Es gibt kein Entkommen / Delta Force Trilogie Bd.3
Thriller. Deutschsprachige Erstausgabe
Als drei ihrer engsten Freunde sterben, bekommt es die Lehrerin Isabelle Carson mit der Angst zu tun. Die Polizei behauptet in allen drei Fällen, es sei Selbstmord gewesen. Doch Isabelle fürchtet, jemand könnte ihre Freunde ermordet haben - und als Nächstes...
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Taschenbuch
9.99 €
Produktdetails
Produktinformationen zu „Es gibt kein Entkommen / Delta Force Trilogie Bd.3 “
Klappentext zu „Es gibt kein Entkommen / Delta Force Trilogie Bd.3 “
Als drei ihrer engsten Freunde sterben, bekommt es die Lehrerin Isabelle Carson mit der Angst zu tun. Die Polizei behauptet in allen drei Fällen, es sei Selbstmord gewesen. Doch Isabelle fürchtet, jemand könnte ihre Freunde ermordet haben - und als Nächstes sie selbst ins Visier nehmen. Der Einzige, der ihr Glauben schenkt, ist der ehemalige Delta-Force-Agent Grant Kent, der insgeheim tiefe Gefühle für sie hegt.
Lese-Probe zu „Es gibt kein Entkommen / Delta Force Trilogie Bd.3 “
Es gibt kein Entkommen von Shannon K. Butcher1
... mehr
»Hier sind in letzter Zeit ein paar ... seltsame Dinge geschehen. Pass gut auf dich auf, okay?«
Das tat Grant Kent grundsätzlich - nur so hatte er annähernd zehn Jahre bei der Delta Force überlebt -, doch seit er Anfang der Woche Isabelles Nachricht erhalten hatte, gingen ihm die Worte nicht mehr aus dem Kopf. Genauso wenig wie das Zittern in Isabelles Stimme.
Es war überhaupt das erste Mal, dass sie ihn angerufen hatte, und es ging ihr offenbar nicht um Small Talk. Irgendetwas stimmte nicht, weshalb Grant einen Umweg von rund dreihundert Meilen in Kauf genommen hatte, um herauszufinden, was es war.
Sein Mustang glitt durch die ruhigen Anliegerstraßen, während er nach dem richtigen Haus Ausschau hielt. Er konnte nur hoffen, dass die Adresse auf der Weihnachtskarte, die er letztes Jahr erhalten hatte, noch aktuell war.
Es spielte keine Rolle, dass er morgen eine neue Stelle antrat und bei Tagesanbruch in Denver sein musste. Ebenso wenig spielte es eine Rolle, dass er Isabelle seit vierzehn Jahren nicht gesehen hatte. Das Einzige, was zählte, war dieser Anruf. Und obwohl sie ihn nicht gebeten hatte zu kommen, ließ jener angstvolle Ton in ihrer Stimme alles andere bedeutungslos erscheinen.
Und deshalb war er hier in Springfield, Missouri, dem Zuhause schlechter Erinnerungen, obwohl er sich geschworen hatte, nie wieder herzukommen. Nur, weil die süße kleine Isabelle Carson vor irgendetwas Angst hatte und Grant nicht einfach darüber hinwegsehen konnte.
Seiner Einschätzung nach blieben ihm etwa zwei Stunden, um herauszufinden, was Isabelle Angst machte, und das Problem zu beseitigen, um rechtzeitig zurück auf den Highway zu fahren und im Morgengrauen bei David Wolfe am Frühstückstisch zu sitzen.
Vorfreude schwellte seine Brust und zeichnete ihm ein albernes Grinsen aufs Gesicht. Nach vierzehn Jahren Militärdienst war er endlich aus der Nummer heraus. Er konnte es kaum erwarten, seine Freunde wiederzusehen und ein neues Leben zu beginnen.
Grant Kent, Sicherheitsberater. Klang gar nicht mal übel.
Er bog in Isabelles Straße ein und fand die richtige Hausnummer. Das Haus war alt, aber in einem guten Zustand, und viel zu groß für eine einzige Person. Trotz der Dunkelheit konnte er die weißen Wände erkennen, die vom Licht der Verandabeleuchtung angestrahlt wurden. Der Garten war ordentlich gepflegt, die Bäume sauber zurückgeschnitten, und selbst das vom Winter tote Gras wirkte absolut makellos.
Grant bog in die Einfahrt ein und hoffte, sich am richtigen Ort zu befinden. Isabelle hatte in ihrer Nachricht keine Adresse genannt, und er hatte das Gefühl, wenn er vorher angerufen und nachgefragt hätte, wäre der Schuss nach hinten losgegangen.
Sie hatten sich nicht gerade unter glücklichen Umständen getrennt, und Grant wollte es Isabelle nicht zu leicht machen, ihn abzuweisen - nicht, solange die Möglichkeit bestand, dass sie in Schwierigkeiten steckte.
Grant stieg aus dem Wagen und dehnte seine steifen Glieder. So sehr er seinen Mustang auch liebte, für einen Mann seiner Größe war der Wagen einfach nicht geschaffen. Und Grant hatte unterwegs nicht oft haltgemacht, um sich die Beine zu vertreten.
Ihm war zu sehr daran gelegen, möglichst bald anzukommen und die Sache hinter sich zu bringen.
Doch nun, da er hier war, kamen ihm Zweifel, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Er hatte keine Ahnung, worauf er sich da einließ und ob sie ihn überhaupt nach all der Zeit würde sehen wollen.
Ein eisiger Märzwind peitschte ihm um die Ohren, als er zögerlichen Schrittes auf das Haus zuging.
Bei ihrer letzten Begegnung war Isabelle sechzehn gewesen und hatte mit angezogenen Beinen in einem Krankenwagen gekauert. Mit tränennassen Wangen hatte sie dem Streifenwagen hinterhergestarrt, auf dessen Rückbank Grant in Handschellen abtransportiert wurde.
