Die Wiederkehr / Department 19 Bd.2
Roman
Und wieder läuft der Countdown: Jamie und seine Freunde haben genau 91 Tage Zeit, um die Rückkehr des mächtigsten Vampirs aller Zeiten zu verhindern. Geniale Action und subtiler Horror!
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Produktinformationen zu „Die Wiederkehr / Department 19 Bd.2 “
Und wieder läuft der Countdown: Jamie und seine Freunde haben genau 91 Tage Zeit, um die Rückkehr des mächtigsten Vampirs aller Zeiten zu verhindern. Geniale Action und subtiler Horror!
Klappentext zu „Die Wiederkehr / Department 19 Bd.2 “
Die spannende Fortsetzung von DEPARTMENT 19 - DIE MISSION!Nach der grauenvollen Attacke auf die Insel Lindisfarne müssen Jamie und Larissa mit ihrem Schmerz zurechtkommen: Während Jamie den Tod seines Freundes Frankenstein betrauert, hadert Larissa mehr denn je mit ihrem Vampirdasein. Doch ihnen bleibt kaum Zeit zum Atemholen: Denn die Asche von Dracula ist wieder in Feindeshand. Die Vampire rotten sich zusammen. Und das Department hat nur 91 Tage Zeit, um den mächtigsten Vampir der Welt zu finden und zu stoppen, bevor er wieder zu voller Stärke kommt.
Lese-Probe zu „Die Wiederkehr / Department 19 Bd.2 “
DEPARTMENT 19 - DIE WIEDERKEHR von Will HillUnd seufzend werd ich einmal sicherlich Es dort erzählen, wo die Zeit verweht: Zwei Waldeswege trennten sich, und ich - ich ging und wählt den stilleren für mich - und das hat all mein Leben umgedreht.
Robert Frost
Der nicht gegangene Weg
Wie viel glücklicher ist der Mann, der seine Heimatstadt für die Welt hält, als jener, der größer sein will, als seine Natur es zulässt.
Victor Frankenstein
1
Auf Streife
Pilgrim Hospital
Boston, Lincolnshire
... mehr
Sergeant Ted Pearson von der Lincolnshire Police stampfte mit kalten Füßen aufs Pflaster und sah nochmals auf seine Uhr. Constable Dave Fleming, sein Partner, beobachtete ihn mit nervöser Miene.
Halb zehn, dachte der Sergeant und verzog das Gesicht. Ich sollte zu Hause sein und die Füße hochlegen. Sharon macht heut Abend Lasagne, und aufgewärmt ist sie nur halb so gut.
Der Notruf war um 21.50 Uhr vom Empfang des Krankenhauses bei ihnen eingegangen. Sergeant Pearson und sein Partner wollten gerade die Akte zu einem Fall von illegaler Einwanderung auf einer der Farmen bei Louth schließen und hatten sich schon darauf gefreut, den Papierkram abgeben und heimfahren zu können, als sie erfuhren, für diesen Notruf seien sie zuständig. Sie waren murrend in ihren Streifenwagen gestiegen und das kurze Stück von der Polizeistation zum Krankenhaus gefahren, mit flackerndem Blaulicht und Sirenengeheul durch die eisige Januarnacht.
Sie hatten das Krankenhaus in wenig mehr als drei Minuten erreicht und befragten die Krankenschwester, die angerufen hatte - eine junge Nigerianerin mit großen, ängstlich geweiteten Augen -, als Sergeant Pearsons Funkgerät zum Leben erwachte. Die Nachricht, die es übermittelte, war knapp und direkt.
»Zugang zu potenziellem Tatort bewachen. Nicht ermitteln oder mit möglichen Zeugen sprechen. Objekt bewachen, bis Sie abgelöst werden.«
Pearson hatte laut ins Mikrofon geflucht, aber der Mann am anderen Ende - dessen Stimme er nicht erkannte, der aber eindeutig nicht der gewohnte Dispatcher war - hatte die Verbindung bereits getrennt. Also hatte er den Befehl ausgeführt: Er hatte Constable Fleming angewiesen, die Befragung der Krankenschwester einzustellen, und dem Personal erklärt, der Zutritt zur Blutbank des Krankenhauses sei ohne seine ausdrückliche Erlaubnis verboten. Dann hatte er mit seinem Partner vor dem Seiteneingang des Krankenhauses Posten bezogen, wo sie in der Kälte zitternd auf Ablösung warteten. Durch wen oder was, wussten sie nicht.
»Was geht hier vor, Sarge?«, fragte Constable Fleming, nachdem eine Viertelstunde vergangen war. »Warum stehen wir hier draußen rum wie Wachleute?«
»Wir tun, was uns befohlen wurde«, antwortete Sergeant Pearson.
Fleming nickte, ohne überzeugt zu sein. Sein Blick wanderte durch die schwach beleuchtete Straße, die nur eine Gasse zwischen dem Krankenhaus und dem verfallenden Klinkerbau einer ehemaligen Fabrik war. An die Mauer gegenüber hatte jemand mit bis zum Boden herabtropfender Farbe drei Wörter gesprayt:
er kehrt zurück
»Was heißt das, Sarge?«, fragte Constable Fleming und deutete auf das Graffito.
»Klappe, Dave«, antwortete sein Partner nach einem flüchtigen Blick auf die Wörter. »Keine weiteren Fragen, okay?«
Der junge Mann würde einmal einen guten Polizisten abgeben, daran hatte Pearson keinen Zweifel, aber sein Enthusiasmus und seine ständige Neugier bereiteten dem Sergeant manchmal Kopfschmerzen. Die unbequeme Wahrheit war, dass Pearson nicht wusste, was hier lief, warum sie den Krankenhauseingang bewachten oder was das Graffito bedeutete. Aber das hätte er Fleming gegenüber, der noch kein halbes Jahr im Dienst war, niemals zugegeben. Er stampfte nochmals mit den Füßen auf, und während er das tat, hörte er in der Ferne das Brummen eines näher kommenden Fahrzeugs.
Dreißig Sekunden später hielt ein schwarzer Van neben den beiden Polizeibeamten.
Das Fensterglas des tiefergelegten Wagens war so schwarz wie seine Karosserie, und er fuhr auf gepanzerten Breitreifen. Sein Motorengeräusch war unglaublich laut: ein dumpfes Röhren, das Pearson und Fleming durch ihre Stiefel spürten. Fast eine halbe Minute lang passierte nichts; der Van stand unbeweglich vor ihnen; in dem Neonlicht, das hinter ihnen aus dem Seitenausgang des Krankenhauses drang, wirkte er massiv und seltsam bedrohlich. Dann öffnete sich mit lautem Zischen die Hecktür des Fahrzeugs, und drei Gestalten stiegen aus.
Fleming starrte sie mit großen Augen an, als sie herankamen. Pearson, der im Laufe seiner Dienstzeit Dinge gesehen hatte, die ihm sein jüngerer Kollege nicht geglaubt hätte, verstand es besser als dieser, seine Emotionen zu verbergen. Er schaffte es, sich seine Verwirrung und wachsende Unsicherheit nicht anmerken zu lassen.
Die drei Gestalten, die nun vor ihnen standen, waren von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet: Stiefel, Handschuhe, Uniformen, Koppeln und Gurtzeug im Militärstil - alles schwarz. Die einzigen Farbkleckse waren das helle Purpur der Visiere, die ihre Gesichter verdeckten und zu glatten schwarzen Helmen gehörten, wie die Polizeibeamten sie noch nie gesehen hatten. Die Neuankömmlinge ließen keinen Quadratzentimeter unbedeckter Haut sehen; sie hätten ebenso gut Roboter sein können, so anonym war ihre Erscheinung. An den Koppeln trugen sie je zwei schwarze Handfeuerwaffen in Halftern und einen langen Zylinder mit Handgriff und Abzugvorrichtung. Auch dies war offensichtlich eine Waffe, die Pearson jedoch nicht kannte.
