Ein Tag wie kein anderer
Roman. Aus d. Amerikan. v. Gabriela Schönberger-Klar
Von einem Tag auf den anderen wird das Leben der Familie Shumway in seinen Grundfesten erschüttert: Ethan, der ältere Sohn, verschwindet spurlos und taucht auch nach langer Suche nicht wieder auf. Heftiger noch als seine Eltern und seine drei Schwestern...
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Produktinformationen zu „Ein Tag wie kein anderer “
Klappentext zu „Ein Tag wie kein anderer “
Von einem Tag auf den anderen wird das Leben der Familie Shumway in seinen Grundfesten erschüttert: Ethan, der ältere Sohn, verschwindet spurlos und taucht auch nach langer Suche nicht wieder auf. Heftiger noch als seine Eltern und seine drei Schwestern reagiert der 13jährige Philip auf das Verschwinden seines Bruders.Geradzu besessen sucht er nach Ethan. Wurde der bewunderte Bruder ermordet? Ist er mit einer Geliebten auf und davon? Und vor allem: Wer war er wircklich? Dieses sind die Fragen, die sich Philip unablässig stellt, während seine Familie auseinanderbricht, denn Ethans Verschwinden scheint einen Prozess in Gang gesetzt zu haben, der alle Familienmitglieder auf sich selber zurückwirft und sie für immer verändert. Schließlich lernt er, sich mit dem Unfassbaren abzufinden, doch seine verzweifelte Suche hat ihm gleichzeitig eine neue Welt eröffnet und den Weg ins Erwachsenwerden gezeigt.
Ein hochsensibler und unsentimentaler Erstling von einem vielversprechenden Autor.
Lese-Probe zu „Ein Tag wie kein anderer “
Ethan verschwindetVor vielen Jahren, am Neujahrstag, waren mein älterer Bruder Ethan und ich am Fluß Schlittschuh laufen. Den ganzen Winter über hatte es nicht geschneit, aber kurz vor Weihnachten wurden wir von einer Woche windgepeitschter Tage mit Temperaturen weit unter null Grad heimgesucht. Der Kälteeinbruch endete an einem Abend im späten Dezember und ließ einen Himmel zurück, so klar, daß die Sterne in den Spitzen der sich wie ein Netz ausbreitenden Äste des Zuckerahorns gefangen schienen. Am nächsten Morgen erwachten wir bei bleichem Sonnenlicht und windstillen sieben Grad unter dem Gefrierpunkt. Der erste Schneesturm des Jahres sollte eine Woche später über die Hilltowns fegen, aber bis dahin war es für wenige Tage möglich, meilenweit auf Schlittschuhen über den Westfield River zu gleiten.
Es war Ethans Idee gewesen, das auszuprobieren. Im Herbst zuvor hatten wir beide gebrauchte Eishockeyschuhe beim Wintersportbazar der Kriegsveteranen erstanden, der wie jedes Jahr in Dalton stattfand. Ethan war zehn und ich sieben Jahre alt. Seit Ende November waren wir mit den Schuhen auf dem Teich in unmittelbarer Nähe unseres Hauses herumgerutscht. Als Ethan von seinem Freund Charles Waltman erfuhr, daß der Westfield River fest zugefroren war, bat er Mom, uns hinüber nach Cummington zu fahren, wo der Fluß entlang der Route 9 verläuft.
Zuerst schlug sie ihm die Bitte ab, aber wir erklärten ihr, daß die Waltmans samt Eltern am Tag zuvor auf dem Fluß Schlittschuh laufen gewesen seien. Meine Mutter kannte die Waltmans und rief sie an. Mr. Waltman versicherte ihr, daß der Fluß tadellos zugefroren sei und daß seine Söhne die ganze Strecke bis zur Chesterfield Gorge und wieder zurück auf Schlittschuhen zurückgelegt hätten.
So stellte meine Mutter am Neujahrstag gegen Mittag ihren Wagen auf dem Parkplatz der Old Creamery Grocery ab. Bei laufender Heizung zurrten wir die Schnürsenkel unserer Schlittschuhe fest, und dann begleitete Mutter uns beide über die Route 9.
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Wir staksten zum Fluß hinunter, entfernten den Kufenschutz aus dickem Gummi und traten hinaus auf das Eis. Mom überzeugte sich persönlich, daß das Eis sicher war, und meinte, daß sie in der Imbißstube warten würde, die offen hatte. Ethan und ich fuhren in westlicher Richtung auf dem zugefrorenen Fluß los. Es gab einige Felsbrocken, denen man ausweichen mußte, und den einen oder anderen Baumstamm, über den man zu springen hatte, aber die meiste Zeit über glitten wir in entrückter, schwereloser Magie dahin.
