Die geheime Waffe
Thriller
Adrenalin pur!
Drei Menschen werden getötet: ein islamischer Hassprediger, ein Kinderschänder sowie ein Lokalpolitiker, der einen schweren Unfall mit mehreren Todesopfern verursacht hat. Die Polizei geht zunächst von Racheakten aus, doch...
Drei Menschen werden getötet: ein islamischer Hassprediger, ein Kinderschänder sowie ein Lokalpolitiker, der einen schweren Unfall mit mehreren Todesopfern verursacht hat. Die Polizei geht zunächst von Racheakten aus, doch...
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Produktinformationen zu „Die geheime Waffe “
Adrenalin pur!
Drei Menschen werden getötet: ein islamischer Hassprediger, ein Kinderschänder sowie ein Lokalpolitiker, der einen schweren Unfall mit mehreren Todesopfern verursacht hat. Die Polizei geht zunächst von Racheakten aus, doch die ballistische Untersuchung der Todesgeschosse führt zu einem beunruhigenden Ergebnis: Die Morde wurden allesamt mit einer Spezialwaffe ausgeführt, von der es bisher nur einen Prototyp gibt - der streng unter Verschluss gehalten wird. Torsten Renk, Agent beim MAD, übernimmt die Ermittlung. Ihm wird Leutnant H. C. von Tarow an die Seite gestellt, eine ebenso hübsche wie unerschrockene Eurasierin, die kein Risiko scheut, den brisanten Fall zu lösen ...
Der zweite große Thriller mit MAD-Agent Torsten Renk.
Drei Menschen werden getötet: ein islamischer Hassprediger, ein Kinderschänder sowie ein Lokalpolitiker, der einen schweren Unfall mit mehreren Todesopfern verursacht hat. Die Polizei geht zunächst von Racheakten aus, doch die ballistische Untersuchung der Todesgeschosse führt zu einem beunruhigenden Ergebnis: Die Morde wurden allesamt mit einer Spezialwaffe ausgeführt, von der es bisher nur einen Prototyp gibt - der streng unter Verschluss gehalten wird. Torsten Renk, Agent beim MAD, übernimmt die Ermittlung. Ihm wird Leutnant H. C. von Tarow an die Seite gestellt, eine ebenso hübsche wie unerschrockene Eurasierin, die kein Risiko scheut, den brisanten Fall zu lösen ...
Der zweite große Thriller mit MAD-Agent Torsten Renk.
Klappentext zu „Die geheime Waffe “
Adrenalin pur!Drei Menschen werden getötet: ein islamischer Hassprediger, ein Kinderschänder sowie ein Lokalpolitiker, der einen schweren Unfall mit mehreren Todesopfern verursacht hat. Die Polizei geht zunächst von Racheakten aus, doch die ballistische Untersuchung der Todesgeschosse führt zu einem beunruhigenden Ergebnis: Die Morde wurden allesamt mit einer Spezialwaffe ausgeführt, von der es bisher nur einen Prototyp gibt - der streng unter Verschluss gehalten wird. Torsten Renk, Agent beim MAD, übernimmt die Ermittlung. Ihm wird Leutnant H. C. von Tarow an die Seite gestellt, eine ebenso hübsche wie unerschrockene Eurasierin, die kein Risiko scheut, den brisanten Fall zu lösen ...
Der zweite große Thriller mit MAD-Agent Torsten Renk.
Lese-Probe zu „Die geheime Waffe “
Das Tor schwang auf, und ein Mann trat heraus. Das schmale Gesicht, das von dunklen Augen über einem langen, mit weißen Strähnen durchsetzten Vollbart beherrscht wurde, glänzte zufrieden, verriet aber auch Verachtung und eine gewisse Schadenfreude.Bekleidet war der Mann mit einem langen, hemdartigen Gewand und einem kaum auftragenden Turban aus dunklem Tuch. Vor der hohen Klinkermauer, die oben mit Stacheldraht gesichert war, wirkte er wie ein Fremdkörper, und er schien es durchaus darauf anzulegen, seine Andersartigkeit herauszustreichen.
Mehrere Fernsehteams hatten ihre Übertragungswagen auf dem gepflasterten Vorplatz geparkt und filmten die versammelten Anhänger des Bärtigen, der diesen unermüdlich gepredigt hatte, die westliche Welt, in der sie nun lebten, sei nicht die ihre.
Nachdem sich der Imam, der sich Asad al Wahid nannte, in Positur gestellt hatte, hob er die Arme, um einige Männer zu begrüßen, die ebenso wie er lange Hemden und Vollbärte trugen. "Die Gerechtigkeit Allahs hat über die Schlechtigkeit der Ungläubigen gesiegt!", rief er.
Seine Gefolgsleute skandierten seinen Namen und jubelten ihm zu. Bis vor wenigen Tagen hatten sie befürchtet, die Justiz der Ungläubigen werde ihren Anführer für lange Zeit, möglicherweise sogar für immer, ins Gefängnis stecken. Doch ihrem Idol war es gelungen, alle Beweise des Staatsanwalts auszuhebeln und die Schuld, die man ihm hatte zusprechen wollen, weit von sich zu weisen. Nun war Asad al Wahid wieder frei, und dieser Auftritt unterstrich, dass er den Sieg nutzen wollte, um seinen Einfluss unter den Muslimen dieses Landes zu vergrößern. Auch war das Gerücht aufgekommen, er plane, treue Männer um sich zu scharen, die verhindern sollten, dass ihn noch einmal ein ungläubiger Polizist packen und in eine schmutzige Zelle sperren könne. Davon ließ er jedoch nichts verlauten, sondern predigte das, was seine Anhänger hören wollten.
Obwohl Asad al Wahid kein Mikrophon hatte, hallten seine Worte weit über den
... mehr
Platz. Er kannte die Macht seiner Stimme und wusste, dass alles, was er sagte, noch am selben Tag über Al Jazeera und andere arabische Fernsehsender in allen Winkeln der islamischen Länder zu hören sein würde. Das würde sein Ansehen weiter erhöhen und ihm Spenden von reichen, frommen Männern einbringen, die ihre Glaubensbrüder in diesem kalten, fremden Land zu unterstützen wünschten.
"Sie glaubten, mich in ihrem Kerker brechen zu können, doch ich bin stärker als je zuvor!" Al Wahid steigerte die Lautstärke, um die Jubelrufe seiner Männer zu übertönen. Doch als er weitersprechen wollte, zuckte er wie unter einem Schlag zusammen. Die Stimme versagte, und auf dem Gesicht erschien der Ausdruck überraschten Staunens. Mit einer seltsam unbeholfenen Bewegung senkte er den Kopf und sah das kleine, schwarze Loch in seinem Kaftan, dessen Stoff sich rot färbte. Ohne einen einzigen Laut brach er zusammen.
ZWEI Die letzte Sequenz noch mal abspielen!", drängte Torsten Renk ungeduldig.
Petra Waitl zuckte die Schultern. Mehr als arbeiten konnte sie nicht, auch wenn Torsten anzunehmen schien, sie könne Wunder wirken. Ihre Finger flitzten über die Tastatur und brachten die letzte Szene noch einmal auf den Bildschirm.
Als das Einschussloch in Al Wahids Brust erneut zu sehen war, rief Torsten: "Halt, ein wenig zurück!"
Petra ließ die Aufnahme rückwärts laufen. Als der Kaftan wieder unversehrt war, stoppte sie und startete die Aufzeichnung erneut.
"Langsamer! Wir müssen den Zeitpunkt fixieren, in dem die Kugel den Kerl trifft." Torsten beugte sich über Petras Schulter und starrte so angestrengt auf den Bildschirm, als könne er ihn kraft seines Willens steuern.
"Hier!" Petra hielt die Aufzeichnung an und zeigte auf die Stelle, an der ein kleiner, dunkler Fleck auf Al Wahids Hemd zu erkennen war.
"Sieht aus wie ein Fliegenschiss", sagte sie in dem lahmen Versuch, Torstens Anspannung durch einen Scherz zu mindern.
Der ging gar nicht darauf ein. "Fahr die Aufnahme noch eine Zehntelsekunde zurück!"
Petra tat ihm den Gefallen und hörte Torsten im nächsten Moment durch die Zähne pfeifen. "Dachte ich es mir doch. Schau genau hin!"