Die größte der drei Gestalten baute sich so dicht vor Sergeant Pearson auf, dass ihr glänzendes Visier nur eine Handbreit von seiner Nase entfernt war. Als sie sprach, klang ihre Stimme männlich, aber so digitalisiert und ausdruckslos, dass Pearson aus seiner Zeit beim SO15 der Metropolitan Police wusste, dass sie mehrfach elektronisch gefiltert wurde, um eine Identifizierung durch Stimmabdruck unmöglich zu machen.
»Haben Sie eine Geheimhaltungsverpflichtung unterschrieben? «, fragte die schwarze Gestalt scharf. Die beiden Polizeibeamten waren zu eingeschüchtert, um mehr zu tun, als stumm zu nicken. »Gut. Dann haben Sie mich nie gesehen, und das hier ist nie passiert.«
»Auf wessen Befehl?«, brachte Pearson mit merklich zitternder Stimme heraus.
»Des Chefs des Generalstabs«, antwortete die Gestalt, dann brachte sie ihr Visier noch dichter an Pearsons Gesicht heran. »Und auf meinen. Verstanden?«
Pearson nickte erneut, und die Gestalt ließ ihn stehen. Sie ging an ihm vorbei und betrat mit großen Schritten das Krankenhaus. Die beiden anderen schwarzen Gestalten folgten ihr.
»Die Blutbank ist ...«, begann Constable Fleming.
»Wir kennen den Weg«, sagte die dritte Gestalt mit digital veränderter Frauenstimme.
Dann waren sie fort.
Die beiden Polizeibeamten sahen sich an. Sergeant Pearson zitterte sichtlich, und Constable Fleming wollte seinem Partner eine Hand auf die Schulter legen. Der ältere Mann winkte ab, doch er wirkte nicht verärgert; er sah nur alt und ängstlich aus.
»Wer waren die, Sarge?«, fragte Fleming mit unsicherer Stimme.
»Das weiß ich nicht, Dave«, antwortete Pearson. »Und ich will's auch nicht wissen.«
Die drei schwarzgekleideten Gestalten schritten durch die hell beleuchteten Flure des Krankenhauses.
Die große Gestalt, die mit Sergeant Pearson gesprochen hatte, ging voraus. Hinter ihr, kleiner und schlanker als der Anführer, kam die zweite Gestalt des Trios, die leichtfüßig übers Linoleum zu schweben schien. Die dritte, noch etwas kleinere Gestalt, bildete die Nachhut und bewegte ihr purpurrotes Visier langsam von links nach rechts und wieder zurück, um etwaige Angreifer oder Augenzeugen zu sichten. An der doppelten Schiebetür zum OP signalisierte der große Anführer »Halt!« und hakte sein Funksprechgerät vom Koppel. Er gab einen Code aus Ziffern und Buchstaben ein, dann stellte er eine Verbindung zum Kommunikationssystem seines Helms her. Anschließend wartete er einige Sekunden, bevor er sprach.
»Team G-17 in Position. Alpha einsatzbereit.«
»Beta einsatzbereit«, sagte die zweite Gestalt mit metallischer Frauenstimme.
»Gamma einsatzbereit«, meldete die dritte Gestalt.
Alpha wartete die Bestätigung ihrer Meldung vom anderen Ende der Leitung ab, dann hakte er das Funkgerät wieder ein.
»Also los«, sagte er, und die Gruppe drang weiter in das Krankenhaus vor.
Nur wenige Sekunden später sprach Gamma. »Von wem ist der Notruf gekommen?«
»Von der Schwester am Empfang«, antwortete Alpha. »Ein Nachtpfleger hat gesehen, wie ein Mann ein kleines Mädchen in die Blutbank geführt hat. Ein Mann mit roten Augen. Ein Junkie, wie er vermutet.«
Beta lachte. »Damit hat er wahrscheinlich recht. Aber nicht ganz so, wie er meint.«
Die drei schwarzen Gestalten stießen eine Tür mit der Aufschrift KEIN ZUTRITT FÜR UNBEFUGTE! auf und marschierten weiter.
»Fünfter Einsatz in drei Nächten«, sagte Gamma. »Will Seward uns für irgendwas bestrafen?«
»Das trifft nicht nur uns«, sagte Alpha. »Anderen geht's genauso. Alle Teams sind ständig im Einsatz.«
»Ich weiß«, antwortete Beta. »Und wir wissen, weshalb, nicht wahr? Alles wegen ...«
»Nicht«, sagte Gamma rasch. »Sprich nicht von ihm. Nicht jetzt, okay?«
Aus Betas Helm kam ein gedämpfter Laut, der ein Lachen hätte sein können, aber sie sprach nicht weiter.
»Du hast die Polizei ziemlich hart angefasst«, sagte Gamma. »Der alte Sergeant war ganz verängstigt.«
»Gut«, antwortete Alpha. »Je eifriger er so tut, als habe es diese Nacht nie gegeben, desto sicherer ist er. Schluss jetzt mit dem Gerede.«
Sie hatten die Blutbank des Krankenhauses erreicht, deren Tür offen stand. Alpha trat langsam in den dunklen Raum und betätigte den Lichtschalter neben der Tür.
Nichts geschah.
Er zog eine Stablampe aus dem Koppel und richtete ihren Strahl an die Decke. Die Glühbirne war zertrümmert, bestand nur noch aus einem gezackten Glasring und den Resten der Drahtwendel. Ein langsamer Schwenk der Lampe zeigte ein Schlachtfeld: Die Metallregale der Blutbank waren geplündert worden. Der Fußboden war mit zerfetzten Kunststoffbeuteln und Blutlachen übersät.
»Keinen Schritt näher!«
Die Stimme kam aus einer Ecke des Raums, und Alpha richtete sofort seine Stablampe auf sie. Zwei weitere Lichtstrahlen kamen hinzu, als Beta und Gamma eintraten und dem Beispiel ihres Teamführers folgten.
Die Lichtkegel beleuchteten die zitternde Gestalt eines in der Ecke des Raums kauernden Mannes in mittleren Jahren. Vor seinen Füßen lag eine Sporttasche, randvoll mit Blutbeuteln. In den Armen hielt er ein Mädchen von höchstens sechs Jahren, dessen Gesicht blankes Entsetzen widerspiegelte. Der Mann hielt einen messerscharfen Fingernagel an ihre Kehle gedrückt und starrte die drei schwarzen Gestalten panisch und verzweifelt an.
Alpha hob eine Hand, verstellte sein Visier und sah, wie der Raum sich vor seinen Augen veränderte. Der Helm enthielt einen kryogekühlten Infrarotsensor, der die Wärmesignatur aller hier sichtbaren Objekte darstellte. Die kalten Wände und der Fußboden der Blutbank leuchteten blassgrün und hellblau, während das kleine Mädchen dunkler und orangegelb gefleckt war. Der Mann leuchtete hellrot und purpurrot wie eine Wunderkerze und blendete Alpha fast.
»Keinen Schritt näher, sonst bring ich sie um«, sagte der Mann, der sich nervös an die Wand drängte. Das Mädchen wimmerte, als er ihr die Kehle fester zudrückte.
Alpha stellte sein Visier wieder normal ein.
»Keine Aufregung«, sagte er ruhig. »Lassen Sie die Kleine laufen, dann können wir miteinander reden.«
»Da gibt's nichts zu reden!«, rief der Mann und riss das Mädchen von den Beinen. Sie schrie mit vor Entsetzen geweiteten Augen auf, und Alpha trat einen halben Schritt vor.
»Lassen Sie die Kleine laufen«, wiederholte er.
»Das geht ja mal gar nicht«, sagte Beta halblaut.
Alpha sah rasch zu ihr hinüber. »Tu nichts ohne meinen Befehl «, sagte er warnend.
Beta schnaubte vor Lachen. »Bitte«, sagte sie, dann zog sie einen kurzen schwarzen Zylinder aus ihrem Koppel, zielte damit auf die Ecke und drückte einen Knopf.
