Die Vermessung des Universums
Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist
Die Physik: In keiner anderen Naturwissenschaft kündigen sich derzeit so umwälzende, aufregende Erkenntnisse für Mensch und Kosmos an. Das große Ziel ist es, so kleine Dinge wie Atome und so große wie Galaxien einheitlich zu erklären. Aber wie soll das...
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Produktinformationen zu „Die Vermessung des Universums “
Die Physik: In keiner anderen Naturwissenschaft kündigen sich derzeit so umwälzende, aufregende Erkenntnisse für Mensch und Kosmos an. Das große Ziel ist es, so kleine Dinge wie Atome und so große wie Galaxien einheitlich zu erklären. Aber wie soll das gelingen? Harvard-Professorin und Besteller-Autorin Lisa Randall berichtet unterhaltsam von aktuellen Forschungen, ihren Ergebnissen und Zukunftsaussichten. 2. Auflage 2012!
Klappentext zu „Die Vermessung des Universums “
In keiner anderen Naturwissenschaft kündigen sich so umwälzende und aufregende Erkenntnisse für Mensch und Kosmos an wie in der Physik. Das große Ziel ist es, so kleine Dinge wie Atome und so große wie Galaxien einheitlich zu erklären. Doch wie soll das gelingen? In ihrem neuen Buch berichtet Besteller-Autorin Lisa Randall spannend und anschaulich aus den Laboren und Denkfabriken ihrer Kollegen: Welchen Fragen gehen Physiker nach? Welche Rolle spielen so gigantische Apparate wie der Teilchenbeschleuniger im CERN? Was hat es mit der Suche nach dem Higgs-Boson auf sich? Wie hängt angewandte mit theoretischer Physik zusammen? Lisa Randall zeichnet das Bild der gegenwärtigen Physik in all ihren Facetten und lässt ganz konkret werden, wie die moderne Grundlagenforschung funktioniert. Ein unterhaltsamer, lehrreicher Einblick in die faszinierende Welt der Physik und gleichzeitig ein Lob der kreativen Fähigkeiten des menschlichen Geistes und der Wissenschaft.
Lese-Probe zu „Die Vermessung des Universums “
Die Vermessung des Universums von Lisa RandallEinleitung
Wir stehen kurz vor neuen Entdeckungen. Die größten und aufregendsten Experimente in der Elementarteilchenphysik und Kosmologie sind in vollem Gange, und viele der talentiertesten Physiker und Astronomen der Welt konzentrieren sich auf ihre Implikationen. Was Naturwissenschaftler innerhalb der nächsten zehn Jahre herausfinden, könnte Hinweise liefern, die letztendlich unser Verständnis des grundlegenden Aufbaus der Materie oder gar des Raums selbst verändern werden - und vielleicht auch ein vollständigeres Bild des Wesens der Wirklichkeit ergeben. Diejenigen von uns, die sich für diese Entwicklungen interessieren, glauben nicht, dass es sich dabei um bloße postmoderne Ergänzungen handeln wird. Wir sehen Entdeckungen entgegen, die ein völlig anderes Universum des 21. Jahrhunderts für den zugrunde liegenden Aufbau des Weltalls einleiten und unser Bild seiner grundlegenden Architektur aufgrund der auf uns wartenden Einsichten verändern könnten.
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Der 10. September 2008 markierte den epochemachenden ersten Test- lauf des Large Hadron Collider (LHC). Obwohl der Name - Large Hadron Collider - zwar treffend, aber einfallslos ist, gilt dasselbe nicht für die naturwissenschaftlichen Ergebnisse, die wir von ihm erwarten und die sich als spektakulär erweisen sollen. Das »large« (groß) bezieht sich auf den Teilchenbeschleuniger - nicht auf die Hadronen. Der LHC umfasst einen riesigen 26,6 Kilometer1 langen kreisförmigen Tunnel tief unter der Erde, der sich zwischen dem Jura-Gebirge und dem Genfer See erstreckt und die französisch-schweizerische Grenze schneidet. Mit elektrischen Feldern innerhalb dieses Tunnels werden zwei Strahlen, von denen jeder aus Milliarden Protonen besteht (die zur sogenannten Teilchenklasse der Hadronen gehören - daher der Name des Teilchenbeschleunigers), bei ihren Umläufen - die etwa elftausend Mal pro Sekunde stattfinden - beschleunigt.
In diesem Teilchenbeschleuniger finden die in vielerlei Hinsicht größten und beeindruckendsten Experimente statt, die je gemacht wurden. Das Ziel besteht in detaillierten Untersuchungen der Struktur der Materie auf Abständen, die nie zuvor gemessen wurden, und bei Energien, die höher sind als alles, was bisher erforscht wurde. Diese Energien sollen eine Reihe exotischer Elementarteilchen erzeugen und Wechselwirkungen nachweisen, die früh in der Entwicklung des Universums auftraten - etwa eine Billionstel Sekunde nach dem Urknall.
Die Konstruktion des LHC führte sowohl die menschliche Erfindungsgabe als auch die Technik an ihre Grenzen, und seine Verwirklichung hatte mit noch viel weitreichenderen Hindernissen zu kämpfen. Zur großen Enttäuschung von Physikern und allen anderen, die an einem besseren Verständnis der Natur interessiert sind, löste eine schlecht ausgeführte Lötverbindung nur neun Tage nach dem vielversprechenden ersten Lauf des LHC eine Explosion aus. Als der LHC seine Arbeit im Herbst 2009 wieder aufnahm - und besser funktionierte, als irgendjemand zu hoffen wagte -, wurde das Versprechen eines Vierteljahrhunderts wahr.
Im Frühling desselben Jahres wurden die Satelliten »Planck« und »Herschel« in Französisch-Guayana gestartet. Ich erfuhr von der Zeitplanung durch eine begeisterte Gruppe von Caltech-Astronomen, die sich am 13. Mai um 5 Uhr 30 in Pasadena trafen, wo ich gerade zu Besuch war, um diesem historischen Ereignis aus der Ferne beizuwohnen. Der Herschel- Satellit wird Einblicke in die Bildung von Sternen geben, und der Planck-Satellit wird detaillierte Informationen über die Hintergrundstrahlung aus der Zeit des Urknalls liefern - und damit neue Informationen zur Frühgeschichte unseres Universums. Satellitenstarts wie diese sind zwar gewöhnlich aufregend, aber auch mit großer Anspannung verbunden, weil zwei bis fünf Prozent fehlschlagen und dadurch Jahre der Arbeit an maßgefertigten naturwissenschaftlichen Instrumenten in diesen Satelliten zerstören, wenn sie auf die Erde herabstürzen. Glücklicherweise verlief dieser besondere Start äußerst gut, und den ganzen Tag lang wurden Informationen zurückgesandt, die den Erfolg des Starts bestätigten. Aber dennoch werden wir einige Jahre warten müssen, bevor uns diese Satelliten ihre wertvollsten Daten über die Sterne und das Universum zur Verfügung stellen.
Die Physik stellt jetzt einen festen Bestand an Wissen darüber bereit, wie das Universum über ein äußerst großes Spektrum von Abständen und Energien funktioniert. Durch theoretische und experimentelle Untersuchungen sind Naturwissenschaftler zu einem tiefen Verständnis von Elementen und Strukturen gelangt, die vom winzig Kleinen bis zum riesig Großen reichen. Mit der Zeit haben wir eine detaillierte und umfassende Geschichte darüber abgeleitet, wie die Einzelteile zusammenpassen. Theorien beschreiben erfolgreich, wie der Kosmos sich aus winzigen Bestandteilen entwickelte, die Atome bildeten, die sich ihrerseits zu Sternen verbanden, welche in Galaxien und größeren Strukturen über das ganze Universum hinweg angeordnet sind, und wie manche Sterne dann explodierten und schwere Elemente erzeugten, die in unsere Galaxie und unser Sonnensystem eindrangen und die letztendlich für die Entstehung des Lebens notwendig sind. Mit den Ergebnissen vom LHC und von solchen satellitengestützten Forschungen, wie sie oben erwähnt wurden, hoffen die heutigen Physiker, auf dieser soliden und umfassenden Grundlage aufbauen zu können, um unser Verständnis auf kleinere Abstände und höhere Energien zu erweitern und um eine größere Genauigkeit als jemals zuvor zu erreichen. Es ist ein Abenteuer. Unsere Ziele sind ehrgeizig.
