Die Heideärztin
Sabine Büttner ist Ärztin in einem Krankenhaus. Alles in ihrem Leben scheint perfekt. Doch als sie erfährt, dass ihr Verlobter sie betrügt, zerbricht ihre Welt. Sie muss noch einmal ganz von vorn anfangen.
Aber das ist auch eine Chance für ihren großen...
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Sabine Büttner ist Ärztin in einem Krankenhaus. Alles in ihrem Leben scheint perfekt. Doch als sie erfährt, dass ihr Verlobter sie betrügt, zerbricht ihre Welt. Sie muss noch einmal ganz von vorn anfangen.
Aber das ist auch eine Chance für ihren großen Traum: endlich Landärztin in der Lüneburger Heide sein!
Wird Sabine auch in der Liebe eine neue Chance erhalten?
Die Heideärztin von Christa Canetta
LESEPROBE
II
Sabineweinte nicht lange. Zorn und Stolz besiegten die Tränen schneller, als sieselbst erwartet hatte. Sie knipste die Stehlampe an und ging in ihre winzigeKüche, um sich den Kaffee zu holen, den sie vorhin nicht ausgetrunken hatte.
Sie starrtein die Tasse mit der kalten, schwarzen Flüssigkeit und dachte: >Aus! Vorbei!Alles zu Ende! So schnell geht das also.< Dann sahsie sich in dem gemütlichen Zimmer um. Auch das würde bald der Vergangenheitangehören. >Schade, aber es ist eben alles aus, ich werde rigoros allesaufgeben: die Wohnung, die Arbeit, die Freunde, die idiotische Hochzeit, dieich geplant, und die Familienidylle, von der ich geträumt habe.< Mit zwei kräftigen Schlucken leerte sie die Tasse undstellte sie ab. >Keine Zeit mehr zum Träumen<, überlegte sie wütend,>ich muss und ich werde mich der Realität stellen. In der Klinik kann ichnicht bleiben. Ich würde zum Gespött der Mitarbeiter. Wer weiß, wie lange dieschon hinter meinem Rücken gelacht und getuschelt haben. Sie wissen es alle, hatJochen gesagt. Manche werden Schadenfreude spüren lassen, andere werden michbemitleiden, und beides will ich nicht. Also muss ich gehen.<Sie fuhr sich mit den Fingern durch die blonden Locken und dachte an die Pläne,die sie früher einmal gehabt hatte.
>Früher?Mein Gott, wann war das? Es muss eine Ewigkeit her sein, dass ich von einerPraxis auf dem Land geträumt habe, von einem gemütlichen Strohdachhaus und vonMenschen, die mit all ihren Sorgen zu mir kommen. Die mir ihr Leben anvertrauenund mich einbeziehen in ihre Familien und in eine wunderbare Gemeinschaft.< Aber Sabine wusste auch, dass derartige Träume blankesWunschdenken waren. Diese heile Welt gab es schon lange nicht mehr, auch in derAbgeschiedenheit eines Dorfs nicht. >Arbeitslosigkeit, Abwanderung,Existenzangst und Sorgen beherrschen die Dörfer heute<, überlegte sie unddachte an verlassene Höfe, an brachliegende Felder und verwilderteBauerngärten. >Trotzdem<, machte sie sich Mut, >ich werde esversuchen. Ich werde die Ärmel hochkrempeln, in die Hände spucken und michnicht unterkriegen lassen. Und ich werde sofort damit beginnen.< Sie zog die Gardine zurück und ließ die kühleMärzmorgensonne ins Zimmer. Dann holte sie ihren Laptop hervor, fuhr dasTextverarbeitungsprogramm hoch und schrieb ihre Kündigung - kurz, stolz undselbstbewusst. Danach rechnete sie aus, wie viel Urlaub ihr noch zustand.>Ich werde heute noch kündigen, sofort Urlaub nehmen und dann nicht mehrwiederkommen. Schade, ich war gern hier, die Patienten sind mir oft sehr ansHerz gewachsen, manche schreiben mir heute noch oder schicken mirUrlaubskarten, und sogar die kleinen oder größeren Intrigen eifersüchtigerSchwestern habe ich ertragen. Ich habe mich durchgesetzt, und man hat michanerkannt. Am Anfang war's eine schwere Zeit, aber da gab es Jochen Bellmann,und dann wurde es von Jahr zu Jahr besser, und zum Schluss war ich wirklichgut. - Aus! Vorbei!<
Sie ging inihr Badezimmer, ließ Wasser in die Wanne laufen und legte die Arztkleidung ab.>Fünf Uhr<, überlegte sie, >da kann ich ein heißes Bad nehmen und nochein paar Stunden schlafen, und morgen habe ich frei. Dann werde ich mich um dieZukunft kümmern.< Sie glitt tief in das heißeWasser und atmete den lieblichen Jasminduft des Badeöls ein, das sie schon ewigbenutzte. Den Raum füllte dichter Badedampf und beschlug den Spiegel über demWaschbecken. Die inneren Verspannungen lösten sich und wichen wohltuenderMüdigkeit.