Ultraviolettes Licht schoss in dickem Strahl quer durch die Blutbank. Es traf den Arm des Mannes und das Gesicht der Kleinen, die beide sofort in Flammen aufgingen. Schreie und der widerliche Gestank von brennendem Fleisch erfüllten die Luft, während Gamma hinter ihrem Visier nach Atem rang.
Das kleine Mädchen riss sich von dem Arm los, der es umklammert hatte, und schlug sich wild ins Gesicht, bis die Flammen erloschen waren. Dann fiel sie auf die Knie, riss einen der Blutbeutel auf und trank so gierig daraus, dass die scharlachrote Flüssigkeit ihr übers Kinn lief.
Der Mann beobachtete sie mit hilfloser Miene, bis er auf einmal zu merken schien, dass sein Arm brannte. Er sprang in der Ecke umher und schlug mit der gesunden Hand auf die Flammen ein. Sobald sie gelöscht waren, nahm er sich einen Blutbeutel aus dem nächsten Regal und trank ihn leer. Während das Team G-17 zusah, begannen das Gesicht des Mädchens und der Arm des Mannes vor ihren Augen zu heilen: Muskeln und Gewebe wuchsen wieder, die Haut schloss sich und wurde rosig glatt. Als die Verletzungen so vollständig geheilt waren, als hätte es sie nie gegeben - ein Vorgang, der nur wenige Sekunden dauerte -, sah die Kleine jammernd zu dem Mann auf.
»Daddy!«, rief sie, ihr Mund ein enttäuscht weit aufgerissenes Oval. »Du hast gesagt, es würde klappen! Du hast's versprochen!«
Der Mann erwiderte ihren Blick tief betrübt.
»Tut mir leid, Schätzchen«, antwortete er. »Ich dachte, es würde klappen.« Er sah zu den drei dunklen Gestalten hinüber, die sich nicht bewegt hatten. »Woher habt ihr gewusst, dass sie verwandelt ist? Das arme Ding hat eine Stunde lang in Eiswasser gesessen, weil es euren Helmen nicht heiß erscheinen sollte. Seine Zähne haben gerade erst zu klappern aufgehört.«
Beta hob eine Hand und nahm ihren Helm ab. Darunter kam ein Teenagergesicht zum Vorschein: schön, blass und schmal, von kinnlangem schwarzem Haar umrahmt. Sie lächelte strahlend, und ihre Augen leuchteten im reflektierten Licht der Stablampen rot.
»Ich kann sie riechen«, antwortete Larissa Kinley.
Das kleine Mädchen fauchte. Seine Augen füllten sich mit dem gleichen Rot wie Larissas.
»Dann ist's also wahr«, sagte ihr Vater. »Im Department 19 arbeitet eine Verräterin. Wie kannst du die eigenen Leute jagen? Besitzt du gar kein Schamgefühl?«
Larissa, deren Lächeln verblasste, trat einen halben Schritt auf ihn zu.
»Ihr seid nicht meine Leute«, sagte sie eisig. Alpha legte ihr sanft eine Hand auf den Arm, und sie trat zurück, ohne den Mann in der Ecke aus den Augen zu lassen.
Gamma nahm ihren Helm ab und schüttelte den Kopf. Kurze blonde Haare flogen um ein hübsches herzförmiges Gesicht mit leuchtend blauen Augen und einem Mund, der jetzt energisch zusammengepresst war.
»Habt ihr beiden letzten Monat das Lincoln General Hospital überfallen?«, fragte Kate Randall.
Der Mann nickte, während er weiter nervös Larissa im Auge behielt.
»Und das Nottingham Trent im Monat davor?«
Er schüttelte den Kopf.
»Belügen Sie mich?«, fragte Kate.
»Wozu sollte ich lügen?«, erwiderte der Mann. Er schien den Tränen nahe zu sein. »Ihr werdet uns ohnehin pfählen - was würden da Lügen nützen?«
»Genau«, sagte Larissa bösartig lächelnd.
Das kleine Mädchen begann zu weinen. Der Mann legte ihr beide Hände auf die Schultern und flüsterte ihr etwas zu.
Alpha sah zu Larissa hinüber, die spöttisch die Augen verdrehte. Dann griff auch er nach oben und nahm den Helm ab.
Der Junge, der darunter zum Vorschein kam, war nicht älter als sechzehn oder siebzehn Jahre, aber sein Gesicht sah älter aus; als habe er Dinge gesehen - und vermutlich auch getan -, die ihren Tribut gefordert hatten. Aus seinem Uniformkragen kroch eine gezackte rosa Narbe die rechte Halsseite hinauf und endete, bevor sie den Unterkiefer erreichte. Sein gut geschnittenes Gesicht strahlte eine Ruhe aus, wie sie zu einem älteren Mann gepasst hätte. Der Blick seiner stahlblauen Augen war durchdringend, aber er richtete ihn zärtlich auf Larissa.
»Heute Nacht wird niemand gepfählt«, sagte Jamie Carpenter. »Ihr kennt das neue Standardverfahren. Gib mir bitte zwei Sprenggürtel, Kate. Diese beiden kann Lazarus haben. Ich glaube nicht, dass sie gefährlich sind.«
Nun begann auch der Mann zu weinen.
»Wir waren hungrig«, sagte er. »Tut mir leid, dass wir ... Ich bin Patrick Connors, und dies ist meine Tochter Maggie. Wir waren nur so hungrig. Wir wollten niemandem Schwierigkeiten machen.«
»Schon gut«, antwortete Jamie. Er nahm Kate die beiden Sprenggürtel aus der Hand und warf sie Vater und Tochter zu. »Legt sie an - über die Schultern und unter den Achseln hindurch. Und zieht die Schnallen fest.«
Die Sprenggürtel waren breite Stoffgurte, die sich auf Brust und Rücken kreuzten. Wo sie sich vorn trafen, saß eine Sprengladung direkt über dem Herzen des Trägers. Patrick und Maggie legten sie an und zogen wie angewiesen die Schnallen fest. Als sie fertig waren, zog Jamie einen kurzen Zylinder mit einer kleinen Skala auf einer Seite und einem roten Abzug auf der anderen aus seinem Koppel. Er drehte die Skala zwei Stufen nach rechts, bis die roten Kontrollleuchten der Sprengladungen aufflammten.
Jamie wandte sich an sein Team.
»Larissa, du führst uns hier heraus«, sagte er. »Sir, Sie folgen ihr, dann kommt Kate, dann die Kleine, und ich folge als Letzter. Wir gehen hinaus, wie wir reingekommen sind, wir machen nirgends halt, wir sprechen mit niemandem. Oh ... und bitte normale Augen.«
Er grinste, als Larissas und Maggies Augen wieder ihre gewöhnliche Farbe annahmen. Larissa führte sie aus der Blutbank und schritt den Korridor entlang zum Ausgang und dem wartenden Van. Der Rest des Teams G-17 und seine Gefangenen folgten ihr in der von Jamie festgelegten Reihenfolge. Weniger als eine Minute später marschierten sie an Sergeant Pearson und Constable Fleming vorbei, die es vermieden, die Eindringlinge anzusehen, und schlossen die Tür des Vans hinter sich.
Die Innenausstattung des Fahrzeugs bestand aus silbernem Metall und schwarzem Kunststoff; zwischen den jeweils vier Sitzen an den beiden Seitenwänden ragten Konsolen mit einem halben Dutzend seltsam geformter Ablagefächer auf. Von der Decke ließ sich ein hochauflösender Touch-Screen herunterklappen, und der Boden vor jedem Sitz wies mehrere Schlitze auf. Jamie wies den Mann und seine Tochter an, auf den vordersten Sitzen Platz zu nehmen und sich anzuschnallen. Das taten sie schweigend, und als sie saßen, drückte Kate auf einen in die Wand eingelassenen Knopf. Eine Leiste im Boden strahlte eine Barriere aus UV-Licht senkrecht nach oben und schnitt sie jäh von den drei Teenagern in Schwarz ab, sodass Patrick und Maggie unwillkürlich aufschrien.