Wahrscheinlich haben Sie schon sehr deutliche und scheinbar präzise Definitionen von Naturwissenschaft gehört, insbesondere wenn sie mit Glaubenssystemen wie z. B. der Religion kontrastiert wird. Die wahre Geschichte der Entwicklung der Naturwissenschaft ist jedoch komplex. Obwohl wir sie gerne - zumindest ging es mir so, als ich meine ersten Schritte machte - für eine zuverlässige Widerspiegelung der äußeren Wirklichkeit und der Regeln halten, nach denen die physikalische Welt funktioniert, findet doch die aktive Forschung nahezu unvermeidlich in einem Zustand der Unbestimmtheit statt, in dem wir zwar die Hoffnung haben, Fortschritte zu erzielen, aber nicht wirklich sicher sein können. Die Herausforderung, die sich für Naturwissenschaftler stellt, besteht darin, sich mit vielversprechenden Ideen beharrlich auseinanderzusetzen, während man sie ständig in Frage stellt, um sich ihrer Wahrhaftigkeit und ihrer Implikationen zu vergewissern. Naturwissenschaftliche Forschung erfordert notwendigerweise einen heiklen Balanceakt auf dem Rande schwieriger und manchmal miteinander konfligierender und konkurrierender - aber oft auch aufregender - Ideen. Das Ziel besteht darin, die Grenzen des Wissens zu erweitern. Wenn man aber zum ersten Mal mit den Messdaten, Begriffen und Gleichungen jongliert, kann die richtige Interpretation für jedermann ungewiss sein - auch für jene, die am aktivsten daran beteiligt sind.
Meine Untersuchungen konzentrieren sich auf die Theorie der Elementarteilchen - die Untersuchung der kleinsten Objekte, die wir kennen - mit Vorstößen in die Stringtheorie und die Kosmologie - der Erforschung des Allergrößten. Meine Kollegen und ich versuchen zu verstehen, was sich im Innersten der Materie befindet, was es da draußen im Weltall gibt und wie alle die grundlegenden Größen und Eigenschaften, die die Experimentalphysiker entdecken, letztendlich miteinander zusammenhängen. Theoretische Physiker wie ich führen die tatsächlichen Experimente, die bestimmen, welche Theorien auf die wirkliche Welt anwendbar sind, nicht selbst durch. Stattdessen versuchen wir, mögliche Ergebnisse der Experimente vorherzusagen, und helfen dabei, innovative Mittel zur Prüfung bestimmter Ideen zu entwickeln. In absehbarer Zukunft werden die Fragen, die wir zu beantworten versuchen, wahrscheinlich nichts daran ändern, was die Menschen jeden Tag zu Abend essen. Aber diese Untersuchungen könnten uns am Ende etwas darüber sagen, wer wir sind und woher wir kamen.
Die Vermessung des Universums berichtet über unsere Forschung und die wichtigsten naturwissenschaftlichen Fragen, mit denen wir zu tun haben. Neue Entwicklungen in der Elementarteilchenphysik und der Kosmologie haben das Potential, unser Verständnis der Welt radikal zu revidieren: ihren Aufbau, ihre Entwicklung und die grundlegenden Kräfte, die für ihren Betrieb verantwortlich sind. Dieses Buch beschreibt experimentelle Forschungen am Large Hadron Collider und theoretische Untersuchungen, die versuchen vorherzusagen, was die Experimente finden werden. Es beschreibt auch Forschungen in der Kosmologie - wie wir es anstellen, das Wesen des Weltalls und insbesondere das der dunklen Materie abzuleiten, die sich im ganzen Weltall verbirgt.
Aber Die Vermessung des Universums hat auch eine umfassendere Perspektive. Dieses Buch erforscht allgemeinere Fragen, die alle naturwissenschaftlichen Untersuchungen betreffen. Neben der Beschreibung der Grenzen heutiger Forschung steht die Klärung des Wesens der Naturwissenschaft im Zentrum dieses Buches. Es beschreibt, wie wir entscheiden, welches die richtigen Fragen sind, die gestellt werden sollen, warum Naturwissenschaftler in diesem Punkt nicht immer übereinstimmen und wie sich richtige naturwissenschaftliche Ideen letztendlich durchsetzen. Dieses Buch erkundet die wirklichen Wege, auf denen die Naturwissenschaft vorwärtsschreitet, und die Hinsichten, in denen sie im Gegensatz zu anderen Möglichkeiten der Wahrheitsfindung steht. Es stellt einige der philosophischen Grundlagen der Naturwissenschaften dar und beschreibt die Zwischenstadien, in denen ungewiss ist, wo wir am Ende anlangen werden und wer recht hat. Außerdem und mit ebenso großem Gewicht zeigt es, wie naturwissenschaftliche Ideen und Methoden außerhalb der Naturwissenschaft Anwendung finden können und fördert so auch in anderen Bereichen eine rationalere Entscheidungsfindung.
Die Vermessung des Universums richtet sich an den interessierten, nichtprofessionellen Leser, der die gegenwärtige theoretische und Experimentalphysik gerne besser verstehen würde und der das Wesen der modernen Naturwissenschaft besser einschätzen möchte - sowie die Prinzipien einwandfreien naturwissenschaftlichen Denkens. Häufig versteht man nicht wirklich, was Naturwissenschaft ist und welche Antworten wir von ihr erwarten können. Dieses Buch ist mein Versuch, einige der Missverständnisse zu korrigieren - und vielleicht ein bisschen meiner Enttäuschung darüber Luft zu machen, wie Naturwissenschaft gegenwärtig verstanden und angewandt wird.
In den letzten paar Jahren konnte ich einige einzigartige Erfahrungen machen und lernte eine Menge aus Gesprächen. Diese Erfahrungen möchte ich gerne als Ausgangspunkte für die Erforschung einiger wichtiger Ideen mitteilen. Obwohl ich nicht auf allen Gebieten, die ich besprechen werde, Spezialistin bin und es nicht genügend Raum gibt, um allen volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, hege ich doch die Hoffnung, dass dieses Buch den Leser in produktivere Richtungen lenken wird, während nebenbei einige aufregende neue Entwicklungen erhellt werden. Es sollte den Lesern auch dabei helfen, die zuverlässigsten Quellen naturwissenschaftlicher Information - oder Fehlinformation - zu bestimmen, wenn sie in der Zukunft nach weiteren Antworten suchen. Einige der Gedanken, die dieses Buch vorstellt, mögen zwar sehr elementar erscheinen, aber ein gründlicheres Verständnis des Denkprozesses, der der modernen Naturwissenschaft zugrunde liegt, wird dazu beitragen, sowohl die Forschung als auch wichtige Probleme, mit denen die moderne Welt gegenwärtig konfrontiert ist, besser in Angriff zu nehmen.
In dieser Zeit der Film-Prequels könnte man Die Vermessung des Universums als die Ursprungsgeschichte zu meinem letzten Buch Verborgene Universen betrachten, in Kombination mit einer Aktualisierung dessen, wo wir jetzt stehen und was wir erwarten. Es füllt die Lücken auf - indem es sich den Grundlagen der Naturwissenschaft zuwendet, auf denen neue Ideen und neue Entdeckungen beruhen - und erklärt, warum wir ungeduldig auf der Stuhlkante sitzen und darauf warten, dass neue Daten auftauchen.
Das Buch bewegt sich hin und her zwischen Einzelheiten, die die heutige Naturwissenschaft betreffen, und Überlegungen bezüglich der zugrunde liegenden Themen und Begriffe, die für die Naturwissenschaft zentral, aber auch nützlich für das Verständnis der Welt im weiteren Sinne sind. Der erste Teil des Buches, Kapitel 11 und 12 im zweiten Teil, Kapitel 15 und 18 im dritten und der letzte Teil (Zusammenfassung) beziehen sich stärker auf naturwissenschaftliches Denken, während die übrigen Kapitel sich mehr auf die Physik konzentrieren, darauf, wo wir heute stehen und wie wir bis hierher gelangt sind.
In mancher Hinsicht sind es zwei Bücher in einem - aber Bücher, die man am besten zusammen liest. Die moderne Physik mag manchen als zu weit entfernt von unserem Alltagsleben erscheinen, um von Bedeutung oder überhaupt nur verständlich zu sein, aber ein Verständnis der philosophischen und methodologischen Grundlagen, die unser Denken leiten, sollte sowohl die Naturwissenschaft als auch die Bedeutung des naturwissenschaftlichen Denkens erhellen - wie wir an vielen Beispielen sehen werden. Umgekehrt wird man die Grundelemente naturwissenschaftlichen Denkens nur dann ganz verstehen, wenn man sie auf eine wirkliche Naturwissenschaft bezieht, in der sie verankert sind. Leser mit einem größeren Interesse an dem einen oder anderen mögen sich zwar dafür entscheiden, einen der beiden Wege nur zu überfliegen oder gar auszulassen, aber erst beide zusammen machen eine ausgewogene Mahlzeit aus.
