Ein Erzfeind zum Verlieben / Providence Bd.2
Roman
Der reiche und gut aussehende Whittaker Cole ist der Traum jeder Frau Englands. Nur Miss Mirabelle Brown scheint immun gegen seinen Charme zu sein. Die beiden liegen seit ihrer Kindheit im Streit, doch dann entwickelt Whit unerwartete Gefühle für die heißblütige Mirabelle.
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Produktinformationen zu „Ein Erzfeind zum Verlieben / Providence Bd.2 “
Der reiche und gut aussehende Whittaker Cole ist der Traum jeder Frau Englands. Nur Miss Mirabelle Brown scheint immun gegen seinen Charme zu sein. Die beiden liegen seit ihrer Kindheit im Streit, doch dann entwickelt Whit unerwartete Gefühle für die heißblütige Mirabelle.
Klappentext zu „Ein Erzfeind zum Verlieben / Providence Bd.2 “
Der reiche und gut aussehende Whittaker Cole, Earl of Thurston, ist der Traum jeder Frau Englands. Nur Miss Mirabelle Browning scheint seinem Charme gegenüber immun zu sein. Die beiden liegen seit ihrer Kindheit im ständigen Streit miteinander, doch dann entwickelt Whit unerwartete Gefühle für die heißblütige Mirabelle.
Lese-Probe zu „Ein Erzfeind zum Verlieben / Providence Bd.2 “
Ein Erzfeind zum Verlieben von Alissa JohnsonProlog
1796
Kein Bote ist so unwillkommen wie der Überbringer einer Todesnachricht.
William Fletcher hätte das eigentlich wissen müssen. Schließlich hatte er bislang mehr als ein Dutzend solcher Botschaften überbracht.
Doch in Haldon Hall gab man ihm nicht das Gefühl, unwillkommen zu sein. Im Gegenteil, bei seiner Ankunft teilte die Gräfin ihm mit, der Graf sei ausgegangen - was beinahe unweigerlich immer der Fall war -, bot ihm einen Stuhl an, schenkte ihm Tee mit einem großzügigen Schuss Whisky ein und wandte höflich den Kopf ab, als seine junge Stimme vor Trauer brach.
Es war nicht nur der Tod eines Mistreiters, den er heute verkündete, sondern der Tod eines Freundes.
»Wollen Sie mit dem Jungen sprechen, oder soll ich es tun?«, fragte die Gräfin, die ans Fenster getreten war.
Er wusste, was oder vielmehr wen sie beobachtete - ihren Sohn, Whittaker Cole, Erben des Grafen von Thurston. Whit stellte gerade zusammen mit Alex Durmant - dem jüngst verwaisten Herzog von Rockeforte - Zinnsoldaten auf dem Rasen auf.
»Ich würde es vorziehen ...« Er räusperte sich. »Das heißt, es wäre mir sehr lieb, wenn ich selbst mit Alex sprechen könnte, falls Sie es mir erlauben wollen.«
Über die Schulter warf sie ihm einen verärgerten Blick zu. »Sie gehören ebenso zur Familie wie ich, William.«
»Ich ... ich hätte schneller sein sollen. Ich hätte ...«
... mehr
»Papperlapapp. Dem Herzog waren die Risiken der Arbeit für das Kriegsministerium bekannt, so wie sie jedem Rockeforte bekannt waren« - sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Kinder draußen - »und bekannt sein werden. Haben Sie die Absicht, seine letzten Wünsche zu erfüllen?«
»Ja. Ich habe mein Wort gegeben.«
»Wissen Sie, es ist lächerlich, wenn ein erwachsener Mann den Ehestifter spielt.« Sie durchquerte den Raum und setzte sich neben ihn.
»Das ist mir bewusst«, brummte er. »Und ich versichere Ihnen, ihm war es ebenfalls bewusst.«
Sie verzog die Lippen zu einem zärtlichen Lächeln. »Er war ein ausgemachter Spaßvogel. Es scheint passend, dass er mit einem Scherz auf den Lippen starb. Eine Kleinigkeit hat er jedoch außer Acht gelassen.«
»Und was wäre das?« Falls seine Stimme eine gewisse Hoffnung verriet, von einem äußerst lästigen Gelübde entbunden zu werden, so war dies nicht zu ändern.
»Zwei dieser Kinder haben eine Mutter ... die selbst klare Vorstellungen hat.«
William blieb eine Antwort erspart, als die Haustür aufschwang und draußen ein Streit zu hören war.
»Du hast sie kaputt gemacht, Kobold!«
»Nun, du hättest sie eben nicht einfach so im Gras herumliegen lassen dürfen, Kretin!«
»Sie lagen nicht einfach so herum. Sie waren in Stellung gebracht! «
»In Stellung wofür?«
»Für den Angriff, du ...!«
»Whittaker Vincent!«
Bei dem überraschend lauten Ausruf der Gräfin verstummten die Stimmen, und die Schritte der Streitenden entfernten sich durch die Eingangshalle.
Sie räusperte sich geziert, hob die Tasse an die Lippen und nippte an ihrem Tee.
»Wie ich schon sagte, ich habe meine eigenen Pläne.«
Was die Ursprünge der langjährigen und erbitterten Fehde zwischen Miss Mirabelle Browning und Whittaker Cole, dem Grafen von Thurston anging, war man sich nicht ganz einig.
Die betreffende Dame war der Ansicht, der Streit habe seinen Anfang genommen, als der Gentleman - und sie verwendete diesen Ausdruck höchst allgemein - zum ersten Mal den Mund zu öffnen geruhte und sich dadurch als Esel offenbarte.
Der Gentleman - der sich nur ungern übertrumpfen ließ - hielt dagegen, die Abneigung sei schon auf den ersten Blick vorhanden gewesen, was eindeutig auf Schicksal hinweise. Und da die Vorsehung die Angelegenheit des himmlischen Vaters selbst sei, stelle jedwedes unziemliche Verhalten seiner Person Miss Browning gegenüber einen klaren Hinweis auf das Missfallen des Allmächtigen an der Dame dar, und er selbst sei lediglich ein Instrument des göttlichen Zornes.
