Die Kraft des Neubeginns
Henkel ist überzeugt: Deutschland hat das Aufbau-Potenzial für einen gelungenen Neubeginn.
Henkel ist überzeugt: Deutschland hat das Aufbau-Potenzial für einen gelungenen Neubeginn.
1945: Deutschland ist zerstört. Doch in der »Stunde Null« entdecken die Menschen die Freiheit der Selbstverantwortung. In Eigeninitiative bauen sie ihr Land wieder auf.
1989: Industrie und Infrastruktur der DDR liegen am Boden. Doch statt aus eigener Kraft den Wiederaufbau zu schaffen, werden Schulden gemacht. Die deutsche Gesellschaft versagt, weil sie kein Vertrauen mehr zu sich selbst hat.
2004: Deutschland scheint endgültig den Mut verloren zu haben. Doch auch heute haben wir die Chance, uns auf vergessene Tugenden und die Freiheit der Eigenverantwortung zu besinnen.
Weil Hans-Olaf Henkel immer wieder erlebt hat, wie sich aus dem Nullpunkt neue Kräfte gewinnen lassen, ist er überzeugt: Deutschland kann eine enorme Aufbauenergie mobilisieren. Voraussetzung ist, dass es seine Geschichte annimmt und sich auf seine schöpferischen Kräfte besinnt. Um diese freizusetzen, müssen wir wieder auf die Erfolgsprinzipien von Verantwortlichkeit, Wettbewerb und Kontrolle vertrauen. Und auf uns selbst.stört. Doch in der »Stunde Null« entdecken die Menschen die Freiheit der Selbstverantwortung. In Eigeninitiative bauen sie ihr Land wieder auf.
1989: Industrie und Infrastruktur der DDR liegen am Boden. Doch statt aus eigener Kraft den Wiederaufbau zu schaffen, werden Schulden gemacht. Die deutsche Gesellschaft versagt, weil sie kein Vertrauen mehr zu sich selbst hat.
2004: Deutschland scheint endgültig den Mut verloren zu haben. Doch auch heute haben wir die Chance, uns auf vergessene Tugenden und die Freiheit der Eigenverantwortung zu besinnen.
Weil Hans-Olaf Henkel immer wieder erlebt hat, wie sich aus dem Nullpunkt neue Kräfte gewinnen lassen, ist er überzeugt: Deutschland kann eine enorme Aufbauenergie mobilisieren. Voraussetzung ist, dass es seine Geschichte annimmt und sich auf seine schöpferischen Kräfte besinnt. Um diese freizusetzen, müssen wir wieder auf die Erfolgsprinzipien von Verantwortl
Die Kraft des Neubeginns von Hans-Olaf Henkel
LESEPROBE
Zum Glückerwies sich der Medienprotest als Sturm im Wasserglas. Unter Führung derDresdner Bank nahm der Bau Gestalt an. Noch heute kümmert sich der ehemaligeVorstandsvorsitzende Bernhard Walter ehrenamtlich um die Arbeit. Seitdem habeich es mir zur Gewohnheit gemacht, Jahr für Jahr die langsameWiederauferstehung eines Kunstwerks zu verfolgen, das innerhalb von Sekunden insich zusammengestürzt war. Baudirektor Eberhard Burger führt mir die baulichenFortschritte vor, und ab und zu treffe ich auch Professor Ludwig Güttler, den Barocktrompeter, der zum bekanntestenSympathieträger des Unternehmens geworden ist. Einmal schenkten mir die beidenein verbeultes Stück Kupferblech, mit dem Anfang des letzten Jahrhunderts dasDach gedeckt worden war. Heute ziert es meinen kleinen Fischteich, den ich imjapanischen Garten auf der Terrasse meiner Berliner Wohnung angelegt habe. DasDresdner Erinnerungsstück, von den Steinmassen der zusammenstürzendenFrauenkirche in eine bizarre Form gepresst, wirkt auf mich wie ein Kunstwerk,das ein Bildhauer in Kupferblech getrieben hat. Im Kuratorium der Frauenkirche,dem auch der Bischof von Coventry, Colin Bennetts,die Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker und Roman Herzog sowieAltkanzler Helmut Kohl angehören, haben wir gelegentlich über die Frage der»Authentizität« diskutiert. Eines der Prunkstücke der alten Kirche war dieSilbermann-Orgel, die vollständig zerstört wurde. Sollte man sie originalgetreunachbauen? Oder sollte man, wenn schon eine moderne Orgel verwendet wurde, einsächsisches oder ein elsässisches Produkt nehmen? Nach langer Debatte entschiedsich das Kuratorium für letzteres. Eine zeitgenössische Orgel wurde in Auftraggegeben, in der, wie es der Kompromiss wollte, Silbermann-Technik verwandtwerden soll. Die von Kritikern gestellte und gelegentlich auch im