Er sah dem Wiedersehen mit ihr mit gemischten Gefühlen entgegen, aber er war immerhin Manns genug, um auf den beleuchteten Klingelknopf zu drücken.
Ein melodischer Dreiklang drang durch das bleigefasste Fenster im oberen Teil der Tür nach draußen. Einen Augenblick später nahm er hinter der Scheibe schemenhafte Bewegungen wahr. Die Tür öffnete sich, und Grant brauchte gut und gern zehn Sekunden, um Isabelle Carson wiederzuerkennen. Erwartet hatte er eine ältere Version des hageren sechzehnjährigen Mädchens mit strähnigem Haar und fahler Haut, die sich straff über ihre zarten Knochen spannte. Wäre da nicht ihre exotisch-japanische Abstammung gewesen, die ihrem Aussehen eines typisch amerikanischen Mädchens von nebenan einen besonderen Akzent verlieh, hätte er sie vermutlich gar nicht erkannt.
Grant hatte schon viele attraktive Frauen gesehen, aber Isabelle war einfach ... atemberaubend.
Es verschlug ihm für einen Moment die Sprache, während er ihren Anblick stumm in sich aufsog. Sie war hochgewachsen - so um die eins achtzig -, während sie ihm früher gerade mal bis zur Brust gegangen war. Unter ihrer legeren Kleidung verbargen sich schlanke, verführerische Kurven, die nur dazu gemacht schienen, sich in die Handflächen eines Mannes zu schmiegen. Ihr glänzendes Haar fiel ihr glatt über den Rücken, doch ihr Pony lenkte den Blick hin zu ihren Augen. Sie waren tiefgrün, wie die Farbe des Waldes in der Dämmerung, und standen ein klein wenig schräg.
Ihre exotischen Augen weiteten sich überrascht, während sie ihn fassungslos anstarrte.
Grant wartete ab und gab ihr ein wenig Zeit, um den Schock zu verarbeiten. Er hatte keine Ahnung, wie sehr er sich verändert hatte, seit sie ihn als siebzehnjährigen Jungen das letzte Mal gesehen hatte. Mit angehaltenem Atem hoffte er, sie würde ihm nicht die Tür vor der Nase zuknallen.
Seine Knöchel schmerzten, so fest hatte er seine Hände zu Fäusten geballt. Kein gutes Zeichen für jemanden, der es gewohnt war, seinen Körper unter Kontrolle zu haben und nicht andersherum.
Mehr als einmal im Leben hatte er tagelang durch das Zielfernrohr seines Gewehrs gespäht, um geheime Informationen zu sammeln oder auf den perfekten Schuss zu warten, während sein Versteck jeden Moment hätte auffliegen können, und doch war er nie zuvor so nervös gewesen wie jetzt, da er Isabelle nach all der Zeit erneut gegenüberstand.
Was, wenn sie ihn nicht mochte? Was, wenn sie nur jenen wütenden, aggressiven Jungen in ihm sah, der er einst gewesen war? Oder, schlimmer noch, was, wenn sie ihn hasste, weil er ihren Pflegevater umgebracht hatte?
Grant widerstand dem Drang zu flüchten, nur weil Isabelle möglicherweise eine schlechte Meinung von ihm hatte. Er hatte keine Ahnung, ob er stark genug wäre, ihre Enttäuschung zu verkraften, doch anstatt wie ein Feigling davonzurennen, straffte er seine Schultern und stellte sich der Situation. Isabelle blinzelte mehrmals, als könne sie kaum glauben, was sie da sah. Völlig erstarrt stand sie in der Tür. Grant spürte, wie die Wärme ihres hell erleuchteten Hauses sein Gesicht streifte und sich in der kühlen Nacht verlor.
»Schön, dich wiederzusehen, Isabelle.«
Sie stand weit genug entfernt, um seine persönliche Distanzzone nicht zu verletzen, und doch nahe genug, dass er sie ohne Weiteres hätte berühren können.
Was er jedoch nicht tat. Er hatte keine Ahnung, wie sie darauf reagieren würde.
Grant versuchte zu lächeln - was ihm in Gegenwart einer Frau für gewöhnlich leichtfiel -, doch der Versuch scheiterte kläglich.
»Grant?«, fragte sie verwirrt, als wäre sie nicht sicher, ob er es tatsächlich war.
»Hi, Isabelle. Ist lange her.« Er klang lässig, fast gleichgültig. »Was ... was willst du hier?«
Nicht gerade ein herzlicher Empfang, aber den hatte er auch nicht erwartet. Leider machte dies das Ganze kein bisschen leichter. »Ich hab deine Nachricht erhalten. Da dachte ich mir, ich schau mal vorbei, um zu hören, was hier los ist.«
Sie spähte an ihm vorbei, die Straße auf und ab. Nach all den Jahren verdeckter Ermittlungen kannte Grant diesen Blick nur allzu gut. Isabelle rechnete mit Schwierigkeiten.
»Du solltest nicht hier sein«, erwiderte sie.
»Ich hätte wohl besser vorher anrufen sollen, als einfach so hier aufzukreuzen.«
Sie sah ihn immer noch nicht an, sondern hielt ihren Blick fest auf die Straße gerichtet. »Nein, das meine ich nicht. Du solltest von hier verschwinden. Und zwar sofort.«
Hätte er in ihren Augen Wut oder Abscheu gelesen, hätte er auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre gegangen. Aber es war etwas ganz anderes. Er bemerkte Angst in ihren Zügen, Besorgnis in ihrer Stimme.
Wenn Isabelle mit Schwierigkeiten rechnete, wollte Grant zur Stelle sein.