»Keine Sorge«, sagte Jamie. »Euch passiert nichts.«
Er machte sich daran, Waffen und Ausrüstungsgegenstände von seinem Koppel zu lösen und in der Konsole neben seinem Sitz zu verstauen. Der brandneue pneumatische Werfer T-21, die Glock 17, die Heckler & Koch MP5, die Stablampe und der kurze Strahler, den Larissa in der Blutbank eingesetzt hatte - sie alle kamen in passgenaue Fächer und wurden festgeklipst. Den Fernzünder behielt er in der Hand auf seinem Knie, als er sich setzte und die Kabine abfahrtbereit meldete. Sofort heulte der starke Motor auf, und der Wagen, der in Wirklichkeit kein Van, sondern eher eine Kombination aus einem taktischen Kommandozentrum und einem Schützenpanzer war, fuhr an, beschleunigte rasch und ließ Sergeant Pearson und Constable Fleming auf ihrem Posten frierend zurück.
»Was machen wir ...«
»Nichts«, unterbrach ihn Pearson, bevor der Jüngere den Satz beenden konnte. »Wir tun nichts, und wir sagen nichts, weil nichts passiert ist. Absolut nichts. Klar?«
»Kristallklar, Sir«, antwortete Fleming. »Ich schlage vor, wir fahren heim.«
Eine Stunde später raste der Van durch dichter werdenden Wald, steuerte einen Ort an, der offiziell nicht existierte. Die amtliche Bezeichnung lautete Geheime Militärische Anlage 303-F, aber die Männer und Frauen, die von ihrer Existenz wussten, kannten sie seit langem unter einem kürzeren, einfacheren Namen.
»Willkommen im Ring«, sagte Jamie, als der Wagen hielt. Patrick Connors und seine Tochter betrachteten ihn schweigend mit höflicher Verständnislosigkeit.
Draußen war ein leises Rumpeln zu hören: ein metallisches Geräusch wie von einem Rolltor. Dann fuhren sie wieder, krochen langsam vorwärts.
»Legen Sie den Leerlauf ein.«
Die künstliche Stimme schien von allen Seiten gleichzeitig zu kommen. Der Fahrer des Vans, den die Männer und Frauen im rückwärtigen Teil nicht sehen konnten, befolgte die Anweisung. Unter dem Wagen lief surrend ein Förderband an, das ihn weitertransportierte, bis die Computerstimme wieder sprach.
»Bitte nennen Sie die Namen und Designierungen sämtlicher Insassen.«
»Carpenter, Jamie. NS303, 67-J.«
»Kinley, Larissa, NS303, 77-J.«
»Randall, Kate, NS303, 78-J.«
Nun folgte eine lange Pause.
»In diesem Fahrzeug sind übernatürliche Lebensformen entdeckt worden«, sagte die Stimme. »Bitte nennen Sie den Freigabe-Code.«
»Lazarus 914-73«, antwortete Jamie rasch.
Wieder eine Pause.
»Freigabe erteilt«, verkündete die Stimme. »Sie dürfen weiterfahren. «
Der Van fuhr an, beschleunigte rasch. Weniger als zwei Minuten später hielt er wieder, und Jamie stand auf und öffnete die Hecktür. Kate drückte nochmals den Wandknopf, um die UV- Barriere, die Patrick und Maggie gefangen hielt, verschwinden zu lassen.
»Mitkommen«, sagte Jamie und zeigte auf die offene Tür. Der Mann führte seine Tochter langsam die Stufen hinab und in eine Welt, von der er gerüchteweise gehört, aber an die er nie recht geglaubt hatte.
Hinter dem Wagen stand ein gigantischer halbkreisförmiger Hangar unter dem Nachthimmel offen. Sein riesiger Innenraum war größtenteils leer; entlang einer Wand parkten schwarze Vans und Geländewagen, und auf dem Vorfeld bewegten sich nur eine Handvoll schwarz gekleideter Gestalten. Vor der offenen Hecktür warteten geduldig ein Mann in der gleichen schwarzen Uniform, die auch Jamie und sein Team trugen, und ein junger Asiate in einem weißen Labormantel.
Patrick sah sich um und holte fast erschrocken tief Luft. Er hatte nur einen Augenblick Zeit, um das Riesenhafte, das unglaublich Fremdartige seiner Umgebung wahrzunehmen: den hohen bogenförmigen Sicherheitszaun jenseits der Startbahn, das Labyrinth aus roten Lasern, das ultraviolette Niemandsland und die gigantische Kuppel aus holografischen Bäumen, die über ihnen am Himmel hing.
Dann spürte er eine Hand im Kreuz und wurde nach vorn geschoben, auf die wartenden Männer zu. Seine Tochter umklammerte seine Hand, und er hielt sie fest, als Jamie vortrat und den Fernzünder dem Mann in dem weißen Kittel übergab, der dankend nickte, bevor er sich an die beiden desorientierten, verängstigten Vampire wandte.
»Sir«, sagte er mit sanfter, halblauter Stimme. »Ich bin Dr. Yen. Kommen Sie bitte mit?«
Der Mann sah zu Jamie hinüber. In seinen Augen flackerte Angst.
»Das ist in Ordnung«, sagte Jamie. »Bei ihm sind Sie sicher.«
Patrick suchte Maggies Blick und stellte fest, dass sie mit entschlossener Miene zu ihm aufsah. Dabei nickte sie kaum merklich.
»Das tun wir«, antwortete er mit so fester Stimme wie möglich. »Wir kommen mit.«
Der Arzt nickte, dann wandte er sich ab und ging rasch durch den Hangar davon. Nach kurzem Zögern folgten ihm der Mann und seine Tochter durch den höhlenartigen Raum und eine breite zweiflüglige Tür.
Jamie sah ihnen nach, dann lächelte er Kate und Larissa zu. Hinter ihnen stieg ein Agent des Sicherheitsdiensts in den Van und fing an, die Waffen und Ausrüstungsgegenstände aus den Ablagefächern zu ziehen. Wie immer würden sie binnen einer Stunde gereinigt und kontrolliert in ihre Unterkunft gebracht werden. Jamie nickte dem Agenten zu, bevor er sich dem Offizier vom Dienst zuwandte, der sie erwartet hatte.
»Hübsch kalt hier draußen«, sagte er, während er die Atemwolke vor seinem Gesicht beobachtete.
»Ja, Sir. Verdammt frisch, Sir.«
»Wie geht's meiner Mutter?«
»Gut, Sir«, antwortete der junge Agent. »Hat nach Ihnen gefragt. «
Jamie nickte und ging in den Hangar davon. Er fühlte sich plötzlich erschöpft, seine kleine Unterkunft auf Ebene B schien ihn zu rufen.
»Admiral Seward möchte, dass Sie ihm Bericht erstatten, Sir«, rief ihm der Agent nach, als er gerade mal einige Schritte gemacht hatte. Das klang entschuldigend, und Jamie seufzte.
»Persönlich?«
»Persönlich, Sir.«
Jamie fluchte halblaut. »Sagen Sie ihm, dass ich in zehn Minuten komme«, wies er den Agenten an und marschierte zu einer der Türen in der Rückwand des Hangars davon. Kate und Larissa folgten ihm dichtauf.
Die drei Angehörigen des Teams G-17 sackten gegen die Wände der Kabine, als der Aufzug mit ihnen in die Tiefe sank.
Auf Ebene B wünschte Jamie den beiden Mädchen eine gute Nacht und eilte, so schnell es seine müden Beine erlaubten, zu dem Duschblock für Männer in der Mitte des Korridors. Er stand lange unter den heißen Wasserstrahlen, die hoffentlich verhindern würden, dass die Muskelschmerzen, die der aktive Dienst als Agent von Department 19 unweigerlich mit sich brachte, noch stärker zurückkehrten, als sie es gewöhnlich taten, sobald der Adrenalinschub eines Einsatzes abklang.
