Die Therapie
Seitdem Josy, die Tochter des Psychiaters Viktor, spurlos verschwunden ist, lebt er völlig zurückgezogen. Doch dann taucht Anna auf. Von Wahnvorstellungen geplagt, will sie von ihm therapiert werden. Sie erzählt ihm die Geschichte eines...
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Produktinformationen zu „Die Therapie “
Seitdem Josy, die Tochter des Psychiaters Viktor, spurlos verschwunden ist, lebt er völlig zurückgezogen. Doch dann taucht Anna auf. Von Wahnvorstellungen geplagt, will sie von ihm therapiert werden. Sie erzählt ihm die Geschichte eines Mädchens es ist die Geschichte von Josy.
Lese-Probe zu „Die Therapie “
Die Therapie von Sebastian Fitzek LESEPROBE
"An welchem Buch schreiben Sie zurzeit?", fragte er sie als Erstes. Es war die Frage, mit der er heute Morgen aufgewacht war.
Welche Figuren werden als Nächstes in Ihren Albträumen lebendig?
"Ich schreibe nicht mehr. Jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne."
"Wie meinen Sie das?"
"Ich bin dazu übergegangen, nur noch über mich selbst zu schreiben. Meine Biographie - wenn man so will. Damit schlage ich drei Fliegen mit einer Klappe. Erstens: Ich kann meiner künstlerischen Neigung nachgehen. Zweitens: Ich verarbeite dabei meine Vergangenheit und drittens: Ich verhindere, dass Romanfiguren in mein Leben treten und mich verrückt machen."
"Verstehe. Dann erzählen Sie mir bitte etwas von Ihrem letzten großen Zusammenbruch. Dem, der schließlich zu Ihrer Aufnahme in der Klinik führte."
Anna atmete tief aus und faltete ihre Hände wie zu einem Gebet.
"Nun. Die letzte Romanfigur, die sich verselbständigte, war die Heldin aus einem modernen Märchen für Kinder."
"Worum ging es?"
"Um ein kleines Mädchen. Charlotte. Sie war ein zierlicher blonder Engel, so wie man ihn aus der Werbung für Lebkuchen oder Schokolade kennt."
"Nicht die schlimmste Figur, die man sich als imaginären Begleiter vorstellen kann."
"Ja. Das stimmt. Charlotte war ein kleiner Schatz. Jeder, der sie sah, schloss sie sofort ins Herz. Sie lebte als einzige Königstochter in einem kleinen Schloss auf einer Insel."
"Wovon handelte die Geschichte genau?"
"Von einer Suche. Eines Tages wurde Charlotte nämlich plötzlich krank. Sehr krank."
Viktor wollte gerade einen weiteren Schluck Tee nehmen, setzte die Tasse aber wieder ab. Anna hatte jetzt seine volle
... mehr
Aufmerksamkeit.
"Sie litt an unerklärlichen Fieberanfällen, wurde immer schwächer und dünner. Alle Mediziner des Landes kamen zusammen und untersuchten sie, aber keiner konnte sagen, was ihr fehlte. Ihre Eltern verzweifelten Tag für Tag mehr. Und Tag für Tag verschlimmerte sich der Zustand der Kleinen."
Viktor hielt unbewusst den Atem an und konzentrierte sich auf jedes folgende Wort.
"Eines Tages beschloss die kleine Charlotte dann, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und riss von zu Hause aus."
Josy.
Viktor hatte versucht, diesen Gedanken zu verdrängen, aber es war ihm nicht gelungen.
"Wie bitte?" Anna sah ihn irritiert an. Viktor hatte gar nicht bemerkt, dass er offenbar etwas gesagt hatte, und fuhr sich nervös durch die Haare.
"Nichts. Ich wollte Sie nicht unterbrechen. Fahren Sie bitte fort."
"Also, wie gesagt, sie machte sich auf die Suche nach der Ursache für ihre Krankheit. Wenn man so will, ist diese Geschichte eine Parabel. Ein Kindermärchen von einem kranken Mädchen, das sich nicht aufgibt, sondern handelt, in dem es auf eigene Faust in die Welt hinausgeht."
Das kann nicht sein. Das ist unmöglich. Viktor war unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Er kannte dieses Gefühl. Zuerst hatte er es in der Praxis von Dr. Grohlke gespürt. Und danach an jedem einzelnen Tag seines Lebens. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem er beschlossen hatte, die Suche nach seiner kleinen Tochter endgültig zu beenden.
"Geht es Ihnen wirklich gut, Dr. Larenz?"
"Wie? Oh ..." Viktor sah auf die Finger seiner rechten Hand, die nervös auf der Teakholzplatte des alten Schreibtisches trommelten.
"Entschuldigen Sie, ich habe wohl etwas zu viel Tee getrunken. Aber erzählen Sie mir mehr von Charlotte. Wie geht die Geschichte aus? Was ist passiert?"
Was ist mit Josy?
"Ich weiß es nicht."