"Was meinst du?" Petra sah ihn verwirrt an. Erst als sie seinem ungeduldigen Wink folgend die Aufzeichnung vergrößerte, bis nur noch der Oberkörper des Mannes zu sehen war, entdeckte sie einen schwachen, blauen Lichtpunkt, der exakt die Stelle markierte, auf der Millisekunden später das tödliche Geschoss eingeschlagen hatte.
"Ein blauer Ziellaser! Ich wusste gar nicht, dass es die Dinger bereits auf dem freien Markt zu kaufen gibt", rief sie verblüfft aus.
Torsten schnaubte. "Den gibt es nicht zu kaufen! Blaue Ziellaser dieser Präzision findest du nur in den geheimsten Waffenarsenalen der USA, vielleicht auch noch in Russland - und bei uns! Es ist unmöglich, an einen solchen heranzukommen. Kannst du die entsprechende Sequenz des anderen Mordes abspielen? Wir sollten auch dort den Augenblick vor dem Einschlag der Kugel kontrollieren."
Erneut flogen Petras Finger über die Tasten. Das Bild des Predigers verschwand vom Bildschirm und machte dem eines Europäers mit schwammigem Gesicht und glasig schimmernden Augen Platz. Der Mann trug Jeans und einen dicken Pullover.
"Wer sind die Opfer eigentlich?", fragte Petra. Sie war ein Genie am Computer und baute feinmechanisches Werkzeug von höchster Präzision, interessierte sich jedoch kaum für das Tagesgeschehen.
"Der Kerl in dem komischen Nachthemd ist Asad al Wahid. Er war einer der muslimischen Hassprediger, die schneller aus dem Boden schießen, als wir sie abschieben können. Er hatte im Ruhrgebiet eine kleine Gemeinschaft um sich versammelt und stand in direkter Konkurrenz zu einem anderen Imam, der die hiesigen Muslime dazu aufgefordert hat, sich als Bürger in unserem Land zu integrieren und die deutschen Gesetze anzuerkennen, ohne dabei den eigenen Glauben zu verleugnen. Es gab mehrfach heftigen Streit zwischen den beiden. Schließlich hat Asad al Wahid seinen Konkurrenten als Verräter am Glauben bezeichnet, der vernichtet werden müsse.
Wenige Tage später stand kurz nach Mitternacht das Haus des moderaten Imams in Flammen, von den Bewohnern überlebte niemand. Das Tragische ist, dass sich unter den Toten auch Gäste mit insgesamt acht Kindern befunden hatten. Al Wahid wurde verhaftet, aber es gab keine anderen Beweise als die Predigt gegen seinen Konkurrenten, von der wir nur erfahren haben, weil sie einigen liberalen Moslems übel aufgestoßen ist. Seine Verteidiger stellten den Brandanschlag als Werk von Rechtsradikalen hin, was glaubhaft wirkte, weil irgendein kahlköpfiger Idiot im Internet verkündet hatte, es sei die Tat eines >aufrechten Patrioten< gewesen, nämlich die seine. Natürlich war er es nicht. Aber dem Gericht blieb nichts anderes übrig, als Al Wahid laufen zu lassen."
Petra war blass geworden. "Acht Kinder, sagst du? Das ist ja schrecklich."
"Allein dafür hätte Al Wahid hinter Gitter gehört, denn ich habe keinen Zweifel daran, dass der Kerl hinter dem Anschlag steckt. Aber es fehlten die Beweise. Es ist nicht einfach, Vertrauensleute in solche Gruppen einzuschleusen, und wenn es einer geschafft hat, lässt man ihn nicht gleich wegen der ersten Sache wieder auffliegen."
"Haben wir tatsächlich einen Informanten unter Al Wahids Anhängern?", fragte Petra ungläubig.
Torsten verzog das Gesicht. "Keine Auskunft ohne meinen Rechtsanwalt! Auf jeden Fall bin ich der Ansicht, dass der Kerl bekommen hat, was er verdiente."
"Und was ist mit dem?" Petra wies auf den Mann in Jeans und Pullover, dessen Bild immer noch wie eingefroren auf dem Monitor stand.
"Der Kerl ist im letzten Jahr als Kindermörder angeklagt worden. Von der Sache hast du sicher gehört. Zwei kleine Mädchen sind aufs Widerlichste vergewaltigt und schließlich getötet worden. Der Verteidiger des Angeklagten konnte einen Verfahrensfehler geltend machen und seinen Mandanten bis zu einer Wiederholungsverhandlung freiboxen. Wie sich später herausgestellt hat, wollte sich der Kerl nach Südamerika absetzen. Freunde von ihm aus der Pädophilenszene hatten seine Flucht bereits organisiert."
Petra nickte bedrückt. "Davon habe ich gehört. Immerhin soll es sich um den größten Justizskandal der vergangenen Jahre gehandelt haben."
Während sie sprach, tippte sie weiter, bis die Gestalt des Kindermörders so vergrößert war, dass man ebenfalls den kleinen blauen Punkt eines Zielerfassungslasers erkennen konnte.
"Der hat auch bekommen, was ihm zustand", kommentierte Torsten trocken.
Petra, die den Blick sonst kaum von ihrem Monitor lösen konnte, drehte sich zu ihrem Kollegen um. "Weißt du, was du da sagst? Du klingst genauso wie einer dieser Radikalinskis, denen ein Menschenleben nichts gilt. Wenn diese Männer wirklich das getan haben, wessen man sie beschuldigt, dann gehören sie den Gesetzen unseres Landes gemäß bestraft und nicht über den Haufen geschossen wie tollwütige Hunde!"
Im ersten Moment sah Torsten so aus, als wollte er Petra eine scharfe Antwort geben. Dann aber atmete er ein paarmal tief durch und hob beschwichtigend die Hand. "Tut mir leid! Ich meine es nicht so. Aber es kotzt mich an, dass diese Kerle straffrei ausgehen konnten, obwohl der eine der Anstifter und Drahtzieher des Mordes an einem Konkurrenten war und der andere ein übler Kinderschänder."
Petra nickte verständnisvoll. "Die Sache scheint dich stark zu belasten. Vielleicht solltest du diesen Auftrag abgeben und erst einmal Urlaub machen. Du hast eine Pause bitter nötig."
Torsten schüttelte heiftig den Kopf. "Ich kann Wagner nicht enttäuschen. Er vertraut darauf, dass ich herausbringe, wer diese Männer umgebracht hat, und vor allem: mit welcher Waffe!"
Er griff über Petras Schulter und drückte ein paar Tasten. Das Bild des Mannes verschwand. Dafür war nun ein stiftartiges Gebilde zu sehen, das aussah wie der vordere Teil eines Kugelschreibers. "Das ist ein Bild der Geschosse, mit denen diese beiden Männer umgebracht worden sind. Im Dienstjargon wird sie Patrone 21 genannt. So ein Ding kostet in der Herstellung mehr als tausend Euro. Dabei sind die Entwicklungskosten noch nicht mitgerechnet. Allerdings ist dieses Geschoss eine solche Geheimsache, dass selbst ich erst davon erfahren habe, als die Kacke schon am Dampfen war."
"Wenn die Patronen so etwas Besonderes sind, müsste es doch möglich sein, ihren Weg nachzuvollziehen", wandte Petra ein.
"Glaubst du, das hätten wir nicht versucht? Aber laut Herstellungsprotokoll wurden nur so viele Patronen angefertigt, wie man an unsere Leute übergeben hat. Die Patronen sind noch in unserem Besitz, oder wir wissen genau, wie sie verwendet worden sind. Und doch werden nun Leute mit dieser Munition erschossen!"
Torsten merkte selbst, dass er ein wenig laut geworden war. "Tut mir leid, ich wollte dich nicht anschreien."
"Du bist wirklich urlaubsreif. Ich fürchte, die Sache mit Graziella hat dich geschafft. Es wäre wirklich besser, du würdest eine Zeit lang ausspannen, bevor du dich wieder in einen Auftrag verbeißt."
Auch dieser Versuch, Torsten zur Vernunft zu bringen, ging ins Leere. Er winkte nur heftig ab und forderte sie auf, den Bericht über den dritten Toten aufzurufen.
Während Petra das Bild dieses Opfers einstellte, brummte sie vor sich hin und sah Torsten schließlich fragend an. "Kannst du mir erklären, warum es den da erwischt hat, einen angesehenen Geschäftsmann und beliebten Lokalpolitiker aus dem Münchner Umland?"
