Die Memoiren meiner Frau
Roman
Die Schöne und der Richter: ein hinreißend unkorrekter Liebesroman. Jan Vanderleyden, Richter in Koblenz, verliebt sich in die Braut eines Angeklagten. Wie konnte ihm das passieren? Sein bisheriges Leben lief
in geraden Bahnen: er ist beruflich sehr...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Memoiren meiner Frau “
Die Schöne und der Richter: ein hinreißend unkorrekter Liebesroman. Jan Vanderleyden, Richter in Koblenz, verliebt sich in die Braut eines Angeklagten. Wie konnte ihm das passieren? Sein bisheriges Leben lief
in geraden Bahnen: er ist beruflich sehr
erfolgreich, mit einer älteren Schauspielerin verheiratet... Die Liebe zur jungen
Polin Zofia wirbelt sein Leben gründlicher durcheinander, als ihm recht sein kann... Eine wunderbar turbulente
Beziehungskomödie von einem der scharfzüngigsten und witzigsten Autoren Deutschlands.
in geraden Bahnen: er ist beruflich sehr
erfolgreich, mit einer älteren Schauspielerin verheiratet... Die Liebe zur jungen
Polin Zofia wirbelt sein Leben gründlicher durcheinander, als ihm recht sein kann... Eine wunderbar turbulente
Beziehungskomödie von einem der scharfzüngigsten und witzigsten Autoren Deutschlands.
Klappentext zu „Die Memoiren meiner Frau “
Jan Vanderleyden, Richter am Amtsgericht in Pirmasens mit guten Karriereaussichten, widerfährt etwas, wovor er sich hätte schützen müssen: Er verliebt sich in die Braut eines Angeklagten, in die junge Zofia. Sein bisheriges Leben verlief in geraden Bahnen. Er ist verheiratet mit einer älteren Schauspielerin, die zu den Fernsehlieblingen der Nation gehört und dort die starken und emanzipierten Frauen gibt. Als Richter kann er damit rechnen, dass ihm bald eine Stelle an einem Landesgericht oder vielleicht sogar in einem Ministerium angeboten wird. Doch die Liebe zu dieser jungen polnischen Frau wirbelt sein bisheriges Leben gründlicher durcheinander, als ihm recht sein kann. An ihrer Seite muss er seine Vorstellungen davon, was starke Frauen auszeichnet und wie sie ihre Gefühle leben, von Grund auf revidieren. Denn Zofia sehnt sich danach, ganz als Frau behandelt zu werden, und macht dennoch, was sie will. Mit ironisch geschärftem Blick für das Falsche im Richtigen hat Joseph von Westphalen einen garantiert "unkorrekten" Liebesroman geschrieben, der die Wünsche und Begierden seiner Figuren ernst nimmt und damit von dem erzählt, was Frauen und Männer tatsächlich aneinander bindet - also von der Liebe, wie sie ist.
Die Schöne und der Richter: das neue große Buch von Joseph von Westphalen. Eine wunderbar turbulente Beziehungskomödie und ein hinreißend unkorrekter Liebesroman.
Jan Vanderleyden, Richter am Amtsgericht in Pirmasens mit guten Karriereaussichten, widerfährt etwas, wovor er sich hätte schützen müssen: Er verliebt sich in die Braut eines Angeklagten, in die junge Zofia. Sein bisheriges Leben verlief in geraden Bahnen. Er ist verheiratet mit einer älteren Schauspielerin, die zu den Fernsehlieblingen der Nation gehört und dort die starken und emanzipierten Frauen gibt. Als Richter kann er damit rechnen, dass ihm bald eine Stelle an einem Landesgericht oder vielleicht sogar in einem Ministerium angeboten wird. Doch die Liebe zu dieser jungen polnischen Frau wirbelt sein bisheriges Leben gründlicher durcheinander, als ihm recht sein kann. An ihrer Seite muss er seine Vorstellungen davon, was starke Frauen auszeichnet und wie sie ihre Gefühle leben, von Grund auf revidieren. Denn Zofia sehnt sich danach, ganz als Frau behandelt zu werden, und macht dennoch, was sie will. Mit ironisch geschärftem Blick für das Falsche im Richtigen hat Joseph von Westphalen einen garantiert "unkorrekten" - Liebesroman geschrieben, der die Wünsche und Begierden seiner Figuren ernst nimmt und damit von dem erzählt, was Frauen und Männer tatsächlich aneinander bindet - also von der Liebe, wie sie ist.
"Wie Joseph von Westphalen dieses ganze Elsa-Milieu mit Agentin, Verleger, Presse und Kameramann beschreibt, ist eine überaus vergnügliche Gesellschaftssatire von hübsch boshafter Intelligenz." - Süddeutsche Zeitung
"Von außen betrachtet, schaut das Leben aus wie eine Komödie - dass hinter der heiteren Fassade allzu oft die kleinen Tragödien und Niederlagen warten, davon weiß Joseph von Westphalen stets klug und clever zu erzählen." - Die Zeit
"Für strenge Feministinnen ist Westphalens jüngstes Werk sicher nichts, aber der Rest kann sich mit der temporeichen Beziehungskomödie durchweg köstlich amüsieren." - Der Spiegel
Jan Vanderleyden, Richter am Amtsgericht in Pirmasens mit guten Karriereaussichten, widerfährt etwas, wovor er sich hätte schützen müssen: Er verliebt sich in die Braut eines Angeklagten, in die junge Zofia. Sein bisheriges Leben verlief in geraden Bahnen. Er ist verheiratet mit einer älteren Schauspielerin, die zu den Fernsehlieblingen der Nation gehört und dort die starken und emanzipierten Frauen gibt. Als Richter kann er damit rechnen, dass ihm bald eine Stelle an einem Landesgericht oder vielleicht sogar in einem Ministerium angeboten wird. Doch die Liebe zu dieser jungen polnischen Frau wirbelt sein bisheriges Leben gründlicher durcheinander, als ihm recht sein kann. An ihrer Seite muss er seine Vorstellungen davon, was starke Frauen auszeichnet und wie sie ihre Gefühle leben, von Grund auf revidieren. Denn Zofia sehnt sich danach, ganz als Frau behandelt zu werden, und macht dennoch, was sie will. Mit ironisch geschärftem Blick für das Falsche im Richtigen hat Joseph von Westphalen einen garantiert "unkorrekten" - Liebesroman geschrieben, der die Wünsche und Begierden seiner Figuren ernst nimmt und damit von dem erzählt, was Frauen und Männer tatsächlich aneinander bindet - also von der Liebe, wie sie ist.
