Feindesland / Skinwalker Bd.1
Roman. Deutsche Erstausgabe
Jane Yellowrock ist ein Skinwalker. Sie kann ihre Gestalt ändern und sich in jedes beliebige Geschöpf verwandeln - eine Fähigkeit, die ihr in ihrem Job als Vampirjägerin äußerst nützlich ist. Jane wird von der Vampirin Katherine Fontaneau angeheuert, die in...
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Produktinformationen zu „Feindesland / Skinwalker Bd.1 “
Klappentext zu „Feindesland / Skinwalker Bd.1 “
Jane Yellowrock ist ein Skinwalker. Sie kann ihre Gestalt ändern und sich in jedes beliebige Geschöpf verwandeln - eine Fähigkeit, die ihr in ihrem Job als Vampirjägerin äußerst nützlich ist. Jane wird von der Vampirin Katherine Fontaneau angeheuert, die in New Orleans ein Bordell betreibt. Sie soll einen mächtigen Blutsauger jagen, der gegen die Gesetze der Unsterblichen verstoßen hat und Vampire und Menschen tötet. In New Orleans begegnet Jane dem attraktiven Biker Rick LaFleur, der eine merkwürdige Anziehungskraft auf sie ausübt. Doch Rick scheint seine eigenen, undurchsichtigen Ziele zu verfolgen.
Lese-Probe zu „Feindesland / