Die scheinheilige Gesellschaft
Sex, Drogen und Schwarzarbeit. Die dunkle Seite der USA
"Wallraff" in Amerika<br /><br />Eric Schlosser nähert sich dem Phänomen Amerika von seiner dunklen Seite. In bester Wallraff-Manier untersucht er die drei Wirtschaftszweige, die trotz der Wirtschaftskrise boomen: Drogen, Schwarzarbeit...
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Buch
21.00 €
Produktdetails
Produktinformationen zu „Die scheinheilige Gesellschaft “
"Wallraff" in Amerika<br />
<br />Eric Schlosser nähert sich dem Phänomen Amerika von seiner dunklen Seite. In bester Wallraff-Manier untersucht er die drei Wirtschaftszweige, die trotz der Wirtschaftskrise boomen: Drogen, Schwarzarbeit und Prostitution. In der ersten Reportage zeigt Schlosser, welchen Effekt die unter Reagan drastisch verschärfte Drogengesetzgebung, die schon den Besitz von kleinsten Mengen Marihuana verbietet, auf den Markt hat. Das Drogengeschäft ist heute die größte Cash Cow Amerikas, an der - über Bestechung und Schmiergelder - auch die schlecht bezahlte Beamtenschaft teilhat.<br />
<br />"Auf den Erdbeerfeldern" machen wir die Bekanntschaft des netten Farmers Doug, der sich angesichts ständig sinkender Preise für landwirtschaftliche Produkte gezwungen sieht, mit illegalen Einwanderern aus Mexiko zu arbeiten - eine moderne Form der Sklaverei. Dies ist das Wirken des freien Marktes, von dem Schlosser sagt: "Keine Gottheit, welche von der Menschheit je verehrt wurde, ist grausamer als der ungeregelte Marktliberalismus."<br />
<br />Und dann das Imperium des guten Amerikaners Reuben Sturmann, der einen ganzen Wirtschaftszweig aufgebaut hat. Dies würde ihm im Normalfall - neben Henry Ford oder Walt Disney - einen Platz im Geschichtsbuch eintragen. Leider handelte es sich in seinem Fall um die Pornoindustrie, die zwar viele nutzen, die jedoch letztlich keiner wahrhaben will. Große Konzerne wie AOL, Time Warner oder die Hotelkette Sheraton erzielen mit dem "Obszönen" fette Gewinne.<br />
<br />Die Doppelbödigkeit der amerikanischen Kultur zeigt sich besonders deutlich in jenen Bereichen, die staatlicherseits bekämpft werden, ohne die der Bürger jedoch längst nicht mehr leben kann. So haben der unbedingte Glaube an den freien Markt sowie der ungebrochene amerikanische Puritanismus eine janusköpfige Nation hervorgebracht, in der über 10 Prozent der Wirtschaftsleistung auf dem Schwarzmarkt generiert werden.<br />
<br />
Klappentext zu „Die scheinheilige Gesellschaft “
"Wallraff" in AmerikaEric Schlosser nähert sich dem Phänomen Amerika von seiner dunklen Seite. In bester Wallraff-Manier untersucht er die drei Wirtschaftszweige, die trotz der Wirtschaftskrise boomen: Drogen, Schwarzarbeit und Prostitution. In der ersten Reportage zeigt Schlosser, welchen Effekt die unter Reagan drastisch verschärfte Drogengesetzgebung, die schon den Besitz von kleinsten Mengen Marihuana verbietet, auf den Markt hat. Das Drogengeschäft ist heute die größte Cash Cow Amerikas, an der - über Bestechung und Schmiergelder - auch die schlecht bezahlte Beamtenschaft teilhat."Auf den Erdbeerfeldern" machen wir die Bekanntschaft des netten Farmers Doug, der sich angesichts ständig sinkender Preise für landwirtschaftliche Produkte gezwungen sieht, mit illegalen Einwanderern aus Mexiko zu arbeiten - eine moderne Form der Sklaverei. Dies ist das Wirken des freien Marktes, von dem Schlosser sagt: "Keine Gottheit, welche von der Menschheit je verehrt wurde, ist grausamer alsder ungeregelte Marktliberalismus."Und dann das Imperium des guten Amerikaners Reuben Sturmann, der einen ganzen Wirtschaftszweig aufgebaut hat. Dies würde ihm im Normalfall - neben Henry Ford oder Walt Disney - einen Platz im Geschichtsbuch eintragen. Leider handelte es sich in seinem Fall um die Pornoindustrie, die zwar viele nutzen, die jedoch letztlich keiner wahrhaben will. Große Konzerne wie AOL, Time Warner oder die Hotelkette Sheraton erzielen mit dem "Obszönen" fette Gewinne.
Die Doppelbödigkeit der amerikanischen Kultur zeigt sich besonders deutlich in jenen Bereichen, die staatlicherseits bekämpft werden, ohne die der Bürger jedoch längst nicht mehr leben kann. So haben der unbedingte Glaube an den freien Markt sowie der ungebrochene amerikanische Puritanismus eine janusköpfige Nation hervorgebracht, in der über 10 Prozent der Wirtschaftsleistung auf dem Schwarzmarkt generiert werden.