"Wie Joseph von Westphalen dieses ganze Elsa-Milieu mit Agentin, Verleger, Presse und Kameramann beschreibt, ist eine überaus vergnügliche Gesellschaftssatire von hübsch boshafter Intelligenz." - Süddeutsche Zeitung
"Von außen betrachtet, schaut das Leben aus wie eine Komödie - dass hinter der heiteren Fassade allzu oft die kleinen Tragödien und Niederlagen warten, davon weiß Joseph von Westphalen stets klug und clever zu erzählen." - Die Zeit
"Für strenge Feministinnen ist Westphalens jüngstes Werk sicher nichts, aber der Rest kann sich mit der temporeichen Beziehungskomödie durchweg köstlich amüsieren." - Der Spiegel
Lese-Probe zu „Die Memoiren meiner Frau “
Jan Vanderleyden betrachtete unzufrieden den Aktenordner auf seinem Schreibtisch. Es war vielleicht ein bißchen übertrieben gewesen, Untersuchungshaft anzuordnen. Was lag schon groß vor? Ein Pole, der Polizei kein Unbekannter, aber nicht vorbestraft, gültige Aufenthaltsgenehmigung, stiehlt ein Auto und wird schon zwei Stunden später geschnappt. Der funkelnde Neuwagen war mit einem Sender ausgestattet. Serienmäßig bei diesem Spitzenmodell. Ein wirklicher Profi hätte das gewußt, hätte den Antidiebstahlpeilsender eins, zwei, drei lahmgelegt, wäre mit dem Schlitten quer durch die Republik über die offenen Grenzen nach Polen gefahren, und weg wäre das Auto gewesen.Der Mann hatte eine Verlobte mit festem Wohnsitz und fester Anstellung. Kein Grund also, ihn gleich einzusperren. Der junge Staatsanwalt aber hatte derart schneidig von Bandenkriminalität und Fluchtgefahr gesprochen, daß Jan nichts anderes übriggeblieben war. Sicher ist sicher. Vielleicht war der Pole ja wirklich ein Teil eines größeren kriminellen Räderwerks. Jetzt kam eben die übliche Leier: Ein Anwalt würde auftauchen und behaupten, daß sich die Untersuchungshaft nicht länger begründen läßt, der Staatsanwalt kommt mit seiner Klageschrift und spricht von Verdunkelungsgefahr und hinreichenden Tatverdachtsmomenten und ermittelt drauflos, um die Grundlage für das Gerichtsverfahren zu schaffen, das irgendwann als ein weiteres von den über hundert Verfahren pro Jahr auf einen der Richterkollegen oder auch auf Jan selbst zukommen würde.
"Nur eine Probefahrt", hatte der Pole bei seiner Festnahme gesagt. Nicht ganz unwitzig. Als er dem Gericht vorgeführt wurde und entschieden werden mußte, ob man ihn bis zur Gerichtsverhandlung auf freiem Fuß lassen oder in Untersuchungshaft nehmen sollte, hatte Jan sich im Zuge des üblichen Identifikationsklimbims um die Aussprache des komplizierten polnischen Familiennamens bemüht: "Sagen einfach Marek", sagte der Mann, "geht in Ordnung." Er sprach mit starkem Akzent und
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sehr gebrochen. Es war ein freundlicher Vorschlag, als wolle er Jan das Lernen der korrekten Aussprache seines Namens nicht zumuten, als lohne sich das nicht. Jan war nicht sicher, ob er darauf eingehen sollte. Am Ende würde der Bursche ihn Jan nennen und duzen. Das hatte er einmal bei einem Kroaten erlebt. Als ahnte er diese Befürchtungen, sagte Marek, "Marek paßt schon, Herr Richter. Oder Marek X. Im Westen Freunde sagen Marek X. Marek X wie Malcolm X."
Jan staunte: "Sie kennen Malcolm X?"
"Logo", sagte Marek, "Neger."
Jan zuckte zusammen und erklärte kurz, daß der Freiheitskämpfer der Afroamerikaner nicht nur ein Held, sondern auch ein Krimineller gewesen war. "Leider!"
"Weiß das, Chef", sagte Marek.
Die beiden Polizisten sahen auf die Uhr.
"Sie kommen in Untersuchungshaft, weil wir Ihnen die Probefahrt nicht glauben", sagte Jan, "der Staatsanwalt wird eine Klageschrift vorlegen."
Marek hörte nicht zu oder verstand nicht. Wie sollte er Worte wie "dringender Tatverdacht" und "Verdunkelungsgefahr" verstehen. Ein Rechtsanwalt interessierte ihn offenbar nicht. "Bitte Briefpapier", sagte er.
Jan war korrekt. Er klärte ihn auf: "Ich bin Ihr Richter. Untersuchungsrichter. Ermittlungsrichter. Sie können schreiben, soviel Sie wollen. Briefe, die Sie schreiben, und Briefe, die Sie bekommen, werden von mir gelesen. Kontrolle. Verstehen Sie. Zensur." Er lächelte, um das Diktaturenwort abzumildern.
"Kontrolle egal", sagte Marek. Er trug immer noch Handschellen. Als Jan Vanderleyden an dieses Gericht kam, damals aus dem Justizministerium ohne große Praxiserfahrung, hatte er eingeführt, daß Tatverdächtigen, die man ihm vorführte, diese entwürdigenden Handschellen abgenommen wurden. Prompt hatte ein Dealer den freundlichen, pensionsreifen Streifenbeamten mit einem Schlag zu Boden gestreckt und war am fassungslosen Jan vorbei aus dem Fenster des ersten Stocks auf ein Garagendach gesprungen. Erst österreichische Kollegen schnappten ihn Wochen später an der Grenze zu Slowenien. Seitdem wurden ihm die Festgenommenen wieder in den üblichen Handschellen vorgeführt. "Nehmen Sie Herrn Marek X die Handschellen ab", sagte Jan zu den erstaunten Polizisten, "ich verantworte das."
Marek war nicht aus dem Fenster gesprungen. Er hatte die Polizisten nicht niedergeschlagen. Er hatte höflich gedankt, und Jan konnte sich plötzlich vorstellen, ihn in seiner Zelle zu besuchen und eine Partie Schach mit ihm zu spielen.