Schließlich drehte er widerstrebend das Wasser ab und zog ein T-Shirt und eine Kampfanzughose aus seinem Spind an. Er glaubte, sein schmales Feldbett schon unter sich zu spüren, konnte sich den Moment vorstellen, in dem sein Kopf das Kissen berühren und seine Augen sich schließen würden. Er nahm seine Uniform über den Arm, öffnete die Tür zum Korridor und blieb stehen. Draußen stand Larissa - mit roten Augen, ihr Haar feucht, ihr Körper in ein grünes Badetuch gewickelt, ein schelmisches Lächeln auf den Lippen.
»Wo ist Kate?«, fragte Jamie.
»In ihre Unterkunft gegangen«, antwortete Larissa. »Ich soll dir ausrichten, dass sie morgen pünktlich zum Dienst kommt.«
Er öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber Larissa verschloss ihn mit ihren Lippen, und Jamie stellte fest, dass er längst nicht so müde war, wie er gedacht hatte.
Übersetzung aus dem Englischen von Wulf Bergner
© 2013 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
Sergeant Ted Pearson von der Lincolnshire Police stampfte mit kalten Füßen aufs Pflaster und sah nochmals auf seine Uhr. Constable Dave Fleming, sein Partner, beobachtete ihn mit nervöser Miene.
Halb zehn, dachte der Sergeant und verzog das Gesicht. Ich sollte zu Hause sein und die Füße hochlegen. Sharon macht heut Abend Lasagne, und aufgewärmt ist sie nur halb so gut.
Der Notruf war um 21.50 Uhr vom Empfang des Krankenhauses bei ihnen eingegangen. Sergeant Pearson und sein Partner wollten gerade die Akte zu einem Fall von illegaler Einwanderung auf einer der Farmen bei Louth schließen und hatten sich schon darauf gefreut, den Papierkram abgeben und heimfahren zu können, als sie erfuhren, für diesen Notruf seien sie zuständig. Sie waren murrend in ihren Streifenwagen gestiegen und das kurze Stück von der Polizeistation zum Krankenhaus gefahren, mit flackerndem Blaulicht und Sirenengeheul durch die eisige Januarnacht.
Sie hatten das Krankenhaus in wenig mehr als drei Minuten erreicht und befragten die Krankenschwester, die angerufen hatte - eine junge Nigerianerin mit großen, ängstlich geweiteten Augen -, als Sergeant Pearsons Funkgerät zum Leben erwachte. Die Nachricht, die es übermittelte, war knapp und direkt.
»Zugang zu potenziellem Tatort bewachen. Nicht ermitteln oder mit möglichen Zeugen sprechen. Objekt bewachen, bis Sie abgelöst werden.«
Pearson hatte laut ins Mikrofon geflucht, aber der Mann am anderen Ende - dessen Stimme er nicht erkannte, der aber eindeutig nicht der gewohnte Dispatcher war - hatte die Verbindung bereits getrennt. Also hatte er den Befehl ausgeführt: Er hatte Constable Fleming angewiesen, die Befragung der Krankenschwester einzustellen, und dem Personal erklärt, der Zutritt zur Blutbank des Krankenhauses sei ohne seine ausdrückliche Erlaubnis verboten. Dann hatte er mit seinem Partner vor dem Seiteneingang des Krankenhauses Posten bezogen, wo sie in der Kälte zitternd auf Ablösung warteten. Durch wen oder was, wussten sie nicht.
»Was geht hier vor, Sarge?«, fragte Constable Fleming, nachdem eine Viertelstunde vergangen war. »Warum stehen wir hier draußen rum wie Wachleute?«
»Wir tun, was uns befohlen wurde«, antwortete Sergeant Pearson.
Fleming nickte, ohne überzeugt zu sein. Sein Blick wanderte durch die schwach beleuchtete Straße, die nur eine Gasse zwischen dem Krankenhaus und dem verfallenden Klinkerbau einer ehemaligen Fabrik war. An die Mauer gegenüber hatte jemand mit bis zum Boden herabtropfender Farbe drei Wörter gesprayt:
er kehrt zurück
»Was heißt das, Sarge?«, fragte Constable Fleming und deutete auf das Graffito.
»Klappe, Dave«, antwortete sein Partner nach einem flüchtigen Blick auf die Wörter. »Keine weiteren Fragen, okay?«
Der junge Mann würde einmal einen guten Polizisten abgeben, daran hatte Pearson keinen Zweifel, aber sein Enthusiasmus und seine ständige Neugier bereiteten dem Sergeant manchmal Kopfschmerzen. Die unbequeme Wahrheit war, dass Pearson nicht wusste, was hier lief, warum sie den Krankenhauseingang bewachten oder was das Graffito bedeutete. Aber das hätte er Fleming gegenüber, der noch kein halbes Jahr im Dienst war, niemals zugegeben. Er stampfte nochmals mit den Füßen auf, und während er das tat, hörte er in der Ferne das Brummen eines näher kommenden Fahrzeugs.
Dreißig Sekunden später hielt ein schwarzer Van neben den beiden Polizeibeamten.
Das Fensterglas des tiefergelegten Wagens war so schwarz wie seine Karosserie, und er fuhr auf gepanzerten Breitreifen. Sein Motorengeräusch war unglaublich laut: ein dumpfes Röhren, das Pearson und Fleming durch ihre Stiefel spürten. Fast eine halbe Minute lang passierte nichts; der Van stand unbeweglich vor ihnen; in dem Neonlicht, das hinter ihnen aus dem Seitenausgang des Krankenhauses drang, wirkte er massiv und seltsam bedrohlich. Dann öffnete sich mit lautem Zischen die Hecktür des Fahrzeugs, und drei Gestalten stiegen aus.
Fleming starrte sie mit großen Augen an, als sie herankamen. Pearson, der im Laufe seiner Dienstzeit Dinge gesehen hatte, die ihm sein jüngerer Kollege nicht geglaubt hätte, verstand es besser als dieser, seine Emotionen zu verbergen. Er schaffte es, sich seine Verwirrung und wachsende Unsicherheit nicht anmerken zu lassen.
Die drei Gestalten, die nun vor ihnen standen, waren von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet: Stiefel, Handschuhe, Uniformen, Koppeln und Gurtzeug im Militärstil - alles schwarz. Die einzigen Farbkleckse waren das helle Purpur der Visiere, die ihre Gesichter verdeckten und zu glatten schwarzen Helmen gehörten, wie die Polizeibeamten sie noch nie gesehen hatten. Die Neuankömmlinge ließen keinen Quadratzentimeter unbedeckter Haut sehen; sie hätten ebenso gut Roboter sein können, so anonym war ihre Erscheinung. An den Koppeln trugen sie je zwei schwarze Handfeuerwaffen in Halftern und einen langen Zylinder mit Handgriff und Abzugvorrichtung. Auch dies war offensichtlich eine Waffe, die Pearson jedoch nicht kannte.
Die größte der drei Gestalten baute sich so dicht vor Sergeant Pearson auf, dass ihr glänzendes Visier nur eine Handbreit von seiner Nase entfernt war. Als sie sprach, klang ihre Stimme männlich, aber so digitalisiert und ausdruckslos, dass Pearson aus seiner Zeit beim SO15 der Metropolitan Police wusste, dass sie mehrfach elektronisch gefiltert wurde, um eine Identifizierung durch Stimmabdruck unmöglich zu machen.
»Haben Sie eine Geheimhaltungsverpflichtung unterschrieben? «, fragte die schwarze Gestalt scharf. Die beiden Polizeibeamten waren zu eingeschüchtert, um mehr zu tun, als stumm zu nicken. »Gut. Dann haben Sie mich nie gesehen, und das hier ist nie passiert.«
»Auf wessen Befehl?«, brachte Pearson mit merklich zitternder Stimme heraus.
»Des Chefs des Generalstabs«, antwortete die Gestalt, dann brachte sie ihr Visier noch dichter an Pearsons Gesicht heran. »Und auf meinen. Verstanden?«
Pearson nickte erneut, und die Gestalt ließ ihn stehen. Sie ging an ihm vorbei und betrat mit großen Schritten das Krankenhaus. Die beiden anderen schwarzen Gestalten folgten ihr.