Lese-Probe zu „Die scheinheilige Gesellschaft “
Der UntergrundAdam Smith glaubte an einen guten, weisen und allmächtigen Gott. Der große Theoretiker der freien Marktwirtschaft glaubte an die Vorsehung. "Das Glück der Menschheit", schrieb Smith, "scheint der ursprünglich vom Autor der Natur beabsichtigte Zweck zu sein." Die Werke des Herrn offenbarten sich nicht nur in der Bibel oder in Wundern, sondern auch im täglichen Marktgeschehen, im Kaufen und Verkaufen. Hinter jedem Kauf stand vielleicht der Wunsch eines Einzelnen, doch hinter allem stand die "unsichtbare Hand". Diese unsichtbare Hand setzte Preise und Löhne fest. Sie regelte Angebot und Nachfrage. Sie stand für die Summe aller menschlichen Wünsche. Der freie Markt benötigte die Intervention des Menschen nicht, allein durch ihn entwickelten sich Landwirtschaft und Industrie, er schuf überschüssigen Reichtum und gewährleistete, dass die produzierten Güter auch das waren, was die Menschen kaufen wollten. Laut Smith fehlte den Menschen die Weisheit, die Gesellschaft bewusst zu verbessern oder Fortschritt nach einem ausgeklügelten Plan voranzutreiben. Aber wenn jeder seine eigenen Interessen verfolgte und nur seinen "Leidenschaften" nachging, würde die unsichtbare Hand für das Wohl des Einzelnen aufkommen.
Smith' Wealth of Nations (Wohlstand der Nationen) erschien 1776 und hatte tief reichende Auswirkungen auf das Land, das im gleichen Jahr entstand und aus dem später die Vereinigten Staaten von Amerika wurden. Die Vorstellung, dass "Leben, Freiheit und das Streben nach Glück" unveräußerliche, von Gott zugebilligte Rechte waren, passte perfekt zu den wirtschaftlichen Theorien von Adam Smith. "Leben, Freiheit und Besitz" war eine bekannte Formulierung, die Thomas Jefferson für die Unabhängigkeitserklärung leicht abwandelte. Die Vereinigten Staaten von Amerika waren das erste Land, das grundherrschaftliche und aristokratische Vorrechte abschaffte und durch das republikanische Ideal des Marktes ersetzte. Über 200 Jahre später verfügen die großen
... mehr
amerikanischen Konzerne - General Motors, General Electric, Exxon Mobil, Microsoft, Wal-Mart, Boeing und andere - über größere Jahreseinnahmen als viele souveräne Staaten. Keine Währung ist stärker als der amerikanische Dollar, und die Kurse an der Wall Street wirken sich auf die Börsen in Tokio, London, Paris und Frankfurt aus. Der unübertroffene Reichtum der USA ermöglichte den Aufbau einer Militärmacht, die weltweit konkurrenzlos ist. Und doch steckt hinter der amerikanischen Wirtschaft noch viel mehr, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Neben den berühmten amerikanischen Unternehmen und Marken hat die unsichtbare Hand auch eine größtenteils unsichtbare Wirtschaft geschaffen, die im Verborgenen gedeiht und ihre eigene Nachfrage nach Arbeitskräften, ihre eigene Preisstruktur und eigene Güter aufweist.
Diese Wirtschaft wird mit verschiedenen Begriffen bezeichnet, man spricht von einer "Schattenwirtschaft" oder "Untergrundwirtschaft" oder verwendet Adjektive wie "schwarz", "irregulär", "inoffiziell", "illegal" oder "unterirdisch". Die amerikanische Schattenwirtschaft wird zwar auf die verschiedenste Weise definiert, in ihrer einfachsten Form ist sie jedoch schlicht die wirtschaftliche Tätigkeit, die aus den Büchern herausgehalten wird, die nicht verzeichnet und nicht gemeldet ist und damit gegen das Gesetz verstößt. Diese Tätigkeit reicht von ganz alltäglichen Vorgängen (etwa ein Elektriker, der sich bar bezahlen lässt und das Geld nicht als Einkommen meldet) bis zum Kriminellen (ein Drogendealer, der Speed verkauft). Dazu zählen Schwarzarbeit, Scheckfälschen und Hehlerei, Verkauf auf dem Schwarzmarkt, ohne Steuern zu zahlen, die Beschäftigung von Illegalen und Kindern, das Betreiben von Sweatshops und Werkstätten, in denen gestohlene Autos zerlegt werden, der Schmuggel von Zigaretten und Waffen, das Einschleusen illegaler Einwanderer, der Verkauf von falschen Rolexuhren oder von Raubkopien. Wirtschaftsexperten streiten sich über den Umfang der Untergrundwirtschaft und die Frage, wie man sie bemisst. Manche Untersuchungen betrachten den Unterschied zwischen den persönlichen Einkommen, die dem Finanzamt gemeldet werden, und den Geldsummen, die tatsächlich ausgegeben werden. Andere Studien berücksichtigen die Veränderungen in der Geldmenge, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes oder den Stromverbrauch. Jede Vorgehensweise hat ihre Vor- und Nachteile. Alle führen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Allerdings ist man sich in zwei Punkten einig: Die amerikanische Schattenwirtschaft ist riesig - und sie wuchs vor allem in den vergangenen dreißig Jahren.