Nach Meinung der Dame sprach diese Ansicht sehr dafür, dass der Gentleman ein Esel war.
Manche sagten, alles habe angefangen, als ein Streit der kleinen Mirabelle mit dem nur wenig älteren Whit dazu führte, dass er vor den Augen der reizenden Miss Wilheim kopfüber aus einem Ruderboot ins Wasser fiel, worauf Miss Wilheim prompt selbst ausrutschte und über Bord ging, wodurch diese kurze, aber stürmische Romanze ein abruptes Ende fand. Andere behaupteten, die ganze Angelegenheit habe begonnen, als der durchtriebene Whit Mirabelle während eines Musikabends einen großen Käfer hinten in das Kleid steckte, was dazu führte, dass das Mädchen aufsprang, schrie, wild um sich schlug und die umsitzenden Menschen ebenfalls in Gefahr brachte.
Wieder andere beteuerten, es sei ihnen wirklich gleichgültig, wann oder wie alles angefangen habe, und sie wünschten nur, es möge ein Ende nehmen. Alle waren sich jedoch einig, dass die beiden schlicht und ergreifend nicht miteinander auskamen.
Ihre Rivalität war so berüchtigt, dass ein Beobachter der beiden, die sich gerade auf dem Rasen hinter Haldon Hall, dem Sitz der Thurstons, über eine Laufmaschine hinweg zornig anstarrten, resigniert geseufzt und sich vernünftigerweise schleunigst durch einen Rückzug in Sicherheit gebracht hätte.
Zum Glück für die Gesellschaft jedoch, die gerade im Haus stattfand, standen Whit und Mirabelle allein da, jeder mit einer Hand auf der neumodischen, fahrbaren Erfindung. Und ganz wie zwei Kinder, die sich um ein Spielzeug zanken, waren beide gleichermaßen entschlossen, es für sich allein zu beanspruchen.
Als vernünftige und - unter normalen Umständen - wohlerzogene junge Dame war Mirabelle sich der Lächerlichkeit und Banalität der Situation vollkommen bewusst. Aufrichtig, wie sie war, konnte sie sich eingestehen, dass kaum etwas so gut zu ihrer gegenwärtigen Stimmung passte wie das Lächerliche und Banale.
Ein heftiger Streit war genau, was sie brauchte. Wie immer tat Whit ihr nur zu gern diesen Gefallen.
»Lass los, Kobold.«
Wie stets, wenn er sich wirklich ärgerte, biss Whit beim Sprechen die Zähne zusammen. Mirabelle wies ihn oft darauf hin, dass das daraus resultierende undeutliche Nuscheln die Wirkung merklich schmälerte. Doch im Moment fühlte sie sich eher störrisch als zum Sticheln aufgelegt.
»Dafür sehe ich keinen Grund«, gab sie zurück und reckte das Kinn.
»Den würdest du wahrscheinlich selbst dann nicht sehen, wenn er auf deiner Nasenspitze säße.« Er zog an der Maschine, was nur dazu führte, dass sie diese umso störrischer festhielt. »Du weißt nicht mal, wie man damit umgeht.«
»Und ob ich das weiß. Man setzt sich dort zwischen die beiden Räder, hält sich an den Stangen fest und stößt sich mit den Füßen ab. Ich zeige es dir ...«
»Nein. Du fährst nicht damit.«
Keine zehn Minuten zuvor hatte sie nicht einen Gedanken darauf verschwendet, das vermaledeite Ding zu fahren. Sie war nur neugierig gewesen. Aber während sie dort in der warmen Sonne gestanden und sich die Zeit damit vertrieben hatte, die Maschine bald in diese, bald in jene Richtung zu drehen, um herauszufinden, wie das alles zusammengesetzt war, war Whit um das Haus herumgekommen und hatte ihr verboten, ihr verboten, die Maschine zu besteigen.
Sie hatte ihn eingehend betrachtet, mit seinem windzerzausten hellbraunen Haar, den blitzenden eisblauen Augen und seinen aristokratischen Zügen, die sich in grimmige Falten gelegt hatten. Jeder Zoll seiner langen, hochgewachsenen Gestalt drückte Macht aus, begründet durch Reichtum, Titel und Ländereien und den schieren Zufall, als Mann geboren worden zu sein. Die gleiche Art von Macht, mit der ihr Onkel sie unter seiner Knute hielt.
Und sie beschloss, dass sie doch mit dem vermaledeiten Ding fahren würde.
»Du hast gesagt, es sei für die Gäste, Kretin«, hielt sie ihm entgegen.
»Du bist auf Haldon Hall kein Gast.«
Sie ließ los und trat zurück, völlig perplex über die sieben Wörter, die ihr mehr bedeuteten, als er ahnen konnte. »Ich ... das ist das Netteste ...«
»Du bist eine Heimsuchung«, stellte er klar und hob das Gefährt hoch. »Wie Hausschwamm.«
Sie sprang vor und packte den Sitz mit beiden Händen.
Es folgte ein kurzes Tauziehen. Whit war natürlich stärker, aber er konnte die Maschine ihrem festen Griff schwerlich entwinden, ohne sie dabei womöglich zu verletzen. Und obwohl Mirabelle ihn für einen fehlerbehafteten Menschen hielt - einen äußerst fehlerbehafteten -, wusste sie, dass er nicht das Risiko eingehen würde, einer Frau körperliches Leid zuzufügen. Dass er sich wahrscheinlich gerade über diesen speziellen Ehrenkodex ärgerte, gab ihr eine gewisse Befriedigung.