»Die Blutbank ist ...«, begann Constable Fleming.
»Wir kennen den Weg«, sagte die dritte Gestalt mit digital veränderter Frauenstimme.
Dann waren sie fort.
Die beiden Polizeibeamten sahen sich an. Sergeant Pearson zitterte sichtlich, und Constable Fleming wollte seinem Partner eine Hand auf die Schulter legen. Der ältere Mann winkte ab, doch er wirkte nicht verärgert; er sah nur alt und ängstlich aus.
»Wer waren die, Sarge?«, fragte Fleming mit unsicherer Stimme.
»Das weiß ich nicht, Dave«, antwortete Pearson. »Und ich will's auch nicht wissen.«
Die drei schwarzgekleideten Gestalten schritten durch die hell beleuchteten Flure des Krankenhauses.
Die große Gestalt, die mit Sergeant Pearson gesprochen hatte, ging voraus. Hinter ihr, kleiner und schlanker als der Anführer, kam die zweite Gestalt des Trios, die leichtfüßig übers Linoleum zu schweben schien. Die dritte, noch etwas kleinere Gestalt, bildete die Nachhut und bewegte ihr purpurrotes Visier langsam von links nach rechts und wieder zurück, um etwaige Angreifer oder Augenzeugen zu sichten. An der doppelten Schiebetür zum OP signalisierte der große Anführer »Halt!« und hakte sein Funksprechgerät vom Koppel. Er gab einen Code aus Ziffern und Buchstaben ein, dann stellte er eine Verbindung zum Kommunikationssystem seines Helms her. Anschließend wartete er einige Sekunden, bevor er sprach.
»Team G-17 in Position. Alpha einsatzbereit.«
»Beta einsatzbereit«, sagte die zweite Gestalt mit metallischer Frauenstimme.
»Gamma einsatzbereit«, meldete die dritte Gestalt.
Alpha wartete die Bestätigung ihrer Meldung vom anderen Ende der Leitung ab, dann hakte er das Funkgerät wieder ein.
»Also los«, sagte er, und die Gruppe drang weiter in das Krankenhaus vor.
Nur wenige Sekunden später sprach Gamma. »Von wem ist der Notruf gekommen?«
»Von der Schwester am Empfang«, antwortete Alpha. »Ein Nachtpfleger hat gesehen, wie ein Mann ein kleines Mädchen in die Blutbank geführt hat. Ein Mann mit roten Augen. Ein Junkie, wie er vermutet.«
Beta lachte. »Damit hat er wahrscheinlich recht. Aber nicht ganz so, wie er meint.«
Die drei schwarzen Gestalten stießen eine Tür mit der Aufschrift KEIN ZUTRITT FÜR UNBEFUGTE! auf und marschierten weiter.
»Fünfter Einsatz in drei Nächten«, sagte Gamma. »Will Seward uns für irgendwas bestrafen?«
»Das trifft nicht nur uns«, sagte Alpha. »Anderen geht's genauso. Alle Teams sind ständig im Einsatz.«
»Ich weiß«, antwortete Beta. »Und wir wissen, weshalb, nicht wahr? Alles wegen ...«
»Nicht«, sagte Gamma rasch. »Sprich nicht von ihm. Nicht jetzt, okay?«
Aus Betas Helm kam ein gedämpfter Laut, der ein Lachen hätte sein können, aber sie sprach nicht weiter.
»Du hast die Polizei ziemlich hart angefasst«, sagte Gamma. »Der alte Sergeant war ganz verängstigt.«
»Gut«, antwortete Alpha. »Je eifriger er so tut, als habe es diese Nacht nie gegeben, desto sicherer ist er. Schluss jetzt mit dem Gerede.«
Sie hatten die Blutbank des Krankenhauses erreicht, deren Tür offen stand. Alpha trat langsam in den dunklen Raum und betätigte den Lichtschalter neben der Tür.
Nichts geschah.
Er zog eine Stablampe aus dem Koppel und richtete ihren Strahl an die Decke. Die Glühbirne war zertrümmert, bestand nur noch aus einem gezackten Glasring und den Resten der Drahtwendel. Ein langsamer Schwenk der Lampe zeigte ein Schlachtfeld: Die Metallregale der Blutbank waren geplündert worden. Der Fußboden war mit zerfetzten Kunststoffbeuteln und Blutlachen übersät.
»Keinen Schritt näher!«
Die Stimme kam aus einer Ecke des Raums, und Alpha richtete sofort seine Stablampe auf sie. Zwei weitere Lichtstrahlen kamen hinzu, als Beta und Gamma eintraten und dem Beispiel ihres Teamführers folgten.
Die Lichtkegel beleuchteten die zitternde Gestalt eines in der Ecke des Raums kauernden Mannes in mittleren Jahren. Vor seinen Füßen lag eine Sporttasche, randvoll mit Blutbeuteln. In den Armen hielt er ein Mädchen von höchstens sechs Jahren, dessen Gesicht blankes Entsetzen widerspiegelte. Der Mann hielt einen messerscharfen Fingernagel an ihre Kehle gedrückt und starrte die drei schwarzen Gestalten panisch und verzweifelt an.
Alpha hob eine Hand, verstellte sein Visier und sah, wie der Raum sich vor seinen Augen veränderte. Der Helm enthielt einen kryogekühlten Infrarotsensor, der die Wärmesignatur aller hier sichtbaren Objekte darstellte. Die kalten Wände und der Fußboden der Blutbank leuchteten blassgrün und hellblau, während das kleine Mädchen dunkler und orangegelb gefleckt war. Der Mann leuchtete hellrot und purpurrot wie eine Wunderkerze und blendete Alpha fast.
»Keinen Schritt näher, sonst bring ich sie um«, sagte der Mann, der sich nervös an die Wand drängte. Das Mädchen wimmerte, als er ihr die Kehle fester zudrückte.
Alpha stellte sein Visier wieder normal ein.
»Keine Aufregung«, sagte er ruhig. »Lassen Sie die Kleine laufen, dann können wir miteinander reden.«
»Da gibt's nichts zu reden!«, rief der Mann und riss das Mädchen von den Beinen. Sie schrie mit vor Entsetzen geweiteten Augen auf, und Alpha trat einen halben Schritt vor.
»Lassen Sie die Kleine laufen«, wiederholte er.
»Das geht ja mal gar nicht«, sagte Beta halblaut.
Alpha sah rasch zu ihr hinüber. »Tu nichts ohne meinen Befehl «, sagte er warnend.
Beta schnaubte vor Lachen. »Bitte«, sagte sie, dann zog sie einen kurzen schwarzen Zylinder aus ihrem Koppel, zielte damit auf die Ecke und drückte einen Knopf.
Ultraviolettes Licht schoss in dickem Strahl quer durch die Blutbank. Es traf den Arm des Mannes und das Gesicht der Kleinen, die beide sofort in Flammen aufgingen. Schreie und der widerliche Gestank von brennendem Fleisch erfüllten die Luft, während Gamma hinter ihrem Visier nach Atem rang.
Das kleine Mädchen riss sich von dem Arm los, der es umklammert hatte, und schlug sich wild ins Gesicht, bis die Flammen erloschen waren. Dann fiel sie auf die Knie, riss einen der Blutbeutel auf und trank so gierig daraus, dass die scharlachrote Flüssigkeit ihr übers Kinn lief.
Der Mann beobachtete sie mit hilfloser Miene, bis er auf einmal zu merken schien, dass sein Arm brannte. Er sprang in der Ecke umher und schlug mit der gesunden Hand auf die Flammen ein. Sobald sie gelöscht waren, nahm er sich einen Blutbeutel aus dem nächsten Regal und trank ihn leer. Während das Team G-17 zusah, begannen das Gesicht des Mädchens und der Arm des Mannes vor ihren Augen zu heilen: Muskeln und Gewebe wuchsen wieder, die Haut schloss sich und wurde rosig glatt. Als die Verletzungen so vollständig geheilt waren, als hätte es sie nie gegeben - ein Vorgang, der nur wenige Sekunden dauerte -, sah die Kleine jammernd zu dem Mann auf.
