Die Hand aus dem Wasser
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Die Hand aus dem Wasser von PatriciaWentworth
LESEPROBE
Das Dorf Greenings liegt ungefähranderthalb Meilen von der Stadt Embank entfernt. Eines Tages wird die Stadt dasDörfchen verschlingen mitsamt seiner malerischen alten Kirche, die von denGrabsteinen so vieler Generationen eingefasst ist, samt seiner Dorfstraße,seinen verstreuten Bauernhütten, seinem Pfarrhaus aus dem frühen neunzehnten Jahrhundertund samt den paar kleinen Häusern aus dem späten achtzehnten Jahrhundert, diefür Angehörige der Random-Sippe gebaut worden waren. Aber noch ist es nicht soweit, denn der so genannte Pfennigpfad, der Embank mit Greenings verbindet,führt hinter dem Ort nicht mehr richtig weiter. Er läuft geradewegs in denFluss, das heißt eigentlich zu einer seichten Furt darin. Eine Reihe Trittsteineverbindet die beiden Ufer. Das ganze Dorf ist noch sehr ländlich. Eindurchreisender Maler hat es einmal »Zuflucht des alten Friedens« genannt. Aberselbst in das stillste Gewässer kann bisweilen ein Stein fallen, der weite unruhigeKreise zieht. An den Mythos ländlicher Unschuld glaubt seit Sherlock Holmesniemand mehr. Auch in Greenings war manches geschehen, was das Tageslicht scheute.Aber nichts bleibt für immer verborgen. Ein zufälliges Wort, eine unerwarteteBewegung verraten eine geheime Absicht, und was schon begraben war, liegt offenzu Tage. Als Doktor Croft einen Brief von Clarissa Dean erhielt, ahnte ernicht, zu welch beunruhigenden Ereignissen das führen sollte. Miss Dean hattevor Jahresfrist James Random während seiner letzten Krankheit gepflegt. Schoneinige Jahre zuvor hatte sie ihm über eine schwere Grippe hinweggeholfen. Einhübsches, kluges Mädchen und äußerst tüchtig. Sie schrieb, sie sei mit einemPatienten nach Kanada gereist und erst vor kurzem zurückgekehrt. Sie sei sehrgern in Greenings gewesen und möchte wieder in der Gegend arbeiten. Wenn ervielleicht einen älteren, chronisch Kranken wüsste, bäte sie ihn, sie zuempfehlen. Er dachte natürlich sofort an Ora Blake, ein ältliches Fräulein, dasseine Kränklichkeit genoss und dessen Pflegerinnen in rascher Folge wechselten.Auch Clarissa Dean würde nicht bleiben, aber sie würde Miss Ora für eine Zeitlang ruhig stellen und Miss Mathilde, ihre Schwester, daran hindern, ihn dreiMal täglich anzutelefonieren und jedes Mal aufzuhalten, wenn sie ihm auf derStraße begegnete. Er hoffte es wenigstens. Er rief also Miss Blake an undmusste zunächst einmal mit äußerster Geduld anhören, was sie zu sagen hatte. »SchwesterDean? Aber mein lieber Doktor Croft! Ich habe immer geglaubt, dass sie es aufden armen Random abgesehen hatte, so stark geschminkt, wie sie war. Aber heutzutagemalen sich ja alle Mädchen an « Er lachte. »Ich habe immer gemeint, das wäreecht.« »Wie alle Männer!« Miss Oras Stimme klang wie das Schnurren einer Katze.»So leicht an der Nase herumzuführen! Sie möchte gern hierher kommen? Wenn ichnur wüsste, warum.« »Sie ist mit einem Pflegefall nach Kanada gereist. Der Krankewollte dort seine Tochter besuchen und starb unterwegs. Es ist nur natürlich,dass sie mich um eine Empfehlung gebeten hat.« »Ja, sicher! Besonders wenn siehier jemanden wiedersehen will. Und vielleicht war sie gar nicht an JamesRandom interessiert. Es gibt ja auch noch Arnold Random oder Edward. « DoktorCroft musste lachen. Mit Maß genossen, konnte ihn Miss Ora Blake bisweilenbelustigen. »Aber, aber!«, sagte er. »Vergessen Sie nicht, dass wir auf einerGemeinschaftsleitung sprechen. Vielleicht hört jemand aus dem Herrenhaus mit.