Sie hatte sich gerade damit abgefunden, dass sie ihm die Maschine nicht entreißen konnte, und erwog flüchtig, einfach so fest wie möglich daran zu ziehen und dann abrupt loszulassen, in der Hoffnung, dass er hart auf sein Hinterteil fallen würde. Doch als sich hinter Whit eine Tür öffnete und Mirabelle einen Blick auf bronzefarbene Seide und graues Haar erhaschte, entschied sie sich für etwas anderes.
Etwas Gemeines, Kindisches und entsetzlich Ungerechtes.
Etwas einfach Perfektes.
Sie ließ los, trat einen Schritt zurück und hob die Hände. »Das könnte ich unmöglich tun, Whit. Bitte, es ist bestimmt nicht sicher.«
»Was zum Teufel willst du ...?«
»Whittaker Vincent! Ermutigst du etwa gerade Mira, mit dieser schauerlichen Maschine zu fahren?«
Beim Klang der Stimme seiner Mutter, die ihn - was nie etwas Gutes verhieß - mit seinen beiden Vornamen ansprach, erbleichte und errötete Whit, kniff die Augen zusammen und
starrte Mirabelle zornig an.
»Das wirst du teuer bezahlen«, zischte er.
Durchaus wahrscheinlich, gestand sie sich ein. Aber das war es wert.
Whit drehte sich um und schenkte seiner Mutter ein Lächeln. Sie war eine kleine Frau mit ebenso blauen Augen wie ihre Kinder und dem rundlichen Gesicht, das sie von ihrem eigenen Vater geerbt hatte. Sittsam gekleidet, mit rosigen Wangen und sanfter Stimme, erinnerte sie an eine gütige Tante oder auch die jüngere Ausgabe ihrer lieben Großmama. Der Schein täuschte, was Lady Thurston schon vor langer Zeit weidlich auszunutzen gelernt hatte.
Whit schluckte. »Natürlich nicht. Ich habe ...«
»Willst du damit andeuten, ich sei alt?«, fragte Lady Thurston.
»Ich ...« Verwirrt und auf der Hut nahm Whit seine Zuflucht zu Schmeicheleien. »Du bist der Inbegriff der Jugend, Mutter. «
»Sehr hübsch ausgedrückt. Aber bist du dir sicher? Mein Gehör ist also nicht geschwächt? Meine Augen?«
Eine Pause entstand, als er die List durchschaute, und dann eine weitere, als er begriff, dass er wohl oder übel in die Falle gehen musste. Mirabelle hatte ihre liebe Not, nicht laut aufzulachen.
»Keineswegs, dessen bin ich mir sicher«, brachte er schließlich heraus.
»Ich bin erleichtert, das zu hören. Einen Moment lang dachte ich, du würdest mir womöglich sagen, ich hätte die Situation falsch eingeschätzt. Das kann nämlich vorkommen, wenn man alt wird und die Sinne stumpf werden. So etwas muss äußerst verstörend sein.«
»In der Tat«, murmelte Whit.
»Da wir dieses Missverständnis nun aufgeklärt haben, entschuldige dich bei Mira, Whit, und schaff dieses Ding fort. Ich dulde es nicht, dass sich einer meiner Gäste den Kopf aufschlägt. «
Mirabelle, die in diesem Moment mit Lady Thurston ungemein zufrieden war, steckte den Kopf hinter Whits Schulter hervor.
»Was ist, wenn Miss Willory eine Fahrt unternehmen möchte? «, erkundigte sie sich mit Unschuldsmiene.
Lady Thurston schien einen Moment lang darüber nachzusinnen. »Nein, Kopfverletzungen bluten heftig. Und meine Teppiche sind mir lieb und teuer.«
Mirabelle lachte und sah Lady Thurston nach, die in einem Wirbel bronzefarbener Röcke davonrauschte. »Ich warte, Whittaker Vincent.«
Whit fuhr zu ihr herum. »Worauf?«, blaffte er.
»Natürlich auf deine Entschuldigung.«
»Schön. Dann warte weiter.«
Sie lachte, wandte sich zum Gehen und malte sich zufrieden aus, wie er ihr zornig hinterherstarren würde, bis sie außer Sichtweite war.
Ein Ruck durchfuhr sie, als er sie am Arm packte und zu sich herumwirbelte.
»Oh, wir sind hier noch nicht ganz fertig, Kobold.«
Geh einfach. Lass es sein.
Whit wusste, dass dies das Beste war, aber obgleich die kleine Stimme der Vernunft ihn dazu drängte, verlangte die lautere und unendlich verlockendere Stimme des Stolzes nach Rache. Damit einher ging der süße und verführerische Gedanke, dass er diese Rache ebenso gut genießen könnte.
Mirabelle war an diesem Nachmittag nicht die Einzige auf Haldon Hall, die sich mit schlechter Laune herumschlug.
Whit hatte die vergangenen drei Tage auf einem seiner kleineren Güter verbracht und einen Streit geschlichtet, in dem es um zwei Pachtbauern, einen zerbrochenen Zaun, eine Milchkuh, einen unfähigen Aufseher und - wenn er sich nicht sehr täuschte - ein gewisses hübsches Schankmädchen ging, das mit dem Streit wahrscheinlich mehr zu tun hatte als der Zaun, die Kuh oder der Aufseher.
Während des ganzen Vorgangs hatte er sein Temperament gezügelt, und das hatte er erneut getan, als er in der vergangenen Nacht sehr spät nach Hause zurückgekehrt war, um zum wiederholten Male festzustellen, dass seine Schwester noch auf war und sich in ihrem Zimmer zu schaffen machte, ohne eine annehmbare Erklärung für ihr nächtliches Treiben zu liefern.
Auch hatte er eine bemerkenswerte Selbstbeherrschung an den Tag gelegt, als er früh am Morgen vom Lärm zweier Hausmädchen geweckt worden war, die sich aufgebracht wegen eines heruntergefallenen Tabletts gestritten hatten. Und als er in den Stall gegangen war, um festzustellen, dass sein Lieblingspferd lahmte. Und genauso, als seine zweite Wahl nach einem einstündigen Ritt ein Hufeisen verloren hatte, was einen langen Marsch von den Feldern zurück zu den Ställen notwendig gemacht hatte.
