Die Sünde der Brüder
Mehr von der Königin aller Highlander, der Bestsellerautorin Diana Gabaldon.
Im Jahr 1758 befindet sich Europa mitten im Siebenjährigen Krieg, der auch Auswirkungen auf die nordamerikanischen Kolonien hat. Lord John Grey...
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Mehr von der Königin aller Highlander, der Bestsellerautorin Diana Gabaldon.
Im Jahr 1758 befindet sich Europa mitten im Siebenjährigen Krieg, der auch Auswirkungen auf die nordamerikanischen Kolonien hat. Lord John Grey stößt in den Kriegswirren auf ein Familiengeheimnis, das seine Mutter sehr zu belasten scheint: der mysteriöse Tod seines Vaters. Alles deutet darauf hin, dass es dabei eine Verbindung zu seinem Freund Jamie Fraser gibt. Verrat und Ehre, Lüge und Bruderliebe prallen im Donner der Kanonen aufeinander.
Die Sünde der Brüder von Diana Gabaldon
LESEPROBE
Familiensache
London, Januar 1758
Die Gesellschaft zur Wertschätzung des englischen Beefsteaks, ein Herrenclub Soweit sich Lord John Grey erinnerte, wurden Stiefmütter in der Literatur für gewöhnlich als gierige, bösartige, durchtriebene, mordlustige und gelegentlich zum Kannibalismus neigende Wesen dargestellt. Stiefväter dagegen schienen eher nebensächlich, wenn nicht sogar vollkommen harmlos zu sein.
»Squire Allworthy vielleicht?«, sagte er zu seinem Bruder.
»Oder Claudius?«
Hal, der mitten im Zimmer stand und unruhig den Globus des Clubs drehte, sah elegant, weltmännisch und absolut unverdaulich aus. Er ließ von seiner Beschäftigung ab und warf Grey einen verständnislosen Blick zu.
»Was?«
Hals Nasenflügel bebten. Er selbst beschränkte seine Lektüre auf Tacitus und möglichst detaillierte griechische und römische Militärhistorien. Die Angewohnheit, Romane zu lesen, betrachtete er als eine Form moralischer Schwäche. Bei ihrer Mutter, die schließlich eine Frau war, war diese verzeihlich und völlig verständlich. Dass sein jüngerer Bruder diese Unsitte teilte, war weniger akzeptabel.
Dennoch sagte er nur: »Claudius? Aus Hamlet? Gewiss nicht, John, es sei denn, du weißt etwas über Mutter, das ich nicht weiß.«
Grey war sich einigermaßen sicher, dass er eine ganze Reihe von Dingen über ihre Mutter wusste, die Hal nicht wusste, doch jetzt war weder der Zeitpunkt noch der Ort, dies zu erwähnen. »Fallen dir denn andere Beispiele ein? Berühmte Stiefväter der Weltgeschichte vielleicht?«
Hal spitzte die Lippen und runzelte nachdenklich die Stirn. Dann griff er sich geistesabwesend an die Uhrentasche seiner Weste.
Auch Grey fasste sich an die Westentasche, in der seine goldene Uhr – es war die gleiche wie die seines Bruders – ein beruhigendes Gewicht bildete.
»Noch hat er keine Verspätung.«
Hal warf ihm einen Seitenblick zu, der zwar kein Lächeln war – zu so etwas war er nicht in der Stimmung –, aber doch mit einem Hauch von Humor versetzt war.
»Immerhin ist er Soldat.«
Greys Erfahrung nach war die Mitgliedschaft im Bund der Waffenbrüder zwar nicht unbedingt gleichbedeutend mit Pünktlichkeit – ihr Freund Harry Quarry war Oberst, und er kam chronisch zu spät –, doch er nickte gleichmütig. Hal war schon gereizt genug. Grey wollte keinen törichten Streit beginnen, der am Ende noch auf die bevorstehende Begegnung mit dem auserwählten dritten Ehegatten ihrer Mutter abgefärbt hätte.
»Es könnte wahrscheinlich schlimmer sein«, sagte Hal und widmete sich wieder seiner mürrischen Betrachtung der Weltkugel. »Immerhin ist er kein verflixter Kaufmann. Oder sonst ein Geschäftsmann.« Seine Stimme triefte bei diesem Gedanken vor Verachtung.