Jeder Schätzung zur illegalen wirtschaftlichen Aktivität mangelt es an Genauigkeit, weil etwas bemessen werden soll, was sorgfältig versteckt wird. Der österreichische Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Schneider berechnete 1997 den Anstieg der Schattenwirtschaft in den USA, indem er Schwankungen der Geldmenge verfolgte. Laut Schneider machte die Schattenwirtschaft 1970 etwa 2,6 bis 4,6 Prozent des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts aus. 1994 waren es schon 9,4 Prozent, also etwa 650 Milliarden Dollar. Charles Rossotti, der Leiter der amerikanischen Steuerbehörde, benutzte eine andere Methode zur Ermittlung der Schattenwirtschaft und teilte dem Kongress 1998 mit, dass die Amerikaner im vorangegangenen Jahr etwa 200 Milliarden Dollar an Steuern hinterzogen hatten, eine Summe, die höher war als die jährlichen Ausgaben der Regierung für Medicare. Wenn man von einem durchschnittlichen Steuersatz von 14 Prozent ausgeht, bedeutet das, dass die Amerikaner 1,5 Billionen Dollar an persönlichem Einkommen nicht meldeten. Die Schätzung der Steuerbehörde umfasste dabei nicht die Einkommen aus kriminellen Aktivitäten.
Zwei weitere Perioden in der amerikanischen Geschichte zeichnen sich durch eine blühende Schattenwirtschaft aus. Zwischen 1920 und 1933 bedingte das Alkoholverbot weit verbreiteten Schmuggel und die Ausbreitung des organisierten Verbrechens. Auf dem Höhepunkt der Prohibition gaben die Amerikaner etwa 5 Milliarden Dollar im Jahr für Alkohol aus (was in heutigem Wert ungefähr 54 Milliarden Dollar entspricht). Auf dem Schwarzmarkt wurden etwa 5 Prozent des damaligen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. Nach dem Ende der Prohibition wurden manche Schwarzbrenner und -händler angesehene Geschäftsleute. Im Zweiten Weltkrieg entstand aufgrund der Rationierungen und Preiskontrollen ein noch größerer Schwarzmarkt. Das System zur gerechten Verteilung knapper Güter hatte unerwartete Auswirkungen: einen blühenden Handel mit Lebensmittelmarken und eine Geldwirtschaft, die im Verborgenen gedieh. Etwa 5 Prozent des Treibstoffs und 20 Prozent des Fleisches wurden in Amerika damals illegal gekauft und verkauft. Laut einer Schätzung meldeten die Amerikaner gegen Ende des Kriegs bis zu 15 Prozent ihres Einkommens nicht dem Finanzamt. Im Wohlstand der Eisenhower-Ära verlor die Schattenwirtschaft an Bedeutung. Die Löhne stiegen, und die Steuerhinterziehung ging zurück. Es gab keine illegalen Waren mehr, die solche Gewinne wie schwarz gebrannter Alkohol abwarfen. Doch irgendwann Mitte oder Ende der sechziger Jahre begann die Schattenwirtschaft wieder zu wachsen. Konservative Wirtschaftsexperten nennen als wichtigsten Grund die hohen Steuersätze bei der Einkommensteuer und die starke wirtschaftliche Regulierung durch den Staat. Linksliberale sehen sinkende Löhne, Arbeitslosigkeit, den Niedergang der Gewerkschaften und die wirtschaftliche Deregulierung in den Reagan-Jahren als die wichtigsten Ursachen dafür, dass sich die wirtschaftliche Aktivität wieder verstärkt in den Untergrund verlagerte. Die Erklärungen der politisch Rechts- und Linksgerichteten schließen sich nicht unbedingt aus. Die stagnierende Wirtschaft brachte Amerikaner jeder Herkunft zur Schwarzarbeit. Die Hippiekultur der sechziger Jahre und die seit Ende der siebziger Jahre wachsende Ablehnung der US-Bürger, überhaupt Steuern zu zahlen, verband eine gemeinsame Abneigung gegen staatliche Einmischung, was zur Missachtung der Steuerbehörde führte. Eine neue Drogenkultur bot dem organisierten Verbrechen neue Möglichkeiten. Das Wachstum der amerikanischen Untergrundwirtschaft in den letzten dreißig Jahren basiert nicht nur auf wirtschaftlicher Not und dem Wunsch nach illegalem Profit, sondern auch auf einem wachsenden Gefühl der Entfremdung, der Wut gegen staatliche Autorität und der Respektlosigkeit gegenüber dem Gesetz.
Eine ähnliche Entwicklung lässt sich im gleichen Zeitraum in den gesamten westlichen Industriestaaten beobachten. Die Schattenwirtschaft in der Europäischen Union ist heute womöglich sogar größer als in den USA. Jahrelange hohe Arbeitslosigkeit, hohe Steuern, illegale Einwanderung und eine weit verbreitete Desillusionierung gegenüber dem Staat schufen enorme Untergrundwirtschaften. Nach den Schätzungen von Friedrich Schneider bewegen sich diese Schattenwirtschaften zwischen 12,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Großbritannien und bis zu 27 Prozent des BIPs in Italien. In den ehemaligen Sowjetrepubliken gibt es sogar noch größere Schwarzmärkte. In Estland macht die Untergrundwirtschaft etwa 39 Prozent des BIPs aus, in Russland etwa 45 Prozent, und in der Ukraine schätzt man sogar 51 Prozent. Die Schattenwirtschaft ist manchmal der dynamischste Sektor dieser sich im Umbruch befindenden Volkswirtschaften, denn dort blüht das freie Unternehmertum. In vielerlei Hinsicht bedeutet das Wachstum der Schwarzmärkte in den Industrieländern jedoch einen Rückschritt. Eine expandierende Schattenwirtschaft ist oft mit einem Anstieg der Korruption und einer tieferen Kluft zwischen Arm und Reich verbunden. Jahrelang profitierten Regierungsbeamte und Mitglieder der kommunistischen Partei von der "Parallelwirtschaft" der Sowjetunion, in der Güter und Dienstleistungen angeboten wurden, die man auf dem üblichen Weg nicht bekam. Die größten Schattenwirtschaften finden sich heute in den Entwicklungsländern, in denen die Regierung korrupt ist und die Gesetze nur auf dem Papier bestehen. In Bolivien macht die Schattenwirtschaft etwa 65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. In Nigeria sind es vermutlich 76 Prozent.
