Erlebnis Essen
Da läuft einem das Wasser im Mund zusammen: Brot, das »trocken« schon ein Genuss ist, Handkäse, der zart-würzig auf der Zunge zergeht, Tomaten, von aromatisch süß bis fein-säuerlich, würzig-deftiger Schinken, der langsam im Rauch reifen durfte. Doch wo...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Erlebnis Essen “
Da läuft einem das Wasser im Mund zusammen: Brot, das »trocken« schon ein Genuss ist, Handkäse, der zart-würzig auf der Zunge zergeht, Tomaten, von aromatisch süß bis fein-säuerlich, würzig-deftiger Schinken, der langsam im Rauch reifen durfte. Doch wo treffe ich noch auf solche Geschmackserlebnisse im überbordenden Angebot von immer gleich schmeckenden Lebensmitteln? Ursula Heinzelmann hat die Nahrungsmittel, die in unserer kulinarische Landschaft wachsen, (wieder-)entdeckt und die portraitiert, die sie erzeugen. Produzenten des Genusses und der Qualität. Mit praxisbezogener Warenkunde, ausführlichem Adressenteil und originellen Rezeptideen. Diese Buch gibt Ihnen den Genuss am Essen zurück.
Klappentext zu „Erlebnis Essen “
Das kulinarische Angebot scheint üppig wie nie in deutschen Landen. Doch beschleicht uns angesichts der Industrialisierung und extremen Verbilligung unserer Lebensmittel immer mehr eine innere Beunruhigung und Unzufriedenheit. Zu lang sind die Nahrungsmittelketten geworden, der Mensch am anderen Ende zu oft gar nicht mehr erkennbar und dementsprechend leblos das Produkt vor uns im Regal. Resignation macht sich breit:"Gibt es denn überhaupt noch Erdbeeren, die nach etwas schmecken?"Die gibt es durchaus, sie wollen nur aufgespürt werden. Dazu ist kulinarisches Grundwissen gefragt. Wann ist überhaupt Erdbeerzeit in unseren Breitengraden? Kann eine Erdbeere, die Tausende von Kilometern hinter sich hat, überhaupt schmecken? Ist die Erwartung, sie hielte sich in ihrem Supermarkt-Plastikschälchen eine Woche lang im Kühlschrank, realistisch?Ursula Heinzelmann schenkt uns das Erlebnis Essen zurück: mit Ausblicken auf die Geschichte von sauren Gurken, Teltower Rübchen und Harzer Käse - weil ohne Vergangenheit keine Zukunft möglich ist und Deutschland nicht am Mittelmeer liegt. Mit praxisbezogener Warenkunde zu Tomaten, Äpfeln und Kirschen - weil Tomaten nicht immer schnittfest und Äpfel nicht immer einer wie der andere glänzen müssen, um"gut"zu sein. Mit Portraits und Schwarzweiß-Fotos einzelner Produzenten - weil ein guter Schinken nicht aus der Fabrik kommt, sondern von einem Menschen zugeschnitten, eingesalzen und geräuchert oder getrocknet wird. Mit erprobten Rezepten verschiedenster Stilrichtungen - weil Sauerkraut nicht nur zum Eisbein passt, sondern auch mit Koriander großartig schmeckt.
Lese-Probe zu „Erlebnis Essen “
Erdbeer-Erlebnis in EchtzeitEin wunderbarer Duft steigt mir in die Nase, intensiv fruchtig und doch nicht aufdringlich. Gleichzeitig leuchtet mir dichtes, gesättigtes Karmin-Rot entgegen, von kleinen gelben Pünktchen noch betont. Schließlich greife ich zu: voller Saft zergehen mir diese Früchte förmlich im Mund und sind doch alles andere als matschig. Sie schmecken so köstlich, dass mir jede Beschreibung mit Worten unzureichend erscheint und ich nur vor Wonne wohlig seufzen kann ...
Es ist Mitte Juni, vor mir auf dem Küchentisch stehen acht Körbchen mit verschiedenen Sorten Erdbeeren. Thuriga, Honeoye, Garriguette, Vina Zanta - alle sind sie wunderbar, aber die Mara des Bois schlichtweg überwältigend! Die mittelgroßen Früchte erinnern im Aroma an Walderdbeeren, wirken dabei aber saftiger, lebhafter. Erdbeerhimmel im Hier und Jetzt - ich kann gar nicht mehr aufhören und muss mich zwingen, meinem Mann zumindest ein paar Anstandsfrüchte übrig zu lassen.
