Die Sache mit Zwille
Er ist 12 und heißt Florian, aber zu Hause nennen sie ihn nur Floh. Niemand nimmt ihn für voll. Das will er um jeden Preis ändern. Also macht er bei Adlers Bande mit, als sie die Sachen
eines Landstreichers verbrennen. Doch Florian quält sein schlechtes...
eines Landstreichers verbrennen. Doch Florian quält sein schlechtes...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Sache mit Zwille “
Er ist 12 und heißt Florian, aber zu Hause nennen sie ihn nur Floh. Niemand nimmt ihn für voll. Das will er um jeden Preis ändern. Also macht er bei Adlers Bande mit, als sie die Sachen
eines Landstreichers verbrennen. Doch Florian quält sein schlechtes Gewissen. Da lernt er den rebellischen Zwille kennen, der bald schon sein bester Freund wird. Florian kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ihre Freundschaft jemals in Gefahr geraten könnte. Doch dann geschieht es doch: als Laura auftaucht, in die sie sich beide verlieben obwohl Florian eigentlich noch viel zu jung für sie ist... Ab 11.
eines Landstreichers verbrennen. Doch Florian quält sein schlechtes Gewissen. Da lernt er den rebellischen Zwille kennen, der bald schon sein bester Freund wird. Florian kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ihre Freundschaft jemals in Gefahr geraten könnte. Doch dann geschieht es doch: als Laura auftaucht, in die sie sich beide verlieben obwohl Florian eigentlich noch viel zu jung für sie ist... Ab 11.
Klappentext zu „Die Sache mit Zwille “
Er ist 12 und heißt Florian, aber zu Hause nennen sie ihn nur Floh. Niemand nimmt ihn für voll. Das will er um jeden Preis ändern, also macht er bei Adlers Bande mit, als sie die Sachen eines Landstreichers verbrennen. Doch Florian quält sein schlechtes Gewissen. Da lernt er Zwille kennen, der sein bester Freund wird: Zwille ist fast schon erwachsen, ein Einzelgänger, unangepasst und rebellisch. Die beiden sind unzertrennlich, bis sie sich in Laura verlieben. Dass Laura sich für Zwille entscheidet, hätte Florian noch verstanden, weil er viel zu jung für sie ist. Dass die beiden ihn zum Deppen machen, versteht er nicht. Zum Glück taucht da Maja auf, der er vertrauen kann ...
Lese-Probe zu „Die Sache mit Zwille “
Die Sache mit Zwille von Jan KoneffkeGroße Diebe, kleine Diebe
Es war ein Tag im April, als der verfluchte Wecker um sechs
Uhr morgens losrasselte.Verschlafen streckte ich meinen Arm
aus. Leider fand ich den Knopf nicht, mit dem sich das Mistding
ausstellen ließ, ich musste mich erst aus dem Bettzeug
strampeln und hockte schließlich frierend und schlecht gelaunt
auf der Bettkante. Vereinzelt zwinkerten Sterne in meine
Dachkammer, und am Horizont konnte ich einen blassroten
Streifen erkennen. Mir fiel wieder ein, warum ich um sechs
hatte aufstehen wollen: In der ersten Stunde schrieben wir
eine Mathearbeit, und in Mathe war ich ein Totalversager!
Ich schlurfte zum Waschbecken in der Ecke, starrte eine
Weile den Wasserstrahl an - und drehte den Hahn wieder zu.
Der Anblick des eiskalten Wassers reichte vollkommen aus,
um mich munter zu machen. Grimmig drehte ich mich zum
Mathebuch um, das auf dem Fensterbrett lag, als mir ein
Scheppern ans Ohr drang. Es musste vom Parkplatz vor unserem
Hotel kommen. Ich steckte den Kopf aus dem Dachzimmerfenster.
Richtig - im Halbdunkel entdeckte ich einen Hotelgast,
der einen schweren Sack über den sandigen Parkplatz
zu seinem Mercedes schleifte. Der Mann benahm sich auffallend
fahrig und drehte sich ständig zur Greifenburg um.