Tatsächlich hatte man General Sir George Stanley sogar zum Ritter geschlagen, ein Titel, der ihm aufgrund seiner Dienste an der Waffe zuteilgeworden war und den er nicht von Geburt an trug. Er entstammte zwar einer Familie von Geschäftsleuten, diese hatten sich jedoch auf die respektablen Bereiche des Bankwesens und der Handelsschifffahrt beschränkt. Benedicta Grey dagegen war Herzogin. Zumindest war sie es gewesen. Während er der bevorstehenden Hochzeit seiner Mutter bis jetzt einigermaßen ruhig entgegengeblickt hatte, verspürte Grey unvermittelt ein mulmiges Gefühl in der Magengegend – eine körperliche Reaktion auf die Erkenntnis, dass seine Mutter bald keine Grey mehr sein würde, sondern Lady Stanley – eine Fremde. Das war natürlich lächerlich. Gleichzeitig jedoch empfand er auf einmal mehr Verständnis für Hal.
Die Uhr in seiner Tasche begann, Mittag zu bimmeln. Keine halbe Sekunde später stimmte Hals Uhr ein, und die Brüder lächelten einander an, die Hände an den Westen, plötzlich vereint. Die Uhren waren baugleich, eine jede ein Geschenk, das ihr Vater seinen Söhnen zum zwölften Geburtstag gemacht hatte. Der Herzog war am Tag nach Greys zwölftem Geburtstag gestorben, was diesem kleinen Zeichen der Anerkennung seiner Männlichkeit einen schmerzlichen Beigeschmack verlieh. Grey holte Luft, um etwas zu sagen, doch im Korridor erklangen Stimmen.
»Da ist er ja.« Hal hob den Kopf. Offenbar konnte er sich nicht entscheiden, ob er Sir George entgegengehen oder weiter in der Bibliothek auf ihn warten sollte.
»Der Heilige Josef«, sagte Grey übergangslos. »Das ist noch ein berühmter Stiefvater.«
»Ach was«, sagte sein Bruder mit einem erneuten Seitenblick.
»Und wer von uns beiden ist dann deiner Meinung nach …?«
Ein Schatten fiel auf den Orientteppich – er gehörte zu einem Bediensteten, der in der Tür stand und sich verneigte.
»Sir George Stanley, Mylord. Und Begleiter.«
General Sir George Stanley war eine Überraschung. Zwar hatte Grey nicht ernsthaft mit Claudius oder dem Heiligen Josef gerechnet, doch auch die Wirklichkeit war ein wenig … rundlicher als erwartet.
Nach allem, was er gehört hatte, war der erste Ehemann seiner Mutter hochgewachsen und schneidig gewesen, während ihr zweiter Gemahl, Greys Vater, von der gleichen schlanken, hellhäutigen und muskulösen Statur gewesen war, die er auch beiden Söhnen vererbt hatte. Sir George gab einem den Glauben an das Gesetz des Durchschnitts zurück, dachte Grey belustigt.
Der General war etwas größer als er selbst oder Hal und ziemlich stämmig. Er hatte ein rundes, fröhliches Gesicht, das gesund und arglos unter einer ziemlich schäbigen Perücke hervorschaute. Seine Gesichtszüge waren extrem unauffällig, abgesehen von seinen großen braunen Augen, die ihm eine freundliche, erwartungsvolle Ausstrahlung verliehen, als könnte er sich nichts Schöneres als die Begegnung mit seinem Gegenüber vorstellen.
Er verbeugte sich zur Begrüßung, schüttelte dann aber beiden Greys fest die Hand, was bei Lord John einen Eindruck der Wärme und Aufrichtigkeit hinterließ.