In dieser neuen globalen Schattenwirtschaft ist der US-Dollar die inoffizielle Währung. Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre stellten amerikanische Wirtschaftswissenschaftler fest, dass die Währungsmenge, die sich im Umlauf befand, wesentlich größer war als die Menge, die Normalverbraucher bei ihren tagtäglichen Transaktionen verwendeten. Die Entdeckung machte zum ersten Mal deutlich, dass in den USA eine Schattenwirtschaft entstand. Während in der Öffentlichkeit der Beginn einer bargeldlosen, auf Krediten basierenden Wirtschaft angekündigt wurde, stieg in aller Stille die Verwendung von Banknoten erheblich. Im Untergrund besonders beliebt war die 100-Dollar-Note aufgrund ihres hohen Wertes und der relativen Stabilität des Dollars, und das nicht nur in den USA, sondern auch im Ausland. Ende der siebziger Jahre betrug der Geldabfluss aus den USA durchschnittlich 2 Milliarden Dollar pro Jahr. In den neunziger Jahren flossen pro Jahr ungefähr 20 Milliarden der US-Währung in andere Länder. Heute sind etwa drei Viertel aller 100-Dollar-Scheine außerhalb der USA im Umlauf.
Die Vorrangstellung des amerikanischen Dollars in der globalen Schattenwirtschaft hat sich für die amerikanische Wirtschaft als Segen erwiesen. Der Abfluss der amerikanischen Währung fungiert heute im Grunde als enormes zinsfreies Darlehen. Immer wenn das Finanzministerium neue Banknoten herausgibt, kauft es zinsbringende Wertpapiere im gleichen Wert. Diese Wertpapiere werden nur verkauft, wenn die Währung aus dem Währungskreislauf herausgenommen und auf die Bank gebracht wird. Im Jahr 2000 verdiente das amerikanische Finanzministerium mit den Banknoten, die im Ausland in Umlauf sind, geschätzte 32,7 Milliarden Dollar an Zinsen. Die 100-Dollar-Note wurde 1996 auch deswegen umgestaltet, weil man fürchtete, dass Geldfälscher im Nahen Osten eine täuschend echte 100-Dollar-Note geschaffen hatten, eine "Superbanknote", die die Rolle der echten amerikanischen Währung bei inoffiziellen Transaktionen gefährden könnte. Die jüngste Bedrohung der 100-Dollar-Note geht allerdings nicht vom organisierten Verbrechen aus, sondern von der Europäischen Zentralbank. Die neue 500-Euro-Note ist perfekt für den Schwarzmarkt geeignet. Sie ist etwa fünfmal so viel wert wie die 100-Dollar-Note, was die Aktenkoffer der Drogendealer und Schmuggler deutlich leichter macht. Portugal hat aus diesem Grund die 500-Euro-Note verboten, und ihre Akzeptanz in anderen ausländischen Schattenwirtschaften ist noch ungewiss.
Die drei Teile dieses Buchs beleuchten verschiedene Aspekte der amerikanischen Schattenwirtschaft und untersuchen ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft. In "Marihuanahysterie" werden die gesetzlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Cannabiskonsums in den USA betrachtet. Marihuana ist eine gängige Ware auf dem Schwarzmarkt und wird weltweit häufiger konsumiert als jede andere illegale Droge. Die staatlichen und bundesstaatlichen Verbote des Marihuanakonsums wirken sich auf die Produktion aus, legen die Strafe für Konsumenten fest und verweisen auf die Willkür vieler kultureller Tabus. Amerikaner rauchen nicht nur mehr Marihuana, sondern sperren auch mehr Menschen wegen Cannabiskonsums ein als jeder andere westliche Industriestaat.
"In den Erdbeerfeldern" untersucht das Elend der Wanderarbeiter in der kalifornischen Landwirtschaft, bei denen es sich meist um illegale Immigranten handelt. Mit der Beschäftigung unbefugter Einwanderer aus Mexiko setzte Kalifornien einen Trend, der sich nun überall in den USA fortsetzt. Heute beschäftigen viele Unternehmer illegale Arbeitskräfte. Das Einschleusen ist für Schlepperbanden ein Milliarden Dollar schweres Geschäft. Doch die zunehmende Beschäftigung von Illegalen hat weit reichende Auswirkungen, die über den Untergrund hinausgehen, sich auf Löhne, Arbeitsbedingungen und sogar die Demokratie in der übrigen Gesellschaft auswirken.