Torsten stieß ein böses "Ha!" aus und holte tief Luft. "Wenn ich das wüsste, hätte ich wahrscheinlich auch den Täter. Zuerst hatten wir den Verdacht, es handele sich um einen unentdeckten Neonazi in unseren Reihen, der die Pläne für diese Patronen an sich gebracht und diese nachgebaut hat. Doch selbst dir traue ich nicht zu, sie absolut baugleich mit den Originalpatronen kopieren zu können."
Petra setzte eine beleidigte Miene auf, die Torsten jedoch ignorierte. "Außerdem zeigt der dritte Tote, dass es dem Mörder nicht allein darum geht, missliebige Ausländer und Kinderschänder abzuknallen. Halt. Warte! Lass das Bild so stehen!" Renk deutete aufgeregt auf den Monitor. Das Opfer war nur von hinten zu sehen. Trotzdem konnte Torsten ein kurzes, blaues Flimmern erkennen, das Petra nun zu vergrößern versuchte.
"Ich würde sagen, wir können davon ausgehen, dass dies ebenfalls ein Strahl aus einem Zielerfassungslaser ist", sagte sie mit belegter Stimme.
DREI Eine Zeit lang war es in Petras Büro so still, dass man eine Nadel hätte fallen hören. Torsten hatte sich bis an die Wand zurückgezogen und versuchte, Schlüsse aus den mageren Fakten zu ziehen. Dabei mahlten seine Kiefer, und manches Mal ballte er unbewusst die Fäuste.
Petra musterte ihn besorgt. Früher war Torsten recht ausgeglichen und ruhig gewesen, auch wenn er in brenzligen Situationen blitzschnell reagieren konnte. Doch seit die hübsche Italienerin Graziella Monteleone ihm den Laufpass gegeben hatte, hatte er sich sehr verändert. Petra korrigierte sich sofort. Es hatte bereits nach dem Mord an seiner Freundin Andrea begonnen. Bis zum heutigen Tag hatte Torsten es nicht verwunden, dass er einen schweren Fehler gemacht hatte, als er ohne Rücksicht auf die Wünsche seiner langjährigen Freundin Andrea den Aufenthalt in Afghanistan verlängerte. Wäre er so zurückgekehrt, wie es ursprünglich geplant gewesen war, hätte die junge Ärztin wohl nie das Apartment in jenem Hochhaus in München-Neuperlach bezogen, in dem sie kurz darauf umgebracht wurde.
Petra seufzte. Wenn Torsten nicht bald über Andrea Kirschbaums Tod hinwegkam, würde sie mit ihrem gemeinsamen Vorgesetzten Major Wagner darüber sprechen müssen. So konnte es nicht weitergehen.
Torsten stieß sich von der Wand ab. "Kannst du feststellen, ob der dritte Tote auch mal mit der Justiz aneinandergeraten ist?"
Petra tippte rasch ein paar Befehle ein, und auf dem Bildschirm erschienen mehrere Seiten aus dem Archiv der Ebersberger Zeitung. Während sie die Seiten langsam vorwärtsscrollte, lasen beide die Texte durch und sahen sich schließlich konsterniert an.
Torsten schlug sich mit der rechten Faust in die linke Hand. "Das ist doch nicht zu fassen! Da fährt dieser Kerl im besoffenen Zustand mit seinem Protzauto zu schnell in eine Kurve, streift einen Kleinbus, der dadurch von der Straße abkommt und einen Abhang hinabstürzt, und dem Fahrer des anderen Fahrzeugs wird die Hauptschuld zuerkannt."
"Sag jetzt bloß nicht, der Mann hätte ebenfalls nur das bekommen, was er verdient hat", warf Petra bissig ein. Auch sie war schockiert über den Verlauf des Prozesses, bei dem die Verteidiger alle Register gezogen hatten, um ihren Mandanten als unschuldig hinzustellen.
"Ich sage es nicht, auch wenn es mir schwerfällt. Der Fahrer des Kleinbusses, eine Begleitperson und sechs behinderte Kinder sind dabei ums Leben gekommen - und der Unfallverursacher wurde gerade mal zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Irgendwie ist unser Justizsystem aus dem Gleichgewicht geraten."
"Du kannst nicht wegen eines Urteils, das dir nicht passt, gleich das ganze System verdammen", wies Petra ihn zurecht.
Torsten zuckte mit den Schultern. "Da der Mörder die geheime Munition verwendet hat, muss er auch das dazugehörige Gewehr besitzen. Das verrät schon der Laserpunkt. Lass mich mal bitte von deinem Apparat aus telefonieren."
Torsten wählte die Nummer seines Vorgesetzten. "Herr Major, Petra und ich haben die Aufnahmen, die die Überwachungskameras während der Morde aufgezeichnet haben, noch einmal analysiert. Wir sind davon überzeugt, dass der Täter ein Gewehr mit einem blauen Zielerfassungslaser benutzt hat. Sie wissen, was das heißt!"
Wagners Antwort bestand aus einem Fäkalausdruck, der es in sich hatte. Dann fasste er sich wieder. "Ich hatte es befürchtet. Man kann die Patrone 21 nur mit einem Spezialgewehr wie dem unseren abschießen. Renk, da ist eine Teufelei im Gange!"
"Der Kerl verfügt über einen Nachbau unseres angeblich supergeheimen SG21 und macht damit Zielschießen auf Leute, die aus dem Gefängnis entlassen wurden. Es ist nicht zu fassen", antwortete Torsten mit einem bitteren Auflachen.
"Mir ist nicht nach Lachen zumute!", führ Wagner ihn an. "Verdammt, Renk! Wir haben unsere Entwicklungsabteilung und die Firma, in der die Waffe gefertigt wurde, von oben bis unten durchleuchtet. Alle schwören Stein und Bein, dass sie die Pläne nicht weitergereicht haben. Und ich glaube diesen Leuten! Der Plan der Waffe wurde aus Sicherheitsgründen nie im Ganzen außer Haus gegeben. Selbst die Arbeiter in der Fabrik haben nur die Detailpläne für das jeweilige Werkstück zu Gesicht bekommen."
"Trotzdem läuft ein Kerl frei herum, der diese Waffe benutzt und die gleiche weit tragende Munition verwendet", konterte Renk. "Da ist etwas oberfaul!"
"Schön, dass Sie es endlich kapiert haben, Renk. Oder glauben Sie, ich habe Sie aus Spaß auf diese Sache angesetzt? Verschaffen Sie mir mehr Informationen, und zwar so schnell wie irgend möglich. Wenn bekannt wird, dass wir nicht in der Lage sind, unsere geheimsten Pläne sicher zu verwahren, bekommen wir von unseren NATO-Partnern nicht einmal mehr die Blaupause eines Karabiners aus dem Ersten Weltkrieg zu sehen. Was das für unsere Waffenindustrie bedeutet, können Sie sich vorstellen."
"Mir kommen gleich die Tränen!" Torsten ärgerte sich über Wagners harsche Art, obwohl er begriff, dass sein Vorgesetzter tief in der Bredouille steckte. Wagner gab nur den Druck weiter, der von höheren Rängen auf ihn ausgeübt wurde.
"Weinen Sie aber nicht zu lange, sondern tun Sie was!" Mit diesen Worten warf Wagner das Telefon auf die Gabel.
Torsten legte ebenfalls auf und blickte Petra auffordernd an. "Wagner will Ergebnisse sehen."
"Du meinst, ich soll wieder einmal hexen", antwortete sie spöttisch. "Also, schieß los! Was brauchst du?"
Torsten betrachtete die pummelige Computerspezialistin, die nicht nur seine Kollegin, sondern auch eine gute Freundin war, und zuckte unschlüssig mit den Achseln. "Wenn ich das wüsste, würde ich es dir sagen. Aber vielleicht kannst du deinem Zauberkasten einen heißen Tipp abluchsen."
"Ich tue mein Bestes!" Petra begann damit, Vergleiche zwischen den einzelnen Taten zu ziehen, und stellte Wahrscheinlichkeitsrechnungen darüber an, wer sowohl einen islamischen Hassprediger als auch einen Kinderschänder und einen konservativen Lokalpolitiker als Ziel für einen Mordanschlag wählen würde.
Als sie eine Stunde später noch immer kein Ergebnis in Händen hielt, drehte sie sich verärgert zu Torsten um. "Statt hier herumzuhocken und ein langes Gesicht zu ziehen, könntest du mir aus der Kantine Kaffee holen, und zwar viel und stark. Außerdem einen Joghurt, ich bin nämlich auf Diät." Sie schluckte. "Ach was, bring mir zwei Wurstsemmeln. Für diese Arbeit brauche ich Kalorien!"