»Darf ich reinkommen?«
»Nein, Grant. Du musst verschwinden. Bevor dich irgendjemand sieht. Bitte.«
Grant drehte sich um und musterte die Umgebung. Er bemerkte nichts Außergewöhnliches, keinerlei Hinweise auf jemanden, der sich in den nächtlichen Schatten um ihr Haus versteckt hielt und sie beobachtete. »Wer sollte mich hier sehen?«
Ein Auto bog in die Straße ein. Seine grellen Scheinwerfer beleuchteten die Fassade des gegenüberliegenden Hauses.
»Komm rein.« Isabelle packte ihn an seinem Hemd und versetzte ihm einen energischen Ruck.
Grant konnte gerade noch verhindern, gegen sie zu stolpern, als Isabelle ihn ins Haus zerrte und die Tür hinter ihm zuknallte. »Runter!« Sie riss erneut an seinem Hemd und zog ihn in die Hocke.
Er duckte sich instinktiv, obwohl er keine Ahnung hatte, warum. Vermutlich war er es zu sehr gewohnt, den Wünschen einer Frau Folge zu leisten. Wenn man ihn bat, ungewöhnliche Dinge zu tun, endete dies meist in einem leidenschaftlichen Vergnügen, sowohl für ihn als auch für die Frau.
Allerdings hatte er arge Zweifel, dass dies einer jener Momente war.
Durch das Fenster in der Tür konnte er sehen, dass das Auto zügig vorbeifuhr, ohne zu halten oder auch nur zu bremsen. »Was zur Hölle ist hier los?«, fragte er.
Sie ließ von ihm ab und spähte durchs Fenster. Grant bemühte sich, ihr nicht auf den Po zu starren, doch er konnte einfach nicht anders. Isabelle stand an der Tür, und er hockte, wie befohlen, hinter ihr, sodass ihm gar keine andere Wahl blieb als hinzusehen.
Ihre engen Jeans schmiegten sich perfekt an ihren Körper und verliehen ihm Kurven, die man als Mann so schnell nicht wieder vergaß. Ihr schwarzes Haar reichte ihr bis zur Hüfte und schimmerte im Licht, als sie sich abrupt umdrehte.
»Warum bist du gekommen?«
»Deine Nachricht hat mich beunruhigt. In bin unterwegs nach Denver, um eine neue Stelle anzutreten, also dachte ich mir, ich schaue kurz vorbei, um zu sehen, ob es dir gut geht.«
Isabelles schmale Schultern sanken erleichtert herab. »Denver. Das ist Stunden von hier entfernt. Da bist du in Sicherheit.«
In Sicherheit? Mit anderen Worten, hier war er das nicht? In was für eine Sache war sie da hineingeraten?
Grants Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Er atmete tief durch und versuchte es aufs Neue. »Kannst du mir bitte verraten, was hier los ist?«
»Es wäre das Beste, wenn du einfach gehst. Ich will dich da nicht mit reinziehen.«
Grant verschränkte die Arme vor der Brust und baute sich vor ihr auf. »Ich werde nirgendwo hingehen, solange du mir nicht sagst, was hier los ist.«
Ihre vollen Lippen spannten sich, und ihre Augen verengten sich zu funkelnden Schlitzen. »Ich habe dich nicht hergebeten. Du hast hier nichts verloren. Wenn du nicht gleich verschwindest, rufe ich die Polizei.«
Er zuckte mit den Schultern. »Meinetwegen. Nur zu. Vielleicht können die mir ja verraten, warum du dich so panisch verhältst.«
»Ich verhalte mich überhaupt nicht panisch. Nur vorsichtig.« »Und warum?«
Sie presste die Lippen aufeinander und wandte ihren Blick ab.
Grant hatte Isabelle noch nie zuvor berührt. Sie war ihm immer so zerbrechlich vorgekommen, dass er Angst hatte, ihr wehzutun, ihr etwas zu brechen.
Doch Isabelle war nicht länger zerbrechlich. Er hatte ihre Kraft gespürt, als sie an seinem Hemd gezerrt hatte. Er konnte mit eigenen Augen sehen, dass sie gesund und munter war.
Es gab keinerlei Grund, weshalb er sie nicht berühren sollte.
Spontan legte er einen Finger an ihr Kinn und zwang sie, zu ihm aufzublicken. Seine Fingerkuppe streifte ihre zarte Haut, und ihre Augen waren von einem überwältigenden Grün. Um ein Haar vergaß er, was er sie hatte fragen wollen. Doch die Angst in ihren Augen war noch immer sichtbar und half seinem verwirrten Gehirn, sich zu konzentrieren, anstatt vor der Macht ihrer Augen zu kapitulieren. »Warum, Isabelle? Warum soll ich die Stadt verlassen? Wovor hast du Angst?«
Sie schluckte nervös, und ein feines Beben erfasste ihr Kinn, ehe sie entschlossen die Zähne zusammenbiss. »Weil hier Menschen sterben. Und ich will nicht, dass du der Nächste bist.«
***
Isabelle wusste, dass sie die Wahrheit nicht hätte sagen sollen, doch sie hatte Grant Kent noch nie widerstehen können. Nicht damals, als sie sechzehn war, und erst recht nicht heute, da er groß und attraktiv und völlig unerwartet vor ihr stand. Und sie obendrein berührte. Jahrelang hatte sie davon geträumt, und nun, da er es endlich tat, konnte sie kaum noch klar denken. Natürlich war es nicht mehr als die Spitze eines Fingers gewesen, aber bei einem Mann wie Grant reichte bereits die kleinste Berührung, um einen Frauenkörper in Wallungen zu versetzen.
Als bräuchte sie noch mehr Aufregung in ihrem Leben! Sie hatte schon mehr als genug davon, ohne auch noch ihre dunkle Vergangenheit und eine jahrzehntelange Schwärmerei hinzuzufügen.