Ein in dem ganzen Buch immer wiederkehrender Grundgedanke ist der Begriff der Skala. Die Gesetze der Physik liefern einen einheitlichen Rahmen dafür, wie unzweifelhafte theoretische und physikalische Beschreibungen zu einem kohärenten Ganzen zusammenpassen, und zwar von den unendlich kleinen Abständen, die gegenwärtig am LHC erforscht werden, bis zur gewaltigen Größe des gesamten Weltalls. 2 Die Kategorie der Skala ist sowohl für unser Denken als auch für die besonderen Tatsachen und Ideen entscheidend, denen wir begegnen werden. Bewährte naturwissenschaftliche Theorien beziehen sich auf zugängliche Skalen. Aber diese Theorien konzentrieren sich auf zunehmend präzise und grundlegendere Skalen, wenn wir frisch erworbenes Wissen von den zuvor noch unerforschten Extremen kurzer oder langer Abstand hinzufügen. Das erste Kapitel bezieht sich auf das Kernelement der Skala und erklärt, inwiefern die Kategorisierung nach Abständen für die Physik und für die Art und Weise wesentlich ist, wie neue naturwissenschaftliche Entwicklungen auf früheren aufbauen.
Der erste Teil stellt auch verschiedene Möglichkeiten der Betrachtung von Wissen dar und kontrastiert sie miteinander. Wenn Sie andere Menschen danach fragen, woran sie denken, wenn sie an Naturwissenschaft denken, werden die Antworten wahrscheinlich genauso vielfältig sein, wie die Personen, die Sie befragen. Manche werden auf starren, unveränderlichen Aussagen über die physikalische Welt beharren. Andere werden Naturwissenschaft als eine Menge von Prinzipien definieren, die ständig durch andere ersetzt werden, und wieder andere werden antworten, dass Naturwissenschaft nicht mehr als ein weiteres System von Überzeugungen ist, das sich qualitativ nicht von der Philosophie oder der Religion unterscheidet. Und alle hätten unrecht.
Das sich entwickelnde Wesen der Naturwissenschaft steht im Zentrum des Problems, warum es überhaupt so viele Auseinandersetzungen geben kann - sogar innerhalb der naturwissenschaftlichen Gemeinschaft selbst. Dieser Teil stellt ein wenig von der Geschichte dar, wie die heutige Forschung in den geistigen Fortschritten des 17. Jahrhunderts verwurzelt ist, und fährt dann mit einigen weniger scharf bestimmten Aspekten der Debatte zwischen Naturwissenschaft und Religion fort - eine Auseinandersetzung, deren Ursprung in mancher Hinsicht auf jene Zeit zurückgeht. Er wirft auch einen Blick auf die materialistische Auffassung der Materie und ihre heiklen Folgen für die Frage nach dem Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion sowie auf das Problem, wer die grundlegenden Fragen beantworten soll und wie das geschieht.
Teil II wendet sich dem physikalischen Aufbau der materiellen Welt zu. Er vermisst das Gelände für die naturwissenschaftliche Reise des Buches, indem er die Materie von vertrauten Skalen bis zu den kleinsten hinab verfolgt, wobei immer eine Aufteilung bezüglich der Skala vorgenommen wird. Dieser Weg wird uns von bekanntem Terrain zu submikroskopischen Größen hinabführen, deren innere Struktur nur durch riesige Teilchenbeschleuniger erkundet werden kann. Der Abschnitt endet mit einer Einführung in einige der wichtigsten Experimente, die heute durchgeführt werden - der Large Hadron Collider (LHC) und astronomische Untersuchungen des frühen Universums -, was die äußersten Grenzen unseres Verständnisses erweitern solle.
Wie bei jeder aufregenden Entwicklung besitzen diese mutigen und ehrgeizigen Unternehmungen das Potential, unsere naturwissenschaftliche Weltsicht radikal zu verändern. In Teil III beginnen wir damit, uns in die Funktionsweise des LHC zu vertiefen, und erforschen, wie diese Maschine Protonenstrahlen erzeugt und aufeinanderprallen lässt, um neue Teilchen zu schaffen, die uns Auskunft über die kleinsten zugänglichen Skalen geben. Dieser Abschnitt erklärt auch, wie die Experimentalphysiker das Gefundene interpretieren.
Das CERN (sowie der auf amüsante Weise irreführende Hollywood- Kassenschlager Illuminati) hat die experimentelle Seite der Teilchenphysik weitgehend bekannt gemacht. Viele haben jetzt von dem riesigen Teilchenbeschleuniger gehört, der sehr energiereiche Protonen aufeinanderprallen lassen wird, welche in einem winzigen Raumgebiet konzentriert sein werden, um Formen der Materie zu erzeugen, die noch nie zuvor gesehen wurden. Der LHC läuft jetzt und ist bereit, unser Verständnis des grundlegenden Wesens der Materie und sogar des Raumes selbst zu verändern. Aber wir wissen noch nicht, was er finden wird.
Im Laufe unserer naturwissenschaftlichen Entdeckungsfahrt werden wir über naturwissenschaftliche Unsicherheit nachdenken und darüber, was Messungen uns wirklich sagen können. Die Forschung befindet sich ihrem Wesen nach an den Grenzen unseres Wissens. Experimente und Berechnungen sollen so viele Ungewissheiten wie möglich reduzieren oder ausschalten und die verbleibenden so genau wie möglich bestimmen. Dennoch steckt die Naturwissenschaft im Alltag voller Unsicherheiten, obwohl das paradox klingen mag. Teil III untersucht, wie Naturwissenschaftler sich den Herausforderungen stellen, die ihren schwierigen Forschungen innewohnen, und wie jedermann vom naturwissenschaftlichen Denken profitieren kann, wenn er Aussagen interpretiert und versteht, die in einer zunehmend komplexeren Welt gemacht werden.
Teil III geht auch auf die schwarzen Löcher am LHC ein und auf den Gegensatz, in dem die Befürchtungen, die sie hervorgerufen haben, zu einigen wirklichen Gefahren stehen, denen wir gegenwärtig ausgesetzt sind. Wir betrachten die wichtigen Probleme der Kosten-Nutzen-Analyse und des Risikos und wie man sich ihnen gedanklich besser nähern kann - sowohl innerhalb als auch außerhalb von Forschungseinrichtungen.
Teil IV beschreibt die Suche nach dem Higgs-Boson sowie spezifische Modelle, die wohlbegründete Vermutungen darüber darstellen, was existiert, und die außerdem Forschungsziele für den LHC sind. Wenn LHC- Experimente einige der Ideen bestätigen, die Theoretiker ausgearbeitet haben - oder selbst, wenn sie etwas Unvorhergesehenes entdecken -, werden die Ergebnisse unser Weltbild verändern. Dieser Abschnitt erklärt den Higgs-Mechanismus, der für die Massen von Elementarteilchen verantwortlich ist, sowie das Hierarchieproblem, demzufolge wir noch mehr Teilchen finden sollten. Darin werden ebenfalls Modelle untersucht, die sich diesem Problem zuwenden, und die exotischen neuen Teilchen, die von diesen Modellen vorhergesagt werden, wie z. B. jene, die mit der Supersymmetrie oder Extra-Dimensionen des Raumes verbunden sind.
Neben der Darstellung spezifischer Hypothesen erklärt dieser Teil, wie Physiker bei der Konstruktion von Modellen vorgehen, und erläutert die Wirksamkeit von Leitprinzipien wie z. B. »Wahrheit durch Schönheit« und »von oben nach unten« im Vergleich zu »von unten nach oben«. Er erklärt, wonach der LHC sucht, aber auch, wie Physiker Vorhersagen darüber treffen, was er finden könnte. Dieser Teil beschreibt, wie Naturwissenschaftler versuchen, die scheinbar abstrakten Daten, die der LHC hervorbringt, mit einigen der tiefen und grundlegenden Ideen zu verbinden, die wir gegenwärtig erforschen.
Nach unserer Forschungsreise in das Innere der Materie blicken wir in Teil V nach außen. Zur selben Zeit, wie der LHC die kleinsten Skalen der Materie erkundet, werden Satelliten und Teleskope die größten Maßstäbe im Kosmos erforschen - indem sie die Beschleunigungsrate seiner Expansion untersuchen - und außerdem bestimmte Aspekte der Hintergrundstrahlung aus der Zeit des Urknalls analysieren. Unsere Epoche könnte Zeuge von neuen Entwicklungen in der Kosmologie werden, der Wissenschaft von der Entwicklung des Weltalls. In diesem Abschnitt werden wir das Universum bis zu größeren Maßstäben erforschen und die Verbindung zwischen der Elementarteilchenphysik und der Kosmologie besprechen sowie die schwer zu fassende dunkle Materie und die experimentelle Suche nach ihr.