Es klopfte an der Tür.
"Herein!"
Es war Valerie. Neu hier auf der Geschäftsstelle, und wie es aussah, eine echte Verwaltungsperle. Sie hieß mit Nachnamen Tugendreich, aber "Frau Tugendreich, das muß nicht sein, wenn man als Sekretärin bei einem Gericht arbeitet", hatte sie gesagt.
"Es ist fünf. Ich gehe, brauchen Sie mich noch?" fragte sie jetzt.
Jan schüttelte den Kopf.
"Ade", sagte Valerie. Sie sagte nicht "tschüß", nicht "ciao", nicht "auf Wiedersehen", nicht "bis morgen dann" und auch nicht "schönen Abend noch". Ade - drei simple, sympathische, überzeugende Buchstaben.
Seitdem Valerie hier war und "Ade" sagte, hatte Jan Vanderleyden auch Lust, "Ade" zu sagen. Anfangs hatte er es sich verkniffen. Es kam ihm äffisch vor. Es war die Grußformel einer Geschäftsstellenverwalterin, wie das auf Amtsdeutsch hieß. Diese Grußformel zu übernehmen, hatte etwas Anbiederndes. Aber es hatte auch etwas Entgegenkommendes. Als ihm das einfiel, sagte auch Jan Vanderleyden "Ade". Selbst seine Frau Elisa hatte angefangen, ihr affektiert gedehntes, schickeriahaftes, pseudo-originalitalienisches "ciao" durch das südwestdeutsche "Ade" zu ersetzen.
Elisa würde erst am Sonntag zurückkommen. Sie hatte ihn gebeten, genügend Getränke zu besorgen. Säfte. Bitte Bio. Keine Cola. Die beiden Söhne wollten das Wochenende nicht im Internat verbringen. Sie würden am Freitag abend kommen. Heute war Donnerstag. Heute konnte Jan Vanderleyden, wie meistens, nach Hause kommen, wann er wollte. Und er wollte noch nicht. Er arbeitete gern.
Der wirklich unangenehme Typ war der Autobesitzer gewesen. Seine Aufregung über den gestohlenen Wagen wirkte ebenso unecht wie sein Stolz, als der Wagen hundert Kilometer vom Ort des Diebstahls vor einer Imbißbude geortet werden konnte.
Leute, die sich Luxuslimousinen kauften, mochte Jan Vanderleyden nicht. Durchaus vorstellbar, daß Versicherungsbetrug dahintersteckte. Alle hackten auf der Ostblockmafia herum. Es wäre zu schön, wenn es sich um einen Ring von durchweg deutschen Schnöseln handeln würde, die sich ihre vollversicherten Neuwagen von polnischen Ganoven klauen lassen, um bei der Versicherung zu kassieren. Vielleicht war Marek eine kleine miese Nummer in einem großen Netzwerk. Es gab Hinweise, daß die Diebe als Gegenleistung die Autobesitzer mit frisch und illegal aus den Ostländern eingeschleusten Mädchen für den Aufwand entschädigten, der allein darin bestand, den Schaden anzuzeigen und bei der Versicherung zu melden.
Jan Vanderleyden war mit Anfang Vierzig als Richter am Amtsgericht gut im Rennen. Er war Realist. Aber auch Realisten haben Träume. Seine Karriere war nicht steil verlaufen, aber immer schön stetig nach oben gegangen, und es gab Aussichten, noch ein gutes Stück höher zu kommen. Präsident des Landgerichts in näherer Zukunft, das war nicht utopisch. Auch Oberlandesgericht war denkbar. Die Universitätskarriere hatte er verpaßt.
Irgendwann mußte Schluß sein mit diesen kleinen Gerichtssälen, diesem stumpfsinnigen Verhandlungsritual, diesen ewigen Belehrungen der Befragten, die die Wahrheit und nichts als die Wahrheit sagen sollten. Vielleicht kam auch ein Posten im Ministerium in Frage. Die brauchten auch immer mal einen Richter ohne Parteibuch. Wenn er noch zwei oder drei Jahre hier weiter an der Front arbeitete, könnte es soweit sein.
Zwischen all dem straf- und zivilrechtlichen Alltagsdreck wie Fahrerfluchten, Steuerhinterziehungen, Scheidungen, Kündigungsklagen gab es immerhin auch Gerichtsverfahren, bei denen man als ehrgeiziger Richter Gelegenheit hatte, mit geschickter Verhandlungsführung zu glänzen und mit unerwarteten Urteilen aufzufallen.
Daß er vor einiger Zeit einem Baulöwen zwei Jahre Haft ohne Bewährung aufbrummen konnte, obwohl einflußreiche Freunde von ihm im Stadtrat saßen, war von der Presse mit Hochachtung und von den Kollegen mit Staunen bemerkt worden. So perfekt war das Urteil, daß es im Berufungsverfahren voll bestätigt wurde. Ein stiller Triumph. Gar nicht still war vor Jahren der Streit Frauenhaus gegen Stadtverwaltung verlaufen. Das war damals durch alle Zeitungen gegangen. Der konservative Stadtrat hatte dem Frauenhaus die Mittel streichen wollen, weil er kein Frauenhaus haben wollte. Weil er keine Lust hatte auf eine Villa in bester Lage voller von ihren Männern traktierter Frauen. Weil diese Frauen heute nicht mehr aussahen wie mitleiderregende Madgalenen und von Dr. Heinrich Faust verführte und geschwängerte und dann doch noch gerettete Gretchen, sondern wie Besucherinnen von Rockkonzerten, die mit offenem Mund Kaugummi kauten. Nach Jan Vanderleydens unanfechtbarem Donnerurteil mußte die Stadt das Frauenhaus noch höher bezuschussen als zuvor.
Dieses Urteil hatte ihn ein paar Wochen lang zum Liebling aufgeschlossener Frauenzeitschriften werden lassen. So hatte er Elisa kennengelernt. Elisa, den Liebling der Nation und all ihrer Frauenzeitschriften, der Liebling eines Fernsehmillionenpublikums, mehrfach mit dem Titel "Schauspielerin des Jahres" gekürt. Als sie auf einem Höhepunkt ihrer Karriere, dem ständig weitere Höhepunkte folgten, einen aufrechten aber doch unglamourösen Richter heiratete, machte sie das noch beliebter und für die alle halbwegs feministischen Frauen und Männer endgültig zu einer der ihren. Zwei Söhne hatte sie mit in die Ehe gebracht, Alex und Elias. Irgendwann würden auch diese Faulenzer ihr Abitur schaffen, die nach Ansicht von Elisa wenigstens am Wochenende keine Cola und kein Fastfood zu sich nehmen sollten.