Vaters Hotel nannte sich Greifenburg wegen der beiden
Greifen am Giebel, die ins Mittagsblau oder den Seenebel
hackten. Mit aufrauschenden Schwingen und scharfem Schnabel
hockten sie auf dem Dach und machten einen bedrohlichen
Eindruck.Abschreckend auf Diebe wirkten sie allerdings
nicht. Das war wie bei unserem Wachhund Bobby, einem verwegen
aussehenden Mischling, ich glaube aus Boxer und Terrier
- meine Schwester Sabine behauptete dagegen, Bobby sei
bestenfalls eine Kreuzung aus Esel und Schaf.
... mehr
Unseren Wachhund Bobby zu nennen, das hatte sich Vater
einfallen lassen.Wie ein englischer Polizist sollte Bobby gleichzeitig
wachsam und freundlich sein. Dass er wachsam war,
konnte man Bobby nicht nachsagen. Er war nichts als freundlich,
beschnupperte schwanzwedelnd Hinz und Kunz und ließ
sich kinderleicht mit einem Knochen bestechen.
Freilich konnte er in seinem Zwinger ohnehin nichts gegen
Diebe ausrichten, die sich bereits im Hotel befanden. Und in
der Greifenburg wimmelte es von Dieben. Sie vergriffen sich
an Vaters Kerzenhaltern aus massivem Silber samt Dochtabschneidern.
Sie stibitzten Serviettenringe und Zuckerdosen.
Mal kam ein Kristallglas abhanden, mal verschwanden auf einen
Schlag sechs unserer versilberten Obstmesser mit Perlmuttgriff.
Ohne von den Putzfrauen bemerkt zu werden, verging
sich ein Gast an den verzierten Messingklinken im zweiten
Stock und schraubte sie ab. Mit unseren klappernden
Klinken im Koffer bezahlte er gut gelaunt am Empfang seine
Rechnung und suchte das Weite. Manchmal konnte man meinen,
es gäbe ein Magnetfeld im See, das Silber und Messing
anziehe.
Bei einem anderen Gast, der den Kronleuchter aus seinem
Zimmer mitnehmen wollte, schöpfte Vater rechtzeitig Verdacht.
Er stellte sich dem Mann am Treppenabsatz in den Weg,
als der gerade unseren mit einem Handtuch umwickelten
Kronleuchter aus dem Hotel schmuggeln wollte.
Einen Skandal musste Vater vermeiden. Beschuldigungen
vor Zeugen, peinliche Auftritte waren nicht erlaubt! Vater
setzte seine verbindlichste Miene auf. Zehn Minuten schwatzte
er ohne Erbarmen auf den schwitzenden Menschen ein, der
abwechselnd puterrot anlief und leichenblass wurde. Und als
Vater tief Luft holte, um unsere Familiengeschichte zum Besten
zu geben, beginnend mit meinem Großvater, der im afrikanischen
Busch Elefanten und Tiger erlegt hatte, war der
Kronleuchterdieb dem Zusammenbruch nahe.
»Sie tragen ja viel zu schwer«, unterbrach sich Vater, »und
das bei dieser Hitze, ich bitte Sie! Wollen Sie einen Infarkt bekommen?
« Hilfsbereit nahm er dem Gast unseren Kronleuchter
ab.
»Es war ein Versehen ...«, verteidigte der Mann sich stammelnd,
und Vater erwiderte vollkommen ernsthaft: »Ich weiß,
ich weiß. Sie wollten den Koffer nehmen und haben den
Leuchter erwischt. Das kann ja passieren, mein Lieber.«
Ich hatte Erfahrung, was Diebe anging. Und wenn dieser
Mensch auf dem Parkplatz kein Dieb war, wollte ich einen Besenstiel
fressen! Inzwischen wuchtete er den scheppernden
Sack in den Kofferraum seines Autos, schloss eilends den Wagenschlag
auf und rollte bergab, ohne den Motor anzulassen.
Anscheinend wollte er niemanden wecken und auf sich aufmerksam
machen.
Erst auf der Landstraße gab er Gas. Rasch packte ich den
am Fenstergriff baumelnden Feldstecher. Ich schaute der
Staubwolke nach, die der Mercedes auf dem Teerweg aufwirbelte,
und beobachtete, wie er nach ein paar Metern auf einen
Feldweg abbog und zum Waldrand hochschaukelte. Die von
den ersten Sonnenstrahlen bestrichenen Baumwipfel wippten
im lauen Aprilwind.