Es dauerte fast eine Stunde, bis wir die Ortschaft West Cummington erreichten, wo wir, wie wir versprochen hatten, umkehren wollten. Mittlerweile schlotterte ich vor Kälte und hatte kein Gefühl mehr in den Zehen. Da ich ebenso wie mein Bruder wußte, was wir verabredet hatten, wartete ich sehnsüchtig darauf, daß er endlich stehenbleiben würde. Doch er fuhr immer weiter, an der Ortschaft vorbei, und blieb erst an der Stelle stehen, an welcher der Fluß einen Bogen nach Norden schlägt und auf Windsor Jambs zuläuft.
Da meinte er: "Was wäre, wenn wir mit unseren Schlittschuhen hinauf bis zum Polarkreis laufen könnten? Wäre das nicht Wahnsinn?" Ich erwiderte: "Wir würden an Frostbeulen eingehen."
Ethan entgegnete: "Eher schon an Unterkühlung."
Ich sagte: "Vielleicht werden wir aber auch von einem Eisbären gefressen."
Er sagte: "Oder vielleicht fahren wir immer weiter hinauf bis zum Nordpol und auf der anderen Seite wieder hinunter bis zum Himalaja. Und dort verschlingt uns beide dann ein Yeti zum Frühstück."
Ich weiß nicht, weshalb diese Unterhaltung mich so elektrisierte. Sie ging mir nicht mehr aus dem Kopf, als wir auf schnellstem Weg zur Old Creamery Grocery zurückliefen. Noch Wochen danach hatte ich sie ständig im Ohr. Den ganzen langen Winter über bekam ich dann auch von meinem Bruder immer wieder mal zu hören: "He, was meinst du, wo wir jetzt wären, wenn wir weitergelaufen wären?"
Dann nannte ich den Namen irgendeines Ortes in Kanada. Oder ich sagte: "Wir würden im Himalaja herumirren." Daraufhin wollte Ethan meistens von mir wissen, was meiner Ansicht nach als nächstes passieren würde. Worauf ich brüllend zur Antwort gab: "Ein Rudel arktischer Wölfe wird jedem den Kopf abreißen!" Ich begriff nie, wo der Witz an der Sache lag. Wahrscheinlich gefiel es uns beiden einfach, uns alle möglichen Arten auszumalen, wie wir getötet werden könnten. Und dabei war es völlig unwichtig, wie grausam die Todesarten waren, die wir uns ausdachten, da keiner von uns auch nur die geringsten Absichten hatte, auf Schlittschuhen ins Nichts hinüberzugleiten.
Als ich dreizehn Jahre alt war, verschwand Ethan. Es war ein Samstag Ende Mai, der erste heiße Tag, den wir in diesem Frühjahr erleben durften. Ethan steckte seinen Kopf in mein Zimmer und fragte: "He, wie wär's mit Baker's Bottom?"
Ich fing an, im Schrank nach meinen Teichschuhen zu suchen. Der Teich hatte angesichts des teigähnlichen Schlammes auf seinem Grund den Namen Baker's Bottom nicht zu Unrecht erhalten. Der Schlamm war schleimig und voller Blutegel, die sich mit Vorliebe zwischen unsere Zehen bohrten. Unter einem Haufen anderer Schuhe zerrte ich ein Paar abgetragene, knöchelhohe Turnschuhe hervor. Ich zog sie gerade an, als Amy, die älteste meiner drei Schwestern, ins Zimmer kam.
Sie sagte: "Ich dachte, ich sollte dich in deinen Vogelkurs fahren."
Ich warf Ethan einen Blick zu und meinte: "Das habe ich völlig vergessen."
Damals drehte sich in meinem Leben alles um Vögel. Ich führte eine Liste mit allen Vögeln, die ich jemals gesehen hatte, und war bereits bei einhundertsechsunddreißig verschiedenen Spezies angelangt. "Vielleicht morgen?" fügte ich hoffnungsvoll hinzu.
"Das möchte ich bezweifeln." Ethan drehte sich zu Amy um und meinte: "He, du hast einen Blick drauf, als wolltest du gleich jemanden umbringen."
"Das werde ich auch", entgegnete Amy. "Aber zuerst muß ich Philip in seinen Vogelkurs fahren."