Es war an der Zeit, wieder einmal mit einem schönen, sauberen Gerichtsverfahren in Erscheinung zu treten. Das war er sich und seiner Karriere schuldig. Das war er auch Elisa schuldig. Die Frau, über die ständig in der Presse berichtet wurde, auf deren Ansichten soviel Wert gelegt wurde, daß es in einer Frauenzeitschrift seit Jahren schon eine Rubrik "Elisas Nachttisch" gab, wo Elisa den Leserinnen mitteilte, welche Bücher stets griffbereit neben ihrem Bett lagen und in den Morgenstunden von ihr verschlungen wurden. Jan, der ihren Nachttisch kannte, auf dem nie etwas anderes zu sehen gewesen war als ein Glas Wasser, ein Wecker und eine Schachtel Kopfwehtabletten, hatte Elisa nie auf diesen Widerspruch hingewiesen. Es beruhigte ihn, daß Elisa weniger ideal war als ihr Image, an dem er nicht rühren wollte. Sie nannte ihn oft "Jan der Gerechte" oder "mein Apostel". Er litt ein wenig unter diesem neckischen Titel und wollte ihn nicht mit kritischen Hinweisen auf Elisas kleine Lügen bestätigen. Die Kinder nannten ihn, weil er gern Sport trieb, "Turnvater Jan".
Zwei Tage, nachdem Marek friedlich in seine Zelle gebracht worden war, vertiefte sich Jan Vanderleyden in einen seltsamen Brief, den Marek an seine Verlobte geschrieben hatte, und in deren ebenso seltsame Antwort.
Also doch! Also hatte der junge Staatsanwalt doch den richtigen Riecher gehabt! Beide Briefe waren hochgradig konfus, scheinbar ohne Sinn und Verstand abgefaßt, und das konnte doch nur bedeuten: Hier wurden getarnt kriminelle Informationen ausgetauscht. Marek legte Wert darauf, einen einfältigen Eindruck zu machen, war aber mit allen Wassern gewaschen. Offenbar versuchten er und seine Braut auf diese Weise, verschlüsselte Informationen auszutauschen. Wie gut, daß Jan mißtrauisch genug gewesen war und diese Briefe las. Manche Kollegen hielten das Kontrollieren der Korrespondenz der Untersuchungshäftlinge für pure Zeitverschwendung.
Das blanke Stehlen einer hochversicherten Luxuslimousine war eine strafbare Handlung, aber moralisch nicht besonders verwerflich. Mit so einem Edelauto wurde später der Geltungstrieb korrupter Ostblock-Mafiosi bedient, die so ohne Wartezeiten zu ihrem neuesten Mercedes-Modell kamen, aber geschädigt wurden weder die versicherten Besitzer noch die Versicherungen, die diese Auszahlungen in ihren Tarifen einkalkuliert hatten. Man konnte die Sache mit dem Witz abtun, daß für die Auftragsbücher der Autoindustrie und für deren Arbeitsplätze solche Diebstähle eher positiv waren. Aber nach diesen eigenartigen Briefen sprach einiges für die Vermutung des Staatsanwalts, Marek X könne möglicherweise nicht nur mit Autodiebstählen, sondern auch mit Drogenhandel und Menschenschmuggel zu tun haben, und da hörte der Spaß auf.
Jan Vanderleyden spürte, wie er wieder einmal nach einem Sieg über das Böse, Verkommene, Korrupte dürstete. Deswegen war er schließlich Richter geworden. Man vergaß das Ideal im Gerichtsalltag. Er freute sich, daß ihm dieses Ideal noch etwas bedeutete. Er freute sich über seine Träume von der Gerechtigkeit und über seine Eitelkeit. Alles Lebenszeichen. Er wollte wieder einmal in der Zeitung lesen, daß die Welt ein Morast sei, daß man aber nicht alle Hoffnung aufgeben müsse, solange es einen Richter wie Jan Vanderleyden gäbe, der mit seinem harten und gerechten Urteil einen dieser Sümpfe trockengelegt habe. Dazu das Photo einer ganzen Gruppe von Luxuslimousinenkriminellen, die in Handschellen abgeführt werden und gebückt in den Bus steigen, der sie in die Haftanstalt fahren wird.
Jan wollte es seiner berühmten Frau zeigen. Ein schallendes Gerichtsurteil war etwas anderes als dieses Empfehlen von Büchern, die man nicht gelesen hatte. Noch gab es nichts als den Verdacht. Noch konnte Marek, der selbsternannte Probefahrer eines 150-Tausend-Euro-Schlittens, dem es immerhin gelungen war, die elektronische Wegfahrsperre auszuschalten, auch ein Einzeltäter sein. Doch wenn man diese Briefe mit den Vermutungen der Staatsanwaltschaft verglich, dann konnte man nicht mehr ausschließen, mit diesem Untersuchungshäftling das Ende eines Fadens in der Hand zu halten, an dem sich mit Glück und Ermittlungsgeschick sehr viel Dreck zutage fördern lassen würde. Wenn nicht alles täuschte, war hier nicht nur Hehlerei und Versicherungsbetrug in großem Ausmaß im Spiel, sondern sogar Handel mit Frauen und Internetpornographie. Einige Stellen in diesen Briefen schienen darauf hinzudeuten. Und wenn es etwas gab, das Jan der Gerechte haßte und bekämpfen wollte, dann war es Internetpornographie und moderne Frauenversklavung. Keine Gnade! In den Kerker mit den Bestien. In diesem Punkt herrschte zwischen ihm und Elisa eine geradezu heilige Einigkeit.
Dieser Schlag gegen die Schweinerei wäre auch ein Geschenk für Elisa.