Ich vergaß meine Klassenarbeit, warf mich in meine Klamotten,
und aus der Dachkammer rennend riss ich Trixi um,
die eben verschlafen zum Klo tappte.
»Kannst du nicht aufpassen«, moserte sie. »He, du Idiot,
was ist los?«
Auf »Idiot« reagierte ich sowieso nicht. Und außerdem
hatte ich keine Zeit. Ich setzte mich mit meinem Hinterteil auf
den Handlauf der Treppe und rutschte ins Erdgeschoss.
Das hatte mir Vater zwar strengstens verboten, allerdings
ohne besonderen Erfolg. Auf dem Hinterteil rutschen ging
tausendmal schneller, war viel bequemer und machte zudem
keinen Krach, was man vom Treppabspringen nicht sagen
konnte. Doch diese Vorteile wollte er einfach nicht einsehen!
Ich lief aus dem Zollhaus, in dem wir wohnten, jagte zur
Greifenburg, schlitterte in der Hotelhalle auf dem gewienerten
Boden zum Treppenabsatz und platzte, ohne erst anzuklopfen,
zu Vater ins Zimmer, das er als sein »Offi ce« bezeichnete,
in Wirklichkeit war es ein stickiges, schmales Kabuff.
»Kannst du nicht anklopfen?«, schimpfte Vater, der mit einer
dampfenden Tasse in Reichweite vor seiner Rechenmaschine
hockte und stur seine Zahlen in die Tastatur hackte.
Von meiner japsenden Gegenwart ließ er sich nicht im Geringsten
beeindrucken. Beleidigt und atemlos fiel ich auf seinen
Besucherstuhl und schaute zur Uhr an der Wand, auf der
die Minuten verstrichen.
Endlich hob Vater den Kopf. Er betrachtete mich mit ge-
runzelter Stirn und knurrte ironisch: »Ja und, Floh? Wo
brennt's denn?«
War es etwa meine Schuld, dass er in diesem Augenblick zu
seiner Teetasse griff und einen Schluck nehmen musste? Ich
stellte mich absichtlich dumm.
»Brennen? Wieso? Es brennt nicht. Man hat dich beklaut!«
Na klar, ich hatte es kommen sehen: Vater verschluckte sich
an seinem Tee, der ihm halb aus dem Mund, halb aus der Nase
spritzte. Seine Schreibtischpapiere waren braun befl eckt, sein
weißes Hemd hatte Sommersprossen.
»Beklaut?«, keuchte er. »Und das sagst du erst jetzt?«
Mir einen Vorwurf zu machen, war ja das Letzte!
»Du hast mich doch behandelt, als wäre ich Luft«, protestierte
ich.
»Ja, ja«, meinte Vater beschwichtigend und wischte sich
mit einem Taschentuch Nase und Kinn ab. »Sag mir lieber,
was los ist.«
Ich schilderte, was ich beobachtet hatte, und in dem Moment,
als Vater vom Stuhl hochschoss, klopfte es an sein Kabuff.
Einer der Kellner kam schnaufend ins Zimmer. »Herr
Direktor!« Er ruderte mit den Armen. »Das Silberbesteck ist
verschwunden.«
In Nullkommanichts war Vater im Speisesaal, glotzte in
seinen Buffetschrank, um anschließend kreidebleich auf einen
Stuhl zu plumpsen.
»Wer war das? Wer ist heute abgereist?«, wollte er wissen.
Der Kellner, der Vater im Office informiert hatte, erkundigte
sich am Empfang.
»Niemand ist abgereist«, meldete er, »allerdings hat ein
Gast das Hotel verlassen, um Viertel vor sechs, sagt der Nachtportier.
Es handelt sich um einen Mann namens Knesebeck.«
»Knesebeck, Knesebeck«, murmelte Vater, »ist das nicht
der Besitzer der Bierbrauerei in Hannover? Hat Geld wie Heu
und vergreift sich an meinem Silberbesteck. Es ist nicht zu fassen!«
In diesem Augenblick rollte Herr Knesebecks weißer Mercedes
auf unseren Parkplatz.