Ethan trat auf sie zu und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie lächelte, und Ethan verschwand die Treppe hinunter.
Wir hörten, wie die Fliegengittertür hinter ihm ins Schloß fiel. Das Geräusch erschreckte unsere schwarze Katze Meany, die auf meinem Schreibtisch geschlafen hatte. Die Katze fuhr hoch, ehe sie sich wieder niederließ und anfing, mit ihrer rauhen Schmirgelpapierzunge ihre Schulter zu lecken. Als ich durch das Fenster meines Zimmers blickte, sah ich meinen Bruder gerade auf die Biegung in der gekiesten Auffahrt zugehen.
Ich drehte mich zu Amy um, die eine Zigarette aus ihrer Tasche genommen hatte. Sie hielt sie unangezündet zwischen den Fingern, ihre Art, mir zu zeigen, daß sie nicht mehr länger warten, sondern augenblicklich gehen wollte.
"Heute sind die Teichrohrsänger dran", sagte ich. "Die sind schwer zu erkennen." Sie sagte: "Wie aufregend."
"Ich ziehe mir nur schnell meine anderen Turnschuhe an." "Das sehe ich", erwiderte Amy.
Ich warf meine Teichschuhe nach hinten in den Schrank und schlüpfte wieder in meine Laufschuhe. Als ich mich aufrichtete, warf ich abermals einen Blick aus dem Fenster. Mein Bruder war verschwunden, und ich meine damit nicht, daß er außer Sichtweite und auf dem Weg zum Teich war. Ethan war die Auffahrt hinuntergegangen, die Maisonne im Rücken, die sein gelbes T-Shirt aufleuchten ließ. Dann war er weg.
Am nächsten Morgen war uns klar, daß Ethan verschwunden war. Innerhalb eines Tages schien jeder in den Hilltowns die Geschichte zu kennen.
Oder besser gesagt, zu wissen, daß es keine Geschichte gab, denn das war das Problem. Da war keine Geschichte, die man hätte erzählen können, nur ein beunruhigendes schwarzes Loch. Zunächst bemühten wir uns noch, ruhig zu bleiben und logisch vorzugehen. Meine Schwester Halley und ich Mit freundlicher Genehmigung von
Droemer Verlag
Es dauerte fast eine Stunde, bis wir die Ortschaft West Cummington erreichten, wo wir, wie wir versprochen hatten, umkehren wollten. Mittlerweile schlotterte ich vor Kälte und hatte kein Gefühl mehr in den Zehen. Da ich ebenso wie mein Bruder wußte, was wir verabredet hatten, wartete ich sehnsüchtig darauf, daß er endlich stehenbleiben würde. Doch er fuhr immer weiter, an der Ortschaft vorbei, und blieb erst an der Stelle stehen, an welcher der Fluß einen Bogen nach Norden schlägt und auf Windsor Jambs zuläuft.
Da meinte er: "Was wäre, wenn wir mit unseren Schlittschuhen hinauf bis zum Polarkreis laufen könnten? Wäre das nicht Wahnsinn?" Ich erwiderte: "Wir würden an Frostbeulen eingehen."
Ethan entgegnete: "Eher schon an Unterkühlung."
Ich sagte: "Vielleicht werden wir aber auch von einem Eisbären gefressen."
Er sagte: "Oder vielleicht fahren wir immer weiter hinauf bis zum Nordpol und auf der anderen Seite wieder hinunter bis zum Himalaja. Und dort verschlingt uns beide dann ein Yeti zum Frühstück."
Ich weiß nicht, weshalb diese Unterhaltung mich so elektrisierte. Sie ging mir nicht mehr aus dem Kopf, als wir auf schnellstem Weg zur Old Creamery Grocery zurückliefen. Noch Wochen danach hatte ich sie ständig im Ohr. Den ganzen langen Winter über bekam ich dann auch von meinem Bruder immer wieder mal zu hören: "He, was meinst du, wo wir jetzt wären, wenn wir weitergelaufen wären?"
Dann nannte ich den Namen irgendeines Ortes in Kanada. Oder ich sagte: "Wir würden im Himalaja herumirren." Daraufhin wollte Ethan meistens von mir wissen, was meiner Ansicht nach als nächstes passieren würde. Worauf ich brüllend zur Antwort gab: "Ein Rudel arktischer Wölfe wird jedem den Kopf abreißen!" Ich begriff nie, wo der Witz an der Sache lag. Wahrscheinlich gefiel es uns beiden einfach, uns alle möglichen Arten auszumalen, wie wir getötet werden könnten. Und dabei war es völlig unwichtig, wie grausam die Todesarten waren, die wir uns ausdachten, da keiner von uns auch nur die geringsten Absichten hatte, auf Schlittschuhen ins Nichts hinüberzugleiten.