Elisa hatte immer weniger Zeit für ihn und die Familie. Dabei versuchte sie nicht ungeschickt, Jan weiszumachen, daß er es sei, der zuwenig Zeit für sie habe. Das war nicht richtig, aber Jan nahm den Vorwurf stellvertretend für all die Männer an, für den er gelten mochte. Frauen, fanden Frauen wie Elisa, und das fand auch Jan, waren noch immer maßlos benachteiligt Männer nahmen ihnen die Jobs weg, hatten keine Zeit für sie und waren schwanzfixiert. Nieder mit der Phallokratie.
Die polnischen Originalbriefe hatten übersetzt werden müssen, von einer liebenswerten 85jährigen ehemaligen Warschauer Ballerina, die immer noch Chopin spielen konnte und die vom Gericht beschäftigt wurde, wenn es Bedarf an polnischen Übersetzungen gab. Ihr Familienname war im Gegensatz zu Mareks leicht auszusprechen: Pisareva. Sie wurde aber nur "Ballerina" genannt. Das kam Jan entgegen, der sich auch eingängigere Namen schlecht merken konnte und dazu neigte, das polnische Pisareva zu einem eher italienischen Pisavera zu verdrehen.
Die Ballerina war nicht taub, nicht lahm, nicht blind. Das Inbild der Hoffnung auf ein Alter in Würde und Rüstigkeit. Rauchend ohne Raucherbeine und Lungenkrebs. Neben ihrer polnischen Muttersprache konnte sie Russisch, Tschechisch, Slowakisch - und wenn polnische, russische, tschechische oder slowakische Tatverdächtige vernommen wurden, zogen Gericht und Staatsanwaltschaft die Ballerina als Dolmetscherin hinzu. Es gab Stimmen, die ihre Übersetzerqualitäten in Frage stellten, aber ihre Dienste waren vergleichsweise billig, und auch ein Gericht sollte sparen. Sie hatte immer Zeit und stand wie ein Notarzt auch für einen plötzlichen Termin zur Verfügung. Sie rauchte, was zwar in den meisten Räumen des Gerichts nicht erlaubt war, aber einer älteren Dame konnte man das nicht verbieten. Auch bot sie den Beschuldigten und Verdächtigten Zigaretten an und löste mit dieser Geste häufig ihre Zungen. Nach dem Kriegsende hatte es sie als junge Frau 1945 in den Westen verschlagen, hier war sie jahrzehntelang Sekretärin eines mittelständischen Unternehmers gewesen, hier war sie Bridge und Chopin spielend alt geworden. Je durchlässiger die Grenzen zu den Ostblockstaaten geworden waren, desto mehr Kriminelle aus ehemaligen Ostblockländern es gab, um so mehr hatte die Ballerina zu tun. Zu ihrer Rente verdiente sie gut dazu.
Sie war schon bei Jan und Elisa zu Gast gewesen. Als Elisa von ihr gehört hatte, hatte sie auf eine Einladung gedrungen. Elisa war eine starke Frau, und sie interessierte sich für andere starke Frauen. Es gab schließlich nicht nur blöde, sondern auch gute Frauenzeitschriften und gute Fernsehtalkshows, und da konnten gar nicht genug starke Frauen vorgestellt werden. Frauen mit Geschichte. Frauen, von denen man lernen konnte. Elisa war begeistert von der Ballerina: Was für eine originelle und respektable Erscheinung. Sie hatte den Charme und das dunkle Geheimnis einer Emigrantin. Man hätte sich nicht gewundert, wenn es da eine Vergangenheit im Warschauer Ghetto gegeben hätte, über die sie nicht sprechen wollte. "Vielleicht war sie Widerstandskämpferin", flüsterte Elisa, als die Ballerina sich auf der Toilette die Lippen nachzog, wagte aber nicht nachzufragen. Der Abend war zu angenehm, um an alten Wunden zu rühren. Elisa kannte jeden seriösen Fernsehlieblingstalkmaster und erst recht jede seriöse Fernsehlieblingstalkmasterin, und natürlich jede seriöse Frauenzeitschriftenchefredakteurin der Nation. Als sie die Ballerina fragte, höflich, aber eine Spur zu laut für eine nicht schwerhörige Frau, ob sie Lust habe auf eine Einladung zu einer Talkshow, die sie ihr vermitteln könnte, wehrte die Ballerina brüsk ab. Als die Ballerina ging, entzog sie sich streng Elisas Küssen, was diese aber nur toll fand. Wie stolz! Wie unvereinnehmbar, die alte Dame!Für Irritationen hatte dann eine Gerichtsreferendarin gesorgt. Die Ballerina war zum Dolmetschen eines wegen Vergewaltigung angeklagten russischen Zuhälters bei strömendem Regen ins Gericht gekommen, und als sie ihren tropfenden Schirm ausschüttelte und die durchsichtigen Plastik-Überstiefelchen abstreifte, die schon seit Jahrzehnten aus dem Straßenbild verschwunden waren, sagte sie, während sie zu ihrer Zigarettenschachtel griff: "Kinder, das regnet ja wie auf den toten Juden."
Jan staunte: "Sie kennen Malcolm X?"
"Logo", sagte Marek, "Neger."
Jan zuckte zusammen und erklärte kurz, daß der Freiheitskämpfer der Afroamerikaner nicht nur ein Held, sondern auch ein Krimineller gewesen war. "Leider!"
"Weiß das, Chef", sagte Marek.
Die beiden Polizisten sahen auf die Uhr.
"Sie kommen in Untersuchungshaft, weil wir Ihnen die Probefahrt nicht glauben", sagte Jan, "der Staatsanwalt wird eine Klageschrift vorlegen."
Marek hörte nicht zu oder verstand nicht. Wie sollte er Worte wie "dringender Tatverdacht" und "Verdunkelungsgefahr" verstehen. Ein Rechtsanwalt interessierte ihn offenbar nicht. "Bitte Briefpapier", sagte er.
Jan war korrekt. Er klärte ihn auf: "Ich bin Ihr Richter. Untersuchungsrichter. Ermittlungsrichter. Sie können schreiben, soviel Sie wollen. Briefe, die Sie schreiben, und Briefe, die Sie bekommen, werden von mir gelesen. Kontrolle. Verstehen Sie. Zensur." Er lächelte, um das Diktaturenwort abzumildern.