"Meinetwegen musst du deine Diät nicht unterbrechen", sagte Torsten.
Petra winkte mit einer heftigen Bewegung ab. "Deinetwegen tu ich es auch nicht. Ich mag einfach keine Nüsse, die sich nicht knacken lassen wollen. Also braucht mein Gehirn Nahrung. Das Zeug geht übrigens auf deine Kosten!"
"Klar!", sagte Torsten und schüttelte insgeheim den Kopf. Obwohl Petra nicht mehr das verkannte Genie war, das kaum einen Cent in der Tasche hatte, war sie immer noch sparsam, um nicht zu sagen geizig. Nur bei Computern und Werkzeugen sah sie nicht aufs Geld. Allerdings gab es kaum einen Spezialisten, der ihr auf diesem Gebiet das Wasser reichen konnte. Petra war einmalig, und im Vergleich zu ihr kam Torsten sich beinahe minderbemittelt vor. Bei dem Gedanken musste er grinsen. Wenn Petra doch ihren Verstand auch einmal nutzen würde, um etwas aus ihrem Äußeren zu machen. Zehn Kilo weniger, ein passendes Kleid und ein wenig Make-up, dann sähe sie passabel aus.
Während Torsten sich um die Nervennahrung kümmerte, klopfte Petra wie besessen Daten in ihren Computer ein. Doch jeder Ansatz erwies sich als Sackgasse. Aufgrund der Erfahrungen, die sie mit den Terroristen Feiling, Hoikens und deren Gesinnungsfreunden gemacht hatte, nahm sie an, dass auch hinter dieser Sache Neonazis stecken mussten. Aber als sie den Computer befragte, wem die höchste Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden konnte, um an die Pläne für das Spezialgewehr 21 zu kommen, spuckte der Kasten nur die Namen mehrerer ausländischer Geheimdienste aus, darunter die CIA und den Heeresnachrichtendienst AI aus den USA, den israelischen Mossad und den Geheimdienst der russischen Streitkräfte GRU. Doch welchen Grund sollten diese haben, mitten in Deutschland Menschen mit einer streng geheimen Waffe zu erschießen?
"Du musst es anders angehen", sagte Petra gerade laut, als Torsten mit einem Tablett zurückkehrte, auf dem sich mehrere Pappbecher voll Kaffee und zwei mit Salami belegte Semmeln befanden.
"Was hast du gesagt?", fragte er nach.
"Stell das Zeug hin und stör mich nicht!", knurrte sie und angelte sich den ersten Pappbecher. "Eine Kanne hast du nicht bekommen?"
Torsten lachte kurz auf. "Woher? In der Kantine gibt es nur den einen Kaffeeautomaten."
Petra unterließ es, ihm zu erklären, dass er bloß ins Abteilungssekretariat hätte gehen müssen. In solchen Dingen waren Männer fürchterlich ungeschickt. Sie vergaß Torsten aber sofort wieder, biss von einer Wurstsemmel ab, wischte sich die fettigen Finger an ihrer Jeans sauber und begann wieder zu tippen. Jetzt glaubte sie, endlich den richtigen Ansatz zu haben. Sie durfte sich bei ihrer Suche nicht auf die Waffe versteifen, sondern musste die Mordfälle analytisch miteinander vergleichen und Gemeinsamkeiten zwischen ihnen herausfinden.
Etliche Kaffee und mehrere Wurstsemmeln später sah Petra auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. "Die Sache passt zwar in kein Schema, aber all diese Fälle weisen zumindest zwei Gemeinsamkeiten auf."
"Welche?", fragte Torsten und beugte sich gespannt über ihre Schulter. Doch er sah auf dem Monitor nur verwirrende Zahlen und Zeichen.
Petra drehte sich auf ihrem Stuhl, stand auf und machte ein paar Freiübungen.
"Pass auf, dass du nicht das Gleichgewicht verlierst und auf die Nase fällst", spottete Torsten, der sich darüber ärgerte, wie ihn seine Kollegin auf die Folter spannte.
Petra brauchte die Zeit, um ihre wild wirbelnden Gedanken zu sortieren. Das, was sie zu erkennen glaubte, erschien ihr so unwahrscheinlich. Doch nachdem sie noch einmal kräftig durchgeatmet hatte, begann sie: "Also gut! Meinen Berechnungen zufolge sind in allen Fällen Menschen zum Opfer geworden, die für ihre Verbrechen aus unterschiedlichen Gründen nicht zur Verantwortung gezogen werden konnten."
"Wenn unsere Vermutungen stimmen, ja", gab Torsten zu.
"Danke, dass du von deinem Rachetrip wieder heruntergekommen bist und den Leuten zugestehst, dass sie unter Umständen auch unschuldig gewesen sein könnten", antwortete Petra spitz.
"Das waren sie nicht! Wir haben nur den letzten Beweis nicht vorlegen können. Außerdem waren die Verteidiger mit allen Wassern gewaschen und haben jede Gesetzeslücke genutzt."
Petra hob die Hand, um Torsten zu unterbrechen. "Auf jeden Fall ist das der eine Fakt. Ich will ihn mal so im Raum stehen lassen. Die zweite Parallele besteht darin, dass in allen drei Fällen Kinder ums Leben gekommen sind."
"Und was soll das mit dem Ganzen zu tun haben?", warf Torsten missmutig ein.
"Vielleicht eine ganze Menge. Fakt eins: Es wurden drei Menschen umgebracht, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten. Fakt zwei: Jeder dieser drei ist höchstwahrscheinlich am Tod von Kindern schuld. Fakt drei: Keiner von ihnen ist dafür bestraft worden. Mehr Gemeinsamkeiten gibt es nicht. Also habe ich ausgerechnet, wie eng diese drei Punkte zusammenhängen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie es tun, ist fast zehnmal so hoch wie jede andere Möglichkeit. Die drei wurden umgebracht, weil ihretwegen Kinder gestorben sind und sie dafür von der Justiz nicht zur Rechenschaft gezogen werden konnten."
"Und das mit einer Wai^e, die so geheim ist, dass keine zehn Leute davon wissen?" Torstens bissiger Tonfall zeigte, was er von Petras Vermutungen hielt.
Diese zog die Augenbrauen hoch. "Wenn du es besser kannst, dann setze dich gefälligst selbst an den Computer. Ich kann mir Schöneres vorstellen, als mir die kleinen grauen Zellen wegen deinem Scheiß weichzukochen und zum Dank dafür deine depperten Kommentare anhören zu müssen!"
Torsten fasste sie an der Schulter. "Bitte reg dich nicht auf. Ich bin eben sehr angespannt. Mir ist schon klar, dass jeder Anhaltspunkt wichtig ist, auch wenn er noch so unwahrscheinlich erscheint. Nehmen wir also an, irgendjemand hat die Pläne und die entsprechende Munition geklaut und nachgebaut, um damit Jagd auf Leute zu machen, die Kinder auf dem Gewissen haben. Mich interessiert dabei eigentlich nicht, weshalb er das tut, sondern wie er an das Gewehr und die Patronen gekommen ist.
"Vielleicht sollte es das aber! Dann könntest du herausfinden, wer hinter der ganzen Sache steckt", unterbrach Petra ihren Kollegen barsch.
Torsten begriff, dass er eine Grenze erreicht hatte, die er besser nicht überschreiten sollte. Wenn Petra ihm die ganze Sache vor die Füße warf, stand er wieder am Anfang dieses Rätsels, und seine Chance, den Waffendieb zu fangen, war gleich null. Daher beherrschte er sich und zählte in Gedanken bis zehn, bevor er antwortete. "Es ist mein Job, das herauszufinden. Aber dafür brauche ich deine Hilfe. Ich kenne niemand außer dir, der das schaffen könnte."
Petra lächelte ein wenig gequält und nahm wieder auf ihrem Drehstuhl Platz. "Gut, dass du das einsiehst. Allerdings bin ich keine Hellseherin, und mein Computer kann auch nur die Daten auswerten, mit denen ich ihn füttere. Sind diese falsch, stehen wir in der Wüste. Aber nehmen wir mal an, die Informationen stimmen. Dann müssen wir uns überlegen, wen dieser Kerl mit seinem Wundergewehr als Nächsten umbringen will."