Grant erschien ihr geradezu übermenschlich. Souverän, selbstbewusst, atemberaubend. Er war groß, schlank und attraktiv, und seine goldenen Augen funkelten, wenn er sie ansah. Seine Frisur war ein wenig kürzer als zu seiner rebellischen Jugendzeit, und obwohl der Winter gerade erst den Rückzug antrat, glänzten seine sonnengebleichten Haare im Licht, wann immer er den Kopf bewegte. Er verfügte über jene magische Anziehungskraft, die Frauen in Scharen anzog, und Isabelle war keineswegs immun gegen seinen Charme und sein umwerfendes Äußeres. Das war sie noch nie gewesen.
Als sechzehnjähriges Mädchen hatte sie nicht wirklich begriffen, was sie für ihn empfand, aber inzwischen wusste sie ganz genau, was diese Gänsehaut zu bedeuten hatte, ebenso wie jener feine Schauer, der ihr über den Rücken lief, wenn er ihre Haut berührte. Sie war kein unschuldiges Mädchen mehr und wusste sehr genau, was auf dem Spiel stand, wenn sie jenem magischen Charme erlag, den er seit jeher auf sie ausgeübt hatte.
Grants funkelnde Augen begegneten ihrem Blick und hielten ihn fest. Sie sprühten nur so vor Intensität, und hinter der charmanten Fassade verbarg sich eine eiserne Entschlossenheit. Was auch immer Grant in den letzten vierzehn Jahren beim Militär gemacht hatte, er hatte mit Sicherheit nicht am Schreibtisch gesessen. Er verströmte eine Aura von absoluter Kompetenz und Souveränität.
Sein Blick wanderte über ihr Gesicht, und obwohl sich sein Finger unter ihrem Kinn nicht von der Stelle rührte, fühlte sie sich von ihm liebkost. »Was soll das heißen, Menschen sterben? Wer stirbt?«
Zu spät, um irgendetwas zu leugnen. Sie musste ihre Taktik ändern. »Ich dramatisiere nur. Das kommt von dem Schock, dich so unerwartet wiederzusehen. Mehr nicht.«
Grants Kiefermuskulatur verhärtete sich, und seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »Blödsinn. Sag mir die Wahrheit, und zwar sofort.«
Nein. Sie würde nicht einfach nachgeben, nur weil er es so wollte.
Entschlossen stieß sie seine Hand beiseite und unterbrach den Körperkontakt.
Der sicherste Weg, Grant zu beschützen, war, ihn aus der Stadt zu jagen. So weit weg wie nur möglich. Wenn sie ihn in diese Sache hineinzog, würde er bleiben. Und sie konnte unmöglich verantworten, dass er sein Leben aufs Spiel setzte. Nicht nach allem, was er vor vierzehn Jahren für sie getan hatte, für sie aufs Spiel gesetzt hatte.
Er war für sie ins Gefängnis gegangen, hatte für sie seine Freiheit geopfert. Sie würde sich gewiss nicht revanchieren, indem sie ihn leichtfertig in Gefahr brachte - vorausgesetzt, dass sie sich das Ganze nicht nur einbildete.
Was durchaus eine realistische Möglichkeit war. Niemand glaubte ihr.
»Vermutlich ist an der Sache überhaupt nichts dran«, erwiderte sie mit einem aufgesetzten Lächeln.
»Das würde ich gern selbst beurteilen.« Sein Ton klang fordernd, daher fügte er ein milderndes »Bitte« hinzu.
Vielleicht sollte sie ihm ganz einfach alles erzählen. Er war immerhin beim Militär gewesen. Wenn jemand eine Gefahr erkannte, dann er. Und wenn er sich ihr Beweismaterial ansah und dennoch zu dem Schluss kam, dass alles in Ordnung war, konnte sie wenigstens wieder beruhigt schlafen.
»Du wirst mich für völlig durchgeknallt halten.«
»Ich finde durchgeknallte Mädels eigentlich ziemlich sexy.«
Isabelle spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen schoss. Sie war kein kleines Mädchen mehr, doch kaum verbrachte sie ein paar Minuten mit Grant, fühlte sie sich wieder wie ein verknallter Teenager: unsicher und verlegen. Der einzige Unterschied bestand darin, dass sie sich damals vergeblich nach jener Aufmerksamkeit gesehnt hatte, die sie nun in geballter Form abbekam.
Mehr war nicht nötig, um eine Frau in Verlegenheit zu bringen.
»Spuck's aus, Isabelle, oder ich gebe dir eine Kostprobe von den Verhörtechniken, die ich beim Militär gelernt habe.«
»Du machst mir keine Angst.«
Ein träges Grinsen breitete sich über sein Gesicht aus. »Nur, weil ich mir große Mühe gebe, es nicht zu tun. Willst du wirklich, dass ich zu Plan B übergehe, meine Liebe?«
Ja, schrie die Sechzehnjährige in ihr, die so von Grant schwärmte, dass ihr Verstand buchstäblich aussetzte. Was auch immer er mit ihr vorhatte, war mit Sicherheit besser, als ihn einfach so gehen zu lassen. Zum zweiten Mal.
Der vernünftige, rationale Teil ihrer selbst wusste es hingegen besser. Sie hatte sich in ihrem Leben größeren, besseren Dingen verschrieben. Sie brauchte Grant nicht. Nicht mehr.
»Nicht nötig. Setz dich einfach ins Auto und fahr los, und ich verspreche dir, ich werde dir per Handy alles erzählen, was du wissen willst.«
»Keine Chance. Schieß los.«
Grant hatte schon als Teenager eine beeindruckende Ausstrahlung besessen, doch die war rein gar nichts verglichen mit der schieren Willenskraft, die er als Mann verströmte. Er wirkte stärker als früher. Bedrohlicher. Begehrenswerter.
»Ich hätte dich nicht anrufen sollen.« Zu dumm, dass ihr das nicht bewusst gewesen war, als sie zum Hörer gegriffen hatte.
Dabei hatte sie ihn einfach nur warnen wollen. Nicht im Traum hätte sie damit gerechnet, dass ihn dieser Anruf zu ihrer Haustür führen würde.