Er war gerade von dort zurückgekehrt, brummend, fluchend, entrüstet darüber, dass er das Mittagessen versäumt hatte, und betrachtete den Tag inzwischen durchaus nicht mehr als angenehm, als er Mirabelle aus der Ferne erblickt hatte.
Zuerst hatte er wie gewohnt reagiert - mit einem wohligen Aufwallen des Blutes, instinktiver Anspannung der Muskeln, einem langsamen und unwillkürlichen Lächeln. Ein lebhafter Streit war genau, was er brauchte.
Mirabelle war herrlich leicht zu ködern - sie ließ keine Bemerkung unerwidert und schreckte vor keiner Herausforderung zurück. Dies war wirklich die beste Eigenschaft des jungen Dings, und es gab kaum etwas, das er so genoss, wie sie zu quälen, bis sie zornig aufbrauste.
Nun gut, die Konsequenzen waren für ihn manchmal unangenehm, mitunter sogar katastrophal - man denke nur an die demütigende Episode mit seiner Mutter, die sich soeben ereignet hatte -, aber es hatte etwas ungemein Befriedigendes, zu beobachten, wie ihre Augen schmal wurden, ihr Gesicht sich rötete ... und wie aus ihrem Mund die erstaunlichsten Worte kamen. Sie erheiterte ihn immer, selbst wenn er manchmal zu zornig - oder sogar gekränkt - war, um es zu genießen.
Es glich ein wenig dem Spiel mit dem Feuer, dachte er - höchst unklug, aber unwiderstehlich.
Langsam stellte er die Laufmaschine hin. Zum Teil, um in aller Ruhe über seinen Angriffsplan nachzudenken, zum Teil, um sein Gemüt zu beruhigen, und zum Teil einfach, um sich daran zu erfreuen, wie Mirabelle sich wand. Und sie wand sich tatsächlich, drehte den Arm umsonst hin und her, in dem vergeblichen Bemühen, sich aus seinem Griff zu befreien.
»Sollen wir den ganzen Tag hier herumstehen?«, fragte sie schließlich schnaubend und gab den Kampf auf.
»Das wäre eine Möglichkeit«, sagte er. »Ich habe mich noch nicht entschieden.«
»Du wirst dich gleich ebenso langweilen wie ich.«
»Oh, das bezweifle ich. Es gibt so viel Interessantes, worüber ich nachdenken kann.«
»Ah, er bemüht sich zu denken.« Sie nickte übertrieben verständnisvoll. »Das würde die Verzögerung erklären.«
»Rache ist eine Angelegenheit von großer Bedeutung. Sie erfordert eine gewisse Überlegung.«
»Sie erfordert Intelligenz und ein Mindestmaß an Einfallsreichtum. « Sie klopfte ungeduldig mit der Fußspitze auf den Boden. »Vielleicht möchtest du dich ja setzen?«
Er lächelte träge und ließ ihren Arm los. »Nicht nötig. Ich glaube, mir ist gerade genau das Richtige eingefallen.«
Theatralisch verdrehte sie die Augen, machte aber keine Anstalten zu gehen. »Nun, was denn? Willst du mich an den Haaren ziehen? Mich vor aller Welt beleidigen? Mir ein Reptil ins Kleid stecken?«
»Dein Kleid würde dadurch nur gewinnen, aber mir schwebt etwas anderes vor.«
»Nun, heraus damit. Ich brenne darauf, deinen schlauen Plan zu hören.«
»Das denke ich nicht.« Er lächelte bedrohlich. »Du wirst einfach abwarten müssen.«
Sie kräuselte die Stirn. »Wie meinst du das, ich werde warten müssen?«
»So, wie ich es sage. Du wirst warten müssen.«
»Das ist also deine Rache?«, fragte sie und ballte die Hände auf den Hüften zu Fäusten. »Ich soll darüber grübeln, welch abscheulichen Streich du mir womöglich spielen wirst.«
»Ein willkommener Nebeneffekt.«
Nachdenklich schürzte sie die Lippen. »Keine schlechte Strategie, zumindest wenn du in der Lage wärst, mehr als zwei Gedanken gleichzeitig im Kopf zu behalten. Bis zum Abendessen wirst du es vergessen haben.«
»Woher willst du wissen, dass ich meinen gerissenen Plan nicht schon vor dem Abendessen in die Tat umsetze?«
»Ich ...« Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
»Hat es dir die Sprache verschlagen?«, fragte er. »Oder bist du vor Angst verstummt?«
Sie schnaubte geringschätzig und wirbelte auf dem Absatz herum, um zu gehen. Hinter einer Wolke brach die Sonne hervor und tauchte sie für einen kurzen Moment in ein weiches, bernsteinfarbenes Licht. Das Mädchen wirkte auf einmal leuchtender - anders. Er blinzelte verdutzt. Warum zum Teufel sollte sie anders aussehen?
»Einen Moment noch.« Wieder hielt er sie am Arm fest.
Sie seufzte, ließ sich jedoch herumdrehen. »Was ist los, Kretin, hat ein dritter Gedanke die ersten beiden so schnell vertrieben? Es überrascht mich, dass du in so kurzer Zeit so viele gehabt hast. Wenn du sie vielleicht von jemandem für dich aufschreiben ließest ...«
Er hörte nicht mehr zu, sondern sah sie an. Es war unzweifelhaft der Kobold: durchschnittliche Größe und Gestalt, dieselben braunen Haare und braunen Augen, schmale Nase, ovales Gesicht. Sie sah ziemlich unscheinbar aus, wie gewöhnlich, aber irgendetwas stimmte nicht - etwas war anders oder fehlte. Er schien nur nicht recht den Finger darauf legen zu können, was dieses Etwas war.
War es ihre Haut? War sie blasser, brauner, gelber? Wohl kaum, aber er konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen, da er in der Vergangenheit selten auf ihre Haut geachtet hatte.