"Die Auswahl ist nicht gerade klein. Sie reicht von einem Sexualstraftäter bis hin zu jemandem, der beim Baumfällen nicht aufgepasst und mit dem Stamm ein Kind erschlagen hat."
Diesmal nahm Petra Torstens Sarkasmus nicht übel, sondern lächelte überlegen. "Richtig - und doch falsch. Unser Freund hat Männer erschossen, die ihrer Strafe entgangen sind. Warum sollte er von diesem Schema abweichen? Damit aber fallen jene 99,9 Prozent der Straftäter aus seinem Raster, die für ihre Taten verurteilt worden sind. Wir müssen uns daher nur auf einige wenige Fälle konzentrieren."
"Mach das!"
"Wie war das mit dem Datenschutz?", fragte Petra, während sie bereits die Tasten bearbeitete. Aus den Augenwinkeln sah sie Torstens wegwerfende Handbewegung und wusste, dass diesem die Datenschutzgesetze im Augenblick gleichgültig waren. Die Informationen, die sie brauchte, hätte sie nach einem entsprechenden Papierkrieg auch auf offiziellem Weg erhalten können. Sie aber zog die schnellere Methode über die Datenleitung vor. Wenn es herauskam, würde sie einen Rüffel erhalten, doch das war ihr die Freundschaft mit Torsten wert.
Nach einer Weile sah sie wieder zu ihm hoch. "Hier habe ich was. Da ist zum einen ein amerikanischer Pilot, dessen Flugzeug bei einem waghalsigen Flugmanöver außer Kontrolle geraten und in ein Wohnhaus gestürzt ist. Er hat sich mit dem Schleudersitz retten können, aber drei Bewohner des Hauses, darunter zwei kleine Kinder, hat es erwischt."
Torsten schüttelte den Kopf. "Den Kerl hält die US Air Force unter Verschluss. Außerdem ist er schon unauffällig zurück in die Staaten geschafft worden."
Petra suchte weiter und stieß schließlich einen triumphierenden Laut aus. "Hier ist etwas Interessantes, das in unser Raster passt. Morgen wird in Lingen an der Ems ein Mann entlassen, der als Müllkönig bezeichnet wird. Ihn hat man beschuldigt, in seinen Deponien illegal Giftmüll gelagert zu haben. Auf einer aufgelassenen Deponie wurden später preisgünstige Wohnungen für junge Familien gebaut. Fünf Kinder sind dort gestorben, bis die Behörden herausgefunden haben, dass die Giftrückstände der alten Deponie daran schuld waren. Die ganze Siedlung musste abgerissen und der Giftmüll entfernt werden. Der Müllkönig kam in Untersuchungshaft, und alle haben damit gerechnet, dass er etliche Jahre hinter Gittern verbringen würde. Doch dann brachten seine Anwälte entlastendes Material zum Vorschein, das die Schuld an den Giftmülllagerungen einem vor Jahren verstorbenen Mitarbeiter seiner Firma zuschob.
"Sie glaubten, mich in ihrem Kerker brechen zu können, doch ich bin stärker als je zuvor!" Al Wahid steigerte die Lautstärke, um die Jubelrufe seiner Männer zu übertönen. Doch als er weitersprechen wollte, zuckte er wie unter einem Schlag zusammen. Die Stimme versagte, und auf dem Gesicht erschien der Ausdruck überraschten Staunens. Mit einer seltsam unbeholfenen Bewegung senkte er den Kopf und sah das kleine, schwarze Loch in seinem Kaftan, dessen Stoff sich rot färbte. Ohne einen einzigen Laut brach er zusammen.
ZWEI Die letzte Sequenz noch mal abspielen!", drängte Torsten Renk ungeduldig.
Petra Waitl zuckte die Schultern. Mehr als arbeiten konnte sie nicht, auch wenn Torsten anzunehmen schien, sie könne Wunder wirken. Ihre Finger flitzten über die Tastatur und brachten die letzte Szene noch einmal auf den Bildschirm.
Als das Einschussloch in Al Wahids Brust erneut zu sehen war, rief Torsten: "Halt, ein wenig zurück!"
Petra ließ die Aufnahme rückwärts laufen. Als der Kaftan wieder unversehrt war, stoppte sie und startete die Aufzeichnung erneut.
"Langsamer! Wir müssen den Zeitpunkt fixieren, in dem die Kugel den Kerl trifft." Torsten beugte sich über Petras Schulter und starrte so angestrengt auf den Bildschirm, als könne er ihn kraft seines Willens steuern.
"Hier!" Petra hielt die Aufzeichnung an und zeigte auf die Stelle, an der ein kleiner, dunkler Fleck auf Al Wahids Hemd zu erkennen war.
"Sieht aus wie ein Fliegenschiss", sagte sie in dem lahmen Versuch, Torstens Anspannung durch einen Scherz zu mindern.
Der ging gar nicht darauf ein. "Fahr die Aufnahme noch eine Zehntelsekunde zurück!"
Petra tat ihm den Gefallen und hörte Torsten im nächsten Moment durch die Zähne pfeifen. "Dachte ich es mir doch. Schau genau hin!"
"Was meinst du?" Petra sah ihn verwirrt an. Erst als sie seinem ungeduldigen Wink folgend die Aufzeichnung vergrößerte, bis nur noch der Oberkörper des Mannes zu sehen war, entdeckte sie einen schwachen, blauen Lichtpunkt, der exakt die Stelle markierte, auf der Millisekunden später das tödliche Geschoss eingeschlagen hatte.
"Ein blauer Ziellaser! Ich wusste gar nicht, dass es die Dinger bereits auf dem freien Markt zu kaufen gibt", rief sie verblüfft aus.
Torsten schnaubte. "Den gibt es nicht zu kaufen! Blaue Ziellaser dieser Präzision findest du nur in den geheimsten Waffenarsenalen der USA, vielleicht auch noch in Russland - und bei uns! Es ist unmöglich, an einen solchen heranzukommen. Kannst du die entsprechende Sequenz des anderen Mordes abspielen? Wir sollten auch dort den Augenblick vor dem Einschlag der Kugel kontrollieren."
Erneut flogen Petras Finger über die Tasten. Das Bild des Predigers verschwand vom Bildschirm und machte dem eines Europäers mit schwammigem Gesicht und glasig schimmernden Augen Platz. Der Mann trug Jeans und einen dicken Pullover.
"Wer sind die Opfer eigentlich?", fragte Petra. Sie war ein Genie am Computer und baute feinmechanisches Werkzeug von höchster Präzision, interessierte sich jedoch kaum für das Tagesgeschehen.
"Der Kerl in dem komischen Nachthemd ist Asad al Wahid. Er war einer der muslimischen Hassprediger, die schneller aus dem Boden schießen, als wir sie abschieben können. Er hatte im Ruhrgebiet eine kleine Gemeinschaft um sich versammelt und stand in direkter Konkurrenz zu einem anderen Imam, der die hiesigen Muslime dazu aufgefordert hat, sich als Bürger in unserem Land zu integrieren und die deutschen Gesetze anzuerkennen, ohne dabei den eigenen Glauben zu verleugnen. Es gab mehrfach heftigen Streit zwischen den beiden. Schließlich hat Asad al Wahid seinen Konkurrenten als Verräter am Glauben bezeichnet, der vernichtet werden müsse.
Wenige Tage später stand kurz nach Mitternacht das Haus des moderaten Imams in Flammen, von den Bewohnern überlebte niemand. Das Tragische ist, dass sich unter den Toten auch Gäste mit insgesamt acht Kindern befunden hatten. Al Wahid wurde verhaftet, aber es gab keine anderen Beweise als die Predigt gegen seinen Konkurrenten, von der wir nur erfahren haben, weil sie einigen liberalen Moslems übel aufgestoßen ist. Seine Verteidiger stellten den Brandanschlag als Werk von Rechtsradikalen hin, was glaubhaft wirkte, weil irgendein kahlköpfiger Idiot im Internet verkündet hatte, es sei die Tat eines >aufrechten Patrioten< gewesen, nämlich die seine. Natürlich war er es nicht. Aber dem Gericht blieb nichts anderes übrig, als Al Wahid laufen zu lassen."
Petra war blass geworden. "Acht Kinder, sagst du? Das ist ja schrecklich."
"Allein dafür hätte Al Wahid hinter Gitter gehört, denn ich habe keinen Zweifel daran, dass der Kerl hinter dem Anschlag steckt. Aber es fehlten die Beweise. Es ist nicht einfach, Vertrauensleute in solche Gruppen einzuschleusen, und wenn es einer geschafft hat, lässt man ihn nicht gleich wegen der ersten Sache wieder auffliegen."