Ein Freund hat mir diese Erdbeerwonnen heute früh vorbeigebracht. Er war aber keineswegs in einem exklusiven Feinkostgeschäft in München oder Paris, wie nun vielleicht manche vermuten würden, sondern auf einem Obsthof bei Frankfurt. Tatjana und Andreas Schneider sind wahre Obst-Enthusiasten, immer auf der Suche nach noch aromatischeren Sorten, die sich aber gleichzeitig auch wirtschaftlich bewähren müssen. Was ich bei ihnen in Niedererlenbach an Obst erlebt habe - sie bauen nicht nur Erdbeeren, sondern auch Kirschen, Johannisbeeren, Äpfel, Birnen und Quitten an - das ist für mich das Gegenteil der »Virtual Reality«, mit der ich nur allzu häufig in den Regalen konfrontiert bin. Optisch große Vielfalt aus aller Herren Länder, doch Geschmack? Aroma? Leider Fehlanzeige.
Manche meinen, es sei snobistisch und erfordere zuviel Zeit und Geld, von dem, was wir essen, mehr zu erwarten, als was uns in den großen Lebensmittelketten aus den Hallen riesiger Industriekonzerne angeboten wird. Dem muss ich entschieden
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widersprechen. Einerseits empfinde ich einkaufen, kochen, essen nicht als Notwendigkeit, sondern auch Erlebnis und kreative Freizeitgestaltung. Andererseits erscheint es mir weder nostalgisch noch elitär, etwa nach »richtigen« Erdbeeren zu suchen. Erdbeeren, die nach Erdbeeren duften und wie Erdbeeren schmecken, findet man ab Mitte Mai auf Höfen wie dem der Schneiders, auf dem Wochenmarkt oder an einem Stand am Straßenrand, man muss nur Augen, Nase und Ohren aufsperren.
Natürlich gibt es auch ein Öko-Argument, Erdbeeren aus der Umgebung zu kaufen: sind sie zum Beispiel aus Israel eingeflogen worden, haben sie 3100 Kilometer hinter sich und damit laut aid, dem Infodienst für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, 1,3 l Kerosin pro Kilogramm verbrannt - was finanziell nur möglich ist, weil Fluggesellschaften keine Mineralölsteuer zahlen und nicht für Umweltschäden aufkommen müssen. Dass Duft, Aroma, Geschmack der roten Früchte bei weiten Transportwegen zwangsläufig buchstäblich auf der Strecke bleiben, ist aber ein viel näherliegender Grund.
Zugegeben, gegenwärtig ist Echtzeit beim Essen - weder aufs Optische begrenzt, noch künstlich übersteigert - in Deutschland ein eher zartes Pflänzchen. Durch die Technisierung und Globalisierung der letzten Jahrzehnte ist die Erde, in der es wächst, für die meisten von uns ein weit entfernter, unbekannter Ort. Doch nur allzu oft liegt er gleich vor unserer Haustür, und je mehr von uns danach in ihrer unmittelbaren, näheren und nahen Umgebung mit der gleichen Begeisterung zu suchen, mit der sie Olivenöl aus Italien oder Spanien »entdecken«, desto schneller wird das Pflänzchen zur prächtigen Pflanze heranwachsen.
Die Menschen, die sich seiner annehmen, indem sie Erdbeerfelder pflegen, Schweine züchten oder Käse machen - ob sie sich dabei Ökos, Handwerker oder Traumtänzer nennen, finde ich übrigens vollkommen nebensächlich - sind keine heldenhaften Übermenschen. Sie sind so, wie sie Dieter Karadžic auf seinen Bildern zeigt: eigentlich »ganz normal«. Aber sie machen das, womit sie sich beschäftigen, mit großer Sorgfalt, Hingabe, Begeisterung. So entsteht zusammen mit den Spuren menschlicher Hände und Gedanken Vielfalt und Charakter.
Ich habe sie besucht, meist mit der Bahn, dem Fahrrad oder zu Fuß, weil ich die Umgebung, in der jemand einen Schinken räuchert, Butter macht oder Apfelsaft keltert, ebenso interessant und wichtig finde wie den Menschen selbst und den Gegenstand seiner Bemühungen. Betrachte ich die kulinarische Landkarte, die ich in diesem Buch ausbreite, dann fällt natürlich ins Auge, dass sich so manches davon in und um Berlin gruppiert, wo ich lebe. Das hat nichts mit der egozentrischen Eitelkeit der Hauptstädterin zu tun, sondern zeigt vielmehr, wie sich jeder sein eigenes kulinarisches Netzwerk aufbauen kann.