»Aber das hast du.«
Es war nicht der erste Fehler, den sie in ihrem Leben gemacht hatte, und mit Sicherheit auch nicht der letzte. Im Moment konnte sie nichts weiter tun, als Schadensbegrenzung zu betreiben. »Na schön. Setzen wir uns.«
...
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
»Hier sind in letzter Zeit ein paar ... seltsame Dinge geschehen. Pass gut auf dich auf, okay?«
Das tat Grant Kent grundsätzlich - nur so hatte er annähernd zehn Jahre bei der Delta Force überlebt -, doch seit er Anfang der Woche Isabelles Nachricht erhalten hatte, gingen ihm die Worte nicht mehr aus dem Kopf. Genauso wenig wie das Zittern in Isabelles Stimme.
Es war überhaupt das erste Mal, dass sie ihn angerufen hatte, und es ging ihr offenbar nicht um Small Talk. Irgendetwas stimmte nicht, weshalb Grant einen Umweg von rund dreihundert Meilen in Kauf genommen hatte, um herauszufinden, was es war.
Sein Mustang glitt durch die ruhigen Anliegerstraßen, während er nach dem richtigen Haus Ausschau hielt. Er konnte nur hoffen, dass die Adresse auf der Weihnachtskarte, die er letztes Jahr erhalten hatte, noch aktuell war.
Es spielte keine Rolle, dass er morgen eine neue Stelle antrat und bei Tagesanbruch in Denver sein musste. Ebenso wenig spielte es eine Rolle, dass er Isabelle seit vierzehn Jahren nicht gesehen hatte. Das Einzige, was zählte, war dieser Anruf. Und obwohl sie ihn nicht gebeten hatte zu kommen, ließ jener angstvolle Ton in ihrer Stimme alles andere bedeutungslos erscheinen.
Und deshalb war er hier in Springfield, Missouri, dem Zuhause schlechter Erinnerungen, obwohl er sich geschworen hatte, nie wieder herzukommen. Nur, weil die süße kleine Isabelle Carson vor irgendetwas Angst hatte und Grant nicht einfach darüber hinwegsehen konnte.
Seiner Einschätzung nach blieben ihm etwa zwei Stunden, um herauszufinden, was Isabelle Angst machte, und das Problem zu beseitigen, um rechtzeitig zurück auf den Highway zu fahren und im Morgengrauen bei David Wolfe am Frühstückstisch zu sitzen.
Vorfreude schwellte seine Brust und zeichnete ihm ein albernes Grinsen aufs Gesicht. Nach vierzehn Jahren Militärdienst war er endlich aus der Nummer heraus. Er konnte es kaum erwarten, seine Freunde wiederzusehen und ein neues Leben zu beginnen.
Grant Kent, Sicherheitsberater. Klang gar nicht mal übel.
Er bog in Isabelles Straße ein und fand die richtige Hausnummer. Das Haus war alt, aber in einem guten Zustand, und viel zu groß für eine einzige Person. Trotz der Dunkelheit konnte er die weißen Wände erkennen, die vom Licht der Verandabeleuchtung angestrahlt wurden. Der Garten war ordentlich gepflegt, die Bäume sauber zurückgeschnitten, und selbst das vom Winter tote Gras wirkte absolut makellos.
Grant bog in die Einfahrt ein und hoffte, sich am richtigen Ort zu befinden. Isabelle hatte in ihrer Nachricht keine Adresse genannt, und er hatte das Gefühl, wenn er vorher angerufen und nachgefragt hätte, wäre der Schuss nach hinten losgegangen.
Sie hatten sich nicht gerade unter glücklichen Umständen getrennt, und Grant wollte es Isabelle nicht zu leicht machen, ihn abzuweisen - nicht, solange die Möglichkeit bestand, dass sie in Schwierigkeiten steckte.
Grant stieg aus dem Wagen und dehnte seine steifen Glieder. So sehr er seinen Mustang auch liebte, für einen Mann seiner Größe war der Wagen einfach nicht geschaffen. Und Grant hatte unterwegs nicht oft haltgemacht, um sich die Beine zu vertreten.
Ihm war zu sehr daran gelegen, möglichst bald anzukommen und die Sache hinter sich zu bringen.
Doch nun, da er hier war, kamen ihm Zweifel, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Er hatte keine Ahnung, worauf er sich da einließ und ob sie ihn überhaupt nach all der Zeit würde sehen wollen.
Ein eisiger Märzwind peitschte ihm um die Ohren, als er zögerlichen Schrittes auf das Haus zuging.
Bei ihrer letzten Begegnung war Isabelle sechzehn gewesen und hatte mit angezogenen Beinen in einem Krankenwagen gekauert. Mit tränennassen Wangen hatte sie dem Streifenwagen hinterhergestarrt, auf dessen Rückbank Grant in Handschellen abtransportiert wurde.
Er sah dem Wiedersehen mit ihr mit gemischten Gefühlen entgegen, aber er war immerhin Manns genug, um auf den beleuchteten Klingelknopf zu drücken.
Ein melodischer Dreiklang drang durch das bleigefasste Fenster im oberen Teil der Tür nach draußen. Einen Augenblick später nahm er hinter der Scheibe schemenhafte Bewegungen wahr. Die Tür öffnete sich, und Grant brauchte gut und gern zehn Sekunden, um Isabelle Carson wiederzuerkennen. Erwartet hatte er eine ältere Version des hageren sechzehnjährigen Mädchens mit strähnigem Haar und fahler Haut, die sich straff über ihre zarten Knochen spannte. Wäre da nicht ihre exotisch-japanische Abstammung gewesen, die ihrem Aussehen eines typisch amerikanischen Mädchens von nebenan einen besonderen Akzent verlieh, hätte er sie vermutlich gar nicht erkannt.
Grant hatte schon viele attraktive Frauen gesehen, aber Isabelle war einfach ... atemberaubend.
