Du hast mich krank gemacht
Meine Mutter ließ mich leiden
Julie Gregorys Erinnerungen gehen unter die Haut. Aus den Tiefen der Hölle musste sich die couragierte junge Frau aufmachen, um die eigene Kraft und den eigenen Wert zurückzugewinnen. Denn ihre Mutter hat sie systematisch krank...
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Produktinformationen zu „Du hast mich krank gemacht “
Julie Gregorys Erinnerungen gehen unter die Haut. Aus den Tiefen der Hölle musste sich die couragierte junge Frau aufmachen, um die eigene Kraft und den eigenen Wert zurückzugewinnen. Denn ihre Mutter hat sie systematisch krank gemacht, misshandelt - nur um nach außen hin als eine aufopfernde Mutter dazustehen und die Aufmerksamkeit und Zuwendung der Ärzte zu bekommen.
''Eine Mutter misshandelt ihre Tochter - und Dutzende Mediziner helfen unfreiwillig mit.''
Stern
Lese-Probe zu „Du hast mich krank gemacht “
Du hast mich krank gemacht von Julie Gregory ... mehr
Ich war schon von klein auf häufig krank, dünn wie eine Bohnenstange und empfindlich wie ein Souffle aus dem Backofen. Ständig holte ich mir blaue Flecken und fühlte mich oft schlapp und elend. Die Kinder in der Schule fragten mich ganz ungeniert, ob ich magersüchtig sei. Aber das war ich nicht, ich war nur krank. Meine Mutter riss sich schier ein Bein aus, um herauszufinden, was mir fehlte. Dass mit meinem Herzen etwas nicht stimmte, ließ sich nicht übersehen. Irgendwie lag bei mir alles im Argen und war zu so vielen undurchdringlichen Schichten geronnen, dass es unmöglich schien, zur Wurzel des Übels vorzudringen. Es war, als wollte man einer Zwiebel die durchsichtigen Häute einzeln abziehen, und als ich alt genug war, mich an diese Aufgabe zu wagen, brachte mich jede dieser Häute zum Weinen. Ich wuchs in dem kranken Leib einer kranken Mutter heran, die sich selbst kasteite, indem sie hungerte, und auf diese Weise auch mich aushungerte. Zum Zeitpunkt meiner Geburt litt sie unter schwerer Anämie und war aufgrund einer Blutvergiftung vorübergehend erblindet - wie sie mir erklärte, war die Blutversorgung der Augen durch ihren Bluthochdruck unterbrochen gewesen. Kaum drei Pfund schwer, wurde ich vorzeitig in die Welt gestoßen, ein durchscheinend schimmerndes Frühchen, und als man mir den Klaps auf den Hintern verpasste, gab ich keinen Mucks von mir. Zunächst hielt man mich für tot. Der Arzt, der meinen bläulichen Körper an den Fersen hielt, sagte, nachdem er einen ersten Blick auf mich geworfen hatte: »Mein Gott, was für große Füße sie hat.« Dann verfrachtete man mich eilig in einen Brutkasten, wo ich wie alle Frühgeborenen den Zeitpunkt meines Eintritts in die reale Welt außerhalb der schützenden Fruchtblase erwartete. In der Folge war mein Gesundheitszustand so labil, dass man sich ständig mit meinem Befinden und der Frage, wo der Ursprung des Übels lag, beschäftigen musste. Da waren die frühen Nasen- und Halsentzündungen, ein bellender Husten, der meine zarte Erscheinung Lügen strafte, heftige und hartnäckige Migräneanfälle, geschwollene Mandeln, die, sobald ich Ahhhh sagte, nach einer Operation schrien, eine deformierte Nasenscheidewand, die mich dazu zwang, mit offenem Mund zu atmen, undefinierbare Allergien, die mir ein für alle Mal den Verzehr der vier wichtigsten Nahrungsmittelgruppen verboten. Als wir der Ursache meiner rätselhaften Krankheiten in der Kardiologie näher kamen, verschrieb sich Mom der Logistik meines in allen Einzelheiten ausgearbeiteten Behandlungsplans mit der Gewalt einer Furie. »Verdammt noch mal, Sie sehen doch, dass dieses Mädchen krank ist, oder nicht? Schauen Sie doch selbst! So wahr mir Gott helfe, wenn sie stirbt, weil Sie nicht feststellen können, was ihr fehlt, werde ich Sie auf jeden einzelnen Cent verklagen, den Sie besitzen.« Mom hatte die Augen in ihrem schmalen Gesicht zusammengekniffen, und wie immer, wenn sie wütend war, bildete sich auf ihrer Unterlippe ein weißlicher Schaum aus dickflüssigem Speichel. Ihre Stimme verfolgte jeden Arzt, der einzuwenden wagte, man habe bereits alle Untersuchungen durchgeführt, sie hallte ihm den Gang hinunter nach und zerriss die Krankenhausstille. »Das darf doch nicht wahr sein!«, zischte sie, wenn sie ins Untersuchungszimmer zurückkehrte. »Was für ein unfähiger Trottel!« »Mach dir keine Sorgen, Mom. Ist schon gut. Wir suchen uns einen anderen.