"Haben wir tatsächlich einen Informanten unter Al Wahids Anhängern?", fragte Petra ungläubig.
Torsten verzog das Gesicht. "Keine Auskunft ohne meinen Rechtsanwalt! Auf jeden Fall bin ich der Ansicht, dass der Kerl bekommen hat, was er verdiente."
"Und was ist mit dem?" Petra wies auf den Mann in Jeans und Pullover, dessen Bild immer noch wie eingefroren auf dem Monitor stand.
"Der Kerl ist im letzten Jahr als Kindermörder angeklagt worden. Von der Sache hast du sicher gehört. Zwei kleine Mädchen sind aufs Widerlichste vergewaltigt und schließlich getötet worden. Der Verteidiger des Angeklagten konnte einen Verfahrensfehler geltend machen und seinen Mandanten bis zu einer Wiederholungsverhandlung freiboxen. Wie sich später herausgestellt hat, wollte sich der Kerl nach Südamerika absetzen. Freunde von ihm aus der Pädophilenszene hatten seine Flucht bereits organisiert."
Petra nickte bedrückt. "Davon habe ich gehört. Immerhin soll es sich um den größten Justizskandal der vergangenen Jahre gehandelt haben."
Während sie sprach, tippte sie weiter, bis die Gestalt des Kindermörders so vergrößert war, dass man ebenfalls den kleinen blauen Punkt eines Zielerfassungslasers erkennen konnte.
"Der hat auch bekommen, was ihm zustand", kommentierte Torsten trocken.
Petra, die den Blick sonst kaum von ihrem Monitor lösen konnte, drehte sich zu ihrem Kollegen um. "Weißt du, was du da sagst? Du klingst genauso wie einer dieser Radikalinskis, denen ein Menschenleben nichts gilt. Wenn diese Männer wirklich das getan haben, wessen man sie beschuldigt, dann gehören sie den Gesetzen unseres Landes gemäß bestraft und nicht über den Haufen geschossen wie tollwütige Hunde!"
Im ersten Moment sah Torsten so aus, als wollte er Petra eine scharfe Antwort geben. Dann aber atmete er ein paarmal tief durch und hob beschwichtigend die Hand. "Tut mir leid! Ich meine es nicht so. Aber es kotzt mich an, dass diese Kerle straffrei ausgehen konnten, obwohl der eine der Anstifter und Drahtzieher des Mordes an einem Konkurrenten war und der andere ein übler Kinderschänder."
Petra nickte verständnisvoll. "Die Sache scheint dich stark zu belasten. Vielleicht solltest du diesen Auftrag abgeben und erst einmal Urlaub machen. Du hast eine Pause bitter nötig."
Torsten schüttelte heiftig den Kopf. "Ich kann Wagner nicht enttäuschen. Er vertraut darauf, dass ich herausbringe, wer diese Männer umgebracht hat, und vor allem: mit welcher Waffe!"
Er griff über Petras Schulter und drückte ein paar Tasten. Das Bild des Mannes verschwand. Dafür war nun ein stiftartiges Gebilde zu sehen, das aussah wie der vordere Teil eines Kugelschreibers. "Das ist ein Bild der Geschosse, mit denen diese beiden Männer umgebracht worden sind. Im Dienstjargon wird sie Patrone 21 genannt. So ein Ding kostet in der Herstellung mehr als tausend Euro. Dabei sind die Entwicklungskosten noch nicht mitgerechnet. Allerdings ist dieses Geschoss eine solche Geheimsache, dass selbst ich erst davon erfahren habe, als die Kacke schon am Dampfen war."
"Wenn die Patronen so etwas Besonderes sind, müsste es doch möglich sein, ihren Weg nachzuvollziehen", wandte Petra ein.
"Glaubst du, das hätten wir nicht versucht? Aber laut Herstellungsprotokoll wurden nur so viele Patronen angefertigt, wie man an unsere Leute übergeben hat. Die Patronen sind noch in unserem Besitz, oder wir wissen genau, wie sie verwendet worden sind. Und doch werden nun Leute mit dieser Munition erschossen!"
Torsten merkte selbst, dass er ein wenig laut geworden war. "Tut mir leid, ich wollte dich nicht anschreien."
"Du bist wirklich urlaubsreif. Ich fürchte, die Sache mit Graziella hat dich geschafft. Es wäre wirklich besser, du würdest eine Zeit lang ausspannen, bevor du dich wieder in einen Auftrag verbeißt."
Auch dieser Versuch, Torsten zur Vernunft zu bringen, ging ins Leere. Er winkte nur heftig ab und forderte sie auf, den Bericht über den dritten Toten aufzurufen.
Während Petra das Bild dieses Opfers einstellte, brummte sie vor sich hin und sah Torsten schließlich fragend an. "Kannst du mir erklären, warum es den da erwischt hat, einen angesehenen Geschäftsmann und beliebten Lokalpolitiker aus dem Münchner Umland?"
Torsten stieß ein böses "Ha!" aus und holte tief Luft. "Wenn ich das wüsste, hätte ich wahrscheinlich auch den Täter. Zuerst hatten wir den Verdacht, es handele sich um einen unentdeckten Neonazi in unseren Reihen, der die Pläne für diese Patronen an sich gebracht und diese nachgebaut hat. Doch selbst dir traue ich nicht zu, sie absolut baugleich mit den Originalpatronen kopieren zu können."
Petra setzte eine beleidigte Miene auf, die Torsten jedoch ignorierte. "Außerdem zeigt der dritte Tote, dass es dem Mörder nicht allein darum geht, missliebige Ausländer und Kinderschänder abzuknallen. Halt. Warte! Lass das Bild so stehen!" Renk deutete aufgeregt auf den Monitor. Das Opfer war nur von hinten zu sehen. Trotzdem konnte Torsten ein kurzes, blaues Flimmern erkennen, das Petra nun zu vergrößern versuchte.
"Ich würde sagen, wir können davon ausgehen, dass dies ebenfalls ein Strahl aus einem Zielerfassungslaser ist", sagte sie mit belegter Stimme.
DREI Eine Zeit lang war es in Petras Büro so still, dass man eine Nadel hätte fallen hören. Torsten hatte sich bis an die Wand zurückgezogen und versuchte, Schlüsse aus den mageren Fakten zu ziehen. Dabei mahlten seine Kiefer, und manches Mal ballte er unbewusst die Fäuste.
Petra musterte ihn besorgt. Früher war Torsten recht ausgeglichen und ruhig gewesen, auch wenn er in brenzligen Situationen blitzschnell reagieren konnte. Doch seit die hübsche Italienerin Graziella Monteleone ihm den Laufpass gegeben hatte, hatte er sich sehr verändert. Petra korrigierte sich sofort. Es hatte bereits nach dem Mord an seiner Freundin Andrea begonnen. Bis zum heutigen Tag hatte Torsten es nicht verwunden, dass er einen schweren Fehler gemacht hatte, als er ohne Rücksicht auf die Wünsche seiner langjährigen Freundin Andrea den Aufenthalt in Afghanistan verlängerte. Wäre er so zurückgekehrt, wie es ursprünglich geplant gewesen war, hätte die junge Ärztin wohl nie das Apartment in jenem Hochhaus in München-Neuperlach bezogen, in dem sie kurz darauf umgebracht wurde.
Petra seufzte. Wenn Torsten nicht bald über Andrea Kirschbaums Tod hinwegkam, würde sie mit ihrem gemeinsamen Vorgesetzten Major Wagner darüber sprechen müssen. So konnte es nicht weitergehen.
Torsten stieß sich von der Wand ab. "Kannst du feststellen, ob der dritte Tote auch mal mit der Justiz aneinandergeraten ist?"
Petra tippte rasch ein paar Befehle ein, und auf dem Bildschirm erschienen mehrere Seiten aus dem Archiv der Ebersberger Zeitung. Während sie die Seiten langsam vorwärtsscrollte, lasen beide die Texte durch und sahen sich schließlich konsterniert an.
Torsten schlug sich mit der rechten Faust in die linke Hand. "Das ist doch nicht zu fassen! Da fährt dieser Kerl im besoffenen Zustand mit seinem Protzauto zu schnell in eine Kurve, streift einen Kleinbus, der dadurch von der Straße abkommt und einen Abhang hinabstürzt, und dem Fahrer des anderen Fahrzeugs wird die Hauptschuld zuerkannt."