Die Zusammenfassung am Ende von Teil VI denkt über Kreativität und die reichhaltigen und vielfältigen Gedankenelemente nach, die Bestandteile des kreativen Denkens sind. Sie untersucht, wie wir versuchen, die großen Fragen durch die etwas kleiner scheinenden Tätigkeiten in unserem Alltag zu beantworten. Wir schließen mit einigen Gedanken darüber, warum die Naturwissenschaft und das naturwissenschaftliche Denken heute so wichtig sind, sowie über die symbiotische Beziehung zwischen Technik und naturwissenschaftlichem Denken, die in der modernen Welt so viel Fortschritt hervorgebracht hat.
Ich werde häufig daran erinnert, wie knifflig es für Nicht-Naturwissenschaftler sein kann, die manchmal entlegenen Ideen zu würdigen, denen sich die moderne Naturwissenschaft zuwendet. Diese Herausforderung wurde offenkundig, als ich mich mit einer Klasse von College- Studenten nach einem öffentlichen Vortrag traf, den ich über Extra- Dimensionen und Physik hielt. Als man mir sagte, dass sie alle dieselbe drängende Frage hätten, erwartete ich eine gewisse Verwirrung hinsichtlich der Dimensionen, erfuhr aber stattdessen, dass sie wissen wollten, wie alt ich sei. Aber mangelndes Interesse ist nicht die einzige Herausforderung - und tatsächlich setzten sich die Studenten auch mit den naturwissenschaftlichen Ideen auseinander. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass die Grundlagenwissenschaft häufig abstrakt ist, und es kann schwierig sein, sie zu rechtfertigen - eine Hürde, mit der ich bei einer Anhörung im Kongress über die Bedeutung von Grundlagenwissenschaft konfrontiert war. Zusammen mit Dennis Kovar - Leiter für Hochenergiephysik am US-amerikanischen Energieministerium -, Pier Oddone - Leiter des Fermi National Accelerator Laboratory - und Hugh Montgomery - Leiter des Jefferson Lab, einer Einrichtung für Kernphysik - nahm ich im Herbst 2009 daran teil. Das war mein erster Besuch der Regierungseinrichtungen, seit mich mein Kongressabgeordneter, Benjamin Rosenthal, herumgeführt hatte, als ich vor vielen Jahren beim Westinghouse-Naturwissenschaftswettbewerb High-School-Finalistin war. Großzügigerweise vermittelte er mir mehr als den bloßen Fototermin, den die anderen Finalisten erhielten.
Bei meinem jüngsten Besuch genoss ich erneut den Anblick der Büros, in denen Politik gemacht wird. Der Raum, der dem parlamentarischen Ausschuss für Naturwissenschaft und Technik zur Verfügung steht, befindet sich im Rayburn House Office Building. Die Abgeordneten saßen hinten, und wir »Zeugen« saßen ihnen gegenüber. Tafeln mit Inschriften hingen über den Köpfen der Abgeordneten, von denen die erste lautete: »Ohne prophetische Offenbarung verwildert das Volk.« Sprüche 29,18.
Es scheint, dass die amerikanische Regierung sich sogar in demjenigen Kongresssaal, der ausdrücklich der Naturwissenschaft und Technik gewidmet ist, auf die Heilige Schrift beziehen muss. Trotzdem bringt der Spruch ein edles und richtiges Gefühl zum Ausdruck, dem wir alle gern entsprechen würden.
Auf der zweiten Tafel stand ein eher weltliches Zitat von Tennyson: »For I dipped into the future, far as my eyes could see. Saw the vision of the world and the wonder that would be.« (»Denn ich blickte in die Zukunft, so weit ich nur sehen konnte. Sah das Traumbild der Welt und das künftige Wunder.«)
Das war ebenfalls ein schöner Gedanke, den man im Gedächtnis behalten sollte, während wir unsere Forschungsziele beschrieben.
Ironischerweise war der Saal so eingerichtet, dass wir »Zeugen« aus der Welt der Naturwissenschaft - die für diese Aussagen bereits Sympathie empfanden - diesen Tafeln gegenübersaßen. Sie hingen direkt in unserer Blickrichtung. Die Abgeordneten dagegen saßen unter diesen Worten, so dass sie sie nicht sehen konnten. Der Kongressabgeordnete Lipinski, der bei seinem Eröffnungsplädoyer sagte, dass Entdeckungen zu weiteren Fragen - und großen metaphysischen Untersuchungen - führen, bestätigte, dass er die Tafeln zwar gewöhnlich bemerkte, sie jetzt aber nur allzu leicht in Vergessenheit gerieten. »Wenige von uns blicken je nach dort oben.« Er war dankbar dafür, daran erinnert zu werden.
Dann wandten wir Naturwissenschaftler uns von der Raumeinrichtung ab und konzentrierten uns auf die vorliegende Aufgabe - zu erklären, warum dies eine so aufregende und beispiellose Zeit für die Elementarteilchenphysik und die Kosmologie ist. Obwohl die Fragen der Abgeordneten gelegentlich spitz und skeptisch waren, konnte ich doch den Widerstand spüren, mit dem sie ständig zu tun haben, wenn sie ihren Wählern erklären, warum es ein Fehler wäre, die finanzielle Unterstützung naturwissenschaftlicher Arbeit einzustellen - selbst angesichts wirtschaftlicher Unsicherheiten. Ihre Fragen reichten von Einzelheiten im Hinblick auf den Zweck bestimmter Experimente bis zu allgemeineren Fragen zur Rolle der Naturwissenschaft und ihren Zielen.
Zwischen den Abwesenheitsphasen der Abgeordneten, die von Zeit zu Zeit den Saal verlassen mussten, um ihre Stimme abzugeben, stellten wir ein paar Beispiele für positive Nebeneffekte vor, die aus der Förderung von Grundlagenwissenschaft erwachsen. Selbst Naturwissenschaft, die als Grundlagenforschung angelegt ist, erweist sich häufig in anderen Hinsichten als fruchtbar. Wir sprachen über Tim Berners-Lees Entwicklung des World Wide Web als Mittel, um Physikern in verschiedenen Ländern eine bessere Zusammenarbeit an ihren gemeinsamen Experimenten am CERN zu ermöglichen. Wir diskutierten über medizinische Anwendungen, wie z. B. PET-Scans - Positronen-Emissions-Tomographie - eine Methode der Erforschung der inneren Körperstruktur durch das Antiteilchen des Elektrons. Wir erklärten die Rolle der industriellen Herstellung von supraleitenden Magneten, die für Teilchenbeschleuniger entwickelt wurden, aber jetzt gleichfalls bei bildgebenden Verfahren mit Magnetresonanz verwendet werden, und schließlich die bemerkenswerte Anwendung der Allgemeinen Relativitätstheorie auf die Präzisionsvorhersagen von GPS-Geräten, einschließlich des globalen Positionsbestimmungssystems, das wir täglich in unseren Autos benutzen.
Natürlich hat maßgebliche Naturwissenschaft nicht notwendig irgendeinen unmittelbaren praktischen Nutzen. Selbst wenn sie sich am Ende auszahlt, wissen wir zur Zeit der Entdeckung nur selten davon. Als Benjamin Franklin sich darüber klar wurde, dass ein Blitz Elektrizität ist, wusste er nicht, dass die Elektrizität bald das Anlitz des Planeten verändern würde. Und als Einstein an der Allgemeinen Relativitätstheorie arbeitete, sah er nicht vorher, dass sie einmal in einem praktischen Gerät zur Anwendung käme.
Die Argumentation, die wir an jenem Tag vortrugen, konzentrierte sich also nicht in erster Linie auf bestimmte Anwendungen, sondern vielmehr auf die entscheidende Bedeutung der reinen Naturwissenschaft. Obwohl der Status der Naturwissenschaft in Amerika prekär sein mag, erkennen doch viele Menschen gegenwärtig ihren Wert. Die Sichtweise, die die Gesellschaft vom Weltall, von der Zeit und vom Raum hat, änderte sich mit Einstein - wie der ursprüngliche Liedtext von »As Time Goes By« zeigt, der in Verborgene Universen zitiert wurde.
Unsere Sprache und unsere Gedanken selbst ändern sich in dem Maße, in dem sich unser Verständnis der physikalischen Welt entwickelt und neue Wege des Denkens Fortschritte feiern. Was Naturwissenschaftler heute untersuchen und wie wir dabei vorgehen, wird sowohl für unser Verständnis der Welt als auch für eine widerstandsfähige und umsichtige Gesellschaft entscheidend sein.