Es verschlug ihm für einen Moment die Sprache, während er ihren Anblick stumm in sich aufsog. Sie war hochgewachsen - so um die eins achtzig -, während sie ihm früher gerade mal bis zur Brust gegangen war. Unter ihrer legeren Kleidung verbargen sich schlanke, verführerische Kurven, die nur dazu gemacht schienen, sich in die Handflächen eines Mannes zu schmiegen. Ihr glänzendes Haar fiel ihr glatt über den Rücken, doch ihr Pony lenkte den Blick hin zu ihren Augen. Sie waren tiefgrün, wie die Farbe des Waldes in der Dämmerung, und standen ein klein wenig schräg.
Ihre exotischen Augen weiteten sich überrascht, während sie ihn fassungslos anstarrte.
Grant wartete ab und gab ihr ein wenig Zeit, um den Schock zu verarbeiten. Er hatte keine Ahnung, wie sehr er sich verändert hatte, seit sie ihn als siebzehnjährigen Jungen das letzte Mal gesehen hatte. Mit angehaltenem Atem hoffte er, sie würde ihm nicht die Tür vor der Nase zuknallen.
Seine Knöchel schmerzten, so fest hatte er seine Hände zu Fäusten geballt. Kein gutes Zeichen für jemanden, der es gewohnt war, seinen Körper unter Kontrolle zu haben und nicht andersherum.
Mehr als einmal im Leben hatte er tagelang durch das Zielfernrohr seines Gewehrs gespäht, um geheime Informationen zu sammeln oder auf den perfekten Schuss zu warten, während sein Versteck jeden Moment hätte auffliegen können, und doch war er nie zuvor so nervös gewesen wie jetzt, da er Isabelle nach all der Zeit erneut gegenüberstand.
Was, wenn sie ihn nicht mochte? Was, wenn sie nur jenen wütenden, aggressiven Jungen in ihm sah, der er einst gewesen war? Oder, schlimmer noch, was, wenn sie ihn hasste, weil er ihren Pflegevater umgebracht hatte?
Grant widerstand dem Drang zu flüchten, nur weil Isabelle möglicherweise eine schlechte Meinung von ihm hatte. Er hatte keine Ahnung, ob er stark genug wäre, ihre Enttäuschung zu verkraften, doch anstatt wie ein Feigling davonzurennen, straffte er seine Schultern und stellte sich der Situation. Isabelle blinzelte mehrmals, als könne sie kaum glauben, was sie da sah. Völlig erstarrt stand sie in der Tür. Grant spürte, wie die Wärme ihres hell erleuchteten Hauses sein Gesicht streifte und sich in der kühlen Nacht verlor.
»Schön, dich wiederzusehen, Isabelle.«
Sie stand weit genug entfernt, um seine persönliche Distanzzone nicht zu verletzen, und doch nahe genug, dass er sie ohne Weiteres hätte berühren können.
Was er jedoch nicht tat. Er hatte keine Ahnung, wie sie darauf reagieren würde.
Grant versuchte zu lächeln - was ihm in Gegenwart einer Frau für gewöhnlich leichtfiel -, doch der Versuch scheiterte kläglich.
»Grant?«, fragte sie verwirrt, als wäre sie nicht sicher, ob er es tatsächlich war.
»Hi, Isabelle. Ist lange her.« Er klang lässig, fast gleichgültig. »Was ... was willst du hier?«
Nicht gerade ein herzlicher Empfang, aber den hatte er auch nicht erwartet. Leider machte dies das Ganze kein bisschen leichter. »Ich hab deine Nachricht erhalten. Da dachte ich mir, ich schau mal vorbei, um zu hören, was hier los ist.«
Sie spähte an ihm vorbei, die Straße auf und ab. Nach all den Jahren verdeckter Ermittlungen kannte Grant diesen Blick nur allzu gut. Isabelle rechnete mit Schwierigkeiten.
»Du solltest nicht hier sein«, erwiderte sie.
»Ich hätte wohl besser vorher anrufen sollen, als einfach so hier aufzukreuzen.«
Sie sah ihn immer noch nicht an, sondern hielt ihren Blick fest auf die Straße gerichtet. »Nein, das meine ich nicht. Du solltest von hier verschwinden. Und zwar sofort.«
Hätte er in ihren Augen Wut oder Abscheu gelesen, hätte er auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre gegangen. Aber es war etwas ganz anderes. Er bemerkte Angst in ihren Zügen, Besorgnis in ihrer Stimme.
Wenn Isabelle mit Schwierigkeiten rechnete, wollte Grant zur Stelle sein.
»Darf ich reinkommen?«
»Nein, Grant. Du musst verschwinden. Bevor dich irgendjemand sieht. Bitte.«
Grant drehte sich um und musterte die Umgebung. Er bemerkte nichts Außergewöhnliches, keinerlei Hinweise auf jemanden, der sich in den nächtlichen Schatten um ihr Haus versteckt hielt und sie beobachtete. »Wer sollte mich hier sehen?«
Ein Auto bog in die Straße ein. Seine grellen Scheinwerfer beleuchteten die Fassade des gegenüberliegenden Hauses.
»Komm rein.« Isabelle packte ihn an seinem Hemd und versetzte ihm einen energischen Ruck.
Grant konnte gerade noch verhindern, gegen sie zu stolpern, als Isabelle ihn ins Haus zerrte und die Tür hinter ihm zuknallte. »Runter!« Sie riss erneut an seinem Hemd und zog ihn in die Hocke.
Er duckte sich instinktiv, obwohl er keine Ahnung hatte, warum. Vermutlich war er es zu sehr gewohnt, den Wünschen einer Frau Folge zu leisten. Wenn man ihn bat, ungewöhnliche Dinge zu tun, endete dies meist in einem leidenschaftlichen Vergnügen, sowohl für ihn als auch für die Frau.
Allerdings hatte er arge Zweifel, dass dies einer jener Momente war.