Kuratoriumangesprochene Frage, ob die Kirche nicht doch nur eine Kopie sei, möchte ich sobeantworten: Sie ist es, aber nicht mehr, als jeder Mensch es ist. Im Laufeines Lebens wird, mit wenigen Ausnahmen, jede Zelle rundum erneuert. DerMensch, der ich vor zehn Jahren war, bin ich heute, rein zellenmäßgbetrachtet, nicht mehr. Und doch würde keiner mich eine Kopie nennen. Auch beider Frauenkirche werden neue Bausteine verwendet, aber im Zusammenwirken mitalten, die zum Glück auf der Halde und in Depots »überlebt« haben. Heute kannman jeden Originalstein an der Schwärze erkennen, die sich vom hellen Neubauabhebt. In einigen Jahrzehnten, so sagt man mir, wird der Bau wieder eineEinheitsfarbe haben. Bei einem meiner ersten Besuche hatte man gerade dasgoldene Turmkreuz, völlig verbeult und verbogen, aus dem Schutt geborgen. Mirlief eine Gänsehaut über den Rücken. Baudirektor Eberhard Burger zeigte mir dieMünzen, die man in der Kupferkapsel des Turmknaufs entdeckt hatte. Sie stammtenaus vergangenen Jahrhunderten, teilweise waren sie zu Klumpenzusammengeschmolzen. Erstaunlicherweise fanden sich auch Münzen, die vom Anfangdes 20. Jahrhunderts stammten. Offenbar waren sie damals bei Reparaturarbeitenoder bei der Installation der Blitzableiter hineingeschmuggelt worden. Ichschaute Burger an. »Das möchte ich auch«, sagte ich. »Lassen Sie mich dieKollektion aktualisieren, bevor das Kreuz wieder auf die Kuppel kommt.« Erlachte, und ich drückte ihm aus meinem Portemonnaie eine Mark in die Hand. Alsich Dresden am 15. Februar 2004 besuchte, um auf die Stunde genauneunundfünfzig Jahre nach dem Einsturz der Frauenkirche eine Rede zu halten,reichte ich ihm für den Knauf des neugeschaffenenKreuzes eine Euromünze nach. Neben der Wiedergeburt des Wunderbaus ist einweiteres Wunder zu verzeichnen: Das Millionenprojekt entstand hauptsächlichdurch persönlichen Einsatz und aus privaten Spenden. Große Firmen halfen ebensowie unzählige namenlose Geber. Der Geldfluss war so reichlich, dass keineinziges Mal das Bautempo gedrosselt werden musste. Allerdings, ganz ohne Staatging es auch hier nicht. Finanzminister Theo Waigel hatte seinerzeitmitgewirkt, als er zugunsten des Wiederaufbaus eine Zehnmarkmünze herausgab.Die Präzision der Finanz- und Bauplanung ist beispielhaft, die Millimeterarbeitder Steinmetze geradezu künstlerisch. Die Frauenkirche gehört sicher zu denehrgeizigsten Projekten, die in den letzten Jahrzehnten von der deutschenBauindustrie durchgeführt wurden. Dennoch wurden die Gesamtkosten gegenüber demVoranschlag, der über zehn Jahre zurückliegt, nur um 2 Prozent überzogen. Eineso minimale Überschreitung der Kosten dürfte bei öffentlichen Aufträgen kaum jevorgekommen sein. Bei jedem Besuch bemerke ich auch, warum alles so ungewohnt»klappt«: Die Beteiligten sind mit dem Herzen dabei. Schon lange freue ich michauf den 31. Oktober 2005, an dem die Kirche vollständig aus der virtuellen indie wirkliche Realität zurückkehrt. Ursprünglich hatten wir geplant, dass es imJahr 2006 geschehen sollte. Jetzt sind wir sicher, es ein Jahr früher zuschaffen, und zwar ohne zusätzliche Kosten. Das herrliche Glockengeläut, dasbereits am 13. Februar 2004 zur Erinnerung an den Bombenangriff ertönte, gibtschon jetzt einen Vorgeschmack auf die Einweihung. Am 22. Juni 2004 konnte ichzusammen mit 30 000 Dresdnern und Gästen aus aller Welt miterleben, wie einSpezialkran die 28 Tonnen schwere Turmhaube und das Goldkreuz auf die 91 Meterhohe Kuppelspitze hob. Zwei Dinge bewegten mich dabei besonders: Dass das Kreuz,finanziert von englischen Spenden, von einem Silberschmied angefertigt wordenwar, dessen Vater als Bomberpilot am Luftangriff auf Dresden teilgenommenhatte. Und dass meine beiden Münzen, im Inneren verborgen, mit in die Höheschwebten. Gehört es zur Lebensweisheit der Moderne, dass man sich auf das, wasvorausgesagt wird, garantiert nicht verlassen kann, so zeigt das DresdnerModell, dass es auch anders geht. Die Lehre, die man daraus ziehen kann, ist einfach:Ein Neubeginn gelingt nur dann, wenn man genau