Der Mann stapfte in unsere Hotelhalle, ohne Vaters verzerrtes
Gesicht zu beachten. »Ich sterbe vor Hunger«, mehr sagte er
nicht und ließ sich im Speisesaal an einen Tisch fallen. Zwar
hatte er eine knallrote Birne - Scham war das allerdings nicht.
Er hatte schlicht keine Puste mehr.
Als Vater sich vor seinem Tisch aufbaute, zuckte Herr Knesebeck
lediglich mit den Schultern.
»Ja, Sie bekommen alles wieder«, versetzte er missmutig,
»vorher brauche ich allerdings einen Kaffee. Und Spiegeleier
mit Bratkartoffeln. Und zum Schluss einen Schnaps, wenn es
geht. Und Sie werden verstehen, Herr Direktor, wenn ich mich
weigere, den Sack wieder auszugraben. Das machen Sie, es ist
schließlich nicht mein Besteck!« Herr Knesebeck seufzte vernehmlich.
Ich muss gestehen: Er beeindruckte mich, dieser Knesebeck,
seine Frechheit war atemberaubend. Schmatzend aß er
Spiegeleier und Bratkartoffeln, und seelenruhig weihte er Vater
ein, wo er die Beute verbuddelt hatte. Klar, bei diesem
Schauspiel dachte ich keine Sekunde mehr an meine Mathearbeit
in der ersten Stunde. Erst, als sich Herr Knesebeck
endlich erhob, um Vater zu dem Versteck zu bringen, fi el mein
Blick auf die Wanduhr im Speisesaal.
Mir sank das Herz in die Hose! Es war Viertel vor acht. In
zehn Minuten musste ich in der Schule sein. Und ich hatte
mich keinen Strich vorbereitet.
Es half nichts. Ich rannte ins Dachzimmer, warf meine Sachen
zusammen und rutschte auf dem Handlauf der Treppe
ins Kellergeschoss, wo mein Fahrrad bereitstand. Zwischen
gelbbraunen Getreidefeldern und wilden Aprilwiesen strampelte
ich ins Dorf und fiel atemlos in meine Bank, als die
Schulglocke losrasselte.
© Weltbild
Unseren Wachhund Bobby zu nennen, das hatte sich Vater
einfallen lassen.Wie ein englischer Polizist sollte Bobby gleichzeitig
wachsam und freundlich sein. Dass er wachsam war,
konnte man Bobby nicht nachsagen. Er war nichts als freundlich,
beschnupperte schwanzwedelnd Hinz und Kunz und ließ
sich kinderleicht mit einem Knochen bestechen.
Freilich konnte er in seinem Zwinger ohnehin nichts gegen
Diebe ausrichten, die sich bereits im Hotel befanden. Und in
der Greifenburg wimmelte es von Dieben. Sie vergriffen sich
an Vaters Kerzenhaltern aus massivem Silber samt Dochtabschneidern.
Sie stibitzten Serviettenringe und Zuckerdosen.
Mal kam ein Kristallglas abhanden, mal verschwanden auf einen
Schlag sechs unserer versilberten Obstmesser mit Perlmuttgriff.
Ohne von den Putzfrauen bemerkt zu werden, verging
sich ein Gast an den verzierten Messingklinken im zweiten
Stock und schraubte sie ab. Mit unseren klappernden
Klinken im Koffer bezahlte er gut gelaunt am Empfang seine
Rechnung und suchte das Weite. Manchmal konnte man meinen,
es gäbe ein Magnetfeld im See, das Silber und Messing
anziehe.
Bei einem anderen Gast, der den Kronleuchter aus seinem
Zimmer mitnehmen wollte, schöpfte Vater rechtzeitig Verdacht.
Er stellte sich dem Mann am Treppenabsatz in den Weg,
als der gerade unseren mit einem Handtuch umwickelten
Kronleuchter aus dem Hotel schmuggeln wollte.