»Meine« Adressen sind alles andere als Diktat mit Ausschließlichkeitsanspruch, sondern ganz das Gegenteil: sie sind Beispiele und sollen dazu anregen, nach entsprechenden Menschen und Produkten in der eigenen Nachbarschaft zu suchen - es gibt sie! Nur selten sind komplizierte Reisepläne nötig, um seinen täglichen Einkauf zu tätigen. Fängt man erst einmal an, nach duftenden Erdbeeren, kräftigem Brot und frischgestochenem Spargel zu suchen, werden sich bald Wege und Möglichkeiten ergeben, wird man die Menschen dahinter kennen lernen, statt anonyme Ware aus dem Regal zu kaufen.
Wenn ich mich an den frischen Früchten der Erdbeerwonne auf meinem Küchentisch sattgegessen habe, überlege ich, was ich damit noch anstellen könnte. Vielleicht zuerst heute Mittag mit Akazienhonig zu frischen kleinen Ziegenkäsen. Oder heute Abend auf dem Balkon als Bowle, aber in moderner Form: mit ein paar Tropfen Erdbeerlikör und gutem Rosé-Sekt. Und dann als Dessert mit Minze in Riesling-Gelée, zu einem fruchtigen Moselriesling ...
Auch wenn ich in einem meiner früheren Leben Köchin gelernt habe, sind die Rezepte in diesem Buch nicht in einer chromglänzenden Perfekt-Küche mit Hilfe einer ganzen Brigade entstanden. Ganz im Gegenteil, zu meiner vollkommen normalen Haushaltsküche am Hackeschen Markt gehört nicht einmal eine Geschirrspülmaschine. Wir, das ist außer mir mein Mann. Er stammt aus London, schreibt seit Jahrzehnten über Wein und muss als mein Kaninchen herhalten, wenn die »Versuchsküche« auf Hochtouren läuft. Manchmal revoltiert er ein bisschen, wenn es zum Beispiel drei Tage Rhabarber in x Variationen gibt oder 20 Sorten Butter verkostet werden wollen. Aber jedes Rezept in diesem Buch ist gekocht, gegessen und an unserem Esstisch für gut befunden worden.
Allerdings ist Kochen keine exakte Wissenschaft, und letztendlich ist ein Rezept nur eine ungefähre Anleitung, die sowohl von der Tagesform der Zutaten im Kochtopf als auch der Person, die davorsteht, in ihrem Ausgang entscheidend beeinflusst wird. Je mehr man im Zweifelsfall nach eigenem Gutdünken verfährt und je weniger Angst man dabei hat, desto stimmiger und »echter« wird das Ergebnis ausfallen. In einem Punkt reagiere ich jedoch allergisch: nämlich auf die Einstellung »zum Kochen tuts das schon« - das ist am falschen Ende gespart. Kochen und backen sind keine magischen Verwandlungen, bei denen aus minderwertigen Zutaten großartige Ergebnisse werden.
Mein Mann ist nicht der einzige, der sich im Umfeld unserer Küche mit Wein beschäftigt. In einem anderen früheren Leben war ich Weinkellnerin, restaurantdeutsch: Sommelière, und habe mit dem Studium dieser Materie unter anderem ein ausgesprochen vergnügliches, spannendes Jahr in Heidelberg auf der Hotelfachschule zugebracht. Wein und Essen sind für mich eine natürliche Einheit, so dass mir zu vielen Rezepten ganz spontan ein bestimmter Tropfen einfällt - was nicht heißen soll, dass es nicht viele andere Möglichkeiten gäbe.
Beim Wein ist der Bezug zwischen Endprodukt und Mensch den meisten von uns viel bewusster als bei den »festen« Nahrungsmitteln, und mit der Echtzeit sieht es hier schon deutlich besser aus. Aus den Trauben, die in deutschen Weinbergen wachsen, entstehen seit Ende der 1980er Jahre durch die Arbeit engagierter Winzer wieder tolle Weine. Das ist allerdings kein Grund, nur deutsche Weine zu trinken, solch ein übertriebener Patriotismus wäre verbohrt und engstirnig. Bei uns kommt alles in Glas, was gut ist und Charakter hat: Riesling von der Mosel genauso wie portugiesischer Rotwein aus dem Douro-Tal, Gewürztraminer aus Südtirol, Falerner aus Kampanien in Italien oder Pinot Noir vom Russian River Valley in Kalifornien.