"Sag jetzt bloß nicht, der Mann hätte ebenfalls nur das bekommen, was er verdient hat", warf Petra bissig ein. Auch sie war schockiert über den Verlauf des Prozesses, bei dem die Verteidiger alle Register gezogen hatten, um ihren Mandanten als unschuldig hinzustellen.
"Ich sage es nicht, auch wenn es mir schwerfällt. Der Fahrer des Kleinbusses, eine Begleitperson und sechs behinderte Kinder sind dabei ums Leben gekommen - und der Unfallverursacher wurde gerade mal zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Irgendwie ist unser Justizsystem aus dem Gleichgewicht geraten."
"Du kannst nicht wegen eines Urteils, das dir nicht passt, gleich das ganze System verdammen", wies Petra ihn zurecht.
Torsten zuckte mit den Schultern. "Da der Mörder die geheime Munition verwendet hat, muss er auch das dazugehörige Gewehr besitzen. Das verrät schon der Laserpunkt. Lass mich mal bitte von deinem Apparat aus telefonieren."
Torsten wählte die Nummer seines Vorgesetzten. "Herr Major, Petra und ich haben die Aufnahmen, die die Überwachungskameras während der Morde aufgezeichnet haben, noch einmal analysiert. Wir sind davon überzeugt, dass der Täter ein Gewehr mit einem blauen Zielerfassungslaser benutzt hat. Sie wissen, was das heißt!"
Wagners Antwort bestand aus einem Fäkalausdruck, der es in sich hatte. Dann fasste er sich wieder. "Ich hatte es befürchtet. Man kann die Patrone 21 nur mit einem Spezialgewehr wie dem unseren abschießen. Renk, da ist eine Teufelei im Gange!"
"Der Kerl verfügt über einen Nachbau unseres angeblich supergeheimen SG21 und macht damit Zielschießen auf Leute, die aus dem Gefängnis entlassen wurden. Es ist nicht zu fassen", antwortete Torsten mit einem bitteren Auflachen.
"Mir ist nicht nach Lachen zumute!", führ Wagner ihn an. "Verdammt, Renk! Wir haben unsere Entwicklungsabteilung und die Firma, in der die Waffe gefertigt wurde, von oben bis unten durchleuchtet. Alle schwören Stein und Bein, dass sie die Pläne nicht weitergereicht haben. Und ich glaube diesen Leuten! Der Plan der Waffe wurde aus Sicherheitsgründen nie im Ganzen außer Haus gegeben. Selbst die Arbeiter in der Fabrik haben nur die Detailpläne für das jeweilige Werkstück zu Gesicht bekommen."
"Trotzdem läuft ein Kerl frei herum, der diese Waffe benutzt und die gleiche weit tragende Munition verwendet", konterte Renk. "Da ist etwas oberfaul!"
"Schön, dass Sie es endlich kapiert haben, Renk. Oder glauben Sie, ich habe Sie aus Spaß auf diese Sache angesetzt? Verschaffen Sie mir mehr Informationen, und zwar so schnell wie irgend möglich. Wenn bekannt wird, dass wir nicht in der Lage sind, unsere geheimsten Pläne sicher zu verwahren, bekommen wir von unseren NATO-Partnern nicht einmal mehr die Blaupause eines Karabiners aus dem Ersten Weltkrieg zu sehen. Was das für unsere Waffenindustrie bedeutet, können Sie sich vorstellen."
"Mir kommen gleich die Tränen!" Torsten ärgerte sich über Wagners harsche Art, obwohl er begriff, dass sein Vorgesetzter tief in der Bredouille steckte. Wagner gab nur den Druck weiter, der von höheren Rängen auf ihn ausgeübt wurde.
"Weinen Sie aber nicht zu lange, sondern tun Sie was!" Mit diesen Worten warf Wagner das Telefon auf die Gabel.
Torsten legte ebenfalls auf und blickte Petra auffordernd an. "Wagner will Ergebnisse sehen."
"Du meinst, ich soll wieder einmal hexen", antwortete sie spöttisch. "Also, schieß los! Was brauchst du?"
Torsten betrachtete die pummelige Computerspezialistin, die nicht nur seine Kollegin, sondern auch eine gute Freundin war, und zuckte unschlüssig mit den Achseln. "Wenn ich das wüsste, würde ich es dir sagen. Aber vielleicht kannst du deinem Zauberkasten einen heißen Tipp abluchsen."
"Ich tue mein Bestes!" Petra begann damit, Vergleiche zwischen den einzelnen Taten zu ziehen, und stellte Wahrscheinlichkeitsrechnungen darüber an, wer sowohl einen islamischen Hassprediger als auch einen Kinderschänder und einen konservativen Lokalpolitiker als Ziel für einen Mordanschlag wählen würde.
Als sie eine Stunde später noch immer kein Ergebnis in Händen hielt, drehte sie sich verärgert zu Torsten um. "Statt hier herumzuhocken und ein langes Gesicht zu ziehen, könntest du mir aus der Kantine Kaffee holen, und zwar viel und stark. Außerdem einen Joghurt, ich bin nämlich auf Diät." Sie schluckte. "Ach was, bring mir zwei Wurstsemmeln. Für diese Arbeit brauche ich Kalorien!"
"Meinetwegen musst du deine Diät nicht unterbrechen", sagte Torsten.
Petra winkte mit einer heftigen Bewegung ab. "Deinetwegen tu ich es auch nicht. Ich mag einfach keine Nüsse, die sich nicht knacken lassen wollen. Also braucht mein Gehirn Nahrung. Das Zeug geht übrigens auf deine Kosten!"
"Klar!", sagte Torsten und schüttelte insgeheim den Kopf. Obwohl Petra nicht mehr das verkannte Genie war, das kaum einen Cent in der Tasche hatte, war sie immer noch sparsam, um nicht zu sagen geizig. Nur bei Computern und Werkzeugen sah sie nicht aufs Geld. Allerdings gab es kaum einen Spezialisten, der ihr auf diesem Gebiet das Wasser reichen konnte. Petra war einmalig, und im Vergleich zu ihr kam Torsten sich beinahe minderbemittelt vor. Bei dem Gedanken musste er grinsen. Wenn Petra doch ihren Verstand auch einmal nutzen würde, um etwas aus ihrem Äußeren zu machen. Zehn Kilo weniger, ein passendes Kleid und ein wenig Make-up, dann sähe sie passabel aus.
Während Torsten sich um die Nervennahrung kümmerte, klopfte Petra wie besessen Daten in ihren Computer ein. Doch jeder Ansatz erwies sich als Sackgasse. Aufgrund der Erfahrungen, die sie mit den Terroristen Feiling, Hoikens und deren Gesinnungsfreunden gemacht hatte, nahm sie an, dass auch hinter dieser Sache Neonazis stecken mussten. Aber als sie den Computer befragte, wem die höchste Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden konnte, um an die Pläne für das Spezialgewehr 21 zu kommen, spuckte der Kasten nur die Namen mehrerer ausländischer Geheimdienste aus, darunter die CIA und den Heeresnachrichtendienst AI aus den USA, den israelischen Mossad und den Geheimdienst der russischen Streitkräfte GRU. Doch welchen Grund sollten diese haben, mitten in Deutschland Menschen mit einer streng geheimen Waffe zu erschießen?
"Du musst es anders angehen", sagte Petra gerade laut, als Torsten mit einem Tablett zurückkehrte, auf dem sich mehrere Pappbecher voll Kaffee und zwei mit Salami belegte Semmeln befanden.
"Was hast du gesagt?", fragte er nach.
"Stell das Zeug hin und stör mich nicht!", knurrte sie und angelte sich den ersten Pappbecher. "Eine Kanne hast du nicht bekommen?"
Torsten lachte kurz auf. "Woher? In der Kantine gibt es nur den einen Kaffeeautomaten."
Petra unterließ es, ihm zu erklären, dass er bloß ins Abteilungssekretariat hätte gehen müssen. In solchen Dingen waren Männer fürchterlich ungeschickt. Sie vergaß Torsten aber sofort wieder, biss von einer Wurstsemmel ab, wischte sich die fettigen Finger an ihrer Jeans sauber und begann wieder zu tippen. Jetzt glaubte sie, endlich den richtigen Ansatz zu haben. Sie durfte sich bei ihrer Suche nicht auf die Waffe versteifen, sondern musste die Mordfälle analytisch miteinander vergleichen und Gemeinsamkeiten zwischen ihnen herausfinden.