In der Physik und der Kosmologie erleben wir gegenwärtig eine außergewöhnlich aufregende Zeit, in der einige der kühnsten Forschungen stattfinden, die je gemacht wurden. Durch ein breit gefächertes Spektrum von Untersuchungen streift Die Vermessung des Universums unsere verschiedenen Möglichkeiten, die Welt zu verstehen - durch Kunst, Religion und Naturwissenschaft -, aber hauptsächlich mit einem Schwerpunkt auf den Zielen und Methoden der modernen Physik. Letztendlich sind die ganz winzigen Gegenstände, die wir untersuchen, zentral für die Entdeckung, wer wir sind und woher wir kommen. Die Strukturen auf großen Skalen, über die wir mehr zu erfahren hoffen, könnten sowohl Licht auf unsere kosmische Umwelt als auch auf den Ursprung und das Schicksal unseres Universums werfen. Dieses Buch beschreibt, was wir zu finden hoffen und wie wir es möglicherweise finden werden. Die Reise soll ein faszinierendes Abenteuer sein - willkommen an Bord.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2012
Der 10. September 2008 markierte den epochemachenden ersten Test- lauf des Large Hadron Collider (LHC). Obwohl der Name - Large Hadron Collider - zwar treffend, aber einfallslos ist, gilt dasselbe nicht für die naturwissenschaftlichen Ergebnisse, die wir von ihm erwarten und die sich als spektakulär erweisen sollen. Das »large« (groß) bezieht sich auf den Teilchenbeschleuniger - nicht auf die Hadronen. Der LHC umfasst einen riesigen 26,6 Kilometer1 langen kreisförmigen Tunnel tief unter der Erde, der sich zwischen dem Jura-Gebirge und dem Genfer See erstreckt und die französisch-schweizerische Grenze schneidet. Mit elektrischen Feldern innerhalb dieses Tunnels werden zwei Strahlen, von denen jeder aus Milliarden Protonen besteht (die zur sogenannten Teilchenklasse der Hadronen gehören - daher der Name des Teilchenbeschleunigers), bei ihren Umläufen - die etwa elftausend Mal pro Sekunde stattfinden - beschleunigt.
In diesem Teilchenbeschleuniger finden die in vielerlei Hinsicht größten und beeindruckendsten Experimente statt, die je gemacht wurden. Das Ziel besteht in detaillierten Untersuchungen der Struktur der Materie auf Abständen, die nie zuvor gemessen wurden, und bei Energien, die höher sind als alles, was bisher erforscht wurde. Diese Energien sollen eine Reihe exotischer Elementarteilchen erzeugen und Wechselwirkungen nachweisen, die früh in der Entwicklung des Universums auftraten - etwa eine Billionstel Sekunde nach dem Urknall.
Die Konstruktion des LHC führte sowohl die menschliche Erfindungsgabe als auch die Technik an ihre Grenzen, und seine Verwirklichung hatte mit noch viel weitreichenderen Hindernissen zu kämpfen. Zur großen Enttäuschung von Physikern und allen anderen, die an einem besseren Verständnis der Natur interessiert sind, löste eine schlecht ausgeführte Lötverbindung nur neun Tage nach dem vielversprechenden ersten Lauf des LHC eine Explosion aus. Als der LHC seine Arbeit im Herbst 2009 wieder aufnahm - und besser funktionierte, als irgendjemand zu hoffen wagte -, wurde das Versprechen eines Vierteljahrhunderts wahr.
Im Frühling desselben Jahres wurden die Satelliten »Planck« und »Herschel« in Französisch-Guayana gestartet. Ich erfuhr von der Zeitplanung durch eine begeisterte Gruppe von Caltech-Astronomen, die sich am 13. Mai um 5 Uhr 30 in Pasadena trafen, wo ich gerade zu Besuch war, um diesem historischen Ereignis aus der Ferne beizuwohnen. Der Herschel- Satellit wird Einblicke in die Bildung von Sternen geben, und der Planck-Satellit wird detaillierte Informationen über die Hintergrundstrahlung aus der Zeit des Urknalls liefern - und damit neue Informationen zur Frühgeschichte unseres Universums. Satellitenstarts wie diese sind zwar gewöhnlich aufregend, aber auch mit großer Anspannung verbunden, weil zwei bis fünf Prozent fehlschlagen und dadurch Jahre der Arbeit an maßgefertigten naturwissenschaftlichen Instrumenten in diesen Satelliten zerstören, wenn sie auf die Erde herabstürzen. Glücklicherweise verlief dieser besondere Start äußerst gut, und den ganzen Tag lang wurden Informationen zurückgesandt, die den Erfolg des Starts bestätigten. Aber dennoch werden wir einige Jahre warten müssen, bevor uns diese Satelliten ihre wertvollsten Daten über die Sterne und das Universum zur Verfügung stellen.
Die Physik stellt jetzt einen festen Bestand an Wissen darüber bereit, wie das Universum über ein äußerst großes Spektrum von Abständen und Energien funktioniert. Durch theoretische und experimentelle Untersuchungen sind Naturwissenschaftler zu einem tiefen Verständnis von Elementen und Strukturen gelangt, die vom winzig Kleinen bis zum riesig Großen reichen. Mit der Zeit haben wir eine detaillierte und umfassende Geschichte darüber abgeleitet, wie die Einzelteile zusammenpassen. Theorien beschreiben erfolgreich, wie der Kosmos sich aus winzigen Bestandteilen entwickelte, die Atome bildeten, die sich ihrerseits zu Sternen verbanden, welche in Galaxien und größeren Strukturen über das ganze Universum hinweg angeordnet sind, und wie manche Sterne dann explodierten und schwere Elemente erzeugten, die in unsere Galaxie und unser Sonnensystem eindrangen und die letztendlich für die Entstehung des Lebens notwendig sind. Mit den Ergebnissen vom LHC und von solchen satellitengestützten Forschungen, wie sie oben erwähnt wurden, hoffen die heutigen Physiker, auf dieser soliden und umfassenden Grundlage aufbauen zu können, um unser Verständnis auf kleinere Abstände und höhere Energien zu erweitern und um eine größere Genauigkeit als jemals zuvor zu erreichen. Es ist ein Abenteuer. Unsere Ziele sind ehrgeizig.
Wahrscheinlich haben Sie schon sehr deutliche und scheinbar präzise Definitionen von Naturwissenschaft gehört, insbesondere wenn sie mit Glaubenssystemen wie z. B. der Religion kontrastiert wird. Die wahre Geschichte der Entwicklung der Naturwissenschaft ist jedoch komplex. Obwohl wir sie gerne - zumindest ging es mir so, als ich meine ersten Schritte machte - für eine zuverlässige Widerspiegelung der äußeren Wirklichkeit und der Regeln halten, nach denen die physikalische Welt funktioniert, findet doch die aktive Forschung nahezu unvermeidlich in einem Zustand der Unbestimmtheit statt, in dem wir zwar die Hoffnung haben, Fortschritte zu erzielen, aber nicht wirklich sicher sein können. Die Herausforderung, die sich für Naturwissenschaftler stellt, besteht darin, sich mit vielversprechenden Ideen beharrlich auseinanderzusetzen, während man sie ständig in Frage stellt, um sich ihrer Wahrhaftigkeit und ihrer Implikationen zu vergewissern. Naturwissenschaftliche Forschung erfordert notwendigerweise einen heiklen Balanceakt auf dem Rande schwieriger und manchmal miteinander konfligierender und konkurrierender - aber oft auch aufregender - Ideen. Das Ziel besteht darin, die Grenzen des Wissens zu erweitern. Wenn man aber zum ersten Mal mit den Messdaten, Begriffen und Gleichungen jongliert, kann die richtige Interpretation für jedermann ungewiss sein - auch für jene, die am aktivsten daran beteiligt sind.
Meine Untersuchungen konzentrieren sich auf die Theorie der Elementarteilchen - die Untersuchung der kleinsten Objekte, die wir kennen - mit Vorstößen in die Stringtheorie und die Kosmologie - der Erforschung des Allergrößten. Meine Kollegen und ich versuchen zu verstehen, was sich im Innersten der Materie befindet, was es da draußen im Weltall gibt und wie alle die grundlegenden Größen und Eigenschaften, die die Experimentalphysiker entdecken, letztendlich miteinander zusammenhängen. Theoretische Physiker wie ich führen die tatsächlichen Experimente, die bestimmen, welche Theorien auf die wirkliche Welt anwendbar sind, nicht selbst durch. Stattdessen versuchen wir, mögliche Ergebnisse der Experimente vorherzusagen, und helfen dabei, innovative Mittel zur Prüfung bestimmter Ideen zu entwickeln. In absehbarer Zukunft werden die Fragen, die wir zu beantworten versuchen, wahrscheinlich nichts daran ändern, was die Menschen jeden Tag zu Abend essen. Aber diese Untersuchungen könnten uns am Ende etwas darüber sagen, wer wir sind und woher wir kamen.