Als ich dreizehn Jahre alt war, verschwand Ethan. Es war ein Samstag Ende Mai, der erste heiße Tag, den wir in diesem Frühjahr erleben durften. Ethan steckte seinen Kopf in mein Zimmer und fragte: "He, wie wär's mit Baker's Bottom?"
Ich fing an, im Schrank nach meinen Teichschuhen zu suchen. Der Teich hatte angesichts des teigähnlichen Schlammes auf seinem Grund den Namen Baker's Bottom nicht zu Unrecht erhalten. Der Schlamm war schleimig und voller Blutegel, die sich mit Vorliebe zwischen unsere Zehen bohrten. Unter einem Haufen anderer Schuhe zerrte ich ein Paar abgetragene, knöchelhohe Turnschuhe hervor. Ich zog sie gerade an, als Amy, die älteste meiner drei Schwestern, ins Zimmer kam.
Sie sagte: "Ich dachte, ich sollte dich in deinen Vogelkurs fahren."
Ich warf Ethan einen Blick zu und meinte: "Das habe ich völlig vergessen."
Damals drehte sich in meinem Leben alles um Vögel. Ich führte eine Liste mit allen Vögeln, die ich jemals gesehen hatte, und war bereits bei einhundertsechsunddreißig verschiedenen Spezies angelangt. "Vielleicht morgen?" fügte ich hoffnungsvoll hinzu.
"Das möchte ich bezweifeln." Ethan drehte sich zu Amy um und meinte: "He, du hast einen Blick drauf, als wolltest du gleich jemanden umbringen."
"Das werde ich auch", entgegnete Amy. "Aber zuerst muß ich Philip in seinen Vogelkurs fahren."
Ethan trat auf sie zu und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie lächelte, und Ethan verschwand die Treppe hinunter.
Wir hörten, wie die Fliegengittertür hinter ihm ins Schloß fiel. Das Geräusch erschreckte unsere schwarze Katze Meany, die auf meinem Schreibtisch geschlafen hatte. Die Katze fuhr hoch, ehe sie sich wieder niederließ und anfing, mit ihrer rauhen Schmirgelpapierzunge ihre Schulter zu lecken. Als ich durch das Fenster meines Zimmers blickte, sah ich meinen Bruder gerade auf die Biegung in der gekiesten Auffahrt zugehen.
Ich drehte mich zu Amy um, die eine Zigarette aus ihrer Tasche genommen hatte. Sie hielt sie unangezündet zwischen den Fingern, ihre Art, mir zu zeigen, daß sie nicht mehr länger warten, sondern augenblicklich gehen wollte.
"Heute sind die Teichrohrsänger dran", sagte ich. "Die sind schwer zu erkennen." Sie sagte: "Wie aufregend."
"Ich ziehe mir nur schnell meine anderen Turnschuhe an." "Das sehe ich", erwiderte Amy.
Ich warf meine Teichschuhe nach hinten in den Schrank und schlüpfte wieder in meine Laufschuhe. Als ich mich aufrichtete, warf ich abermals einen Blick aus dem Fenster. Mein Bruder war verschwunden, und ich meine damit nicht, daß er außer Sichtweite und auf dem Weg zum Teich war. Ethan war die Auffahrt hinuntergegangen, die Maisonne im Rücken, die sein gelbes T-Shirt aufleuchten ließ. Dann war er weg.
Am nächsten Morgen war uns klar, daß Ethan verschwunden war. Innerhalb eines Tages schien jeder in den Hilltowns die Geschichte zu kennen.
Oder besser gesagt, zu wissen, daß es keine Geschichte gab, denn das war das Problem. Da war keine Geschichte, die man hätte erzählen können, nur ein beunruhigendes schwarzes Loch. Zunächst bemühten wir uns noch, ruhig zu bleiben und logisch vorzugehen. Meine Schwester Halley und ich Mit freundlicher Genehmigung von
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Bibliographische Angaben
- Autor: Frederick Reiken
- 1999, 253 Seiten, Maße: 20 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: DROEMER KNAUR
- ISBN-10: 3426194759
- ISBN-13: 9783426194751
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