»Daddy!«, rief sie, ihr Mund ein enttäuscht weit aufgerissenes Oval. »Du hast gesagt, es würde klappen! Du hast's versprochen!«
Der Mann erwiderte ihren Blick tief betrübt.
»Tut mir leid, Schätzchen«, antwortete er. »Ich dachte, es würde klappen.« Er sah zu den drei dunklen Gestalten hinüber, die sich nicht bewegt hatten. »Woher habt ihr gewusst, dass sie verwandelt ist? Das arme Ding hat eine Stunde lang in Eiswasser gesessen, weil es euren Helmen nicht heiß erscheinen sollte. Seine Zähne haben gerade erst zu klappern aufgehört.«
Beta hob eine Hand und nahm ihren Helm ab. Darunter kam ein Teenagergesicht zum Vorschein: schön, blass und schmal, von kinnlangem schwarzem Haar umrahmt. Sie lächelte strahlend, und ihre Augen leuchteten im reflektierten Licht der Stablampen rot.
»Ich kann sie riechen«, antwortete Larissa Kinley.
Das kleine Mädchen fauchte. Seine Augen füllten sich mit dem gleichen Rot wie Larissas.
»Dann ist's also wahr«, sagte ihr Vater. »Im Department 19 arbeitet eine Verräterin. Wie kannst du die eigenen Leute jagen? Besitzt du gar kein Schamgefühl?«
Larissa, deren Lächeln verblasste, trat einen halben Schritt auf ihn zu.
»Ihr seid nicht meine Leute«, sagte sie eisig. Alpha legte ihr sanft eine Hand auf den Arm, und sie trat zurück, ohne den Mann in der Ecke aus den Augen zu lassen.
Gamma nahm ihren Helm ab und schüttelte den Kopf. Kurze blonde Haare flogen um ein hübsches herzförmiges Gesicht mit leuchtend blauen Augen und einem Mund, der jetzt energisch zusammengepresst war.
»Habt ihr beiden letzten Monat das Lincoln General Hospital überfallen?«, fragte Kate Randall.
Der Mann nickte, während er weiter nervös Larissa im Auge behielt.
»Und das Nottingham Trent im Monat davor?«
Er schüttelte den Kopf.
»Belügen Sie mich?«, fragte Kate.
»Wozu sollte ich lügen?«, erwiderte der Mann. Er schien den Tränen nahe zu sein. »Ihr werdet uns ohnehin pfählen - was würden da Lügen nützen?«
»Genau«, sagte Larissa bösartig lächelnd.
Das kleine Mädchen begann zu weinen. Der Mann legte ihr beide Hände auf die Schultern und flüsterte ihr etwas zu.
Alpha sah zu Larissa hinüber, die spöttisch die Augen verdrehte. Dann griff auch er nach oben und nahm den Helm ab.
Der Junge, der darunter zum Vorschein kam, war nicht älter als sechzehn oder siebzehn Jahre, aber sein Gesicht sah älter aus; als habe er Dinge gesehen - und vermutlich auch getan -, die ihren Tribut gefordert hatten. Aus seinem Uniformkragen kroch eine gezackte rosa Narbe die rechte Halsseite hinauf und endete, bevor sie den Unterkiefer erreichte. Sein gut geschnittenes Gesicht strahlte eine Ruhe aus, wie sie zu einem älteren Mann gepasst hätte. Der Blick seiner stahlblauen Augen war durchdringend, aber er richtete ihn zärtlich auf Larissa.
»Heute Nacht wird niemand gepfählt«, sagte Jamie Carpenter. »Ihr kennt das neue Standardverfahren. Gib mir bitte zwei Sprenggürtel, Kate. Diese beiden kann Lazarus haben. Ich glaube nicht, dass sie gefährlich sind.«
Nun begann auch der Mann zu weinen.
»Wir waren hungrig«, sagte er. »Tut mir leid, dass wir ... Ich bin Patrick Connors, und dies ist meine Tochter Maggie. Wir waren nur so hungrig. Wir wollten niemandem Schwierigkeiten machen.«
»Schon gut«, antwortete Jamie. Er nahm Kate die beiden Sprenggürtel aus der Hand und warf sie Vater und Tochter zu. »Legt sie an - über die Schultern und unter den Achseln hindurch. Und zieht die Schnallen fest.«
Die Sprenggürtel waren breite Stoffgurte, die sich auf Brust und Rücken kreuzten. Wo sie sich vorn trafen, saß eine Sprengladung direkt über dem Herzen des Trägers. Patrick und Maggie legten sie an und zogen wie angewiesen die Schnallen fest. Als sie fertig waren, zog Jamie einen kurzen Zylinder mit einer kleinen Skala auf einer Seite und einem roten Abzug auf der anderen aus seinem Koppel. Er drehte die Skala zwei Stufen nach rechts, bis die roten Kontrollleuchten der Sprengladungen aufflammten.
Jamie wandte sich an sein Team.
»Larissa, du führst uns hier heraus«, sagte er. »Sir, Sie folgen ihr, dann kommt Kate, dann die Kleine, und ich folge als Letzter. Wir gehen hinaus, wie wir reingekommen sind, wir machen nirgends halt, wir sprechen mit niemandem. Oh ... und bitte normale Augen.«
Er grinste, als Larissas und Maggies Augen wieder ihre gewöhnliche Farbe annahmen. Larissa führte sie aus der Blutbank und schritt den Korridor entlang zum Ausgang und dem wartenden Van. Der Rest des Teams G-17 und seine Gefangenen folgten ihr in der von Jamie festgelegten Reihenfolge. Weniger als eine Minute später marschierten sie an Sergeant Pearson und Constable Fleming vorbei, die es vermieden, die Eindringlinge anzusehen, und schlossen die Tür des Vans hinter sich.
Die Innenausstattung des Fahrzeugs bestand aus silbernem Metall und schwarzem Kunststoff; zwischen den jeweils vier Sitzen an den beiden Seitenwänden ragten Konsolen mit einem halben Dutzend seltsam geformter Ablagefächer auf. Von der Decke ließ sich ein hochauflösender Touch-Screen herunterklappen, und der Boden vor jedem Sitz wies mehrere Schlitze auf. Jamie wies den Mann und seine Tochter an, auf den vordersten Sitzen Platz zu nehmen und sich anzuschnallen. Das taten sie schweigend, und als sie saßen, drückte Kate auf einen in die Wand eingelassenen Knopf. Eine Leiste im Boden strahlte eine Barriere aus UV-Licht senkrecht nach oben und schnitt sie jäh von den drei Teenagern in Schwarz ab, sodass Patrick und Maggie unwillkürlich aufschrien.
»Keine Sorge«, sagte Jamie. »Euch passiert nichts.«
Er machte sich daran, Waffen und Ausrüstungsgegenstände von seinem Koppel zu lösen und in der Konsole neben seinem Sitz zu verstauen. Der brandneue pneumatische Werfer T-21, die Glock 17, die Heckler & Koch MP5, die Stablampe und der kurze Strahler, den Larissa in der Blutbank eingesetzt hatte - sie alle kamen in passgenaue Fächer und wurden festgeklipst. Den Fernzünder behielt er in der Hand auf seinem Knie, als er sich setzte und die Kabine abfahrtbereit meldete. Sofort heulte der starke Motor auf, und der Wagen, der in Wirklichkeit kein Van, sondern eher eine Kombination aus einem taktischen Kommandozentrum und einem Schützenpanzer war, fuhr an, beschleunigte rasch und ließ Sergeant Pearson und Constable Fleming auf ihrem Posten frierend zurück.