Die Vermessung des Universums berichtet über unsere Forschung und die wichtigsten naturwissenschaftlichen Fragen, mit denen wir zu tun haben. Neue Entwicklungen in der Elementarteilchenphysik und der Kosmologie haben das Potential, unser Verständnis der Welt radikal zu revidieren: ihren Aufbau, ihre Entwicklung und die grundlegenden Kräfte, die für ihren Betrieb verantwortlich sind. Dieses Buch beschreibt experimentelle Forschungen am Large Hadron Collider und theoretische Untersuchungen, die versuchen vorherzusagen, was die Experimente finden werden. Es beschreibt auch Forschungen in der Kosmologie - wie wir es anstellen, das Wesen des Weltalls und insbesondere das der dunklen Materie abzuleiten, die sich im ganzen Weltall verbirgt.
Aber Die Vermessung des Universums hat auch eine umfassendere Perspektive. Dieses Buch erforscht allgemeinere Fragen, die alle naturwissenschaftlichen Untersuchungen betreffen. Neben der Beschreibung der Grenzen heutiger Forschung steht die Klärung des Wesens der Naturwissenschaft im Zentrum dieses Buches. Es beschreibt, wie wir entscheiden, welches die richtigen Fragen sind, die gestellt werden sollen, warum Naturwissenschaftler in diesem Punkt nicht immer übereinstimmen und wie sich richtige naturwissenschaftliche Ideen letztendlich durchsetzen. Dieses Buch erkundet die wirklichen Wege, auf denen die Naturwissenschaft vorwärtsschreitet, und die Hinsichten, in denen sie im Gegensatz zu anderen Möglichkeiten der Wahrheitsfindung steht. Es stellt einige der philosophischen Grundlagen der Naturwissenschaften dar und beschreibt die Zwischenstadien, in denen ungewiss ist, wo wir am Ende anlangen werden und wer recht hat. Außerdem und mit ebenso großem Gewicht zeigt es, wie naturwissenschaftliche Ideen und Methoden außerhalb der Naturwissenschaft Anwendung finden können und fördert so auch in anderen Bereichen eine rationalere Entscheidungsfindung.
Die Vermessung des Universums richtet sich an den interessierten, nichtprofessionellen Leser, der die gegenwärtige theoretische und Experimentalphysik gerne besser verstehen würde und der das Wesen der modernen Naturwissenschaft besser einschätzen möchte - sowie die Prinzipien einwandfreien naturwissenschaftlichen Denkens. Häufig versteht man nicht wirklich, was Naturwissenschaft ist und welche Antworten wir von ihr erwarten können. Dieses Buch ist mein Versuch, einige der Missverständnisse zu korrigieren - und vielleicht ein bisschen meiner Enttäuschung darüber Luft zu machen, wie Naturwissenschaft gegenwärtig verstanden und angewandt wird.
In den letzten paar Jahren konnte ich einige einzigartige Erfahrungen machen und lernte eine Menge aus Gesprächen. Diese Erfahrungen möchte ich gerne als Ausgangspunkte für die Erforschung einiger wichtiger Ideen mitteilen. Obwohl ich nicht auf allen Gebieten, die ich besprechen werde, Spezialistin bin und es nicht genügend Raum gibt, um allen volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, hege ich doch die Hoffnung, dass dieses Buch den Leser in produktivere Richtungen lenken wird, während nebenbei einige aufregende neue Entwicklungen erhellt werden. Es sollte den Lesern auch dabei helfen, die zuverlässigsten Quellen naturwissenschaftlicher Information - oder Fehlinformation - zu bestimmen, wenn sie in der Zukunft nach weiteren Antworten suchen. Einige der Gedanken, die dieses Buch vorstellt, mögen zwar sehr elementar erscheinen, aber ein gründlicheres Verständnis des Denkprozesses, der der modernen Naturwissenschaft zugrunde liegt, wird dazu beitragen, sowohl die Forschung als auch wichtige Probleme, mit denen die moderne Welt gegenwärtig konfrontiert ist, besser in Angriff zu nehmen.
In dieser Zeit der Film-Prequels könnte man Die Vermessung des Universums als die Ursprungsgeschichte zu meinem letzten Buch Verborgene Universen betrachten, in Kombination mit einer Aktualisierung dessen, wo wir jetzt stehen und was wir erwarten. Es füllt die Lücken auf - indem es sich den Grundlagen der Naturwissenschaft zuwendet, auf denen neue Ideen und neue Entdeckungen beruhen - und erklärt, warum wir ungeduldig auf der Stuhlkante sitzen und darauf warten, dass neue Daten auftauchen.
Das Buch bewegt sich hin und her zwischen Einzelheiten, die die heutige Naturwissenschaft betreffen, und Überlegungen bezüglich der zugrunde liegenden Themen und Begriffe, die für die Naturwissenschaft zentral, aber auch nützlich für das Verständnis der Welt im weiteren Sinne sind. Der erste Teil des Buches, Kapitel 11 und 12 im zweiten Teil, Kapitel 15 und 18 im dritten und der letzte Teil (Zusammenfassung) beziehen sich stärker auf naturwissenschaftliches Denken, während die übrigen Kapitel sich mehr auf die Physik konzentrieren, darauf, wo wir heute stehen und wie wir bis hierher gelangt sind.
In mancher Hinsicht sind es zwei Bücher in einem - aber Bücher, die man am besten zusammen liest. Die moderne Physik mag manchen als zu weit entfernt von unserem Alltagsleben erscheinen, um von Bedeutung oder überhaupt nur verständlich zu sein, aber ein Verständnis der philosophischen und methodologischen Grundlagen, die unser Denken leiten, sollte sowohl die Naturwissenschaft als auch die Bedeutung des naturwissenschaftlichen Denkens erhellen - wie wir an vielen Beispielen sehen werden. Umgekehrt wird man die Grundelemente naturwissenschaftlichen Denkens nur dann ganz verstehen, wenn man sie auf eine wirkliche Naturwissenschaft bezieht, in der sie verankert sind. Leser mit einem größeren Interesse an dem einen oder anderen mögen sich zwar dafür entscheiden, einen der beiden Wege nur zu überfliegen oder gar auszulassen, aber erst beide zusammen machen eine ausgewogene Mahlzeit aus.
Ein in dem ganzen Buch immer wiederkehrender Grundgedanke ist der Begriff der Skala. Die Gesetze der Physik liefern einen einheitlichen Rahmen dafür, wie unzweifelhafte theoretische und physikalische Beschreibungen zu einem kohärenten Ganzen zusammenpassen, und zwar von den unendlich kleinen Abständen, die gegenwärtig am LHC erforscht werden, bis zur gewaltigen Größe des gesamten Weltalls. 2 Die Kategorie der Skala ist sowohl für unser Denken als auch für die besonderen Tatsachen und Ideen entscheidend, denen wir begegnen werden. Bewährte naturwissenschaftliche Theorien beziehen sich auf zugängliche Skalen. Aber diese Theorien konzentrieren sich auf zunehmend präzise und grundlegendere Skalen, wenn wir frisch erworbenes Wissen von den zuvor noch unerforschten Extremen kurzer oder langer Abstand hinzufügen. Das erste Kapitel bezieht sich auf das Kernelement der Skala und erklärt, inwiefern die Kategorisierung nach Abständen für die Physik und für die Art und Weise wesentlich ist, wie neue naturwissenschaftliche Entwicklungen auf früheren aufbauen.
Der erste Teil stellt auch verschiedene Möglichkeiten der Betrachtung von Wissen dar und kontrastiert sie miteinander. Wenn Sie andere Menschen danach fragen, woran sie denken, wenn sie an Naturwissenschaft denken, werden die Antworten wahrscheinlich genauso vielfältig sein, wie die Personen, die Sie befragen. Manche werden auf starren, unveränderlichen Aussagen über die physikalische Welt beharren. Andere werden Naturwissenschaft als eine Menge von Prinzipien definieren, die ständig durch andere ersetzt werden, und wieder andere werden antworten, dass Naturwissenschaft nicht mehr als ein weiteres System von Überzeugungen ist, das sich qualitativ nicht von der Philosophie oder der Religion unterscheidet. Und alle hätten unrecht.
