Die Mystikerin
Hildegard von Bingen
Mit ihrem faszinierenden Roman hat Gabriele Göbel einer einzartigen Frau nachgespürt: Hildegard von Bingen.
An Allerheiligen des Jahres 1106 wird das Mädchen Hildegard auf den Disibodenberg bei Bingen geführt. Dort, wo einst irische...
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Produktinformationen zu „Die Mystikerin “
Mit ihrem faszinierenden Roman hat Gabriele Göbel einer einzartigen Frau nachgespürt: Hildegard von Bingen.
An Allerheiligen des Jahres 1106 wird das Mädchen Hildegard auf den Disibodenberg bei Bingen geführt. Dort, wo einst irische Mönche ein Kloster bauten, soll die kränkliche Hildegard ihr Leben Gott weihen.
Lese-Probe zu „Die Mystikerin “
Die Mystikerin von Gabrielle Göbel3
Ein verschlossener Garten ist meine Freundin
Auch der Mönch Volmar erlebte das Duftphänomen. Ja, er roch es auch, das Wölkchen, welches der Gruft Jutta von Sponheims entwich. Ein blumiger Duft nach Lavendel, fand Volmar. Andere erinnerte es an Hyazinthen oder reife Äpfel. So verschieden empfanden die Sinne der Brüder. Wahrhaftig, der Mensch war Mitschöpfer seiner Welt, ganz so, wie Hildegard es ihre Zöglinge lehrte. Schon bei der rituellen Fußwaschung am ersten Samstag nach der Beisetzung unter dem Kapitelsaal hatten die Mönche jenen aromatischen Wohlgeruch wahrgenommen, der sie entzückte und erschauern ließ und der seither immer wieder entstanden war. Man könne seinen sündigen menschlichen Körper nicht durch solch himmlischen Duft bewegen, sagten sie; mancher Fuß sträubte sich gar, über die Grabplatte hinwegzugehen. Zu Mariä Lichtmeß sollte die Heilige nun zum Marienaltar an die Südseite der Kirche umgebettet werden. Doch noch ein anderer Gedanke beschäftigte Volmar. Wenn er nur diese Pergamentrolle nicht verloren hätte! In der Schreibstube hatte er sie vergebens gesucht und auch in der Bibliothek, wo sie leicht zwischen die anderen Schriften hätte geraten sein können. Er mußte seine Aufzeichnungen unbedingt wiederfinden, bevor sie womöglich unter den Brüdern kursierten, denn wer sie las, würde wissen, daß Volmar, der Propst, heimlich an einer Vita arbeitete, in die er mehr Zeit und Gefühl investierte als in die Zusammenstellung der Klosterannalen, mit der er eigentlich beauftragt war. Nun gut, er würde noch ein zweites Mal im Lesegang nachsehen; das war seine letzte Hoffnung. Schon eilte er die abgetretenen Stufen hinunter, verfing sich beinah in seiner Kutte. Was er dann sah, trieb ihm die Röte ins Gesicht. Die
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Brüder Arnold und Lothar saßen auf der Sitzbank, die vor kurzem noch Volmar eingenommen hatte, und lasen einander abwechselnd aus seinem Manuskript vor. Lothar zitierte soeben das beschämende Spottlied, mit dem die Kreuzritter im Jahre 1099 die Eroberung Jerusalems gefeiert haben sollten, als sie bis zu den Knöcheln im Blut ihrer Gegner wateten, wie die Legende prahlte. Stoßt sie in Feuersgluten! Oh, jauchzet auf, ihr Guten, dieweil die Bösen bluten - Jerusalem, frohlocke! Bruder Arnold hörte kaum hin, nickte nur zerstreut, denn er ließ sich gerade genüßlich die ersten Sätze aus Volmars Vita Hildegardis auf der Zunge zergehen. »Ein Kind des Sommers ist sie, eine Sonnengeborene des Jahres 1098 im Aranmonat, dem Monat der Fülle, der Ernte und des warmen Windes, ein federleichtes Kind, in zartester Jugend bereits dem Herrn als Zehnt dargebracht ... Er übersprang ein paar Zeilen und fügte dann mit seiner Diskantstimme hinzu: »Ihr Name bedeutet Ort des Kampfes.« »Dunkelblau ist die Farbe ihrer Augen, aschblond ihr Haar und edel gewölbt die hohe Stirn ...« Volmar stand immer noch wie erstarrt im Halbdunkel am Treppenabsatz. Wie sollte er sich verhalten? Er durfte nicht zulassen, daß die beiden seine heiligsten Texte entweihten. Unruhestifter waren sie, einer wie der andere! Was würde sie an seiner Stelle tun? Volmar wußte es nicht; ihr Humor ging ihm ab. Allenfalls konnte er es mit Hildegards Stoßgebet versuchen, mit ihrer magischen Formel, die sie ständig in ihrem Herzen trug, wie sie sagte.