"Ein Imperium des Obszönen" beschreibt die Pornoindustrie anhand der Karriere eines Geschäftsmanns und seiner Nachfolger. Darin wird geschildert, wie eine Ware, die einst nur auf dem Schwarzmarkt gehandelt wurde, in die Mainstreamkultur vordringt, und wie ein Verhalten, das lange als abweichend betrachtet wurde, Teil der populären Unterhaltung wird. Die Gewinne aus dem Verkauf von Pornografie, die früher vom organisierten Verbrechen kassiert wurden, werden heute von einigen der größten Unternehmen der USA erzielt. Die derzeitige Nachfrage nach Marihuana und Pornografie ist sehr aufschlussreich. Beide sind Güter, die Amerikaner in der Öffentlichkeit verabscheuen, im Privaten aber schätzen und in erstaunlichen Mengen kaufen.
Das verbindende Element aller drei Teile des Buchs ist die Ansicht, dass die Schattenwirtschaft untrennbar mit unserer Gesellschaft verbunden ist. Die Grenzen sind nicht dauerhaft festgelegt, sondern fließend. Man versteht die eine Seite nicht ohne die andere. Das ungeheure Ausmaß und die Komplexität der Wirtschaft im Untergrund stellen die mathematischen Gewissheiten konventionellen wirtschaftlichen Denkens infrage. Plötzlich wirken harte Zahlen illusorisch. Die Kurse an der Wall Street steigen und fallen aufgrund minimaler Veränderungen der Inflationsrate, der Arbeitslosenzahlen und der neuesten Prognosen für das Bruttoinlandsprodukt. Milliarden Dollar wechseln den Besitzer, weil sich wirtschaftliche Analysen um einen Zehntelprozentpunkt verändern. Aber was bedeuten diese Statistiken, wenn 20 Prozent, 10 Prozent oder auch nur 5 Prozent der Wirtschaftskraft eines Staates nicht berechnet werden können? Der große wirtschaftliche Erfolg der USA in den vergangenen zwanzig Jahren - in den Bereichen Software, Telekommunikation, Luftfahrt, Computer - ist nur ein Aspekt der Geschichte. Marlboro, Camel und Philip Morris sind bekannte Namen, und die Tabakindustrie hat eine der stärksten Lobbys in Washington. Doch die Amerikaner geben heute mehr Geld für illegale Drogen als für Zigaretten aus.
Die Rolle des Staates und die Beschränkung der freien Marktwirtschaft sind zentrale Fragen dieses Buchs. Das politische System der Vereinigten Staaten und das Wirtschaftssystem, das Adam Smith propagierte, sind angeblich der Freiheit gewidmet. Seit 1776 sind Amerikaner immer wieder bereit gewesen, für die Freiheit zu kämpfen und zu sterben. Man muss lange suchen, um einen Amerikaner zu finden, der Freiheit für etwas Schlechtes hält. Doch die Frage, die viel schwieriger zu beantworten ist, lautet: Freiheit für wen? Soll der Staat die Freiheit der Arbeitnehmer oder der Unternehmer schützen? Die Freiheit der Verbraucher oder der Produzenten? Der Mehrheit, die sich für die eine Lebensweise entschieden hat, oder der Minderheit, die sich für eine andere Lebensweise entschieden hat? Als abstraktes Gut kann man die Freiheit leicht feiern. Aber das Festhalten an diesem hohen Ideal scheint unmöglich.
Diese Wirtschaft wird mit verschiedenen Begriffen bezeichnet, man spricht von einer "Schattenwirtschaft" oder "Untergrundwirtschaft" oder verwendet Adjektive wie "schwarz", "irregulär", "inoffiziell", "illegal" oder "unterirdisch". Die amerikanische Schattenwirtschaft wird zwar auf die verschiedenste Weise definiert, in ihrer einfachsten Form ist sie jedoch schlicht die wirtschaftliche Tätigkeit, die aus den Büchern herausgehalten wird, die nicht verzeichnet und nicht gemeldet ist und damit gegen das Gesetz verstößt. Diese Tätigkeit reicht von ganz alltäglichen Vorgängen (etwa ein Elektriker, der sich bar bezahlen lässt und das Geld nicht als Einkommen meldet) bis zum Kriminellen (ein Drogendealer, der Speed verkauft). Dazu zählen Schwarzarbeit, Scheckfälschen und Hehlerei, Verkauf auf dem Schwarzmarkt, ohne Steuern zu zahlen, die Beschäftigung von Illegalen und Kindern, das Betreiben von Sweatshops und Werkstätten, in denen gestohlene Autos zerlegt werden, der Schmuggel von Zigaretten und Waffen, das Einschleusen illegaler Einwanderer, der Verkauf von falschen Rolexuhren oder von Raubkopien. Wirtschaftsexperten streiten sich über den Umfang der Untergrundwirtschaft und die Frage, wie man sie bemisst. Manche Untersuchungen betrachten den Unterschied zwischen den persönlichen Einkommen, die dem Finanzamt gemeldet werden, und den Geldsummen, die tatsächlich ausgegeben werden. Andere Studien berücksichtigen die Veränderungen in der Geldmenge, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes oder den Stromverbrauch. Jede Vorgehensweise hat ihre Vor- und Nachteile. Alle führen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Allerdings ist man sich in zwei Punkten einig: Die amerikanische Schattenwirtschaft ist riesig - und sie wuchs vor allem in den vergangenen dreißig Jahren.