Das sich entwickelnde Wesen der Naturwissenschaft steht im Zentrum des Problems, warum es überhaupt so viele Auseinandersetzungen geben kann - sogar innerhalb der naturwissenschaftlichen Gemeinschaft selbst. Dieser Teil stellt ein wenig von der Geschichte dar, wie die heutige Forschung in den geistigen Fortschritten des 17. Jahrhunderts verwurzelt ist, und fährt dann mit einigen weniger scharf bestimmten Aspekten der Debatte zwischen Naturwissenschaft und Religion fort - eine Auseinandersetzung, deren Ursprung in mancher Hinsicht auf jene Zeit zurückgeht. Er wirft auch einen Blick auf die materialistische Auffassung der Materie und ihre heiklen Folgen für die Frage nach dem Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion sowie auf das Problem, wer die grundlegenden Fragen beantworten soll und wie das geschieht.
Teil II wendet sich dem physikalischen Aufbau der materiellen Welt zu. Er vermisst das Gelände für die naturwissenschaftliche Reise des Buches, indem er die Materie von vertrauten Skalen bis zu den kleinsten hinab verfolgt, wobei immer eine Aufteilung bezüglich der Skala vorgenommen wird. Dieser Weg wird uns von bekanntem Terrain zu submikroskopischen Größen hinabführen, deren innere Struktur nur durch riesige Teilchenbeschleuniger erkundet werden kann. Der Abschnitt endet mit einer Einführung in einige der wichtigsten Experimente, die heute durchgeführt werden - der Large Hadron Collider (LHC) und astronomische Untersuchungen des frühen Universums -, was die äußersten Grenzen unseres Verständnisses erweitern solle.
Wie bei jeder aufregenden Entwicklung besitzen diese mutigen und ehrgeizigen Unternehmungen das Potential, unsere naturwissenschaftliche Weltsicht radikal zu verändern. In Teil III beginnen wir damit, uns in die Funktionsweise des LHC zu vertiefen, und erforschen, wie diese Maschine Protonenstrahlen erzeugt und aufeinanderprallen lässt, um neue Teilchen zu schaffen, die uns Auskunft über die kleinsten zugänglichen Skalen geben. Dieser Abschnitt erklärt auch, wie die Experimentalphysiker das Gefundene interpretieren.
Das CERN (sowie der auf amüsante Weise irreführende Hollywood- Kassenschlager Illuminati) hat die experimentelle Seite der Teilchenphysik weitgehend bekannt gemacht. Viele haben jetzt von dem riesigen Teilchenbeschleuniger gehört, der sehr energiereiche Protonen aufeinanderprallen lassen wird, welche in einem winzigen Raumgebiet konzentriert sein werden, um Formen der Materie zu erzeugen, die noch nie zuvor gesehen wurden. Der LHC läuft jetzt und ist bereit, unser Verständnis des grundlegenden Wesens der Materie und sogar des Raumes selbst zu verändern. Aber wir wissen noch nicht, was er finden wird.
Im Laufe unserer naturwissenschaftlichen Entdeckungsfahrt werden wir über naturwissenschaftliche Unsicherheit nachdenken und darüber, was Messungen uns wirklich sagen können. Die Forschung befindet sich ihrem Wesen nach an den Grenzen unseres Wissens. Experimente und Berechnungen sollen so viele Ungewissheiten wie möglich reduzieren oder ausschalten und die verbleibenden so genau wie möglich bestimmen. Dennoch steckt die Naturwissenschaft im Alltag voller Unsicherheiten, obwohl das paradox klingen mag. Teil III untersucht, wie Naturwissenschaftler sich den Herausforderungen stellen, die ihren schwierigen Forschungen innewohnen, und wie jedermann vom naturwissenschaftlichen Denken profitieren kann, wenn er Aussagen interpretiert und versteht, die in einer zunehmend komplexeren Welt gemacht werden.
Teil III geht auch auf die schwarzen Löcher am LHC ein und auf den Gegensatz, in dem die Befürchtungen, die sie hervorgerufen haben, zu einigen wirklichen Gefahren stehen, denen wir gegenwärtig ausgesetzt sind. Wir betrachten die wichtigen Probleme der Kosten-Nutzen-Analyse und des Risikos und wie man sich ihnen gedanklich besser nähern kann - sowohl innerhalb als auch außerhalb von Forschungseinrichtungen.
Teil IV beschreibt die Suche nach dem Higgs-Boson sowie spezifische Modelle, die wohlbegründete Vermutungen darüber darstellen, was existiert, und die außerdem Forschungsziele für den LHC sind. Wenn LHC- Experimente einige der Ideen bestätigen, die Theoretiker ausgearbeitet haben - oder selbst, wenn sie etwas Unvorhergesehenes entdecken -, werden die Ergebnisse unser Weltbild verändern. Dieser Abschnitt erklärt den Higgs-Mechanismus, der für die Massen von Elementarteilchen verantwortlich ist, sowie das Hierarchieproblem, demzufolge wir noch mehr Teilchen finden sollten. Darin werden ebenfalls Modelle untersucht, die sich diesem Problem zuwenden, und die exotischen neuen Teilchen, die von diesen Modellen vorhergesagt werden, wie z. B. jene, die mit der Supersymmetrie oder Extra-Dimensionen des Raumes verbunden sind.
Neben der Darstellung spezifischer Hypothesen erklärt dieser Teil, wie Physiker bei der Konstruktion von Modellen vorgehen, und erläutert die Wirksamkeit von Leitprinzipien wie z. B. »Wahrheit durch Schönheit« und »von oben nach unten« im Vergleich zu »von unten nach oben«. Er erklärt, wonach der LHC sucht, aber auch, wie Physiker Vorhersagen darüber treffen, was er finden könnte. Dieser Teil beschreibt, wie Naturwissenschaftler versuchen, die scheinbar abstrakten Daten, die der LHC hervorbringt, mit einigen der tiefen und grundlegenden Ideen zu verbinden, die wir gegenwärtig erforschen.
Nach unserer Forschungsreise in das Innere der Materie blicken wir in Teil V nach außen. Zur selben Zeit, wie der LHC die kleinsten Skalen der Materie erkundet, werden Satelliten und Teleskope die größten Maßstäbe im Kosmos erforschen - indem sie die Beschleunigungsrate seiner Expansion untersuchen - und außerdem bestimmte Aspekte der Hintergrundstrahlung aus der Zeit des Urknalls analysieren. Unsere Epoche könnte Zeuge von neuen Entwicklungen in der Kosmologie werden, der Wissenschaft von der Entwicklung des Weltalls. In diesem Abschnitt werden wir das Universum bis zu größeren Maßstäben erforschen und die Verbindung zwischen der Elementarteilchenphysik und der Kosmologie besprechen sowie die schwer zu fassende dunkle Materie und die experimentelle Suche nach ihr.
Die Zusammenfassung am Ende von Teil VI denkt über Kreativität und die reichhaltigen und vielfältigen Gedankenelemente nach, die Bestandteile des kreativen Denkens sind. Sie untersucht, wie wir versuchen, die großen Fragen durch die etwas kleiner scheinenden Tätigkeiten in unserem Alltag zu beantworten. Wir schließen mit einigen Gedanken darüber, warum die Naturwissenschaft und das naturwissenschaftliche Denken heute so wichtig sind, sowie über die symbiotische Beziehung zwischen Technik und naturwissenschaftlichem Denken, die in der modernen Welt so viel Fortschritt hervorgebracht hat.
Ich werde häufig daran erinnert, wie knifflig es für Nicht-Naturwissenschaftler sein kann, die manchmal entlegenen Ideen zu würdigen, denen sich die moderne Naturwissenschaft zuwendet. Diese Herausforderung wurde offenkundig, als ich mich mit einer Klasse von College- Studenten nach einem öffentlichen Vortrag traf, den ich über Extra- Dimensionen und Physik hielt. Als man mir sagte, dass sie alle dieselbe drängende Frage hätten, erwartete ich eine gewisse Verwirrung hinsichtlich der Dimensionen, erfuhr aber stattdessen, dass sie wissen wollten, wie alt ich sei. Aber mangelndes Interesse ist nicht die einzige Herausforderung - und tatsächlich setzten sich die Studenten auch mit den naturwissenschaftlichen Ideen auseinander. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass die Grundlagenwissenschaft häufig abstrakt ist, und es kann schwierig sein, sie zu rechtfertigen - eine Hürde, mit der ich bei einer Anhörung im Kongress über die Bedeutung von Grundlagenwissenschaft konfrontiert war. Zusammen mit Dennis Kovar - Leiter für Hochenergiephysik am US-amerikanischen Energieministerium -, Pier Oddone - Leiter des Fermi National Accelerator Laboratory - und Hugh Montgomery - Leiter des Jefferson Lab, einer Einrichtung für Kernphysik - nahm ich im Herbst 2009 daran teil. Das war mein erster Besuch der Regierungseinrichtungen, seit mich mein Kongressabgeordneter, Benjamin Rosenthal, herumgeführt hatte, als ich vor vielen Jahren beim Westinghouse-Naturwissenschaftswettbewerb High-School-Finalistin war. Großzügigerweise vermittelte er mir mehr als den bloßen Fototermin, den die anderen Finalisten erhielten.