»Was machen wir ...«
»Nichts«, unterbrach ihn Pearson, bevor der Jüngere den Satz beenden konnte. »Wir tun nichts, und wir sagen nichts, weil nichts passiert ist. Absolut nichts. Klar?«
»Kristallklar, Sir«, antwortete Fleming. »Ich schlage vor, wir fahren heim.«
Eine Stunde später raste der Van durch dichter werdenden Wald, steuerte einen Ort an, der offiziell nicht existierte. Die amtliche Bezeichnung lautete Geheime Militärische Anlage 303-F, aber die Männer und Frauen, die von ihrer Existenz wussten, kannten sie seit langem unter einem kürzeren, einfacheren Namen.
»Willkommen im Ring«, sagte Jamie, als der Wagen hielt. Patrick Connors und seine Tochter betrachteten ihn schweigend mit höflicher Verständnislosigkeit.
Draußen war ein leises Rumpeln zu hören: ein metallisches Geräusch wie von einem Rolltor. Dann fuhren sie wieder, krochen langsam vorwärts.
»Legen Sie den Leerlauf ein.«
Die künstliche Stimme schien von allen Seiten gleichzeitig zu kommen. Der Fahrer des Vans, den die Männer und Frauen im rückwärtigen Teil nicht sehen konnten, befolgte die Anweisung. Unter dem Wagen lief surrend ein Förderband an, das ihn weitertransportierte, bis die Computerstimme wieder sprach.
»Bitte nennen Sie die Namen und Designierungen sämtlicher Insassen.«
»Carpenter, Jamie. NS303, 67-J.«
»Kinley, Larissa, NS303, 77-J.«
»Randall, Kate, NS303, 78-J.«
Nun folgte eine lange Pause.
»In diesem Fahrzeug sind übernatürliche Lebensformen entdeckt worden«, sagte die Stimme. »Bitte nennen Sie den Freigabe-Code.«
»Lazarus 914-73«, antwortete Jamie rasch.
Wieder eine Pause.
»Freigabe erteilt«, verkündete die Stimme. »Sie dürfen weiterfahren. «
Der Van fuhr an, beschleunigte rasch. Weniger als zwei Minuten später hielt er wieder, und Jamie stand auf und öffnete die Hecktür. Kate drückte nochmals den Wandknopf, um die UV- Barriere, die Patrick und Maggie gefangen hielt, verschwinden zu lassen.
»Mitkommen«, sagte Jamie und zeigte auf die offene Tür. Der Mann führte seine Tochter langsam die Stufen hinab und in eine Welt, von der er gerüchteweise gehört, aber an die er nie recht geglaubt hatte.
Hinter dem Wagen stand ein gigantischer halbkreisförmiger Hangar unter dem Nachthimmel offen. Sein riesiger Innenraum war größtenteils leer; entlang einer Wand parkten schwarze Vans und Geländewagen, und auf dem Vorfeld bewegten sich nur eine Handvoll schwarz gekleideter Gestalten. Vor der offenen Hecktür warteten geduldig ein Mann in der gleichen schwarzen Uniform, die auch Jamie und sein Team trugen, und ein junger Asiate in einem weißen Labormantel.
Patrick sah sich um und holte fast erschrocken tief Luft. Er hatte nur einen Augenblick Zeit, um das Riesenhafte, das unglaublich Fremdartige seiner Umgebung wahrzunehmen: den hohen bogenförmigen Sicherheitszaun jenseits der Startbahn, das Labyrinth aus roten Lasern, das ultraviolette Niemandsland und die gigantische Kuppel aus holografischen Bäumen, die über ihnen am Himmel hing.
Dann spürte er eine Hand im Kreuz und wurde nach vorn geschoben, auf die wartenden Männer zu. Seine Tochter umklammerte seine Hand, und er hielt sie fest, als Jamie vortrat und den Fernzünder dem Mann in dem weißen Kittel übergab, der dankend nickte, bevor er sich an die beiden desorientierten, verängstigten Vampire wandte.
»Sir«, sagte er mit sanfter, halblauter Stimme. »Ich bin Dr. Yen. Kommen Sie bitte mit?«
Der Mann sah zu Jamie hinüber. In seinen Augen flackerte Angst.
»Das ist in Ordnung«, sagte Jamie. »Bei ihm sind Sie sicher.«
Patrick suchte Maggies Blick und stellte fest, dass sie mit entschlossener Miene zu ihm aufsah. Dabei nickte sie kaum merklich.
»Das tun wir«, antwortete er mit so fester Stimme wie möglich. »Wir kommen mit.«
Der Arzt nickte, dann wandte er sich ab und ging rasch durch den Hangar davon. Nach kurzem Zögern folgten ihm der Mann und seine Tochter durch den höhlenartigen Raum und eine breite zweiflüglige Tür.
Jamie sah ihnen nach, dann lächelte er Kate und Larissa zu. Hinter ihnen stieg ein Agent des Sicherheitsdiensts in den Van und fing an, die Waffen und Ausrüstungsgegenstände aus den Ablagefächern zu ziehen. Wie immer würden sie binnen einer Stunde gereinigt und kontrolliert in ihre Unterkunft gebracht werden. Jamie nickte dem Agenten zu, bevor er sich dem Offizier vom Dienst zuwandte, der sie erwartet hatte.
»Hübsch kalt hier draußen«, sagte er, während er die Atemwolke vor seinem Gesicht beobachtete.
»Ja, Sir. Verdammt frisch, Sir.«
»Wie geht's meiner Mutter?«
»Gut, Sir«, antwortete der junge Agent. »Hat nach Ihnen gefragt. «
Jamie nickte und ging in den Hangar davon. Er fühlte sich plötzlich erschöpft, seine kleine Unterkunft auf Ebene B schien ihn zu rufen.
»Admiral Seward möchte, dass Sie ihm Bericht erstatten, Sir«, rief ihm der Agent nach, als er gerade mal einige Schritte gemacht hatte. Das klang entschuldigend, und Jamie seufzte.
»Persönlich?«
»Persönlich, Sir.«
Jamie fluchte halblaut. »Sagen Sie ihm, dass ich in zehn Minuten komme«, wies er den Agenten an und marschierte zu einer der Türen in der Rückwand des Hangars davon. Kate und Larissa folgten ihm dichtauf.
Die drei Angehörigen des Teams G-17 sackten gegen die Wände der Kabine, als der Aufzug mit ihnen in die Tiefe sank.
Auf Ebene B wünschte Jamie den beiden Mädchen eine gute Nacht und eilte, so schnell es seine müden Beine erlaubten, zu dem Duschblock für Männer in der Mitte des Korridors. Er stand lange unter den heißen Wasserstrahlen, die hoffentlich verhindern würden, dass die Muskelschmerzen, die der aktive Dienst als Agent von Department 19 unweigerlich mit sich brachte, noch stärker zurückkehrten, als sie es gewöhnlich taten, sobald der Adrenalinschub eines Einsatzes abklang.
Schließlich drehte er widerstrebend das Wasser ab und zog ein T-Shirt und eine Kampfanzughose aus seinem Spind an. Er glaubte, sein schmales Feldbett schon unter sich zu spüren, konnte sich den Moment vorstellen, in dem sein Kopf das Kissen berühren und seine Augen sich schließen würden. Er nahm seine Uniform über den Arm, öffnete die Tür zum Korridor und blieb stehen. Draußen stand Larissa - mit roten Augen, ihr Haar feucht, ihr Körper in ein grünes Badetuch gewickelt, ein schelmisches Lächeln auf den Lippen.
»Wo ist Kate?«, fragte Jamie.
»In ihre Unterkunft gegangen«, antwortete Larissa. »Ich soll dir ausrichten, dass sie morgen pünktlich zum Dienst kommt.«
Er öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber Larissa verschloss ihn mit ihren Lippen, und Jamie stellte fest, dass er längst nicht so müde war, wie er gedacht hatte.
Übersetzung aus dem Englischen von Wulf Bergner
© 2013 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
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Bibliographische Angaben
- Autor: Will Hill
- Altersempfehlung: 14 - 17 Jahre
- 2013, 672 Seiten, Maße: 14,3 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Bergner, Wulf
- Übersetzer: Wulf Bergner
- Verlag: Ehrenwirth
- ISBN-10: 3431038786
- ISBN-13: 9783431038781
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