Einen Skandal musste Vater vermeiden. Beschuldigungen
vor Zeugen, peinliche Auftritte waren nicht erlaubt! Vater
setzte seine verbindlichste Miene auf. Zehn Minuten schwatzte
er ohne Erbarmen auf den schwitzenden Menschen ein, der
abwechselnd puterrot anlief und leichenblass wurde. Und als
Vater tief Luft holte, um unsere Familiengeschichte zum Besten
zu geben, beginnend mit meinem Großvater, der im afrikanischen
Busch Elefanten und Tiger erlegt hatte, war der
Kronleuchterdieb dem Zusammenbruch nahe.
»Sie tragen ja viel zu schwer«, unterbrach sich Vater, »und
das bei dieser Hitze, ich bitte Sie! Wollen Sie einen Infarkt bekommen?
« Hilfsbereit nahm er dem Gast unseren Kronleuchter
ab.
»Es war ein Versehen ...«, verteidigte der Mann sich stammelnd,
und Vater erwiderte vollkommen ernsthaft: »Ich weiß,
ich weiß. Sie wollten den Koffer nehmen und haben den
Leuchter erwischt. Das kann ja passieren, mein Lieber.«
Ich hatte Erfahrung, was Diebe anging. Und wenn dieser
Mensch auf dem Parkplatz kein Dieb war, wollte ich einen Besenstiel
fressen! Inzwischen wuchtete er den scheppernden
Sack in den Kofferraum seines Autos, schloss eilends den Wagenschlag
auf und rollte bergab, ohne den Motor anzulassen.
Anscheinend wollte er niemanden wecken und auf sich aufmerksam
machen.
Erst auf der Landstraße gab er Gas. Rasch packte ich den
am Fenstergriff baumelnden Feldstecher. Ich schaute der
Staubwolke nach, die der Mercedes auf dem Teerweg aufwirbelte,
und beobachtete, wie er nach ein paar Metern auf einen
Feldweg abbog und zum Waldrand hochschaukelte. Die von
den ersten Sonnenstrahlen bestrichenen Baumwipfel wippten
im lauen Aprilwind.
Ich vergaß meine Klassenarbeit, warf mich in meine Klamotten,
und aus der Dachkammer rennend riss ich Trixi um,
die eben verschlafen zum Klo tappte.
»Kannst du nicht aufpassen«, moserte sie. »He, du Idiot,
was ist los?«
Auf »Idiot« reagierte ich sowieso nicht. Und außerdem
hatte ich keine Zeit. Ich setzte mich mit meinem Hinterteil auf
den Handlauf der Treppe und rutschte ins Erdgeschoss.
Das hatte mir Vater zwar strengstens verboten, allerdings
ohne besonderen Erfolg. Auf dem Hinterteil rutschen ging
tausendmal schneller, war viel bequemer und machte zudem
keinen Krach, was man vom Treppabspringen nicht sagen
konnte. Doch diese Vorteile wollte er einfach nicht einsehen!
Ich lief aus dem Zollhaus, in dem wir wohnten, jagte zur
Greifenburg, schlitterte in der Hotelhalle auf dem gewienerten
Boden zum Treppenabsatz und platzte, ohne erst anzuklopfen,
zu Vater ins Zimmer, das er als sein »Offi ce« bezeichnete,
in Wirklichkeit war es ein stickiges, schmales Kabuff.
»Kannst du nicht anklopfen?«, schimpfte Vater, der mit einer
dampfenden Tasse in Reichweite vor seiner Rechenmaschine
hockte und stur seine Zahlen in die Tastatur hackte.
Von meiner japsenden Gegenwart ließ er sich nicht im Geringsten
beeindrucken. Beleidigt und atemlos fiel ich auf seinen
Besucherstuhl und schaute zur Uhr an der Wand, auf der
die Minuten verstrichen.
Endlich hob Vater den Kopf. Er betrachtete mich mit ge-
runzelter Stirn und knurrte ironisch: »Ja und, Floh? Wo
brennt's denn?«
War es etwa meine Schuld, dass er in diesem Augenblick zu
seiner Teetasse griff und einen Schluck nehmen musste? Ich
stellte mich absichtlich dumm.
»Brennen? Wieso? Es brennt nicht. Man hat dich beklaut!«
Na klar, ich hatte es kommen sehen: Vater verschluckte sich
an seinem Tee, der ihm halb aus dem Mund, halb aus der Nase
spritzte. Seine Schreibtischpapiere waren braun befl eckt, sein
weißes Hemd hatte Sommersprossen.
