicher Mann, der mir keine Liebe entgegenbrachte.
Mehr als einmal waren wir bei unseren unvereinbarten Geschäftspraktikenaneinander geraten, auch wenn sich diese Konflikte eher unterkühlt alsüberhitzt abspielten. Wir umkreisten einander wie Hunde, die es mehr aufsBellen denn aufs Beißen anlegten. Dessen ungeachtet durfte ich nicht daranzweifeln, dass Wild diese Gelegenheit, an meinem Verderben mitzuwirken, freudigwahrnehmen würde. Da er seine Karriere darauf aufgebaut hatte, vor jedem Geschworenen,der bereit war, ihm zuzuhören, einen Meineid zu leisten, war ich nun lediglichauf die Schwere seiner Anschuldigung und die Leidenschaft gespannt, mit der ersie vorbringen würde.
Mr. Antsy hinkte auf den Zeugen zu und beugte sich nach vorne, um dengefrorenen Regen nicht direkt ins Gesicht zu bekommen. Er sah aus, als sei erirgendwas zwischen fünfzig und hundert Jahre alt, hager wie der Tod selbst. DieHaut hing ihm wie ein leerer Weinschlauch vom Gesicht, und sein Kopf wackelteüber dem massigen Mantel hin und her. Seine vom Regen schwere Perücke saß ihmschief auf dem Schädel und befand sich in einem dermaßen grauenhaften Zustand,dass man zu dem Schluss kommen musste, er habe sie beim Trödler in Holborngekauft, wo ein Mann für drei Pence einmal blind in eine Kiste mit gebrauchtenPerücken greifen durfte. Da er sich an diesem Morgen, und wahrscheinlich aucham Morgen davor, nicht die Mühe gemacht hatte, sich zu rasieren, war seinGesicht reichlich mit fusseligen weißen Stoppeln überzogen, die durch denzerfurchten Acker seines Gesichts ans Tageslicht stießen.
»Also, Mr. Wild«, sagte er mit seiner schrillen, zittrigen Stimme, »Sie sindhierher einbestellt worden, um hinsichtlich des Charakters des Mr. Weaverauszusagen, und weil sie allgemein als so etwas wie ein Experte in kriminellenAngelegenheiten gelten, sozusagen als Gelehrter der Philosophie desVerbrechens. Auch ich sehe mich manchmal als solchen«, sagte er in seinemländlichen Akzent, der so heftig war, dass die Geschworenen sich nach vornebeugten, als könnte größere Nähe ihnen helfen, ihn besser zu verstehen. Wild,auf den der Regen kaum zu fallen wagte, saß aufrecht da und lächelte Mr. Antsybeinahe mitleidig an. Wie konnte ein alter Winkeladvokat wie Antsy anderes alsVerachtung in einem Mann hervorrufen, der seine eigenen Diebe ohne mit derWimper zu zucken an den Galgen schickte, um die vom Staat ausgeschriebenenvierzig Pfund Belohnung zu kassieren?
»Entspricht es ebenso den Tatsachen, Sir, dass Sie weithin als der in unserer Stadterfolgreichste Aufspürer von Dieben und Einbrechern angesehen werden?«
© btb Verlag
Übersetzung: Gerald Jung
Autoren-Porträtvon David Liss
David Liss, Jahrgang 1966, ist der Autor des höchsterfolgreichen historischen Kriminalromans »Die Papierverschwörung«. Für seinDebüt wurde er mit dem renommierten Edgar-Award ausgezeichnet. David Liss lebtmit seiner Frau und seiner Tochter in San Antonio, Kalifornien.
- Autor: David Liss
- 2004, 1, 543 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Geb. mit Su., Deutsch
- Verlag: BTB
- ISBN-10: 3442751276
- ISBN-13: 9783442751273
(Kirkus Reviews)
"Finstere Bösewichte, faszinierendes Zeitkolorit, witzige Dialoge und ein Held, der sich nicht unterkriegen lässt: wunderbarer Lesestoff für Krimifans und Freunde historischer Romane."
(Publishers Weekly)
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