Durch das Fenster in der Tür konnte er sehen, dass das Auto zügig vorbeifuhr, ohne zu halten oder auch nur zu bremsen. »Was zur Hölle ist hier los?«, fragte er.
Sie ließ von ihm ab und spähte durchs Fenster. Grant bemühte sich, ihr nicht auf den Po zu starren, doch er konnte einfach nicht anders. Isabelle stand an der Tür, und er hockte, wie befohlen, hinter ihr, sodass ihm gar keine andere Wahl blieb als hinzusehen.
Ihre engen Jeans schmiegten sich perfekt an ihren Körper und verliehen ihm Kurven, die man als Mann so schnell nicht wieder vergaß. Ihr schwarzes Haar reichte ihr bis zur Hüfte und schimmerte im Licht, als sie sich abrupt umdrehte.
»Warum bist du gekommen?«
»Deine Nachricht hat mich beunruhigt. In bin unterwegs nach Denver, um eine neue Stelle anzutreten, also dachte ich mir, ich schaue kurz vorbei, um zu sehen, ob es dir gut geht.«
Isabelles schmale Schultern sanken erleichtert herab. »Denver. Das ist Stunden von hier entfernt. Da bist du in Sicherheit.«
In Sicherheit? Mit anderen Worten, hier war er das nicht? In was für eine Sache war sie da hineingeraten?
Grants Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Er atmete tief durch und versuchte es aufs Neue. »Kannst du mir bitte verraten, was hier los ist?«
»Es wäre das Beste, wenn du einfach gehst. Ich will dich da nicht mit reinziehen.«
Grant verschränkte die Arme vor der Brust und baute sich vor ihr auf. »Ich werde nirgendwo hingehen, solange du mir nicht sagst, was hier los ist.«
Ihre vollen Lippen spannten sich, und ihre Augen verengten sich zu funkelnden Schlitzen. »Ich habe dich nicht hergebeten. Du hast hier nichts verloren. Wenn du nicht gleich verschwindest, rufe ich die Polizei.«
Er zuckte mit den Schultern. »Meinetwegen. Nur zu. Vielleicht können die mir ja verraten, warum du dich so panisch verhältst.«
»Ich verhalte mich überhaupt nicht panisch. Nur vorsichtig.« »Und warum?«
Sie presste die Lippen aufeinander und wandte ihren Blick ab.
Grant hatte Isabelle noch nie zuvor berührt. Sie war ihm immer so zerbrechlich vorgekommen, dass er Angst hatte, ihr wehzutun, ihr etwas zu brechen.
Doch Isabelle war nicht länger zerbrechlich. Er hatte ihre Kraft gespürt, als sie an seinem Hemd gezerrt hatte. Er konnte mit eigenen Augen sehen, dass sie gesund und munter war.
Es gab keinerlei Grund, weshalb er sie nicht berühren sollte.
Spontan legte er einen Finger an ihr Kinn und zwang sie, zu ihm aufzublicken. Seine Fingerkuppe streifte ihre zarte Haut, und ihre Augen waren von einem überwältigenden Grün. Um ein Haar vergaß er, was er sie hatte fragen wollen. Doch die Angst in ihren Augen war noch immer sichtbar und half seinem verwirrten Gehirn, sich zu konzentrieren, anstatt vor der Macht ihrer Augen zu kapitulieren. »Warum, Isabelle? Warum soll ich die Stadt verlassen? Wovor hast du Angst?«
Sie schluckte nervös, und ein feines Beben erfasste ihr Kinn, ehe sie entschlossen die Zähne zusammenbiss. »Weil hier Menschen sterben. Und ich will nicht, dass du der Nächste bist.«
***
Isabelle wusste, dass sie die Wahrheit nicht hätte sagen sollen, doch sie hatte Grant Kent noch nie widerstehen können. Nicht damals, als sie sechzehn war, und erst recht nicht heute, da er groß und attraktiv und völlig unerwartet vor ihr stand. Und sie obendrein berührte. Jahrelang hatte sie davon geträumt, und nun, da er es endlich tat, konnte sie kaum noch klar denken. Natürlich war es nicht mehr als die Spitze eines Fingers gewesen, aber bei einem Mann wie Grant reichte bereits die kleinste Berührung, um einen Frauenkörper in Wallungen zu versetzen.
Als bräuchte sie noch mehr Aufregung in ihrem Leben! Sie hatte schon mehr als genug davon, ohne auch noch ihre dunkle Vergangenheit und eine jahrzehntelange Schwärmerei hinzuzufügen.
Grant erschien ihr geradezu übermenschlich. Souverän, selbstbewusst, atemberaubend. Er war groß, schlank und attraktiv, und seine goldenen Augen funkelten, wenn er sie ansah. Seine Frisur war ein wenig kürzer als zu seiner rebellischen Jugendzeit, und obwohl der Winter gerade erst den Rückzug antrat, glänzten seine sonnengebleichten Haare im Licht, wann immer er den Kopf bewegte. Er verfügte über jene magische Anziehungskraft, die Frauen in Scharen anzog, und Isabelle war keineswegs immun gegen seinen Charme und sein umwerfendes Äußeres. Das war sie noch nie gewesen.
Als sechzehnjähriges Mädchen hatte sie nicht wirklich begriffen, was sie für ihn empfand, aber inzwischen wusste sie ganz genau, was diese Gänsehaut zu bedeuten hatte, ebenso wie jener feine Schauer, der ihr über den Rücken lief, wenn er ihre Haut berührte. Sie war kein unschuldiges Mädchen mehr und wusste sehr genau, was auf dem Spiel stand, wenn sie jenem magischen Charme erlag, den er seit jeher auf sie ausgeübt hatte.
Grants funkelnde Augen begegneten ihrem Blick und hielten ihn fest. Sie sprühten nur so vor Intensität, und hinter der charmanten Fassade verbarg sich eine eiserne Entschlossenheit. Was auch immer Grant in den letzten vierzehn Jahren beim Militär gemacht hatte, er hatte mit Sicherheit nicht am Schreibtisch gesessen. Er verströmte eine Aura von absoluter Kompetenz und Souveränität.