Bei meinem jüngsten Besuch genoss ich erneut den Anblick der Büros, in denen Politik gemacht wird. Der Raum, der dem parlamentarischen Ausschuss für Naturwissenschaft und Technik zur Verfügung steht, befindet sich im Rayburn House Office Building. Die Abgeordneten saßen hinten, und wir »Zeugen« saßen ihnen gegenüber. Tafeln mit Inschriften hingen über den Köpfen der Abgeordneten, von denen die erste lautete: »Ohne prophetische Offenbarung verwildert das Volk.« Sprüche 29,18.
Es scheint, dass die amerikanische Regierung sich sogar in demjenigen Kongresssaal, der ausdrücklich der Naturwissenschaft und Technik gewidmet ist, auf die Heilige Schrift beziehen muss. Trotzdem bringt der Spruch ein edles und richtiges Gefühl zum Ausdruck, dem wir alle gern entsprechen würden.
Auf der zweiten Tafel stand ein eher weltliches Zitat von Tennyson: »For I dipped into the future, far as my eyes could see. Saw the vision of the world and the wonder that would be.« (»Denn ich blickte in die Zukunft, so weit ich nur sehen konnte. Sah das Traumbild der Welt und das künftige Wunder.«)
Das war ebenfalls ein schöner Gedanke, den man im Gedächtnis behalten sollte, während wir unsere Forschungsziele beschrieben.
Ironischerweise war der Saal so eingerichtet, dass wir »Zeugen« aus der Welt der Naturwissenschaft - die für diese Aussagen bereits Sympathie empfanden - diesen Tafeln gegenübersaßen. Sie hingen direkt in unserer Blickrichtung. Die Abgeordneten dagegen saßen unter diesen Worten, so dass sie sie nicht sehen konnten. Der Kongressabgeordnete Lipinski, der bei seinem Eröffnungsplädoyer sagte, dass Entdeckungen zu weiteren Fragen - und großen metaphysischen Untersuchungen - führen, bestätigte, dass er die Tafeln zwar gewöhnlich bemerkte, sie jetzt aber nur allzu leicht in Vergessenheit gerieten. »Wenige von uns blicken je nach dort oben.« Er war dankbar dafür, daran erinnert zu werden.
Dann wandten wir Naturwissenschaftler uns von der Raumeinrichtung ab und konzentrierten uns auf die vorliegende Aufgabe - zu erklären, warum dies eine so aufregende und beispiellose Zeit für die Elementarteilchenphysik und die Kosmologie ist. Obwohl die Fragen der Abgeordneten gelegentlich spitz und skeptisch waren, konnte ich doch den Widerstand spüren, mit dem sie ständig zu tun haben, wenn sie ihren Wählern erklären, warum es ein Fehler wäre, die finanzielle Unterstützung naturwissenschaftlicher Arbeit einzustellen - selbst angesichts wirtschaftlicher Unsicherheiten. Ihre Fragen reichten von Einzelheiten im Hinblick auf den Zweck bestimmter Experimente bis zu allgemeineren Fragen zur Rolle der Naturwissenschaft und ihren Zielen.
Zwischen den Abwesenheitsphasen der Abgeordneten, die von Zeit zu Zeit den Saal verlassen mussten, um ihre Stimme abzugeben, stellten wir ein paar Beispiele für positive Nebeneffekte vor, die aus der Förderung von Grundlagenwissenschaft erwachsen. Selbst Naturwissenschaft, die als Grundlagenforschung angelegt ist, erweist sich häufig in anderen Hinsichten als fruchtbar. Wir sprachen über Tim Berners-Lees Entwicklung des World Wide Web als Mittel, um Physikern in verschiedenen Ländern eine bessere Zusammenarbeit an ihren gemeinsamen Experimenten am CERN zu ermöglichen. Wir diskutierten über medizinische Anwendungen, wie z. B. PET-Scans - Positronen-Emissions-Tomographie - eine Methode der Erforschung der inneren Körperstruktur durch das Antiteilchen des Elektrons. Wir erklärten die Rolle der industriellen Herstellung von supraleitenden Magneten, die für Teilchenbeschleuniger entwickelt wurden, aber jetzt gleichfalls bei bildgebenden Verfahren mit Magnetresonanz verwendet werden, und schließlich die bemerkenswerte Anwendung der Allgemeinen Relativitätstheorie auf die Präzisionsvorhersagen von GPS-Geräten, einschließlich des globalen Positionsbestimmungssystems, das wir täglich in unseren Autos benutzen.
Natürlich hat maßgebliche Naturwissenschaft nicht notwendig irgendeinen unmittelbaren praktischen Nutzen. Selbst wenn sie sich am Ende auszahlt, wissen wir zur Zeit der Entdeckung nur selten davon. Als Benjamin Franklin sich darüber klar wurde, dass ein Blitz Elektrizität ist, wusste er nicht, dass die Elektrizität bald das Anlitz des Planeten verändern würde. Und als Einstein an der Allgemeinen Relativitätstheorie arbeitete, sah er nicht vorher, dass sie einmal in einem praktischen Gerät zur Anwendung käme.
Die Argumentation, die wir an jenem Tag vortrugen, konzentrierte sich also nicht in erster Linie auf bestimmte Anwendungen, sondern vielmehr auf die entscheidende Bedeutung der reinen Naturwissenschaft. Obwohl der Status der Naturwissenschaft in Amerika prekär sein mag, erkennen doch viele Menschen gegenwärtig ihren Wert. Die Sichtweise, die die Gesellschaft vom Weltall, von der Zeit und vom Raum hat, änderte sich mit Einstein - wie der ursprüngliche Liedtext von »As Time Goes By« zeigt, der in Verborgene Universen zitiert wurde.
Unsere Sprache und unsere Gedanken selbst ändern sich in dem Maße, in dem sich unser Verständnis der physikalischen Welt entwickelt und neue Wege des Denkens Fortschritte feiern. Was Naturwissenschaftler heute untersuchen und wie wir dabei vorgehen, wird sowohl für unser Verständnis der Welt als auch für eine widerstandsfähige und umsichtige Gesellschaft entscheidend sein.
In der Physik und der Kosmologie erleben wir gegenwärtig eine außergewöhnlich aufregende Zeit, in der einige der kühnsten Forschungen stattfinden, die je gemacht wurden. Durch ein breit gefächertes Spektrum von Untersuchungen streift Die Vermessung des Universums unsere verschiedenen Möglichkeiten, die Welt zu verstehen - durch Kunst, Religion und Naturwissenschaft -, aber hauptsächlich mit einem Schwerpunkt auf den Zielen und Methoden der modernen Physik. Letztendlich sind die ganz winzigen Gegenstände, die wir untersuchen, zentral für die Entdeckung, wer wir sind und woher wir kommen. Die Strukturen auf großen Skalen, über die wir mehr zu erfahren hoffen, könnten sowohl Licht auf unsere kosmische Umwelt als auch auf den Ursprung und das Schicksal unseres Universums werfen. Dieses Buch beschreibt, was wir zu finden hoffen und wie wir es möglicherweise finden werden. Die Reise soll ein faszinierendes Abenteuer sein - willkommen an Bord.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2012
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Autoren-Porträt von Lisa Randall
Lisa Randall ist führende theoretische Physikerin und Expertin für Teilchenphysik, Stringtheorie und Kosmologie. Sie arbeitet an einem der zwei konkurrierenden Modelle der Stringtheorie und versucht, damit das Gefüge der Realität zu erklären. Sie war die erste Frau im Physikdepartment von Princeton und die erste theoretische Physikerin am MIT sowie in Harvard. Ihre Arbeiten finden enorme Beachtung und zählen zu den am meisten zitierten wissenschaftlichen Veröffentlichungen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Lisa Randall
- 2012, Neuauflage, 490 Seiten, Maße: 14,9 x 21,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Schröder, Jürgen
- Übersetzer: Jürgen Schröder
- Verlag: S. Fischer Verlag GmbH
- ISBN-10: 3100628063
- ISBN-13: 9783100628060
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