"Kontrolle egal", sagte Marek. Er trug immer noch Handschellen. Als Jan Vanderleyden an dieses Gericht kam, damals aus dem Justizministerium ohne große Praxiserfahrung, hatte er eingeführt, daß Tatverdächtigen, die man ihm vorführte, diese entwürdigenden Handschellen abgenommen wurden. Prompt hatte ein Dealer den freundlichen, pensionsreifen Streifenbeamten mit einem Schlag zu Boden gestreckt und war am fassungslosen Jan vorbei aus dem Fenster des ersten Stocks auf ein Garagendach gesprungen. Erst österreichische Kollegen schnappten ihn Wochen später an der Grenze zu Slowenien. Seitdem wurden ihm die Festgenommenen wieder in den üblichen Handschellen vorgeführt. "Nehmen Sie Herrn Marek X die Handschellen ab", sagte Jan zu den erstaunten Polizisten, "ich verantworte das."
Marek war nicht aus dem Fenster gesprungen. Er hatte die Polizisten nicht niedergeschlagen. Er hatte höflich gedankt, und Jan konnte sich plötzlich vorstellen, ihn in seiner Zelle zu besuchen und eine Partie Schach mit ihm zu spielen.
Es klopfte an der Tür.
"Herein!"
Es war Valerie. Neu hier auf der Geschäftsstelle, und wie es aussah, eine echte Verwaltungsperle. Sie hieß mit Nachnamen Tugendreich, aber "Frau Tugendreich, das muß nicht sein, wenn man als Sekretärin bei einem Gericht arbeitet", hatte sie gesagt.
"Es ist fünf. Ich gehe, brauchen Sie mich noch?" fragte sie jetzt.
Jan schüttelte den Kopf.
"Ade", sagte Valerie. Sie sagte nicht "tschüß", nicht "ciao", nicht "auf Wiedersehen", nicht "bis morgen dann" und auch nicht "schönen Abend noch". Ade - drei simple, sympathische, überzeugende Buchstaben.
Seitdem Valerie hier war und "Ade" sagte, hatte Jan Vanderleyden auch Lust, "Ade" zu sagen. Anfangs hatte er es sich verkniffen. Es kam ihm äffisch vor. Es war die Grußformel einer Geschäftsstellenverwalterin, wie das auf Amtsdeutsch hieß. Diese Grußformel zu übernehmen, hatte etwas Anbiederndes. Aber es hatte auch etwas Entgegenkommendes. Als ihm das einfiel, sagte auch Jan Vanderleyden "Ade". Selbst seine Frau Elisa hatte angefangen, ihr affektiert gedehntes, schickeriahaftes, pseudo-originalitalienisches "ciao" durch das südwestdeutsche "Ade" zu ersetzen.
Elisa würde erst am Sonntag zurückkommen. Sie hatte ihn gebeten, genügend Getränke zu besorgen. Säfte. Bitte Bio. Keine Cola. Die beiden Söhne wollten das Wochenende nicht im Internat verbringen. Sie würden am Freitag abend kommen. Heute war Donnerstag. Heute konnte Jan Vanderleyden, wie meistens, nach Hause kommen, wann er wollte. Und er wollte noch nicht. Er arbeitete gern.
Der wirklich unangenehme Typ war der Autobesitzer gewesen. Seine Aufregung über den gestohlenen Wagen wirkte ebenso unecht wie sein Stolz, als der Wagen hundert Kilometer vom Ort des Diebstahls vor einer Imbißbude geortet werden konnte.
Leute, die sich Luxuslimousinen kauften, mochte Jan Vanderleyden nicht. Durchaus vorstellbar, daß Versicherungsbetrug dahintersteckte. Alle hackten auf der Ostblockmafia herum. Es wäre zu schön, wenn es sich um einen Ring von durchweg deutschen Schnöseln handeln würde, die sich ihre vollversicherten Neuwagen von polnischen Ganoven klauen lassen, um bei der Versicherung zu kassieren. Vielleicht war Marek eine kleine miese Nummer in einem großen Netzwerk. Es gab Hinweise, daß die Diebe als Gegenleistung die Autobesitzer mit frisch und illegal aus den Ostländern eingeschleusten Mädchen für den Aufwand entschädigten, der allein darin bestand, den Schaden anzuzeigen und bei der Versicherung zu melden.
Jan Vanderleyden war mit Anfang Vierzig als Richter am Amtsgericht gut im Rennen. Er war Realist. Aber auch Realisten haben Träume. Seine Karriere war nicht steil verlaufen, aber immer schön stetig nach oben gegangen, und es gab Aussichten, noch ein gutes Stück höher zu kommen. Präsident des Landgerichts in näherer Zukunft, das war nicht utopisch. Auch Oberlandesgericht war denkbar. Die Universitätskarriere hatte er verpaßt.
Irgendwann mußte Schluß sein mit diesen kleinen Gerichtssälen, diesem stumpfsinnigen Verhandlungsritual, diesen ewigen Belehrungen der Befragten, die die Wahrheit und nichts als die Wahrheit sagen sollten. Vielleicht kam auch ein Posten im Ministerium in Frage. Die brauchten auch immer mal einen Richter ohne Parteibuch. Wenn er noch zwei oder drei Jahre hier weiter an der Front arbeitete, könnte es soweit sein.
Zwischen all dem straf- und zivilrechtlichen Alltagsdreck wie Fahrerfluchten, Steuerhinterziehungen, Scheidungen, Kündigungsklagen gab es immerhin auch Gerichtsverfahren, bei denen man als ehrgeiziger Richter Gelegenheit hatte, mit geschickter Verhandlungsführung zu glänzen und mit unerwarteten Urteilen aufzufallen.
Daß er vor einiger Zeit einem Baulöwen zwei Jahre Haft ohne Bewährung aufbrummen konnte, obwohl einflußreiche Freunde von ihm im Stadtrat saßen, war von der Presse mit Hochachtung und von den Kollegen mit Staunen bemerkt worden. So perfekt war das Urteil, daß es im Berufungsverfahren voll bestätigt wurde. Ein stiller Triumph. Gar nicht still war vor Jahren der Streit Frauenhaus gegen Stadtverwaltung verlaufen. Das war damals durch alle Zeitungen gegangen. Der konservative Stadtrat hatte dem Frauenhaus die Mittel streichen wollen, weil er kein Frauenhaus haben wollte. Weil er keine Lust hatte auf eine Villa in bester Lage voller von ihren Männern traktierter Frauen. Weil diese Frauen heute nicht mehr aussahen wie mitleiderregende Madgalenen und von Dr. Heinrich Faust verführte und geschwängerte und dann doch noch gerettete Gretchen, sondern wie Besucherinnen von Rockkonzerten, die mit offenem Mund Kaugummi kauten. Nach Jan Vanderleydens unanfechtbarem Donnerurteil mußte die Stadt das Frauenhaus noch höher bezuschussen als zuvor.