Jeder Schätzung zur illegalen wirtschaftlichen Aktivität mangelt es an Genauigkeit, weil etwas bemessen werden soll, was sorgfältig versteckt wird. Der österreichische Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Schneider berechnete 1997 den Anstieg der Schattenwirtschaft in den USA, indem er Schwankungen der Geldmenge verfolgte. Laut Schneider machte die Schattenwirtschaft 1970 etwa 2,6 bis 4,6 Prozent des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts aus. 1994 waren es schon 9,4 Prozent, also etwa 650 Milliarden Dollar. Charles Rossotti, der Leiter der amerikanischen Steuerbehörde, benutzte eine andere Methode zur Ermittlung der Schattenwirtschaft und teilte dem Kongress 1998 mit, dass die Amerikaner im vorangegangenen Jahr etwa 200 Milliarden Dollar an Steuern hinterzogen hatten, eine Summe, die höher war als die jährlichen Ausgaben der Regierung für Medicare. Wenn man von einem durchschnittlichen Steuersatz von 14 Prozent ausgeht, bedeutet das, dass die Amerikaner 1,5 Billionen Dollar an persönlichem Einkommen nicht meldeten. Die Schätzung der Steuerbehörde umfasste dabei nicht die Einkommen aus kriminellen Aktivitäten.
Zwei weitere Perioden in der amerikanischen Geschichte zeichnen sich durch eine blühende Schattenwirtschaft aus. Zwischen 1920 und 1933 bedingte das Alkoholverbot weit verbreiteten Schmuggel und die Ausbreitung des organisierten Verbrechens. Auf dem Höhepunkt der Prohibition gaben die Amerikaner etwa 5 Milliarden Dollar im Jahr für Alkohol aus (was in heutigem Wert ungefähr 54 Milliarden Dollar entspricht). Auf dem Schwarzmarkt wurden etwa 5 Prozent des damaligen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. Nach dem Ende der Prohibition wurden manche Schwarzbrenner und -händler angesehene Geschäftsleute. Im Zweiten Weltkrieg entstand aufgrund der Rationierungen und Preiskontrollen ein noch größerer Schwarzmarkt. Das System zur gerechten Verteilung knapper Güter hatte unerwartete Auswirkungen: einen blühenden Handel mit Lebensmittelmarken und eine Geldwirtschaft, die im Verborgenen gedieh. Etwa 5 Prozent des Treibstoffs und 20 Prozent des Fleisches wurden in Amerika damals illegal gekauft und verkauft. Laut einer Schätzung meldeten die Amerikaner gegen Ende des Kriegs bis zu 15 Prozent ihres Einkommens nicht dem Finanzamt. Im Wohlstand der Eisenhower-Ära verlor die Schattenwirtschaft an Bedeutung. Die Löhne stiegen, und die Steuerhinterziehung ging zurück. Es gab keine illegalen Waren mehr, die solche Gewinne wie schwarz gebrannter Alkohol abwarfen. Doch irgendwann Mitte oder Ende der sechziger Jahre begann die Schattenwirtschaft wieder zu wachsen. Konservative Wirtschaftsexperten nennen als wichtigsten Grund die hohen Steuersätze bei der Einkommensteuer und die starke wirtschaftliche Regulierung durch den Staat. Linksliberale sehen sinkende Löhne, Arbeitslosigkeit, den Niedergang der Gewerkschaften und die wirtschaftliche Deregulierung in den Reagan-Jahren als die wichtigsten Ursachen dafür, dass sich die wirtschaftliche Aktivität wieder verstärkt in den Untergrund verlagerte. Die Erklärungen der politisch Rechts- und Linksgerichteten schließen sich nicht unbedingt aus. Die stagnierende Wirtschaft brachte Amerikaner jeder Herkunft zur Schwarzarbeit. Die Hippiekultur der sechziger Jahre und die seit Ende der siebziger Jahre wachsende Ablehnung der US-Bürger, überhaupt Steuern zu zahlen, verband eine gemeinsame Abneigung gegen staatliche Einmischung, was zur Missachtung der Steuerbehörde führte. Eine neue Drogenkultur bot dem organisierten Verbrechen neue Möglichkeiten. Das Wachstum der amerikanischen Untergrundwirtschaft in den letzten dreißig Jahren basiert nicht nur auf wirtschaftlicher Not und dem Wunsch nach illegalem Profit, sondern auch auf einem wachsenden Gefühl der Entfremdung, der Wut gegen staatliche Autorität und der Respektlosigkeit gegenüber dem Gesetz.