Sein Blick wanderte über ihr Gesicht, und obwohl sich sein Finger unter ihrem Kinn nicht von der Stelle rührte, fühlte sie sich von ihm liebkost. »Was soll das heißen, Menschen sterben? Wer stirbt?«
Zu spät, um irgendetwas zu leugnen. Sie musste ihre Taktik ändern. »Ich dramatisiere nur. Das kommt von dem Schock, dich so unerwartet wiederzusehen. Mehr nicht.«
Grants Kiefermuskulatur verhärtete sich, und seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »Blödsinn. Sag mir die Wahrheit, und zwar sofort.«
Nein. Sie würde nicht einfach nachgeben, nur weil er es so wollte.
Entschlossen stieß sie seine Hand beiseite und unterbrach den Körperkontakt.
Der sicherste Weg, Grant zu beschützen, war, ihn aus der Stadt zu jagen. So weit weg wie nur möglich. Wenn sie ihn in diese Sache hineinzog, würde er bleiben. Und sie konnte unmöglich verantworten, dass er sein Leben aufs Spiel setzte. Nicht nach allem, was er vor vierzehn Jahren für sie getan hatte, für sie aufs Spiel gesetzt hatte.
Er war für sie ins Gefängnis gegangen, hatte für sie seine Freiheit geopfert. Sie würde sich gewiss nicht revanchieren, indem sie ihn leichtfertig in Gefahr brachte - vorausgesetzt, dass sie sich das Ganze nicht nur einbildete.
Was durchaus eine realistische Möglichkeit war. Niemand glaubte ihr.
»Vermutlich ist an der Sache überhaupt nichts dran«, erwiderte sie mit einem aufgesetzten Lächeln.
»Das würde ich gern selbst beurteilen.« Sein Ton klang fordernd, daher fügte er ein milderndes »Bitte« hinzu.
Vielleicht sollte sie ihm ganz einfach alles erzählen. Er war immerhin beim Militär gewesen. Wenn jemand eine Gefahr erkannte, dann er. Und wenn er sich ihr Beweismaterial ansah und dennoch zu dem Schluss kam, dass alles in Ordnung war, konnte sie wenigstens wieder beruhigt schlafen.
»Du wirst mich für völlig durchgeknallt halten.«
»Ich finde durchgeknallte Mädels eigentlich ziemlich sexy.«
Isabelle spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen schoss. Sie war kein kleines Mädchen mehr, doch kaum verbrachte sie ein paar Minuten mit Grant, fühlte sie sich wieder wie ein verknallter Teenager: unsicher und verlegen. Der einzige Unterschied bestand darin, dass sie sich damals vergeblich nach jener Aufmerksamkeit gesehnt hatte, die sie nun in geballter Form abbekam.
Mehr war nicht nötig, um eine Frau in Verlegenheit zu bringen.
»Spuck's aus, Isabelle, oder ich gebe dir eine Kostprobe von den Verhörtechniken, die ich beim Militär gelernt habe.«
»Du machst mir keine Angst.«
Ein träges Grinsen breitete sich über sein Gesicht aus. »Nur, weil ich mir große Mühe gebe, es nicht zu tun. Willst du wirklich, dass ich zu Plan B übergehe, meine Liebe?«
Ja, schrie die Sechzehnjährige in ihr, die so von Grant schwärmte, dass ihr Verstand buchstäblich aussetzte. Was auch immer er mit ihr vorhatte, war mit Sicherheit besser, als ihn einfach so gehen zu lassen. Zum zweiten Mal.
Der vernünftige, rationale Teil ihrer selbst wusste es hingegen besser. Sie hatte sich in ihrem Leben größeren, besseren Dingen verschrieben. Sie brauchte Grant nicht. Nicht mehr.
»Nicht nötig. Setz dich einfach ins Auto und fahr los, und ich verspreche dir, ich werde dir per Handy alles erzählen, was du wissen willst.«
»Keine Chance. Schieß los.«
Grant hatte schon als Teenager eine beeindruckende Ausstrahlung besessen, doch die war rein gar nichts verglichen mit der schieren Willenskraft, die er als Mann verströmte. Er wirkte stärker als früher. Bedrohlicher. Begehrenswerter.
»Ich hätte dich nicht anrufen sollen.« Zu dumm, dass ihr das nicht bewusst gewesen war, als sie zum Hörer gegriffen hatte.
Dabei hatte sie ihn einfach nur warnen wollen. Nicht im Traum hätte sie damit gerechnet, dass ihn dieser Anruf zu ihrer Haustür führen würde.
»Aber das hast du.«
Es war nicht der erste Fehler, den sie in ihrem Leben gemacht hatte, und mit Sicherheit auch nicht der letzte. Im Moment konnte sie nichts weiter tun, als Schadensbegrenzung zu betreiben. »Na schön. Setzen wir uns.«
...
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
... weniger
Autoren-Porträt von Shannon K. Butcher
Shannon K. Butcher absolvierte eine Ausbildung als Wirtschaftsingenieurin. Bei der Zusammenarbeit mit ihrem Mann Jim Butcher entdeckte sie ihr eigenes Talent als Autorin. Seither schreibt sie mit großem Erfolg Liebesromane.
Bibliographische Angaben
- Autor: Shannon K. Butcher
- 2012, 2. Aufl., 448 Seiten, Maße: 12,5 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Hackländer, Anja
- Übersetzer: Anja Hackländer
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802588479
- ISBN-13: 9783802588471
Kommentar zu "Es gibt kein Entkommen / Delta Force Trilogie Bd.3"
0 Gebrauchte Artikel zu „Es gibt kein Entkommen / Delta Force Trilogie Bd.3“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Es gibt kein Entkommen / Delta Force Trilogie Bd.3".
Kommentar verfassen