Die Farbe der Gier
Die junge Kunstexpertin Anna, die für Fenston arbeitet, schwebt in Gefahr, weil sie zuviel über dessen Machenschaften weiß. Und sie ahnt nicht, dass zugleich auch FBI Special Agent Jack Delaney sie beschattet.
So beginnt an einem vermeintlich friedlichen Septembermorgen in New York eine atemlose Jagd nach einem Gemälde und ein spektakulärer Wettlauf gegen die Skrupellosigkeit.
Die Frabe der Gier von Jeffrey Archer
LESEPROBE
1
VICTORIAWENTWORTH saß allein an eben jenem Tisch, an dem Wellington mit 16 seinerOffiziere am Vorabend seines Aufbruchs nach Waterloo gespeist hatte.
An jenemAbend hatte General Sir Harry Wentworth zur Rechten des Eisernen Herzogsgesessen und hatte später dessen linke Flanke befehligt, während der geschlageneNapoleon vom Schlachtfeld ins Exil geritten war. Ein dankbarer Monarch hattedem General den Titel Earl of Wentworth verliehen, den seine Familie seit 1815voller Stolz trug.
DieserGedanke ging Victoria durch den Kopf, während sie Dr. Petrescus Bericht einzweites Mal las. Als Victoria die letzte Seite umdrehte, seufzte sieerleichtert auf. Eine Lösung für all ihre Probleme hatte sich aufgetan,buchstäblich fünf vor zwölf.
Die Tür zumSpeisesaal öffnete sich lautlos und Andrews, der im Laufe von drei Generationender Wentworth-Familie vom Lakaien zum Butler aufgestiegen war, entfernteroutiniert den Dessertteller ihrer Ladyschaft.
»Dankeschön«,sagte Victoria und wartete, bis er die Tür erreichte, dann fügte sie hinzu:»Wurde für die Abholung des Gemäldes Sorge getragen?« Sie brachte es einfachnicht über sich, den Namen des Künstlers auszusprechen.
»Ja,Mylady.« Andrews drehte sich zu seiner Herrin um. »Das Bild wird abgehängt,bevor Sie zum Frühstück nach unten kommen.« »Und wurde alles für den Besuch vonDr. Petrescu vorbereitet?«
»Ja,Mylady«, wiederholte Andrews. »Dr. Petrescu wird am Mittwoch gegen Mittagerwartet und ich habe die Köchin bereits davon in Kenntnis gesetzt, dass FrauDoktor Petrescu mit Ihnen das Mittagessen im Wintergarten einnehmen wird.«
»Danke,Andrews«, sagte Victoria. Der Butler deutete eine Verbeugung an und schlossleise die schwere Eichentür hinter sich. Noch vor dem Eintreffen von Dr.Petrescu würde sich eines der kostbarsten Erbstücke der Familie auf dem Wegnach Amerika befinden und obwohl das Meisterwerk nie wieder in Wentworth Hallbetrachtet werden konnte, musste das außerhalb des engsten Familienkreiseskeiner wissen.
Victoriafaltete die Serviette und erhob sich vom Tisch. Sie nahm Dr. Petrescus Berichtzur Hand und trat aus dem Speisesaal in den Flur. Ihre Schritte hallten auf demMarmorboden wider. Sie blieb am Fußende der Treppe stehen und bewunderteGainsboroughs lebensgroßes Porträt von Lady Catherine Wentworth in einem herrlichen,bodenlangen Gewand aus Seide und Taft, komplettiert von einer Diamantkette mitpassenden Ohrringen. Victoria lächelte angesichts des Gedankens, dass einederart extravagante Spielerei zu der damaligen Zeit zweifelsohne für reichlichschlüpfrig erachtet worden war.
Victoriasah unverwandt geradeaus, als sie die breite, marmorne Rundtreppe zu ihremSchlafzimmer im ersten Stock emporstieg. Sie fühlte sich nicht in der Lage,ihren Vorfahren in die Augen zu schauen, die von Romney, Lawrence, Reynolds,Lely und Keller lebensecht festgehalten worden waren. Victoria war sichbewusst, dass sie sie allesamt enttäuscht hatte. Sie musste ihrer Schwesterschreiben und sie von ihrer Entscheidung in Kenntnis setzen, bevor sie sich zuBett begab.