»Es ist zu gütig von Euch, mich zum Mittagessen einzuladen «, sagte er und lächelte erst dem einen, dann dem anderen Bruder zu. »Ich kann Euch gar nicht sagen, wie sehr ich diesen Empfang zu schätzen weiß. Umso peinlicher ist es mir, sogleich mit einer Entschuldigung zu beginnen – aber ich fürchte, ich habe Eure Gutmütigkeit noch weiter ausgenutzt, indem ich meinen Stiefsohn mitgebracht habe. Er ist heute Morgen unerwartet vom Land eingetroffen, gerade als ich im Aufbruch begriffen war. Da Ihr ja gewissermaßen Brüder sein werdet … dachte ich, Ihr würdet mir vielleicht verzeihen, dass ich mir die Freiheit herausgenommen habe, ihn mitzubringen.« Er lachte ein wenig verlegen und errötete; merkwürdig für einen Mann seines Alters und Ranges, aber sehr sympathisch, dachte Grey, der das Lächeln unwillkürlich erwiderte.
»Natürlich«, sagte Hal, dem es sogar gelang, seine Worte freundlich klingen zu lassen.
»Aber gewiss doch«, stimmte Grey ein. Weil er Sir George am nächsten stand, wandte er sich dann mit ausgestreckter Hand dem Begleiter des Generals zu und sah sich einem hochgewachsenen, schlanken, dunkeläugigen jungen Mann gegenüber.
»Mylord Melton, Lord John«, sagte der General und legte dem jungen Mann die Hand auf die Schulter. »Darf ich Euch Mr. Percival Wainwright vorstellen?«
Hal war verstimmt; Grey konnte die verärgerten Schwingungen spüren, die von ihm ausgingen – Hal hasste Überraschungen, vor allem, wenn sie gesellschaftlicher Natur waren –, doch er hatte im Augenblick für die Launen seines Bruders nur wenig Aufmerksamkeit übrig.
»Euer Diener, Sir«, sagte er und ergriff Mr. Wainwrights Hand, während ihn das merkwürdige Gefühl überkam, ihm schon einmal begegnet zu sein.
Sein Gegenüber spürte es ebenfalls; er konnte den leisen Ausdruck der Verwunderung im Gesicht des jungen Mannes sehen, eine winzige Bewegung seiner feinen, dunklen Augenbrauen, als fragte er sich, wo …
Die Erkenntnis kam ihnen beiden zugleich. Seine Hand klammerte sich im selben Moment unwillkürlich um Wainwrights Finger, als auch dessen Griff fester wurde.
»Zu Diensten, Sir«, murmelte Wainwright und trat mit einem Hüsteln zurück. Er streckte Hal die Hand entgegen, richtete seinen Blick aber noch einmal kurz auf Grey. Auch seine Augen waren braun, aber ganz anders als die seines Stiefvaters, dachte Grey, während der erste Schreck des Wiedersehens verging.
Ihre Farbe war ein sanftes, leuchtendes Braun – wie Sherry Sack –, und sie waren sehr ausdrucksvoll. Im Moment glitzerten sie vor Belustigung über die Situation – und waren von demselben hochgradig persönlichen Interesse erfüllt, das Grey schon einmal in ihnen gesehen hatte, bei ihrer ersten Begegnung … in der Bibliothek des Lavender House.
Auch bei dieser Gelegenheit hatte ihm Percy Wainwright seinen Namen genannt – und ihm die Hand gegeben. Doch Grey war damals als anonymer Fremder aufgetreten, und ihre Begegnung war notwendigerweise kurz gewesen.
Gerade begrüßte Hal den Neuankömmling höflich, betrachtete ihn jedoch mit demselben kühlen, professionellen, abschätzenden Blick, den er auch aufgesetzt hätte, um sich einen Eindruck von einem Offizier zu machen, der neu in seinem Regiment war.
Grey fand, dass Wainwright diesem prüfenden Blick bestens standhielt; er war gut gebaut, adrett und geschmackvoll gekleidet, er hatte eine reine Haut und ein klares Gesicht, und sein Verhalten verriet sowohl Humor als auch Fantasie. Bei einem Offizier konnten diese beiden Eigenschaften gefährlich sein, aber im Privatleben …
Wainwright schien unterdessen seiner Neugier in Bezug auf Grey ganz diskret freien Lauf zu lassen, indem er ihm immer wieder kurze Blicke zuwarf – kein Wunder. Grey lächelte ihn an. Er freute sich über die Überraschung, die dieser neue »Bruder« darstellte. »Ich danke Euch«, sagte Wainwright, als Hal seine Begrüßung beendete. Er riss seine Aufmerksamkeit von Grey los und verbeugte sich vor Hal. »Euer Gnaden sind zu … gnädig.« Ein Augenblick betroffenen Schweigens folgte auf dieses letzte, halb erstickte Wort, als Wainwright eine Sekunde zu spät begriff, was er gesagt hatte.