Und dannwar an Schlaf doch nicht zu denken. Die unsichere Zukunft und vieleErinnerungen zogen durch ihre Gedanken. Und immer wieder sah sie das Paar aufdem Bett vor sich, die bestrumpften Beine der Lernschwester, die sich um denweißen Kittel des Mannes schlangen.
>MeinesMannes<, dachte sie wütend, >meines beinahe Mannes! Können diese Mädchennicht die Finger von einem fast verheirateten Mann lassen? Musste dieserCasanova sich anderweitig bedienen? War ich ihm nicht gut genug? Hab' ich ihnzu lange warten lassen? Aber ich habe nun einmal meine Prinzipien, und ich habenicht vor, davon auch nur einen Schritt abzuweichen. Erst die Ehe, dann daseheliche Vergnügen. Vielleicht bin ich zu altmodisch in dieser Beziehung, abermeine Achtung vor mir selbst ist mir wichtiger als die Lusterwartungen einesMannes.< Sie strich über ihre Bettdecke und war überrascht von der sehrgenauen Erinnerung an die vielen Gespräche, die sie und Axel geführt hatten, anTräume und an Liebesbeteuerungen, die sie sich gegenseitig gemacht, und dieZärtlichkeiten, die sie ausgetauscht hatten, die aber alle vor der Schlafzimmertürenden mussten. >War das ein Fehler? Diese geschlossene Tür? Dieser Schurke,dieser Wüstling.<
Sie standwieder auf und ging ins Bad, um das Gesicht zu kühlen. Als der Spiegel ihrPortrait zurückgab, sah sie Augen voll wilder Wut und ein selbstbewusstes Lächeln.Eine Aussprache würde es nicht geben. Nein, was sie gesehen hatte, nachts aufStation vier, war an Klarheit nicht zu überbieten.
Zurück inihrem Bett, zog sie Bilanz: >Existenz, Liebe, Zufriedenheit und Wohnung -alles weg. Was bleibt? Ich bleibe<, dachte sie trotzig. >Ich bleibe undmein Stolz, meine Kraft, meine Energie, mein Selbstbewusstsein, mein Können,und finanziell bin ich zum Glück unabhängig.<
Sabinedachte an ihre verstorbenen Eltern, die ihr ein Vermögen hinterlassen hatten.Unerwartet und viel zu früh waren sie während einer Expedition bei einemFlugzeugabsturz über dem peruanischen Urwald ums Leben gekommen. Ihr Vater,Hobbyarchäologe und besessen von der Erforschung der frühen Inkadynastien,hatte jede Minute freier Zeit in die Forschung gesteckt. Als er fünfzig wurdeund die Silberhochzeit überstanden war, wie er liebevoll betonte, hatte er dasfamilieneigene Stahlwerk in Essen verkauft, einen Teil des Vermögens seinerTochter überschrieben und dann mit seiner Frau zusammen die abenteuerlichstenund gefährlichsten Reisen unternommen.
Sabine wargerade zwanzig Jahre alt, als das Unglück geschah. Zu dem Leid über den Verlustder geliebten Eltern kam die Angst vor der Zukunft. Geldsorgen hatte sie nicht,denn sie war Alleinerbin, aber das Alleinsein, das Fertigwerden mit dem Leben,das sie bisher in der Geborgenheit der elterlichen Liebe geführt hatte, machte ihr Angst. Aber diese Angst machte sie auch stark. Und bisheute hatte sie diese Stärke nie verlassen. >Ich brauche nicht die Schultereines Mannes, um mich daran auszuruhen, ich brauche nicht das Gehalt einesKlinikdirektors, um gut leben zu können. Ich werde mich vollständig neuorientieren, ich werde nur noch tun, wozu ich Lust habe, und mir eine Arbeitsuchen, die mich erfüllt. Ich bin gern Ärztin, und jetzt werde ich die Praxissuchen, von der ich schon so lange träume. Keine Spezialpraxis für dies oderdas, sondern eine Praxis für alle Leiden und für alle Menschen. Eine Praxis aufdem Land, die für alle offen ist: für die Großen und die Kleinen, für die Altenund die Jungen, für die Gutbetuchten und für die Armen - für alle eben.< Und mit dem Gedanken an ein gemütliches Heim mitten imblühenden Heidekraut schlief sie endlich ein.
©Verlagsgruppe Weltbild
- Autor: Christa Canetta
- 320 Seiten, Maße: 14 x 21,8 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: AREA VERLAG GMBH
- ISBN-10: 3937670408
- ISBN-13: 9783937670409
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