»Irgendetwas ist anders an dir«, murmelte er und sprach dabei mehr mit sich selbst, doch er sah, dass sie kurz blinzelte, bevor ihre Augen vor Überraschung und Skepsis groß wurden.
Also war tatsächlich etwas anders. Was zum Teufel war es? Ihr Haaransatz war so spitz und die Wangenknochen so hoch wie eh und je. Hatte sie immer schon dieses kleine Muttermal über der Lippe gehabt? Er konnte sich nicht erinnern, bezweifelte jedoch, dass es über Nacht gekommen war. Ihr Teint war freilich ein wenig kräftiger als noch vor einer Minute, aber das war es nicht, was ihn jetzt verwirrte.
»Kobold, es ist mir völlig unerklärlich. Ich bin offenbar nicht in der Lage, ...«
Er neigte den Kopf in die andere Richtung und ignorierte ihre erzürnte Miene. Er kam einfach nicht darauf, was sich an dem Mädchen verändert hatte. Es hatte sich etwas verändert, das wusste er, und auch, dass es ihm aus irgendeinem Grund nicht gefiel. Die Veränderung bereitete ihm ein gewisses Unbehagen. Und daher schien es vollkommen natürlich, dass er sich straffte und fragte: »Warst du vielleicht krank?«
Copyright © Egmont Lyx Verlag
»Papperlapapp. Dem Herzog waren die Risiken der Arbeit für das Kriegsministerium bekannt, so wie sie jedem Rockeforte bekannt waren« - sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Kinder draußen - »und bekannt sein werden. Haben Sie die Absicht, seine letzten Wünsche zu erfüllen?«
»Ja. Ich habe mein Wort gegeben.«
»Wissen Sie, es ist lächerlich, wenn ein erwachsener Mann den Ehestifter spielt.« Sie durchquerte den Raum und setzte sich neben ihn.
»Das ist mir bewusst«, brummte er. »Und ich versichere Ihnen, ihm war es ebenfalls bewusst.«
Sie verzog die Lippen zu einem zärtlichen Lächeln. »Er war ein ausgemachter Spaßvogel. Es scheint passend, dass er mit einem Scherz auf den Lippen starb. Eine Kleinigkeit hat er jedoch außer Acht gelassen.«
»Und was wäre das?« Falls seine Stimme eine gewisse Hoffnung verriet, von einem äußerst lästigen Gelübde entbunden zu werden, so war dies nicht zu ändern.
»Zwei dieser Kinder haben eine Mutter ... die selbst klare Vorstellungen hat.«
William blieb eine Antwort erspart, als die Haustür aufschwang und draußen ein Streit zu hören war.
»Du hast sie kaputt gemacht, Kobold!«
»Nun, du hättest sie eben nicht einfach so im Gras herumliegen lassen dürfen, Kretin!«
»Sie lagen nicht einfach so herum. Sie waren in Stellung gebracht! «
»In Stellung wofür?«
»Für den Angriff, du ...!«
»Whittaker Vincent!«
Bei dem überraschend lauten Ausruf der Gräfin verstummten die Stimmen, und die Schritte der Streitenden entfernten sich durch die Eingangshalle.
Sie räusperte sich geziert, hob die Tasse an die Lippen und nippte an ihrem Tee.
»Wie ich schon sagte, ich habe meine eigenen Pläne.«
Was die Ursprünge der langjährigen und erbitterten Fehde zwischen Miss Mirabelle Browning und Whittaker Cole, dem Grafen von Thurston anging, war man sich nicht ganz einig.
Die betreffende Dame war der Ansicht, der Streit habe seinen Anfang genommen, als der Gentleman - und sie verwendete diesen Ausdruck höchst allgemein - zum ersten Mal den Mund zu öffnen geruhte und sich dadurch als Esel offenbarte.
Der Gentleman - der sich nur ungern übertrumpfen ließ - hielt dagegen, die Abneigung sei schon auf den ersten Blick vorhanden gewesen, was eindeutig auf Schicksal hinweise. Und da die Vorsehung die Angelegenheit des himmlischen Vaters selbst sei, stelle jedwedes unziemliche Verhalten seiner Person Miss Browning gegenüber einen klaren Hinweis auf das Missfallen des Allmächtigen an der Dame dar, und er selbst sei lediglich ein Instrument des göttlichen Zornes.
Nach Meinung der Dame sprach diese Ansicht sehr dafür, dass der Gentleman ein Esel war.
Manche sagten, alles habe angefangen, als ein Streit der kleinen Mirabelle mit dem nur wenig älteren Whit dazu führte, dass er vor den Augen der reizenden Miss Wilheim kopfüber aus einem Ruderboot ins Wasser fiel, worauf Miss Wilheim prompt selbst ausrutschte und über Bord ging, wodurch diese kurze, aber stürmische Romanze ein abruptes Ende fand. Andere behaupteten, die ganze Angelegenheit habe begonnen, als der durchtriebene Whit Mirabelle während eines Musikabends einen großen Käfer hinten in das Kleid steckte, was dazu führte, dass das Mädchen aufsprang, schrie, wild um sich schlug und die umsitzenden Menschen ebenfalls in Gefahr brachte.
Wieder andere beteuerten, es sei ihnen wirklich gleichgültig, wann oder wie alles angefangen habe, und sie wünschten nur, es möge ein Ende nehmen. Alle waren sich jedoch einig, dass die beiden schlicht und ergreifend nicht miteinander auskamen.
Ihre Rivalität war so berüchtigt, dass ein Beobachter der beiden, die sich gerade auf dem Rasen hinter Haldon Hall, dem Sitz der Thurstons, über eine Laufmaschine hinweg zornig anstarrten, resigniert geseufzt und sich vernünftigerweise schleunigst durch einen Rückzug in Sicherheit gebracht hätte.