Dieses Urteil hatte ihn ein paar Wochen lang zum Liebling aufgeschlossener Frauenzeitschriften werden lassen. So hatte er Elisa kennengelernt. Elisa, den Liebling der Nation und all ihrer Frauenzeitschriften, der Liebling eines Fernsehmillionenpublikums, mehrfach mit dem Titel "Schauspielerin des Jahres" gekürt. Als sie auf einem Höhepunkt ihrer Karriere, dem ständig weitere Höhepunkte folgten, einen aufrechten aber doch unglamourösen Richter heiratete, machte sie das noch beliebter und für die alle halbwegs feministischen Frauen und Männer endgültig zu einer der ihren. Zwei Söhne hatte sie mit in die Ehe gebracht, Alex und Elias. Irgendwann würden auch diese Faulenzer ihr Abitur schaffen, die nach Ansicht von Elisa wenigstens am Wochenende keine Cola und kein Fastfood zu sich nehmen sollten.
Es war an der Zeit, wieder einmal mit einem schönen, sauberen Gerichtsverfahren in Erscheinung zu treten. Das war er sich und seiner Karriere schuldig. Das war er auch Elisa schuldig. Die Frau, über die ständig in der Presse berichtet wurde, auf deren Ansichten soviel Wert gelegt wurde, daß es in einer Frauenzeitschrift seit Jahren schon eine Rubrik "Elisas Nachttisch" gab, wo Elisa den Leserinnen mitteilte, welche Bücher stets griffbereit neben ihrem Bett lagen und in den Morgenstunden von ihr verschlungen wurden. Jan, der ihren Nachttisch kannte, auf dem nie etwas anderes zu sehen gewesen war als ein Glas Wasser, ein Wecker und eine Schachtel Kopfwehtabletten, hatte Elisa nie auf diesen Widerspruch hingewiesen. Es beruhigte ihn, daß Elisa weniger ideal war als ihr Image, an dem er nicht rühren wollte. Sie nannte ihn oft "Jan der Gerechte" oder "mein Apostel". Er litt ein wenig unter diesem neckischen Titel und wollte ihn nicht mit kritischen Hinweisen auf Elisas kleine Lügen bestätigen. Die Kinder nannten ihn, weil er gern Sport trieb, "Turnvater Jan".
Zwei Tage, nachdem Marek friedlich in seine Zelle gebracht worden war, vertiefte sich Jan Vanderleyden in einen seltsamen Brief, den Marek an seine Verlobte geschrieben hatte, und in deren ebenso seltsame Antwort.
Also doch! Also hatte der junge Staatsanwalt doch den richtigen Riecher gehabt! Beide Briefe waren hochgradig konfus, scheinbar ohne Sinn und Verstand abgefaßt, und das konnte doch nur bedeuten: Hier wurden getarnt kriminelle Informationen ausgetauscht. Marek legte Wert darauf, einen einfältigen Eindruck zu machen, war aber mit allen Wassern gewaschen. Offenbar versuchten er und seine Braut auf diese Weise, verschlüsselte Informationen auszutauschen. Wie gut, daß Jan mißtrauisch genug gewesen war und diese Briefe las. Manche Kollegen hielten das Kontrollieren der Korrespondenz der Untersuchungshäftlinge für pure Zeitverschwendung.
Das blanke Stehlen einer hochversicherten Luxuslimousine war eine strafbare Handlung, aber moralisch nicht besonders verwerflich. Mit so einem Edelauto wurde später der Geltungstrieb korrupter Ostblock-Mafiosi bedient, die so ohne Wartezeiten zu ihrem neuesten Mercedes-Modell kamen, aber geschädigt wurden weder die versicherten Besitzer noch die Versicherungen, die diese Auszahlungen in ihren Tarifen einkalkuliert hatten. Man konnte die Sache mit dem Witz abtun, daß für die Auftragsbücher der Autoindustrie und für deren Arbeitsplätze solche Diebstähle eher positiv waren. Aber nach diesen eigenartigen Briefen sprach einiges für die Vermutung des Staatsanwalts, Marek X könne möglicherweise nicht nur mit Autodiebstählen, sondern auch mit Drogenhandel und Menschenschmuggel zu tun haben, und da hörte der Spaß auf.
Jan Vanderleyden spürte, wie er wieder einmal nach einem Sieg über das Böse, Verkommene, Korrupte dürstete. Deswegen war er schließlich Richter geworden. Man vergaß das Ideal im Gerichtsalltag. Er freute sich, daß ihm dieses Ideal noch etwas bedeutete. Er freute sich über seine Träume von der Gerechtigkeit und über seine Eitelkeit. Alles Lebenszeichen. Er wollte wieder einmal in der Zeitung lesen, daß die Welt ein Morast sei, daß man aber nicht alle Hoffnung aufgeben müsse, solange es einen Richter wie Jan Vanderleyden gäbe, der mit seinem harten und gerechten Urteil einen dieser Sümpfe trockengelegt habe. Dazu das Photo einer ganzen Gruppe von Luxuslimousinenkriminellen, die in Handschellen abgeführt werden und gebückt in den Bus steigen, der sie in die Haftanstalt fahren wird.
Jan wollte es seiner berühmten Frau zeigen. Ein schallendes Gerichtsurteil war etwas anderes als dieses Empfehlen von Büchern, die man nicht gelesen hatte. Noch gab es nichts als den Verdacht. Noch konnte Marek, der selbsternannte Probefahrer eines 150-Tausend-Euro-Schlittens, dem es immerhin gelungen war, die elektronische Wegfahrsperre auszuschalten, auch ein Einzeltäter sein. Doch wenn man diese Briefe mit den Vermutungen der Staatsanwaltschaft verglich, dann konnte man nicht mehr ausschließen, mit diesem Untersuchungshäftling das Ende eines Fadens in der Hand zu halten, an dem sich mit Glück und Ermittlungsgeschick sehr viel Dreck zutage fördern lassen würde. Wenn nicht alles täuschte, war hier nicht nur Hehlerei und Versicherungsbetrug in großem Ausmaß im Spiel, sondern sogar Handel mit Frauen und Internetpornographie. Einige Stellen in diesen Briefen schienen darauf hinzudeuten. Und wenn es etwas gab, das Jan der Gerechte haßte und bekämpfen wollte, dann war es Internetpornographie und moderne Frauenversklavung. Keine Gnade! In den Kerker mit den Bestien. In diesem Punkt herrschte zwischen ihm und Elisa eine geradezu heilige Einigkeit.