weiß, was man will. Wenn maneine »Vision« hat. Eigentlich konnte ich früher mit dem prätentiösen Wortnichts anfangen. Wenn mir Firmenchefs von ihren Visionen erzählten, dachte ichimmer, sie sollten sich lieber mit den Visionen ihrer Kunden befassen oder zumArzt gehen. Aber heute sehe ich, dass man politische Verantwortung nur tragenkann, wenn man eine Vorstellung von dem hat, was werden soll. Man braucht einklares Bild der Zukunft, das einem die Kraft gibt, Jahre um Jahre das Zielnicht aus den Augen zu lassen. Und wer eine Vorstellung dessen hat, was einmalsein wird, der kann dann auch die Ressourcen abrufen, die zur Verwirklichungnötig sind. Das lässt sich auch auf die deutsche Gesellschaft übertragen. InDeutschland herrschen Mutlosigkeit und teilweise sogar Chaos, weil wir nichtwissen, wohin wir wollen. Oder vielmehr: Jeder glaubt es zu wissen, und deshalbzieht dieser in diese Richtung, jener in die entgegengesetzte.Sobald hier etwas beginnt, wird es von dort konterkariert. Jeder will Reformen,aber keiner kann sagen, wofür. Meist sagt man »Reformen« und meint eigentlichdie Notreparatur veralteter Systeme. Man glaubt zu reformieren, weil das einschönes Wort ist, und statt dessen restauriert man das, was eigentlichabgeschafft werden müsste. Aber wer einen Neubeginn will, der muss sich zuerstein Ziel setzen, als Gesellschaft, als Nation. Und da wir das nicht haben, dawir nicht einmal den Willen haben, uns ein solches Ziel zu setzen, kommen wirnicht weiter und behindern uns selbst. Das Ziel unserer Gesellschaft kann nurein wettbewerbsfähiges Deutschland sein. Ich sage ganz bewusst nicht Europa.Natürlich muss auch die EU wettbewerbsfähig sein. Aber meine Lebenserfahrunghat mir gezeigt, dass die besten Bedingungen für einen kreativen Wettbewerb nurzwischen kleinen Einheiten, in diesem Fall den Ländern Europas, gegeben sind.Durch beständigen Wettbewerb kleinerer Einheiten untereinander entsteht einstärkeres Ganzes. Dasselbe wiederholt sich zwischen den Bundesländern, die umbeste Ergebnisse konkurrieren müssen. Nur wenn die Bundesländer sich wiedermehr miteinander und aneinander messen, kommt am Ende ein internationalkonkurrenzfähiges Deutschland heraus. Und dasselbe wiederholt sich innerhalbder Bundesländer zwischen den Kommunen. Das Ziel ist, ich wiederhole es, diewettbewerbsfähige Nation. Als ich im Mai 2004 anlässlich des HamburgerHafengeburtstags eine Rede vor dem Überseeclub halten sollte, erlebte ich beider Vorbereitung ein Déjà-vu: Ich fand unter meinenPapieren eine Rede, die ich am selben Ort, zur selben Gelegenheit vor genauzehn Jahren gehalten hatte. In ihr war, wie ich zu meinem größten Erstaunenentdeckte, das Ziel einer »wettbewerbsfähigen Gesellschaft« entwickelt worden,und alles klang so aktuell, dass ich sogar mit dem Gedanken spielte, sieunverändert vor dem Hamburger Publikum zu halten. Ich bin sicher, dass keinerder Anwesenden es bemerkt hätte. Und wodurch entsteht Wettbewerbsfähigkeit?Nimmt man die Frauenkirche als Vorbild, so muss an erster Stelle das Abräumender Trümmerhalde stehen. Alles beiseite räumen, was sich aufgetürmt hat undjeden Neuanfang behindert. Für mich gehört dazu auch das Festhalten an der»Erbsünde«, die ewige Wiederholung einer Schuld, die den Menschen ihren Mutnimmt und ihnen nur ein schlechtes Gewissen einredet. Was wir aber brauchen,ist Mut. Die ständigen Schuldbeteuerungen unserer Politiker können nichts ander Vergangenheit wiedergutmachen. Aber sie lähmen unsere nachwachsenden Generationenund verbauen ihnen ihre Zukunft. Sie verhindern, dass die Deutschen sichendlich wieder selbst bejahen können. Wenn wir uns nicht länger dafür schämen,was Deutschland in seiner über tausendjährigen Geschichte war, dann brauchenwir auch keine Angst vor dem zu haben, was Deutschland einmal sein wird und wiees im Konzert der befreundeten Länder und der globalen Welt mitspielt. Wirbrauchen wie die Dresdner Frauenkirche eine Blaupause der Zukunft. Deutschland,das ist das dreidimensionale Puzzle, das wir zusammensetzen müssen. Es lohntsich.