Zum Glück für die Gesellschaft jedoch, die gerade im Haus stattfand, standen Whit und Mirabelle allein da, jeder mit einer Hand auf der neumodischen, fahrbaren Erfindung. Und ganz wie zwei Kinder, die sich um ein Spielzeug zanken, waren beide gleichermaßen entschlossen, es für sich allein zu beanspruchen.
Als vernünftige und - unter normalen Umständen - wohlerzogene junge Dame war Mirabelle sich der Lächerlichkeit und Banalität der Situation vollkommen bewusst. Aufrichtig, wie sie war, konnte sie sich eingestehen, dass kaum etwas so gut zu ihrer gegenwärtigen Stimmung passte wie das Lächerliche und Banale.
Ein heftiger Streit war genau, was sie brauchte. Wie immer tat Whit ihr nur zu gern diesen Gefallen.
»Lass los, Kobold.«
Wie stets, wenn er sich wirklich ärgerte, biss Whit beim Sprechen die Zähne zusammen. Mirabelle wies ihn oft darauf hin, dass das daraus resultierende undeutliche Nuscheln die Wirkung merklich schmälerte. Doch im Moment fühlte sie sich eher störrisch als zum Sticheln aufgelegt.
»Dafür sehe ich keinen Grund«, gab sie zurück und reckte das Kinn.
»Den würdest du wahrscheinlich selbst dann nicht sehen, wenn er auf deiner Nasenspitze säße.« Er zog an der Maschine, was nur dazu führte, dass sie diese umso störrischer festhielt. »Du weißt nicht mal, wie man damit umgeht.«
»Und ob ich das weiß. Man setzt sich dort zwischen die beiden Räder, hält sich an den Stangen fest und stößt sich mit den Füßen ab. Ich zeige es dir ...«
»Nein. Du fährst nicht damit.«
Keine zehn Minuten zuvor hatte sie nicht einen Gedanken darauf verschwendet, das vermaledeite Ding zu fahren. Sie war nur neugierig gewesen. Aber während sie dort in der warmen Sonne gestanden und sich die Zeit damit vertrieben hatte, die Maschine bald in diese, bald in jene Richtung zu drehen, um herauszufinden, wie das alles zusammengesetzt war, war Whit um das Haus herumgekommen und hatte ihr verboten, ihr verboten, die Maschine zu besteigen.
Sie hatte ihn eingehend betrachtet, mit seinem windzerzausten hellbraunen Haar, den blitzenden eisblauen Augen und seinen aristokratischen Zügen, die sich in grimmige Falten gelegt hatten. Jeder Zoll seiner langen, hochgewachsenen Gestalt drückte Macht aus, begründet durch Reichtum, Titel und Ländereien und den schieren Zufall, als Mann geboren worden zu sein. Die gleiche Art von Macht, mit der ihr Onkel sie unter seiner Knute hielt.
Und sie beschloss, dass sie doch mit dem vermaledeiten Ding fahren würde.
»Du hast gesagt, es sei für die Gäste, Kretin«, hielt sie ihm entgegen.
»Du bist auf Haldon Hall kein Gast.«
Sie ließ los und trat zurück, völlig perplex über die sieben Wörter, die ihr mehr bedeuteten, als er ahnen konnte. »Ich ... das ist das Netteste ...«
»Du bist eine Heimsuchung«, stellte er klar und hob das Gefährt hoch. »Wie Hausschwamm.«
Sie sprang vor und packte den Sitz mit beiden Händen.
Es folgte ein kurzes Tauziehen. Whit war natürlich stärker, aber er konnte die Maschine ihrem festen Griff schwerlich entwinden, ohne sie dabei womöglich zu verletzen. Und obwohl Mirabelle ihn für einen fehlerbehafteten Menschen hielt - einen äußerst fehlerbehafteten -, wusste sie, dass er nicht das Risiko eingehen würde, einer Frau körperliches Leid zuzufügen. Dass er sich wahrscheinlich gerade über diesen speziellen Ehrenkodex ärgerte, gab ihr eine gewisse Befriedigung.
Sie hatte sich gerade damit abgefunden, dass sie ihm die Maschine nicht entreißen konnte, und erwog flüchtig, einfach so fest wie möglich daran zu ziehen und dann abrupt loszulassen, in der Hoffnung, dass er hart auf sein Hinterteil fallen würde. Doch als sich hinter Whit eine Tür öffnete und Mirabelle einen Blick auf bronzefarbene Seide und graues Haar erhaschte, entschied sie sich für etwas anderes.
Etwas Gemeines, Kindisches und entsetzlich Ungerechtes.
Etwas einfach Perfektes.
Sie ließ los, trat einen Schritt zurück und hob die Hände. »Das könnte ich unmöglich tun, Whit. Bitte, es ist bestimmt nicht sicher.«
»Was zum Teufel willst du ...?«
»Whittaker Vincent! Ermutigst du etwa gerade Mira, mit dieser schauerlichen Maschine zu fahren?«
Beim Klang der Stimme seiner Mutter, die ihn - was nie etwas Gutes verhieß - mit seinen beiden Vornamen ansprach, erbleichte und errötete Whit, kniff die Augen zusammen und
starrte Mirabelle zornig an.
»Das wirst du teuer bezahlen«, zischte er.
Durchaus wahrscheinlich, gestand sie sich ein. Aber das war es wert.
Whit drehte sich um und schenkte seiner Mutter ein Lächeln. Sie war eine kleine Frau mit ebenso blauen Augen wie ihre Kinder und dem rundlichen Gesicht, das sie von ihrem eigenen Vater geerbt hatte. Sittsam gekleidet, mit rosigen Wangen und sanfter Stimme, erinnerte sie an eine gütige Tante oder auch die jüngere Ausgabe ihrer lieben Großmama. Der Schein täuschte, was Lady Thurston schon vor langer Zeit weidlich auszunutzen gelernt hatte.
Whit schluckte. »Natürlich nicht. Ich habe ...«
»Willst du damit andeuten, ich sei alt?«, fragte Lady Thurston.