Dieser Schlag gegen die Schweinerei wäre auch ein Geschenk für Elisa.
Elisa hatte immer weniger Zeit für ihn und die Familie. Dabei versuchte sie nicht ungeschickt, Jan weiszumachen, daß er es sei, der zuwenig Zeit für sie habe. Das war nicht richtig, aber Jan nahm den Vorwurf stellvertretend für all die Männer an, für den er gelten mochte. Frauen, fanden Frauen wie Elisa, und das fand auch Jan, waren noch immer maßlos benachteiligt Männer nahmen ihnen die Jobs weg, hatten keine Zeit für sie und waren schwanzfixiert. Nieder mit der Phallokratie.
Die polnischen Originalbriefe hatten übersetzt werden müssen, von einer liebenswerten 85jährigen ehemaligen Warschauer Ballerina, die immer noch Chopin spielen konnte und die vom Gericht beschäftigt wurde, wenn es Bedarf an polnischen Übersetzungen gab. Ihr Familienname war im Gegensatz zu Mareks leicht auszusprechen: Pisareva. Sie wurde aber nur "Ballerina" genannt. Das kam Jan entgegen, der sich auch eingängigere Namen schlecht merken konnte und dazu neigte, das polnische Pisareva zu einem eher italienischen Pisavera zu verdrehen.
Die Ballerina war nicht taub, nicht lahm, nicht blind. Das Inbild der Hoffnung auf ein Alter in Würde und Rüstigkeit. Rauchend ohne Raucherbeine und Lungenkrebs. Neben ihrer polnischen Muttersprache konnte sie Russisch, Tschechisch, Slowakisch - und wenn polnische, russische, tschechische oder slowakische Tatverdächtige vernommen wurden, zogen Gericht und Staatsanwaltschaft die Ballerina als Dolmetscherin hinzu. Es gab Stimmen, die ihre Übersetzerqualitäten in Frage stellten, aber ihre Dienste waren vergleichsweise billig, und auch ein Gericht sollte sparen. Sie hatte immer Zeit und stand wie ein Notarzt auch für einen plötzlichen Termin zur Verfügung. Sie rauchte, was zwar in den meisten Räumen des Gerichts nicht erlaubt war, aber einer älteren Dame konnte man das nicht verbieten. Auch bot sie den Beschuldigten und Verdächtigten Zigaretten an und löste mit dieser Geste häufig ihre Zungen. Nach dem Kriegsende hatte es sie als junge Frau 1945 in den Westen verschlagen, hier war sie jahrzehntelang Sekretärin eines mittelständischen Unternehmers gewesen, hier war sie Bridge und Chopin spielend alt geworden. Je durchlässiger die Grenzen zu den Ostblockstaaten geworden waren, desto mehr Kriminelle aus ehemaligen Ostblockländern es gab, um so mehr hatte die Ballerina zu tun. Zu ihrer Rente verdiente sie gut dazu.
Sie war schon bei Jan und Elisa zu Gast gewesen. Als Elisa von ihr gehört hatte, hatte sie auf eine Einladung gedrungen. Elisa war eine starke Frau, und sie interessierte sich für andere starke Frauen. Es gab schließlich nicht nur blöde, sondern auch gute Frauenzeitschriften und gute Fernsehtalkshows, und da konnten gar nicht genug starke Frauen vorgestellt werden. Frauen mit Geschichte. Frauen, von denen man lernen konnte. Elisa war begeistert von der Ballerina: Was für eine originelle und respektable Erscheinung. Sie hatte den Charme und das dunkle Geheimnis einer Emigrantin. Man hätte sich nicht gewundert, wenn es da eine Vergangenheit im Warschauer Ghetto gegeben hätte, über die sie nicht sprechen wollte. "Vielleicht war sie Widerstandskämpferin", flüsterte Elisa, als die Ballerina sich auf der Toilette die Lippen nachzog, wagte aber nicht nachzufragen. Der Abend war zu angenehm, um an alten Wunden zu rühren. Elisa kannte jeden seriösen Fernsehlieblingstalkmaster und erst recht jede seriöse Fernsehlieblingstalkmasterin, und natürlich jede seriöse Frauenzeitschriftenchefredakteurin der Nation. Als sie die Ballerina fragte, höflich, aber eine Spur zu laut für eine nicht schwerhörige Frau, ob sie Lust habe auf eine Einladung zu einer Talkshow, die sie ihr vermitteln könnte, wehrte die Ballerina brüsk ab. Als die Ballerina ging, entzog sie sich streng Elisas Küssen, was diese aber nur toll fand. Wie stolz! Wie unvereinnehmbar, die alte Dame!Für Irritationen hatte dann eine Gerichtsreferendarin gesorgt. Die Ballerina war zum Dolmetschen eines wegen Vergewaltigung angeklagten russischen Zuhälters bei strömendem Regen ins Gericht gekommen, und als sie ihren tropfenden Schirm ausschüttelte und die durchsichtigen Plastik-Überstiefelchen abstreifte, die schon seit Jahrzehnten aus dem Straßenbild verschwunden waren, sagte sie, während sie zu ihrer Zigarettenschachtel griff: "Kinder, das regnet ja wie auf den toten Juden."
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Autoren-Porträt von Joseph von Westphalen
Joseph von Westphalen, geboren 1945, studierte Germanistik und Kunstgeschichte. Er lebt als freier Schriftsteller, Jazzpianist und Journalist in München.
Bibliographische Angaben
- Autor: Joseph von Westphalen
- 2005, 1, 254 Seiten, Maße: 14 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: BTB
- ISBN-10: 3442751020
- ISBN-13: 9783442751020
Rezension zu „Die Memoiren meiner Frau “
"Frivol, frech, bei aller Unverschämtheit auch ein bisschen wehmütig und sogar ein bisschen weise." (Frankfurter Allgemeine Zeitung)
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