Genauso haben in meiner Küche auch Koriander und Chili, Parmesan und Olivenöl ihren Platz. Ich empfinde sie nicht als Störfaktor irgendwelcher kulinarischen Traditionen, sondern als Bereicherung. Tradition ist nichts fest in Stein gemeißeltes, sondern entsteht ständig neu aus Innovationen, die sich im Alltag bewährt haben. Tomaten und Rhabarber, die uns heute so selbstverständlich erscheinen, waren einst solche Neuankömmlinge, und das vor gar nicht so langer Zeit. Doch davon später mehr - jetzt muss ich mich den Erdbeeren auf meinem Küchentisch widmen.
Natürlich gibt es auch ein Öko-Argument, Erdbeeren aus der Umgebung zu kaufen: sind sie zum Beispiel aus Israel eingeflogen worden, haben sie 3100 Kilometer hinter sich und damit laut aid, dem Infodienst für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, 1,3 l Kerosin pro Kilogramm verbrannt - was finanziell nur möglich ist, weil Fluggesellschaften keine Mineralölsteuer zahlen und nicht für Umweltschäden aufkommen müssen. Dass Duft, Aroma, Geschmack der roten Früchte bei weiten Transportwegen zwangsläufig buchstäblich auf der Strecke bleiben, ist aber ein viel näherliegender Grund.
Zugegeben, gegenwärtig ist Echtzeit beim Essen - weder aufs Optische begrenzt, noch künstlich übersteigert - in Deutschland ein eher zartes Pflänzchen. Durch die Technisierung und Globalisierung der letzten Jahrzehnte ist die Erde, in der es wächst, für die meisten von uns ein weit entfernter, unbekannter Ort. Doch nur allzu oft liegt er gleich vor unserer Haustür, und je mehr von uns danach in ihrer unmittelbaren, näheren und nahen Umgebung mit der gleichen Begeisterung zu suchen, mit der sie Olivenöl aus Italien oder Spanien »entdecken«, desto schneller wird das Pflänzchen zur prächtigen Pflanze heranwachsen.
Die Menschen, die sich seiner annehmen, indem sie Erdbeerfelder pflegen, Schweine züchten oder Käse machen - ob sie sich dabei Ökos, Handwerker oder Traumtänzer nennen, finde ich übrigens vollkommen nebensächlich - sind keine heldenhaften Übermenschen. Sie sind so, wie sie Dieter Karadžic auf seinen Bildern zeigt: eigentlich »ganz normal«. Aber sie machen das, womit sie sich beschäftigen, mit großer Sorgfalt, Hingabe, Begeisterung. So entsteht zusammen mit den Spuren menschlicher Hände und Gedanken Vielfalt und Charakter.
Ich habe sie besucht, meist mit der Bahn, dem Fahrrad oder zu Fuß, weil ich die Umgebung, in der jemand einen Schinken räuchert, Butter macht oder Apfelsaft keltert, ebenso interessant und wichtig finde wie den Menschen selbst und den Gegenstand seiner Bemühungen. Betrachte ich die kulinarische Landkarte, die ich in diesem Buch ausbreite, dann fällt natürlich ins Auge, dass sich so manches davon in und um Berlin gruppiert, wo ich lebe. Das hat nichts mit der egozentrischen Eitelkeit der Hauptstädterin zu tun, sondern zeigt vielmehr, wie sich jeder sein eigenes kulinarisches Netzwerk aufbauen kann.
»Meine« Adressen sind alles andere als Diktat mit Ausschließlichkeitsanspruch, sondern ganz das Gegenteil: sie sind Beispiele und sollen dazu anregen, nach entsprechenden Menschen und Produkten in der eigenen Nachbarschaft zu suchen - es gibt sie! Nur selten sind komplizierte Reisepläne nötig, um seinen täglichen Einkauf zu tätigen. Fängt man erst einmal an, nach duftenden Erdbeeren, kräftigem Brot und frischgestochenem Spargel zu suchen, werden sich bald Wege und Möglichkeiten ergeben, wird man die Menschen dahinter kennen lernen, statt anonyme Ware aus dem Regal zu kaufen.
Wenn ich mich an den frischen Früchten der Erdbeerwonne auf meinem Küchentisch sattgegessen habe, überlege ich, was ich damit noch anstellen könnte. Vielleicht zuerst heute Mittag mit Akazienhonig zu frischen kleinen Ziegenkäsen. Oder heute Abend auf dem Balkon als Bowle, aber in moderner Form: mit ein paar Tropfen Erdbeerlikör und gutem Rosé-Sekt. Und dann als Dessert mit Minze in Riesling-Gelée, zu einem fruchtigen Moselriesling ...