© DroemerKnaur
Interviewmit Hans-OlafHenkel
HerrHenkel, Ihr neues Buch haben Sie "Die Kraft des Neubeginns" genannt.Warum glauben Sie, dass wir einen Neubeginn brauchen? Und woher nehmen wir dieKraft dazu?
Es gibtkaum noch ein Leistungskriterium, in dem Deutschland im internationalenVergleich nicht abgerutscht ist - von der Unfähigkeit, Arbeitsplätze zu schaffen,über die Rekordneuverschuldung bis hin zu PISA. Wenn das kein Grund ist! JederNeubeginn, jeder Anstoß entfaltet eine Eigendynamik, die man nutzen kann. Esist fünf nach zwölf!
Nebenvielen negativen Einschätzungen verströmt Ihr Buch auch eine Menge Optimismus -"Deutschland ist machbar." Was bedeutet das konkret?
Nachdem ichmich nun schon seit über zehn Jahren ehrenamtlich für eine wettbewerbsfähigedeutsche Gesellschaft eingesetzt habe, fragte ich mich immer öfter, ob ich dennim doppelten Sinne umsonst gearbeitet habe. Jetzt bin ich davon überzeugt, dieUrsache und die Lösung für die Reformunfähigkeit Deutschlands gefunden zuhaben:Wir leiden immer noch unter einem politischen Entscheidungssystem, welches unsunter dem Eindruck des Naziterrors 1948 vor allem Stabilität verordnet hat.Jahrzehntelang haben wir von dieser Stabilität auch profitieren können. Aber imZeitalter immer schnellerer technischer Entwicklung und eines immer größerenWettbewerbsdrucks durch die fortschreitende Globalisierung ist aus dem VorteilStabilität der Nachteil Unbeweglichkeit geworden. Deshalb setze ich mich füreine Reform der Reformfähigkeit ein. Im Detail ist diese in meinem neuen Buchauch beschrieben.
Ungefährso, wie sich die amerikanische Gesellschaft zu uns verhält: nicht nachtragend,nicht moralisierend. Unvorstellbar ist für mich die Vorstellung, dass derPräsident der Vereinigten Staaten oder der Speaker des Repräsentantenhausessich öffentlich und regelmäßig abschätzig über Deutschland äußern würden, wieJohannes Rau oder Wolfgang Thierse es regelmäßig über die USA getan haben. DieJammerei über die angeblich so fürchterlichen "amerikanischenVerhältnisse" oder die Klage über den "amerikanischenKulturimperialismus" hing mir jedenfalls kreuzweise zum Halse heraus.
Diewirtschaftlichen Schwierigkeiten Deutschlands führen Sie auf Fehler in derPolitik zurück. Was müsste sie tun, um den Aufschwung einzuleiten?
Es gibtkein Allheilmittel, mit dem ich diese Frage zu beantworten wüsste. Die Lösungist zu kompliziert. Lassen Sie mich es so ausdrücken: Es gibt vieleunterschiedliche Heilmittel, und wir müssten sie alle anwenden.
Sieschreiben in Ihrem Buch, als Manager - Sie waren unter anderem langjähriger IBMDeutschland-Chef - hätten Sie gelernt, die Botschaft eines Vortrags in einemSatz zusammenzufassen. Können Sie auch die Botschaft Ihres neuen Buches ineinem Satz ausdrücken?
O Gott,jetzt haben Sie mich aber erwischt... Wie wär s mit dem chinesischenSprichwort: "Wenn alle Wege versperrt sind, dann gibt es nur einen Ausweg:den nach oben!"?
DieFragen stellte Mathias Voigt, literaturtest.de.
- Autor: Hans-Olaf Henkel
- 2004, 1, 395 Seiten, mit Schwarz-Weiß-Abbildungen, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: DROEMER KNAUR
- ISBN-10: 3426273497
- ISBN-13: 9783426273494
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