Hal erstarrte einen winzigen Moment, dann fasste er sich wieder und erwiderte die Verbeugung.
»Aber nicht doch«, sagte er im Tonfall makelloser Höflichkeit.
»Wollen wir essen, meine Herren?«
Er wandte sich der Tür zu, ohne sich umzusehen. Das war auch gut so, dachte Grey angesichts der hastigen Gesten und Blicke, die zwischen dem General und seinem Stiefsohn hin und her gingen – schockierter Ärger auf Seiten des Ersteren, der zur weiteren Betonung die Augen verdrehte und sich kurz an die schäbige Perücke fasste; verlegene Entschuldigung auf Seiten des Letzteren – eine Entschuldigung, die er wortlos auch an Grey richtete, dem er sich mit einer Grimasse zuwandte. Er zog einfach nur die Schulter hoch. Hal war daran gewöhnt – und er war schließlich selbst daran schuld.
»Wir haben uns einen guten Tag ausgesucht. Es ist Donnerstag. Der Koch des Beefsteaks hat donnerstags ein ausgezeichnetes Rindsragout auf der Karte stehen. Mit Austern.« (…)
© Blanvalet Verlag
Übersetzung: Barbara Schnell
Diana Gabaldon wurde 1952 geboren und lebt heute mit ihrem Mann, drei Kindern und vielen Tieren in Flagstaff (Arizona). Nach dem Studium der Biologie, Meeresbiologie und Ökologie arbeitete sie als Honorarprofessorin für Tiefseebiologie und Zoologie an der Universität von Arizona.
Als sie Mitte 30 war, wagte sie es, ihrem geheimen Wunsch nachzugehen: ein Buch zu schreiben. Dass sie mit Sprache umgehen kann, hatte sie u.a. in wissenschaftlichen Beiträgen, Textbüchern, Rezensionen und Walt-Disney-Comics bewiesen. Gabaldons erster Roman „Feuer und Stein“ wurde gleich ein Riesenerfolg und bildete den Einstieg in die Highland-Saga. Die Heldin der Romane, Claire Randall, gerät auf einer Zeitreise ins 18. Jahrhundert mitten hinein in die Kämpfe der schottischen Clans gegen die englische Besatzung. In den späteren Romanen kämpfen dann ihre Nachkommen im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. So gibt es genügend Stoff für genau recherchierte Historie, Spannung, Humor, Romantik und Erotik.
Durch all diese Geschichten zieht sich jeweils wie ein roter Faden ein Hauptthema: Die „Liebe“ im engeren und weiteren Sinne ist handlungsweisend in „Feuer und Stein“, „Hingabe“ an Menschen, Sachen und Ideen wird in „Die geliehene Zeit“ thematisiert, die Frage nach der „Identität“ in „Ferne Ufer“ gestellt. Weitere Themen sind „Familie“ („Ruf der Trommel“), „Gemeinschaft“ („Das flammende Kreuz“), „Loyalität“ („Ein Hauch von Schnee und Asche“).
Für das Schreiben hat die Autorin drei Regeln formuliert. Lesen steht an erster Stelle, weil es vor allem das Urteilsvermögen des Schriftstellers stärkt. Danach kommt Schreiben, denn „die einzige Möglichkeit, das Schreiben zu lernen, ist...zu schreiben.“ „Weil Schreiben größtenteils eine Frage der Beharrlichkeit ist“, lautet die dritte Regel: Nicht aufhören!
Und vom Aufhören kann bei Diana Gabaldon nicht die Rede sein. „Zum Glück!“, denken sicher insbesondere viele Weltbild-Kunden: 2006 wurde Diana Gabaldon mit dem Corine Weltbild-Leserpreis ausgezeichnet.
- Autor: Diana Gabaldon
- 2008, 1, 544 Seiten, Maße: 13,3 x 21,2 cm, Klappenbroschur
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828991890
- ISBN-13: 9783828991897
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