»Beklaut?«, keuchte er. »Und das sagst du erst jetzt?«
Mir einen Vorwurf zu machen, war ja das Letzte!
»Du hast mich doch behandelt, als wäre ich Luft«, protestierte
ich.
»Ja, ja«, meinte Vater beschwichtigend und wischte sich
mit einem Taschentuch Nase und Kinn ab. »Sag mir lieber,
was los ist.«
Ich schilderte, was ich beobachtet hatte, und in dem Moment,
als Vater vom Stuhl hochschoss, klopfte es an sein Kabuff.
Einer der Kellner kam schnaufend ins Zimmer. »Herr
Direktor!« Er ruderte mit den Armen. »Das Silberbesteck ist
verschwunden.«
In Nullkommanichts war Vater im Speisesaal, glotzte in
seinen Buffetschrank, um anschließend kreidebleich auf einen
Stuhl zu plumpsen.
»Wer war das? Wer ist heute abgereist?«, wollte er wissen.
Der Kellner, der Vater im Office informiert hatte, erkundigte
sich am Empfang.
»Niemand ist abgereist«, meldete er, »allerdings hat ein
Gast das Hotel verlassen, um Viertel vor sechs, sagt der Nachtportier.
Es handelt sich um einen Mann namens Knesebeck.«
»Knesebeck, Knesebeck«, murmelte Vater, »ist das nicht
der Besitzer der Bierbrauerei in Hannover? Hat Geld wie Heu
und vergreift sich an meinem Silberbesteck. Es ist nicht zu fassen!«
In diesem Augenblick rollte Herr Knesebecks weißer Mercedes
auf unseren Parkplatz.
Der Mann stapfte in unsere Hotelhalle, ohne Vaters verzerrtes
Gesicht zu beachten. »Ich sterbe vor Hunger«, mehr sagte er
nicht und ließ sich im Speisesaal an einen Tisch fallen. Zwar
hatte er eine knallrote Birne - Scham war das allerdings nicht.
Er hatte schlicht keine Puste mehr.
Als Vater sich vor seinem Tisch aufbaute, zuckte Herr Knesebeck
lediglich mit den Schultern.
»Ja, Sie bekommen alles wieder«, versetzte er missmutig,
»vorher brauche ich allerdings einen Kaffee. Und Spiegeleier
mit Bratkartoffeln. Und zum Schluss einen Schnaps, wenn es
geht. Und Sie werden verstehen, Herr Direktor, wenn ich mich
weigere, den Sack wieder auszugraben. Das machen Sie, es ist
schließlich nicht mein Besteck!« Herr Knesebeck seufzte vernehmlich.
Ich muss gestehen: Er beeindruckte mich, dieser Knesebeck,
seine Frechheit war atemberaubend. Schmatzend aß er
Spiegeleier und Bratkartoffeln, und seelenruhig weihte er Vater
ein, wo er die Beute verbuddelt hatte. Klar, bei diesem
Schauspiel dachte ich keine Sekunde mehr an meine Mathearbeit
in der ersten Stunde. Erst, als sich Herr Knesebeck
endlich erhob, um Vater zu dem Versteck zu bringen, fi el mein
Blick auf die Wanduhr im Speisesaal.
Mir sank das Herz in die Hose! Es war Viertel vor acht. In
zehn Minuten musste ich in der Schule sein. Und ich hatte
mich keinen Strich vorbereitet.
Es half nichts. Ich rannte ins Dachzimmer, warf meine Sachen
zusammen und rutschte auf dem Handlauf der Treppe
ins Kellergeschoss, wo mein Fahrrad bereitstand. Zwischen
gelbbraunen Getreidefeldern und wilden Aprilwiesen strampelte
ich ins Dorf und fiel atemlos in meine Bank, als die
Schulglocke losrasselte.
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Autoren-Porträt von Jan Koneffke
Jan Koneffke, geb. 1960 in Darmstadt, studierte Philosophie und Germanistik in Berlin und lebt als Schriftsteller und Publizist seit seinem Villa-Massimo-Stipendium (1995) in Rom. Er erhielt u.a. den Leonce- und Lena-Preis für Lyrik und den Friedrich-Hölderlin-Förderpreis.