Eine ähnliche Entwicklung lässt sich im gleichen Zeitraum in den gesamten westlichen Industriestaaten beobachten. Die Schattenwirtschaft in der Europäischen Union ist heute womöglich sogar größer als in den USA. Jahrelange hohe Arbeitslosigkeit, hohe Steuern, illegale Einwanderung und eine weit verbreitete Desillusionierung gegenüber dem Staat schufen enorme Untergrundwirtschaften. Nach den Schätzungen von Friedrich Schneider bewegen sich diese Schattenwirtschaften zwischen 12,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Großbritannien und bis zu 27 Prozent des BIPs in Italien. In den ehemaligen Sowjetrepubliken gibt es sogar noch größere Schwarzmärkte. In Estland macht die Untergrundwirtschaft etwa 39 Prozent des BIPs aus, in Russland etwa 45 Prozent, und in der Ukraine schätzt man sogar 51 Prozent. Die Schattenwirtschaft ist manchmal der dynamischste Sektor dieser sich im Umbruch befindenden Volkswirtschaften, denn dort blüht das freie Unternehmertum. In vielerlei Hinsicht bedeutet das Wachstum der Schwarzmärkte in den Industrieländern jedoch einen Rückschritt. Eine expandierende Schattenwirtschaft ist oft mit einem Anstieg der Korruption und einer tieferen Kluft zwischen Arm und Reich verbunden. Jahrelang profitierten Regierungsbeamte und Mitglieder der kommunistischen Partei von der "Parallelwirtschaft" der Sowjetunion, in der Güter und Dienstleistungen angeboten wurden, die man auf dem üblichen Weg nicht bekam. Die größten Schattenwirtschaften finden sich heute in den Entwicklungsländern, in denen die Regierung korrupt ist und die Gesetze nur auf dem Papier bestehen. In Bolivien macht die Schattenwirtschaft etwa 65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. In Nigeria sind es vermutlich 76 Prozent.
In dieser neuen globalen Schattenwirtschaft ist der US-Dollar die inoffizielle Währung. Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre stellten amerikanische Wirtschaftswissenschaftler fest, dass die Währungsmenge, die sich im Umlauf befand, wesentlich größer war als die Menge, die Normalverbraucher bei ihren tagtäglichen Transaktionen verwendeten. Die Entdeckung machte zum ersten Mal deutlich, dass in den USA eine Schattenwirtschaft entstand. Während in der Öffentlichkeit der Beginn einer bargeldlosen, auf Krediten basierenden Wirtschaft angekündigt wurde, stieg in aller Stille die Verwendung von Banknoten erheblich. Im Untergrund besonders beliebt war die 100-Dollar-Note aufgrund ihres hohen Wertes und der relativen Stabilität des Dollars, und das nicht nur in den USA, sondern auch im Ausland. Ende der siebziger Jahre betrug der Geldabfluss aus den USA durchschnittlich 2 Milliarden Dollar pro Jahr. In den neunziger Jahren flossen pro Jahr ungefähr 20 Milliarden der US-Währung in andere Länder. Heute sind etwa drei Viertel aller 100-Dollar-Scheine außerhalb der USA im Umlauf.
Die Vorrangstellung des amerikanischen Dollars in der globalen Schattenwirtschaft hat sich für die amerikanische Wirtschaft als Segen erwiesen. Der Abfluss der amerikanischen Währung fungiert heute im Grunde als enormes zinsfreies Darlehen. Immer wenn das Finanzministerium neue Banknoten herausgibt, kauft es zinsbringende Wertpapiere im gleichen Wert. Diese Wertpapiere werden nur verkauft, wenn die Währung aus dem Währungskreislauf herausgenommen und auf die Bank gebracht wird. Im Jahr 2000 verdiente das amerikanische Finanzministerium mit den Banknoten, die im Ausland in Umlauf sind, geschätzte 32,7 Milliarden Dollar an Zinsen. Die 100-Dollar-Note wurde 1996 auch deswegen umgestaltet, weil man fürchtete, dass Geldfälscher im Nahen Osten eine täuschend echte 100-Dollar-Note geschaffen hatten, eine "Superbanknote", die die Rolle der echten amerikanischen Währung bei inoffiziellen Transaktionen gefährden könnte. Die jüngste Bedrohung der 100-Dollar-Note geht allerdings nicht vom organisierten Verbrechen aus, sondern von der Europäischen Zentralbank. Die neue 500-Euro-Note ist perfekt für den Schwarzmarkt geeignet. Sie ist etwa fünfmal so viel wert wie die 100-Dollar-Note, was die Aktenkoffer der Drogendealer und Schmuggler deutlich leichter macht. Portugal hat aus diesem Grund die 500-Euro-Note verboten, und ihre Akzeptanz in anderen ausländischen Schattenwirtschaften ist noch ungewiss.
Die drei Teile dieses Buchs beleuchten verschiedene Aspekte der amerikanischen Schattenwirtschaft und untersuchen ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft. In "Marihuanahysterie" werden die gesetzlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Cannabiskonsums in den USA betrachtet. Marihuana ist eine gängige Ware auf dem Schwarzmarkt und wird weltweit häufiger konsumiert als jede andere illegale Droge. Die staatlichen und bundesstaatlichen Verbote des Marihuanakonsums wirken sich auf die Produktion aus, legen die Strafe für Konsumenten fest und verweisen auf die Willkür vieler kultureller Tabus. Amerikaner rauchen nicht nur mehr Marihuana, sondern sperren auch mehr Menschen wegen Cannabiskonsums ein als jeder andere westliche Industriestaat.