"Was? Sie wissen nicht, wie Ihr eigenes Buch endet?" Die Frage kam lauter, als Viktor es beabsichtigt hatte, doch Anna schien sich über den Gefühlsausbruch nicht zu wundern.
"Ich sagte doch, ich habe es nie fertiggestellt. Die Geschichte blieb ein Fragment. Gerade deshalb hat Charlotte mich doch nicht mehr losgelassen und in diesen Albtraum gestürzt."
Albtraum?
"Wie meinen Sie das?"
"Wie ich schon sagte, Charlotte war die letzte Romanfigur, die in mein Leben trat. Was ich mit ihr erlebte, war so schrecklich, dass ich danach den Zusammenbruch hatte."
"Noch mal. Was genau ist passiert?"
Viktor wusste, dass er sich falsch verhielt. Die Patientin war noch nicht so weit, um über das Trauma zu sprechen. Aber er musste es wissen. Als Anna nur starr nach unten schaute und keine Antwort gab, hakte er etwas vorsichtiger nach.
"Wann hatten Sie die erste Vision von Charlotte?"
"Das war vor etwa vier Jahren in Berlin. Im Winter."
"Am 26. November" ergänzte Viktor lautlos.
"Ich wollte gerade einkaufen gehen, als ich auf der Straße hinter mir diesen Krach hörte. Reifenquietschen, dann ein metallisches Scheppern, das Splittern von Glas, die üblichen Geräusche eines Auffahrunfalls. Ich dachte noch: "Hoffentlich ist niemand zu Schaden gekommen", und drehte mich um. Da sah ich das Mädchen. Sie stand wie paralysiert mitten auf der Straße. Offenbar war sie schuld an dem Unfall."
Viktor verkrampfte in seiner Sitzhaltung.
"Plötzlich, wie auf ein unsichtbares Zeichen hin, drehte sie den Kopf, sah zu mir herüber und lächelte mich an. Und da erkannte ich sie. Charlotte. Mein krankes Mädchen aus dem Roman. Sie rannte zu mir und nahm meine Hand."
Ihre dünnen Ärmchen. So zerbrechlich.
"Jetzt war ich katatonisch, starr. Einerseits war mir klar, dass es sie nicht gab. Nicht geben konnte. Andererseits war sie so real. Ich konnte nicht anders. Ich musste sie akzeptieren. Also folgte ich ihr."
"Wohin? Wo genau war das?"
"Was? Wieso ist das so wichtig?"
Anna blinzelte etwas verstört und schien auf einmal doch keine Lust mehr zu haben weiterzureden.
"Ist es nicht. Verzeihen Sie. Fahren Sie fort."
Anna räusperte sich und stand auf.
"Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Dr. Larenz, würde ich gerne eine Pause machen. Ich weiß, ich habe Sie die ganze Zeit zu dem Gespräch gedrängt. Doch jetzt merke ich, dass ich vielleicht doch noch nicht so weit bin. Diese Visionen waren wirklich sehr schrecklich für mich. Jetzt darüber zu reden, fällt mir schwerer, als ich dachte."
"Natürlich", sagte Viktor, obwohl in ihm alles nach weiteren Informationen schrie. Er stand ebenfalls auf.
"Ich werde Sie ab sofort nicht mehr belästigen. Vielleicht kann ich ja morgen schon nach Hause." Nein!
Viktor suchte fieberhaft nach einem Ausweg. Er konnte es nicht zulassen, dass sie nicht mehr wiederkam, obwohl es genau das war, was er noch vor wenigen Minuten von ihr verlangt hatte. (...)
© Verlagsgruppe Droemer Knaur
"Sie litt an unerklärlichen Fieberanfällen, wurde immer schwächer und dünner. Alle Mediziner des Landes kamen zusammen und untersuchten sie, aber keiner konnte sagen, was ihr fehlte. Ihre Eltern verzweifelten Tag für Tag mehr. Und Tag für Tag verschlimmerte sich der Zustand der Kleinen."
Viktor hielt unbewusst den Atem an und konzentrierte sich auf jedes folgende Wort.
"Eines Tages beschloss die kleine Charlotte dann, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und riss von zu Hause aus."
Josy.
Viktor hatte versucht, diesen Gedanken zu verdrängen, aber es war ihm nicht gelungen.
"Wie bitte?" Anna sah ihn irritiert an. Viktor hatte gar nicht bemerkt, dass er offenbar etwas gesagt hatte, und fuhr sich nervös durch die Haare.
"Nichts. Ich wollte Sie nicht unterbrechen. Fahren Sie bitte fort."
"Also, wie gesagt, sie machte sich auf die Suche nach der Ursache für ihre Krankheit. Wenn man so will, ist diese Geschichte eine Parabel. Ein Kindermärchen von einem kranken Mädchen, das sich nicht aufgibt, sondern handelt, in dem es auf eigene Faust in die Welt hinausgeht."
Das kann nicht sein. Das ist unmöglich. Viktor war unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Er kannte dieses Gefühl. Zuerst hatte er es in der Praxis von Dr. Grohlke gespürt. Und danach an jedem einzelnen Tag seines Lebens. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem er beschlossen hatte, die Suche nach seiner kleinen Tochter endgültig zu beenden.