« »ArnoldRandom würde sich nur geschmeichelt fühlen «, sagte Miss Ora. Doktor Croft warüberzeugt, dass sie bei diesen Worten den Kopf in den Nacken warf. »Er ist jetzteine gute Partie, nachdem er seinen Bruder beerbt hat. Und er ist kaum älterals sechzig - viel jünger als James. An ihn muss man sich halten, nicht an denarmen Edward. Ich weiß zwar selbst nicht, warum ich ihn arm nenne. Man läuftnicht weg, lässt sich für tot halten und kommt dann zurück, ohne zu sagen, woman gewesen ist, wenn man nicht in irgendeine Klemme geraten ist.« »Aber,Miss Ora!« Ihre Stimmedrohte ruhig weiter an sein Ohr. »Nein, nein - Sie können sich daraufverlassen. Der hat Dreck am Stecken, und James Random wusste es. Sonst hätte ernicht sein Testament geändert, wo er doch Edward wie einen Sohn erzogen hatteund nicht bloß wie einen Neffen.« »Miss Ora, wollen Sie, dass ich SchwesterDean für Sie engagiere oder nicht?« Anscheinend wollte sie es. Sie kannteDoktor Croft seit dreißig Jahren und wusste, wann es ratsam war, zur Sache zukommen. Mathilde würde an Schwester Dean schreiben. Aber vielleicht würdeDoktor Croft auch schreiben. »Mein Fall ist ja so kompliziert, und Sie könnenalles so wunderbar erklären.« Mathilde schrieb, und Doktor Croft schrieb auch.Er teilte Clarissa so viel über den komplizierten Fall Ora Blake mit, als ereben verantworten konnte. Zu Emma Random hatte er einmal gesagt, Oras Krankheitsei der Ent- schluss, unter keinen Umständen etwas für einen anderen Menschenzu tun. Bei Emma konnte man so etwas ohne Gefahr aussprechen, aber er hätteseine Zunge doch im Zaum gehalten, wenn Ora ihn nicht so unerträglich gereizt hätte.In seinem Brief an Clarissa Dean war er jedoch fast skrupelhaft vorsichtig. Sieschrieb postwendend zurück, und zwei Tage später war sie bereits da. So kam es,dass sie ihre neue Stellung gerade vierundzwanzig Stunden früher antrat, alsEdward Random im Dorf eintraf, um eine Zeit lang bei seiner Stiefmutter zuwohnen. Edward Random trat aus dem Bahnhofsgelände und wandte sich nach rechts.Hätte er sich nicht einen Augenblick am Zeitungsstand aufgehalten, wäre ihmSusan Wayne schon in diesem Moment in den Blick gekommen. Aber so sah er sieerst bei der zweiten Linksbiegung, an der jetzt ein Wegweiser stand. Greenings1,5 Meilen war darauf zu lesen. Der Wegweiser war neu oder wenigstens für ihnneu, denn das erste Mal hatte ihn Jack Burton in seinem Wagen mitgenommen, undsie waren von der anderen Seite her zum Bahnhof gekommen. Und davor -irgendwann vor der Sintflut -, da wusste man eben, wo Greenings war, oder manmusste riskieren, es überhaupt nicht zu finden. Als er darüber nachdachte, wielange es schon her war, dass er in Embank ausgestiegen und diesen Weg zu Fußgegangen war, verdunkelte sich seine Miene. Er kam also beim Wegweiser um dieEcke und sah Susan, wie sie vor ihm den Pfad hinunterging. Sie trug einen Koffer.Beide Handschuhe staken in der Tasche ihres dunkelblauen Sportmantels. Siehatte einen netten Gang, und ihre Erscheinung tat dem Auge wohl. Sie machtekeinen besonders starken, aber einen entschieden angenehmen Eindruck. Erst nachungefähr einer Minute nahm er sie richtig wahr, und auch dann erkannte er sienoch nicht. Er hatte nur die unbestimmte Empfindung, dieses glatte blonde Haarschon einmal gesehen zu haben. Es wirkte sehr glatt und wellte sich nur wenigan seinen äußersten Enden, aber es war hellblond, dicht und nach Pagenartgeschnitten. (...)
© Goldmann Verlag
Übersetzung: Irmgard Wild
- Autor: Patricia Wentworth
- 2006, Neuaufl., 254 Seiten, Maße: 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Aus d. Engl. v. Irmgard Wild
- Verlag: Arkana
- ISBN-10: 3442011027
- ISBN-13: 9783442011025
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Die Hand aus dem Wasser".
Kommentar verfassen