"In den Erdbeerfeldern" untersucht das Elend der Wanderarbeiter in der kalifornischen Landwirtschaft, bei denen es sich meist um illegale Immigranten handelt. Mit der Beschäftigung unbefugter Einwanderer aus Mexiko setzte Kalifornien einen Trend, der sich nun überall in den USA fortsetzt. Heute beschäftigen viele Unternehmer illegale Arbeitskräfte. Das Einschleusen ist für Schlepperbanden ein Milliarden Dollar schweres Geschäft. Doch die zunehmende Beschäftigung von Illegalen hat weit reichende Auswirkungen, die über den Untergrund hinausgehen, sich auf Löhne, Arbeitsbedingungen und sogar die Demokratie in der übrigen Gesellschaft auswirken.
"Ein Imperium des Obszönen" beschreibt die Pornoindustrie anhand der Karriere eines Geschäftsmanns und seiner Nachfolger. Darin wird geschildert, wie eine Ware, die einst nur auf dem Schwarzmarkt gehandelt wurde, in die Mainstreamkultur vordringt, und wie ein Verhalten, das lange als abweichend betrachtet wurde, Teil der populären Unterhaltung wird. Die Gewinne aus dem Verkauf von Pornografie, die früher vom organisierten Verbrechen kassiert wurden, werden heute von einigen der größten Unternehmen der USA erzielt. Die derzeitige Nachfrage nach Marihuana und Pornografie ist sehr aufschlussreich. Beide sind Güter, die Amerikaner in der Öffentlichkeit verabscheuen, im Privaten aber schätzen und in erstaunlichen Mengen kaufen.
Das verbindende Element aller drei Teile des Buchs ist die Ansicht, dass die Schattenwirtschaft untrennbar mit unserer Gesellschaft verbunden ist. Die Grenzen sind nicht dauerhaft festgelegt, sondern fließend. Man versteht die eine Seite nicht ohne die andere. Das ungeheure Ausmaß und die Komplexität der Wirtschaft im Untergrund stellen die mathematischen Gewissheiten konventionellen wirtschaftlichen Denkens infrage. Plötzlich wirken harte Zahlen illusorisch. Die Kurse an der Wall Street steigen und fallen aufgrund minimaler Veränderungen der Inflationsrate, der Arbeitslosenzahlen und der neuesten Prognosen für das Bruttoinlandsprodukt. Milliarden Dollar wechseln den Besitzer, weil sich wirtschaftliche Analysen um einen Zehntelprozentpunkt verändern. Aber was bedeuten diese Statistiken, wenn 20 Prozent, 10 Prozent oder auch nur 5 Prozent der Wirtschaftskraft eines Staates nicht berechnet werden können? Der große wirtschaftliche Erfolg der USA in den vergangenen zwanzig Jahren - in den Bereichen Software, Telekommunikation, Luftfahrt, Computer - ist nur ein Aspekt der Geschichte. Marlboro, Camel und Philip Morris sind bekannte Namen, und die Tabakindustrie hat eine der stärksten Lobbys in Washington. Doch die Amerikaner geben heute mehr Geld für illegale Drogen als für Zigaretten aus.
Die Rolle des Staates und die Beschränkung der freien Marktwirtschaft sind zentrale Fragen dieses Buchs. Das politische System der Vereinigten Staaten und das Wirtschaftssystem, das Adam Smith propagierte, sind angeblich der Freiheit gewidmet. Seit 1776 sind Amerikaner immer wieder bereit gewesen, für die Freiheit zu kämpfen und zu sterben. Man muss lange suchen, um einen Amerikaner zu finden, der Freiheit für etwas Schlechtes hält. Doch die Frage, die viel schwieriger zu beantworten ist, lautet: Freiheit für wen? Soll der Staat die Freiheit der Arbeitnehmer oder der Unternehmer schützen? Die Freiheit der Verbraucher oder der Produzenten? Der Mehrheit, die sich für die eine Lebensweise entschieden hat, oder der Minderheit, die sich für eine andere Lebensweise entschieden hat? Als abstraktes Gut kann man die Freiheit leicht feiern. Aber das Festhalten an diesem hohen Ideal scheint unmöglich.
... weniger
Autoren-Porträt von Eric Schlosser
Eric Schlosser ist in seiner amerikanischen Heimat durch seine exzellent recherchierten Reportagen ein ebenso bekannter wie gefürchteter Journalist. Er schrieb über die Familien von Mordopfern, den Komplex der Gefängnisindustrie und das Pornografiegeschäft. Als Korrespondent des Monatsmagazins 'The Atlantic' wurden seine Arbeiten mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. So erhielt er für seine zweiteilige Serie über die Durchführung der Marihuana-Gesetze in Amerika den "National Magazine Award for reporting" und für seinen Bericht über die kalifornische Erdbeerindustrie den Preis der Sidney Hillman Foundation.
Bibliographische Angaben
- Autor: Eric Schlosser
- 2004, 381 Seiten, Maße: 13,8 x 21,7 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzer: Heike Schlatterer, Gisela Kretzschmar
- Verlag: Riemann
- ISBN-10: 3570500535
- ISBN-13: 9783570500538
Rezension zu „Die scheinheilige Gesellschaft “
"Dieses Buch zeigt besser als jede wirtschaftssoziologische Studie, dass die starke Hand der Regierung nötig ist, dass der Markt nicht der Macht der multinationalen Konzerne überlassen werden darf und unsere täglichen Kauf-Entscheidungen von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind."
Kommentar zu "Die scheinheilige Gesellschaft"
0 Gebrauchte Artikel zu „Die scheinheilige Gesellschaft“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Die scheinheilige Gesellschaft".
Kommentar verfassen