Etliche Kaffee und mehrere Wurstsemmeln später sah Petra auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. "Die Sache passt zwar in kein Schema, aber all diese Fälle weisen zumindest zwei Gemeinsamkeiten auf."
"Welche?", fragte Torsten und beugte sich gespannt über ihre Schulter. Doch er sah auf dem Monitor nur verwirrende Zahlen und Zeichen.
Petra drehte sich auf ihrem Stuhl, stand auf und machte ein paar Freiübungen.
"Pass auf, dass du nicht das Gleichgewicht verlierst und auf die Nase fällst", spottete Torsten, der sich darüber ärgerte, wie ihn seine Kollegin auf die Folter spannte.
Petra brauchte die Zeit, um ihre wild wirbelnden Gedanken zu sortieren. Das, was sie zu erkennen glaubte, erschien ihr so unwahrscheinlich. Doch nachdem sie noch einmal kräftig durchgeatmet hatte, begann sie: "Also gut! Meinen Berechnungen zufolge sind in allen Fällen Menschen zum Opfer geworden, die für ihre Verbrechen aus unterschiedlichen Gründen nicht zur Verantwortung gezogen werden konnten."
"Wenn unsere Vermutungen stimmen, ja", gab Torsten zu.
"Danke, dass du von deinem Rachetrip wieder heruntergekommen bist und den Leuten zugestehst, dass sie unter Umständen auch unschuldig gewesen sein könnten", antwortete Petra spitz.
"Das waren sie nicht! Wir haben nur den letzten Beweis nicht vorlegen können. Außerdem waren die Verteidiger mit allen Wassern gewaschen und haben jede Gesetzeslücke genutzt."
Petra hob die Hand, um Torsten zu unterbrechen. "Auf jeden Fall ist das der eine Fakt. Ich will ihn mal so im Raum stehen lassen. Die zweite Parallele besteht darin, dass in allen drei Fällen Kinder ums Leben gekommen sind."
"Und was soll das mit dem Ganzen zu tun haben?", warf Torsten missmutig ein.
"Vielleicht eine ganze Menge. Fakt eins: Es wurden drei Menschen umgebracht, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten. Fakt zwei: Jeder dieser drei ist höchstwahrscheinlich am Tod von Kindern schuld. Fakt drei: Keiner von ihnen ist dafür bestraft worden. Mehr Gemeinsamkeiten gibt es nicht. Also habe ich ausgerechnet, wie eng diese drei Punkte zusammenhängen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie es tun, ist fast zehnmal so hoch wie jede andere Möglichkeit. Die drei wurden umgebracht, weil ihretwegen Kinder gestorben sind und sie dafür von der Justiz nicht zur Rechenschaft gezogen werden konnten."
"Und das mit einer Wai^e, die so geheim ist, dass keine zehn Leute davon wissen?" Torstens bissiger Tonfall zeigte, was er von Petras Vermutungen hielt.
Diese zog die Augenbrauen hoch. "Wenn du es besser kannst, dann setze dich gefälligst selbst an den Computer. Ich kann mir Schöneres vorstellen, als mir die kleinen grauen Zellen wegen deinem Scheiß weichzukochen und zum Dank dafür deine depperten Kommentare anhören zu müssen!"
Torsten fasste sie an der Schulter. "Bitte reg dich nicht auf. Ich bin eben sehr angespannt. Mir ist schon klar, dass jeder Anhaltspunkt wichtig ist, auch wenn er noch so unwahrscheinlich erscheint. Nehmen wir also an, irgendjemand hat die Pläne und die entsprechende Munition geklaut und nachgebaut, um damit Jagd auf Leute zu machen, die Kinder auf dem Gewissen haben. Mich interessiert dabei eigentlich nicht, weshalb er das tut, sondern wie er an das Gewehr und die Patronen gekommen ist.
"Vielleicht sollte es das aber! Dann könntest du herausfinden, wer hinter der ganzen Sache steckt", unterbrach Petra ihren Kollegen barsch.
Torsten begriff, dass er eine Grenze erreicht hatte, die er besser nicht überschreiten sollte. Wenn Petra ihm die ganze Sache vor die Füße warf, stand er wieder am Anfang dieses Rätsels, und seine Chance, den Waffendieb zu fangen, war gleich null. Daher beherrschte er sich und zählte in Gedanken bis zehn, bevor er antwortete. "Es ist mein Job, das herauszufinden. Aber dafür brauche ich deine Hilfe. Ich kenne niemand außer dir, der das schaffen könnte."
Petra lächelte ein wenig gequält und nahm wieder auf ihrem Drehstuhl Platz. "Gut, dass du das einsiehst. Allerdings bin ich keine Hellseherin, und mein Computer kann auch nur die Daten auswerten, mit denen ich ihn füttere. Sind diese falsch, stehen wir in der Wüste. Aber nehmen wir mal an, die Informationen stimmen. Dann müssen wir uns überlegen, wen dieser Kerl mit seinem Wundergewehr als Nächsten umbringen will."
"Die Auswahl ist nicht gerade klein. Sie reicht von einem Sexualstraftäter bis hin zu jemandem, der beim Baumfällen nicht aufgepasst und mit dem Stamm ein Kind erschlagen hat."
Diesmal nahm Petra Torstens Sarkasmus nicht übel, sondern lächelte überlegen. "Richtig - und doch falsch. Unser Freund hat Männer erschossen, die ihrer Strafe entgangen sind. Warum sollte er von diesem Schema abweichen? Damit aber fallen jene 99,9 Prozent der Straftäter aus seinem Raster, die für ihre Taten verurteilt worden sind. Wir müssen uns daher nur auf einige wenige Fälle konzentrieren."
"Mach das!"
"Wie war das mit dem Datenschutz?", fragte Petra, während sie bereits die Tasten bearbeitete. Aus den Augenwinkeln sah sie Torstens wegwerfende Handbewegung und wusste, dass diesem die Datenschutzgesetze im Augenblick gleichgültig waren. Die Informationen, die sie brauchte, hätte sie nach einem entsprechenden Papierkrieg auch auf offiziellem Weg erhalten können. Sie aber zog die schnellere Methode über die Datenleitung vor. Wenn es herauskam, würde sie einen Rüffel erhalten, doch das war ihr die Freundschaft mit Torsten wert.
Nach einer Weile sah sie wieder zu ihm hoch. "Hier habe ich was. Da ist zum einen ein amerikanischer Pilot, dessen Flugzeug bei einem waghalsigen Flugmanöver außer Kontrolle geraten und in ein Wohnhaus gestürzt ist. Er hat sich mit dem Schleudersitz retten können, aber drei Bewohner des Hauses, darunter zwei kleine Kinder, hat es erwischt."
Torsten schüttelte den Kopf. "Den Kerl hält die US Air Force unter Verschluss. Außerdem ist er schon unauffällig zurück in die Staaten geschafft worden."
Petra suchte weiter und stieß schließlich einen triumphierenden Laut aus. "Hier ist etwas Interessantes, das in unser Raster passt. Morgen wird in Lingen an der Ems ein Mann entlassen, der als Müllkönig bezeichnet wird. Ihn hat man beschuldigt, in seinen Deponien illegal Giftmüll gelagert zu haben. Auf einer aufgelassenen Deponie wurden später preisgünstige Wohnungen für junge Familien gebaut. Fünf Kinder sind dort gestorben, bis die Behörden herausgefunden haben, dass die Giftrückstände der alten Deponie daran schuld waren. Die ganze Siedlung musste abgerissen und der Giftmüll entfernt werden. Der Müllkönig kam in Untersuchungshaft, und alle haben damit gerechnet, dass er etliche Jahre hinter Gittern verbringen würde. Doch dann brachten seine Anwälte entlastendes Material zum Vorschein, das die Schuld an den Giftmülllagerungen einem vor Jahren verstorbenen Mitarbeiter seiner Firma zuschob.
... weniger
Autoren-Porträt von Nicola Marni
Nicola Marni ist das Pseudonym eines Autorenehepaars. Das Autorenpaar lebt in einem Ort bei München.
Bibliographische Angaben
- Autor: Nicola Marni
- 2010, 575 Seiten, Maße: 13,5 x 21,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Page & Turner
- ISBN-10: 3442203422
- ISBN-13: 9783442203420
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