»Ich ...« Verwirrt und auf der Hut nahm Whit seine Zuflucht zu Schmeicheleien. »Du bist der Inbegriff der Jugend, Mutter. «
»Sehr hübsch ausgedrückt. Aber bist du dir sicher? Mein Gehör ist also nicht geschwächt? Meine Augen?«
Eine Pause entstand, als er die List durchschaute, und dann eine weitere, als er begriff, dass er wohl oder übel in die Falle gehen musste. Mirabelle hatte ihre liebe Not, nicht laut aufzulachen.
»Keineswegs, dessen bin ich mir sicher«, brachte er schließlich heraus.
»Ich bin erleichtert, das zu hören. Einen Moment lang dachte ich, du würdest mir womöglich sagen, ich hätte die Situation falsch eingeschätzt. Das kann nämlich vorkommen, wenn man alt wird und die Sinne stumpf werden. So etwas muss äußerst verstörend sein.«
»In der Tat«, murmelte Whit.
»Da wir dieses Missverständnis nun aufgeklärt haben, entschuldige dich bei Mira, Whit, und schaff dieses Ding fort. Ich dulde es nicht, dass sich einer meiner Gäste den Kopf aufschlägt. «
Mirabelle, die in diesem Moment mit Lady Thurston ungemein zufrieden war, steckte den Kopf hinter Whits Schulter hervor.
»Was ist, wenn Miss Willory eine Fahrt unternehmen möchte? «, erkundigte sie sich mit Unschuldsmiene.
Lady Thurston schien einen Moment lang darüber nachzusinnen. »Nein, Kopfverletzungen bluten heftig. Und meine Teppiche sind mir lieb und teuer.«
Mirabelle lachte und sah Lady Thurston nach, die in einem Wirbel bronzefarbener Röcke davonrauschte. »Ich warte, Whittaker Vincent.«
Whit fuhr zu ihr herum. »Worauf?«, blaffte er.
»Natürlich auf deine Entschuldigung.«
»Schön. Dann warte weiter.«
Sie lachte, wandte sich zum Gehen und malte sich zufrieden aus, wie er ihr zornig hinterherstarren würde, bis sie außer Sichtweite war.
Ein Ruck durchfuhr sie, als er sie am Arm packte und zu sich herumwirbelte.
»Oh, wir sind hier noch nicht ganz fertig, Kobold.«
Geh einfach. Lass es sein.
Whit wusste, dass dies das Beste war, aber obgleich die kleine Stimme der Vernunft ihn dazu drängte, verlangte die lautere und unendlich verlockendere Stimme des Stolzes nach Rache. Damit einher ging der süße und verführerische Gedanke, dass er diese Rache ebenso gut genießen könnte.
Mirabelle war an diesem Nachmittag nicht die Einzige auf Haldon Hall, die sich mit schlechter Laune herumschlug.
Whit hatte die vergangenen drei Tage auf einem seiner kleineren Güter verbracht und einen Streit geschlichtet, in dem es um zwei Pachtbauern, einen zerbrochenen Zaun, eine Milchkuh, einen unfähigen Aufseher und - wenn er sich nicht sehr täuschte - ein gewisses hübsches Schankmädchen ging, das mit dem Streit wahrscheinlich mehr zu tun hatte als der Zaun, die Kuh oder der Aufseher.
Während des ganzen Vorgangs hatte er sein Temperament gezügelt, und das hatte er erneut getan, als er in der vergangenen Nacht sehr spät nach Hause zurückgekehrt war, um zum wiederholten Male festzustellen, dass seine Schwester noch auf war und sich in ihrem Zimmer zu schaffen machte, ohne eine annehmbare Erklärung für ihr nächtliches Treiben zu liefern.
Auch hatte er eine bemerkenswerte Selbstbeherrschung an den Tag gelegt, als er früh am Morgen vom Lärm zweier Hausmädchen geweckt worden war, die sich aufgebracht wegen eines heruntergefallenen Tabletts gestritten hatten. Und als er in den Stall gegangen war, um festzustellen, dass sein Lieblingspferd lahmte. Und genauso, als seine zweite Wahl nach einem einstündigen Ritt ein Hufeisen verloren hatte, was einen langen Marsch von den Feldern zurück zu den Ställen notwendig gemacht hatte.
Er war gerade von dort zurückgekehrt, brummend, fluchend, entrüstet darüber, dass er das Mittagessen versäumt hatte, und betrachtete den Tag inzwischen durchaus nicht mehr als angenehm, als er Mirabelle aus der Ferne erblickt hatte.
Zuerst hatte er wie gewohnt reagiert - mit einem wohligen Aufwallen des Blutes, instinktiver Anspannung der Muskeln, einem langsamen und unwillkürlichen Lächeln. Ein lebhafter Streit war genau, was er brauchte.
Mirabelle war herrlich leicht zu ködern - sie ließ keine Bemerkung unerwidert und schreckte vor keiner Herausforderung zurück. Dies war wirklich die beste Eigenschaft des jungen Dings, und es gab kaum etwas, das er so genoss, wie sie zu quälen, bis sie zornig aufbrauste.
Nun gut, die Konsequenzen waren für ihn manchmal unangenehm, mitunter sogar katastrophal - man denke nur an die demütigende Episode mit seiner Mutter, die sich soeben ereignet hatte -, aber es hatte etwas ungemein Befriedigendes, zu beobachten, wie ihre Augen schmal wurden, ihr Gesicht sich rötete ... und wie aus ihrem Mund die erstaunlichsten Worte kamen. Sie erheiterte ihn immer, selbst wenn er manchmal zu zornig - oder sogar gekränkt - war, um es zu genießen.
Es glich ein wenig dem Spiel mit dem Feuer, dachte er - höchst unklug, aber unwiderstehlich.