"Geht es Ihnen wirklich gut, Dr. Larenz?"
"Wie? Oh ..." Viktor sah auf die Finger seiner rechten Hand, die nervös auf der Teakholzplatte des alten Schreibtisches trommelten.
"Entschuldigen Sie, ich habe wohl etwas zu viel Tee getrunken. Aber erzählen Sie mir mehr von Charlotte. Wie geht die Geschichte aus? Was ist passiert?"
Was ist mit Josy?
"Ich weiß es nicht."
"Was? Sie wissen nicht, wie Ihr eigenes Buch endet?" Die Frage kam lauter, als Viktor es beabsichtigt hatte, doch Anna schien sich über den Gefühlsausbruch nicht zu wundern.
"Ich sagte doch, ich habe es nie fertiggestellt. Die Geschichte blieb ein Fragment. Gerade deshalb hat Charlotte mich doch nicht mehr losgelassen und in diesen Albtraum gestürzt."
Albtraum?
"Wie meinen Sie das?"
"Wie ich schon sagte, Charlotte war die letzte Romanfigur, die in mein Leben trat. Was ich mit ihr erlebte, war so schrecklich, dass ich danach den Zusammenbruch hatte."
"Noch mal. Was genau ist passiert?"
Viktor wusste, dass er sich falsch verhielt. Die Patientin war noch nicht so weit, um über das Trauma zu sprechen. Aber er musste es wissen. Als Anna nur starr nach unten schaute und keine Antwort gab, hakte er etwas vorsichtiger nach.
"Wann hatten Sie die erste Vision von Charlotte?"
"Das war vor etwa vier Jahren in Berlin. Im Winter."
"Am 26. November" ergänzte Viktor lautlos.
"Ich wollte gerade einkaufen gehen, als ich auf der Straße hinter mir diesen Krach hörte. Reifenquietschen, dann ein metallisches Scheppern, das Splittern von Glas, die üblichen Geräusche eines Auffahrunfalls. Ich dachte noch: "Hoffentlich ist niemand zu Schaden gekommen", und drehte mich um. Da sah ich das Mädchen. Sie stand wie paralysiert mitten auf der Straße. Offenbar war sie schuld an dem Unfall."
Viktor verkrampfte in seiner Sitzhaltung.
"Plötzlich, wie auf ein unsichtbares Zeichen hin, drehte sie den Kopf, sah zu mir herüber und lächelte mich an. Und da erkannte ich sie. Charlotte. Mein krankes Mädchen aus dem Roman. Sie rannte zu mir und nahm meine Hand."
Ihre dünnen Ärmchen. So zerbrechlich.
"Jetzt war ich katatonisch, starr. Einerseits war mir klar, dass es sie nicht gab. Nicht geben konnte. Andererseits war sie so real. Ich konnte nicht anders. Ich musste sie akzeptieren. Also folgte ich ihr."
"Wohin? Wo genau war das?"
"Was? Wieso ist das so wichtig?"
Anna blinzelte etwas verstört und schien auf einmal doch keine Lust mehr zu haben weiterzureden.
"Ist es nicht. Verzeihen Sie. Fahren Sie fort."
Anna räusperte sich und stand auf.
"Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Dr. Larenz, würde ich gerne eine Pause machen. Ich weiß, ich habe Sie die ganze Zeit zu dem Gespräch gedrängt. Doch jetzt merke ich, dass ich vielleicht doch noch nicht so weit bin. Diese Visionen waren wirklich sehr schrecklich für mich. Jetzt darüber zu reden, fällt mir schwerer, als ich dachte."
"Natürlich", sagte Viktor, obwohl in ihm alles nach weiteren Informationen schrie. Er stand ebenfalls auf.
"Ich werde Sie ab sofort nicht mehr belästigen. Vielleicht kann ich ja morgen schon nach Hause." Nein!
Viktor suchte fieberhaft nach einem Ausweg. Er konnte es nicht zulassen, dass sie nicht mehr wiederkam, obwohl es genau das war, was er noch vor wenigen Minuten von ihr verlangt hatte. (...)
© Verlagsgruppe Droemer Knaur
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Autoren-Porträt von Sebastian Fitzek
Autoren-Porträt von Sebastian Fitzek Sebastian Fitzek wurde 1971 in Berlin geboren, wo er heute als Journalist und Autor fr zahlreiche Hörfunkstationen und TV-Sender tätig ist. Gleich sein erster Psychothriller "Die Therapie" eroberte die Taschenbuch-Bestsellerliste und begeisterte Kritiker wie Leser gleichermaßen. Mit den darauf folgenden Bestsellern "Amokspiel" und "Das Kind" festigte er seinen Ruf als neuer deutscher Star des Psychothrillers.
Autoren-Interview mit Sebastian Fitzek
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Bibliographische Angaben
- Autor: Sebastian Fitzek
- 2009, 1, 272 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 386800128X
- ISBN-13: 9783868001280
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