»Herr, wie es dir gefällt«, flüsterte Volmar mehrmals hintereinander. Arnold zitierte derweil Textstellen aus dem Hohen Lied, die Volmar hier und da mit eingestreut hatte, da er die Poesie dieser Verse bewunderte. »Ein verschlossener Garten ist meine Freundin, ein versiegelter Quell! - Hört! Hört! « mokierte sich der Bruder. Herr wie es dir gefällt ... Augenblicke später rief die Glocke zur Non. Arnold rollte die Pergamente zusammen und wollte sie gerade im Ärmel seiner Kutte verschwinden lassen, als Volmar auf ihn zustürzte und sie ihm mit den Worten aus den Händen riß: »Genug! Hätte ich Wert auf euer Lektorat gelegt, hätte ich's euch wissen lassen!« »Demnach bist du der Verfasser dieser aufschlußreichen Betrachtungen?« erkundigte Arnold sich ebenso erstaunt wie scheinheilig. »Ob Abt Kuno weiß, was sein Propst außer den Annales Sancti Disibodi sonst noch so verzapft?« »Sei beruhigt. Morgen früh nach der Prim werde ich mich seinem Urteil und der Diskussion stellen.«
Liebevoll glättete Volmar sein Manuskript; nicht weniger liebevoll blies er über die Seiten hinweg, als könnte er mit seinem Atem die Spuren fremder Finger und dreister Blicke tilgen. Dann ging er rasch davon. In der Nacht, zwischen Wachen und Beten, rekapitulierte er, was er in den letzten beiden Tagen aus den Lektionen Hildegards an ihre Zöglinge behalten hatte. Als ihr Seelsorger und Ratgeber konnte Volmar im Frauenkonvent ein und aus gehen, wie es ihm beliebte, und er sehnte sich nach der Nähe dieser jungen Meisterin, wenn sie ihr Wissen weitergab, das sie außer ihrer eigenen Beobachtungsgabe offenbar göttlicher Eingebung verdankte.
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
© 2004 Aufbau Verlag GmbH & Co KG, Berlin (für die vorliegende,
durchgesehene Ausgabe)
»Herr, wie es dir gefällt«, flüsterte Volmar mehrmals hintereinander. Arnold zitierte derweil Textstellen aus dem Hohen Lied, die Volmar hier und da mit eingestreut hatte, da er die Poesie dieser Verse bewunderte. »Ein verschlossener Garten ist meine Freundin, ein versiegelter Quell! - Hört! Hört! « mokierte sich der Bruder. Herr wie es dir gefällt ... Augenblicke später rief die Glocke zur Non. Arnold rollte die Pergamente zusammen und wollte sie gerade im Ärmel seiner Kutte verschwinden lassen, als Volmar auf ihn zustürzte und sie ihm mit den Worten aus den Händen riß: »Genug! Hätte ich Wert auf euer Lektorat gelegt, hätte ich's euch wissen lassen!« »Demnach bist du der Verfasser dieser aufschlußreichen Betrachtungen?« erkundigte Arnold sich ebenso erstaunt wie scheinheilig. »Ob Abt Kuno weiß, was sein Propst außer den Annales Sancti Disibodi sonst noch so verzapft?« »Sei beruhigt. Morgen früh nach der Prim werde ich mich seinem Urteil und der Diskussion stellen.«
Liebevoll glättete Volmar sein Manuskript; nicht weniger liebevoll blies er über die Seiten hinweg, als könnte er mit seinem Atem die Spuren fremder Finger und dreister Blicke tilgen. Dann ging er rasch davon. In der Nacht, zwischen Wachen und Beten, rekapitulierte er, was er in den letzten beiden Tagen aus den Lektionen Hildegards an ihre Zöglinge behalten hatte. Als ihr Seelsorger und Ratgeber konnte Volmar im Frauenkonvent ein und aus gehen, wie es ihm beliebte, und er sehnte sich nach der Nähe dieser jungen Meisterin, wenn sie ihr Wissen weitergab, das sie außer ihrer eigenen Beobachtungsgabe offenbar göttlicher Eingebung verdankte.
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
© 2004 Aufbau Verlag GmbH & Co KG, Berlin (für die vorliegende,
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Autoren-Porträt von Gabriele Göbel
Bibliographische Angaben
- Autor: Gabriele Göbel
- 448 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828997759
- ISBN-13: 9783828997752
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