Langsam stellte er die Laufmaschine hin. Zum Teil, um in aller Ruhe über seinen Angriffsplan nachzudenken, zum Teil, um sein Gemüt zu beruhigen, und zum Teil einfach, um sich daran zu erfreuen, wie Mirabelle sich wand. Und sie wand sich tatsächlich, drehte den Arm umsonst hin und her, in dem vergeblichen Bemühen, sich aus seinem Griff zu befreien.
»Sollen wir den ganzen Tag hier herumstehen?«, fragte sie schließlich schnaubend und gab den Kampf auf.
»Das wäre eine Möglichkeit«, sagte er. »Ich habe mich noch nicht entschieden.«
»Du wirst dich gleich ebenso langweilen wie ich.«
»Oh, das bezweifle ich. Es gibt so viel Interessantes, worüber ich nachdenken kann.«
»Ah, er bemüht sich zu denken.« Sie nickte übertrieben verständnisvoll. »Das würde die Verzögerung erklären.«
»Rache ist eine Angelegenheit von großer Bedeutung. Sie erfordert eine gewisse Überlegung.«
»Sie erfordert Intelligenz und ein Mindestmaß an Einfallsreichtum. « Sie klopfte ungeduldig mit der Fußspitze auf den Boden. »Vielleicht möchtest du dich ja setzen?«
Er lächelte träge und ließ ihren Arm los. »Nicht nötig. Ich glaube, mir ist gerade genau das Richtige eingefallen.«
Theatralisch verdrehte sie die Augen, machte aber keine Anstalten zu gehen. »Nun, was denn? Willst du mich an den Haaren ziehen? Mich vor aller Welt beleidigen? Mir ein Reptil ins Kleid stecken?«
»Dein Kleid würde dadurch nur gewinnen, aber mir schwebt etwas anderes vor.«
»Nun, heraus damit. Ich brenne darauf, deinen schlauen Plan zu hören.«
»Das denke ich nicht.« Er lächelte bedrohlich. »Du wirst einfach abwarten müssen.«
Sie kräuselte die Stirn. »Wie meinst du das, ich werde warten müssen?«
»So, wie ich es sage. Du wirst warten müssen.«
»Das ist also deine Rache?«, fragte sie und ballte die Hände auf den Hüften zu Fäusten. »Ich soll darüber grübeln, welch abscheulichen Streich du mir womöglich spielen wirst.«
»Ein willkommener Nebeneffekt.«
Nachdenklich schürzte sie die Lippen. »Keine schlechte Strategie, zumindest wenn du in der Lage wärst, mehr als zwei Gedanken gleichzeitig im Kopf zu behalten. Bis zum Abendessen wirst du es vergessen haben.«
»Woher willst du wissen, dass ich meinen gerissenen Plan nicht schon vor dem Abendessen in die Tat umsetze?«
»Ich ...« Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
»Hat es dir die Sprache verschlagen?«, fragte er. »Oder bist du vor Angst verstummt?«
Sie schnaubte geringschätzig und wirbelte auf dem Absatz herum, um zu gehen. Hinter einer Wolke brach die Sonne hervor und tauchte sie für einen kurzen Moment in ein weiches, bernsteinfarbenes Licht. Das Mädchen wirkte auf einmal leuchtender - anders. Er blinzelte verdutzt. Warum zum Teufel sollte sie anders aussehen?
»Einen Moment noch.« Wieder hielt er sie am Arm fest.
Sie seufzte, ließ sich jedoch herumdrehen. »Was ist los, Kretin, hat ein dritter Gedanke die ersten beiden so schnell vertrieben? Es überrascht mich, dass du in so kurzer Zeit so viele gehabt hast. Wenn du sie vielleicht von jemandem für dich aufschreiben ließest ...«
Er hörte nicht mehr zu, sondern sah sie an. Es war unzweifelhaft der Kobold: durchschnittliche Größe und Gestalt, dieselben braunen Haare und braunen Augen, schmale Nase, ovales Gesicht. Sie sah ziemlich unscheinbar aus, wie gewöhnlich, aber irgendetwas stimmte nicht - etwas war anders oder fehlte. Er schien nur nicht recht den Finger darauf legen zu können, was dieses Etwas war.
War es ihre Haut? War sie blasser, brauner, gelber? Wohl kaum, aber er konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen, da er in der Vergangenheit selten auf ihre Haut geachtet hatte.
»Irgendetwas ist anders an dir«, murmelte er und sprach dabei mehr mit sich selbst, doch er sah, dass sie kurz blinzelte, bevor ihre Augen vor Überraschung und Skepsis groß wurden.
Also war tatsächlich etwas anders. Was zum Teufel war es? Ihr Haaransatz war so spitz und die Wangenknochen so hoch wie eh und je. Hatte sie immer schon dieses kleine Muttermal über der Lippe gehabt? Er konnte sich nicht erinnern, bezweifelte jedoch, dass es über Nacht gekommen war. Ihr Teint war freilich ein wenig kräftiger als noch vor einer Minute, aber das war es nicht, was ihn jetzt verwirrte.
»Kobold, es ist mir völlig unerklärlich. Ich bin offenbar nicht in der Lage, ...«
Er neigte den Kopf in die andere Richtung und ignorierte ihre erzürnte Miene. Er kam einfach nicht darauf, was sich an dem Mädchen verändert hatte. Es hatte sich etwas verändert, das wusste er, und auch, dass es ihm aus irgendeinem Grund nicht gefiel. Die Veränderung bereitete ihm ein gewisses Unbehagen. Und daher schien es vollkommen natürlich, dass er sich straffte und fragte: »Warst du vielleicht krank?«
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Autoren-Porträt von Alissa Johnson
Alissa Johnson lebt in den Ozark Mountains in der Mitte der USA. Mit ihren historischen Liebesromanen hat sie eine begeisterte Leserschaft gewonnen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Alissa Johnson
- Altersempfehlung: Ab 16 Jahre
- 2014, 1. Aufl., 384 Seiten, Maße: 12,4 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Michaela Link
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802589769
- ISBN-13: 9783802589768
- Erscheinungsdatum: 09.01.2014
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