« So tröstete ich sie, mit der Versicherung, dass wir nicht aufgeben würden. »Ach, ich will doch nur dein Bestes! Ich opfere mein Leben, damit wir herausfinden, was dir fehlt. Also vermassele es nicht wieder, indem du beim Hereinkommen so tust, als wäre alles normal. Zeig ihnen, wie krank du bist, und lass uns der Sache auf den Grundgehen. Ist das klar?« »Ja, alles klar.« Tag für Tag hockten wir zusammen - Mom, Dad, der kleine Danny, ich und dann später noch die Pflegekinder -, aber Dad erfuhr nie, dass man mir die Brust rasierte. Mom staffierte ihn nur dann mit ein paar »anständigen Sachen« und den sorgfältig verpackten weißen Slippers aus, wenn im Krankenhaus eine Demonstration väterlicher Fürsorge angesagt war. Ansonsten blieb er der x-ten Wiederholung von M*fl*S*H und dem Berg Nussschalen überlassen, die er mit seinen rotfleckigen Pistazienfingern auf dem Bauch angehäuft hatte. Wir wohnten damals in einem Trailer von doppelter Standardbreite, am Ende einer unbefestigten Straße im Hinterland von Ohio, einer wilden und üppig grünen Gegend des Bundesstaates. Die Cinemascope-Pracht der endlosen Kette von Bergen, die sich vor uns entfaltete, ließ einem den Atem stocken, und man meinte ständig, im Säuseln des Windes leise Banjoklänge zu hören. Meine Eltern hatten ihren schwarzen Samtdruck von Jesus dem Gekreuzigten, dem von der Dornenkrone seitlich am Kopf plastisch ausgebildetes Blut herabsickerte, aus dem fernen Arizona über sechs andere Stationen bis in dieses Tal und in die Burns Road geschleppt. Dort ließen wir uns dann nieder. Unser Wohnzimmer war mit einer urtümlichen veloursbezogenen Kopie der Sofas aus der Pionierzeit ausgestattet, und Jesus hing an einer grellorangen Samttapete, die einfach über die Holzvertäfelung geklebt worden war, sodass sich deren Fugen als hohle, dunklere Streifen abzeichneten. Klebrige Wollfäden (als hätte jemand Honig verschüttet und anschließend aufgesaugt) wallten wie Seegras ungehindert über den Boden. Unseren Hinterhof schmückten Betonminiaturen der Tiere auf dem Bauernhof, in Paaren oder Grüppchen aufgestellt - weiße Küken, kleine Kühe mit rosafarbenen Eutern, Hennen, die sich um einen Hahn scharen, ein Esel mit Sombrero -, und wenn wir zu einem meiner Arzttermine in die Stadt fuhren, hielt Mom mit Adleraugen Ausschau nach Ergänzungen für ihre Hinterhofmenagerie. Ich erinnere mich noch gut, wie Dad damals war: wie eine Seekuh, dick, weich, blank geschrubbt, als habe man ihn auf seinem Fernsehsessel durch eine Autowaschanlage gerollt. Nackte bleiche Haut von der Farbe weißen Tons spannte sich über seinen mächtigen Bauch. Nichts hören. Nichts sehen. Nichts sagen. Aus dem abgedunkelten Wohnzimmer unseres Trailers drang nichts - bis auf den gelegentlichen Ausbruch dröhnenden Gelächters über das endlose Geblödel von Hawkeye und Hunnicut.
Einmal, als ich sieben war, lag ich im Bett und war gerade am Einschlafen, als Dad rief: »Siisssy! Siissssy!« Ich dachte mir, es sei irgendetwas passiert, sprang auf und stolperte in meinem Schlafanzug mit den angenähten Füßen durch den Flur.
Genehmigte Lizenzausgabe
für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright der Originalausgabe © 2003 by Julie Gregory
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2004
by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Begisch Gladbach.
Übersetzung: Katharina Förs und Barbara Steckhan.
Einmal, als ich sieben war, lag ich im Bett und war gerade am Einschlafen, als Dad rief: »Siisssy! Siissssy!« Ich dachte mir, es sei irgendetwas passiert, sprang auf und stolperte in meinem Schlafanzug mit den angenähten Füßen durch den Flur.
Genehmigte Lizenzausgabe
für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright der Originalausgabe © 2003 by Julie Gregory
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2004
by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Begisch Gladbach.
Übersetzung: Katharina Förs und Barbara Steckhan.
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Autoren-Porträt von Julie Gregory
Julie Gregory wuchs in Ohio auf und lebt nach ihrem Studium der Psychiatrie, das sie in England absolvierte, wieder in den Vereinigten Staaten. Die lebenslange Auseinandersetzung mit dem Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom hat sie zu ihrem Beruf gemacht. Sie trägt dieses Thema durch Vorträge und Publikationen in die Öffentlichkeit und bietet als ehemalige Betroffene heute Opfern Beistand.
Bibliographische Angaben
- Autor: Julie Gregory
- 303 Seiten, mit zahlreichen Schwarz-Weiß-Abbildungen, Maße: 13 x 19,2 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828993605
- ISBN-13: 9783828993600
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