Auch wenn ich in einem meiner früheren Leben Köchin gelernt habe, sind die Rezepte in diesem Buch nicht in einer chromglänzenden Perfekt-Küche mit Hilfe einer ganzen Brigade entstanden. Ganz im Gegenteil, zu meiner vollkommen normalen Haushaltsküche am Hackeschen Markt gehört nicht einmal eine Geschirrspülmaschine. Wir, das ist außer mir mein Mann. Er stammt aus London, schreibt seit Jahrzehnten über Wein und muss als mein Kaninchen herhalten, wenn die »Versuchsküche« auf Hochtouren läuft. Manchmal revoltiert er ein bisschen, wenn es zum Beispiel drei Tage Rhabarber in x Variationen gibt oder 20 Sorten Butter verkostet werden wollen. Aber jedes Rezept in diesem Buch ist gekocht, gegessen und an unserem Esstisch für gut befunden worden.
Allerdings ist Kochen keine exakte Wissenschaft, und letztendlich ist ein Rezept nur eine ungefähre Anleitung, die sowohl von der Tagesform der Zutaten im Kochtopf als auch der Person, die davorsteht, in ihrem Ausgang entscheidend beeinflusst wird. Je mehr man im Zweifelsfall nach eigenem Gutdünken verfährt und je weniger Angst man dabei hat, desto stimmiger und »echter« wird das Ergebnis ausfallen. In einem Punkt reagiere ich jedoch allergisch: nämlich auf die Einstellung »zum Kochen tuts das schon« - das ist am falschen Ende gespart. Kochen und backen sind keine magischen Verwandlungen, bei denen aus minderwertigen Zutaten großartige Ergebnisse werden.
Mein Mann ist nicht der einzige, der sich im Umfeld unserer Küche mit Wein beschäftigt. In einem anderen früheren Leben war ich Weinkellnerin, restaurantdeutsch: Sommelière, und habe mit dem Studium dieser Materie unter anderem ein ausgesprochen vergnügliches, spannendes Jahr in Heidelberg auf der Hotelfachschule zugebracht. Wein und Essen sind für mich eine natürliche Einheit, so dass mir zu vielen Rezepten ganz spontan ein bestimmter Tropfen einfällt - was nicht heißen soll, dass es nicht viele andere Möglichkeiten gäbe.
Beim Wein ist der Bezug zwischen Endprodukt und Mensch den meisten von uns viel bewusster als bei den »festen« Nahrungsmitteln, und mit der Echtzeit sieht es hier schon deutlich besser aus. Aus den Trauben, die in deutschen Weinbergen wachsen, entstehen seit Ende der 1980er Jahre durch die Arbeit engagierter Winzer wieder tolle Weine. Das ist allerdings kein Grund, nur deutsche Weine zu trinken, solch ein übertriebener Patriotismus wäre verbohrt und engstirnig. Bei uns kommt alles in Glas, was gut ist und Charakter hat: Riesling von der Mosel genauso wie portugiesischer Rotwein aus dem Douro-Tal, Gewürztraminer aus Südtirol, Falerner aus Kampanien in Italien oder Pinot Noir vom Russian River Valley in Kalifornien.
Genauso haben in meiner Küche auch Koriander und Chili, Parmesan und Olivenöl ihren Platz. Ich empfinde sie nicht als Störfaktor irgendwelcher kulinarischen Traditionen, sondern als Bereicherung. Tradition ist nichts fest in Stein gemeißeltes, sondern entsteht ständig neu aus Innovationen, die sich im Alltag bewährt haben. Tomaten und Rhabarber, die uns heute so selbstverständlich erscheinen, waren einst solche Neuankömmlinge, und das vor gar nicht so langer Zeit. Doch davon später mehr - jetzt muss ich mich den Erdbeeren auf meinem Küchentisch widmen.
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Autoren-Porträt von Ursula Heinzelmann
Ursula Heinzelmann, geb. 1963, ist Sommelière und Gastronomin. Sie schreibt u.a. für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und das Slow Food Magazin. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Weinjournalisten Stuart Pigott, lebt sie in Berlin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Ursula Heinzelmann
- 2006, 2, 224 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 17 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: FISCHER Scherz
- ISBN-10: 3502150133
- ISBN-13: 9783502150138
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