Arabellawar so klug und so vernünftig. Wenn ihre geliebte Zwillingsschwester nur einigeMinuten früher geboren worden wäre, dann hätte sie das Anwesen geerbt und dasProblem zweifellos mit beträchtlich mehr Schwung gehandhabt. Schlimmer noch,sobald Arabella die Neuigkeit erfuhr, würde sie sich weder beschweren nochProtest einlegen. Sie würde einfach weiterhin die für die Familie typischeUnerschütterlichkeit zur Schau stellen.
Victoriaschloss die Schlafzimmertür, durchquerte den Raum und legte Dr. PetrescusBericht auf ihren Schreibtisch. Dann löste sie ihren Haarknoten und verbrachtedie nächsten Minuten damit, sich die Haare zu bürsten. Anschließend entkleidetesie sich und zog ein seidenes Nachthemd an, das eines der Zimmermädchen am Fußendeihres Bettes ausgebreitet hatte. Zu guter Letzt schlüpfte sie in ihrePantoffeln, setzte sich an den Schreibtisch und nahm den Füllfederhalter zuHand.
WENTWORTH HALL
10. September 2001
Meineliebste Arabella,
schon vielzu lange habe ich diesen Briefhinausgezögert, denn du solltest als Letzte diebeunruhigende Neuigkeit erfahren.
Als unserlieber Papa verstarb und ich das Anwesen erbte, dauerte es eine Weile, bis mirdas ganze Ausmaß der Schulden, die er angehäuft hatte, bewusst wurde. Ichfürchte, meine mangelnde Erfahrung in geschäftlichen Angelegenheiten, dazu dieexorbitante Erbschaftssteuer, trugen zu dem Problem noch das ihrige bei.
Ich glaubteanfangs, die Lösung darin zu finden, noch mehr Kredite aufzunehmen, aber dashat die Sache nur verschlimmert. Es kam so weit dass ich fürchtete, aufgrundmeiner Naivität müsse unser Familiensitz veräußert werden. Aber nun kann ichDir voller Freude mitteilen, dass sich eine Lösung eröffnet hat.
Am Mittwochtreffe ich mich mit...
Victoria glaubte,gehört zu haben, wie hinter ihr leise die Schlafzimmertür geschlossen wurde.Sie fragte sich, wer vom Personal die Frechheit besaß, das Zimmer ohneanzuklopfen zu betreten.
BisVictoria sich umgedreht hatte, um nachzusehen, um wen es sich handelte, standdie Frau bereits neben ihr.
Victoriasah zu der Fremden auf, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Sie war jung,schlank und noch kleiner als Victoria. Sie hatte ein süßes Lächeln, das sieverletzlich erscheinen ließ. Victoria erwiderte das Lächeln. Erst da fiel ihrdas Küchenmesser in der rechten Hand der Frau auf. »Wer ...«, fing Victoria an,doch da schoss die Hand schon nach vorn, packte sie an den Haaren und rissihren Kopf gegen die Lehne. Victoria spürte die schmale, rasiermesserscharfeKlinge auf der Haut ihres Halses. Mit einer einzigen, raschen Bewegungschlitzte ihr die Klinge den Hals auf Sekundenbruchteile, bevor Victoria starb,schnitt ihr die junge Frau das linke Ohr ab.
© ScherzVerlag
Übersetzung:Tatjana Kruse
- Autor: Jeffrey Archer
- 2005, 448 Seiten, Maße: 12 x 18 cm, Geb. mit Su., Deutsch
- Übersetzer: Tatjana Kruse
- Verlag: FISCHER Scherz
- ISBN-10: 3502180946
- ISBN-13: 9783502180944
- Erscheinungsdatum: 14.03.2007
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Die Farbe der Gier".
Kommentar verfassen