Bibliographische Angaben
- Autor: Jan Koneffke
- Altersempfehlung: 11 - 13 Jahre
- 2008, 208 Seiten, Maße: 14,2 x 21,8 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: HANSER
- ISBN-10: 3446230947
- ISBN-13: 9783446230941
- Erscheinungsdatum: 30.07.2008
Rezension zu „Die Sache mit Zwille “
"Was würde man alles tun, um bei der coolsten Bande der Stadt mitzumachen? Florian tut viel Falsches, was schreckliche Folgen hat. Wie er sich daraus löst, erzählt der Schriftsteller Jan Koneffke in seinem ersten Jugendbuch. Und er erzählt, was passiert, wenn zwei enge Freunde sich in dasselbe Mädchen verliebt haben." Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 14.09.08"Jan Koneffke - große, größte Erzählkunst" Oliver Jungen, FAZ, 15.10.08
"Koneffke skizziert dieses Leben zwischen Floh und Florian unheimlich authentisch und packend." Thomas Binotto, Neue Zürcher Zeitung, 04.02.09
"Ohne formale Experimente oder anbiedernde Jugendsprache gibt der rasch voranschreitende Roman ein Beispiel für höchst gelungene Erzählkunst. Ein sehr gutes Kinderbuch, dem man viele Leser wünscht." Anne Amend-Söchting, Bulletin, September 2008
"Es geht ihm um die pure Lust am Erzählen und Erfinden von Geschichten. Er ist ein Autor, der sich von seinen Geschichten mitreißen lässt. Ein Erzähler aus Leidenschaft." Jörg Magenau, Börsenblatt, 11.09.08
"Koneffke hat Sinn für Detailkomik und -dramatik. Ein feiner, zeitloser Jungsroman, der genau das schillernde Wesen der Vorpubertät trifft, zwischen Abenteuer und Ahnung, Rebellentum und Ratlosigkeit, und dem Entdecken, dass Erwachsene auch nur Menschen sind." Ignaz Stein, Eselsohr, Oktober 2008
"Feinsinning mischt Koneffke spektakuläre mit unauffälligen Geschehnissen, wobei letztere dann die entscheidenden Wandlungen bewirken. Gemeinsam mit Florian wäre man gerne erwachsen geworden." Ina Hochreuther, Stuttgarter Zeitung, 14.10.08
"Mit der Schilderung zweier unterschiedlicher Lebensweisen hat Koneffke einen Jugendroman geschrieben, der heranwachsenden Lesern als Orientierungshilfe dienen kann, die richtigen Werte im Leben zu finden." Nordlicht, 16.10.08
"Koneffke erzählt mit warmherzigem Humor aus der Sicht eines Vierzehnjährigen von einer wunderbaren Jugend am Bodensee." Nürnberger Nachrichten, 06./07.12.08
"Mit
... mehr
großartigem Einfühlungsvermögen stellt Koneffke die Gefühlswelt seiner Hauptperson dar. Eine wundervolle Dokumentation der ersten Schritte ins Erwachsenenleben. Fesselnd geschrieben, es packt einen ruckzuck." Anne Spitzner, Librikon, 12.08
"Ein Buch darüber, wie man sich entscheiden lernt, über den Wert und Grundsätze von Freundschaften, über Beziehungen, über das Anderssein, die Übernahme von Verantwortung und auch ein bisschen über die Liebe." Expuls, Oktober/November 2008
"Eine wunderbare Geschichte von der Suche nach Glück, von Unverzagtheit und Zuversicht." Evangelische Sonntags-Zeitung, 12.03.09
"Ein Buch darüber, wie man sich entscheiden lernt, über den Wert und Grundsätze von Freundschaften, über Beziehungen, über das Anderssein, die Übernahme von Verantwortung und auch ein bisschen über die Liebe." Expuls, Oktober/November 2008
"Eine wunderbare Geschichte von der Suche nach Glück, von Unverzagtheit und Zuversicht." Evangelische Sonntags-Zeitung, 12.03.09
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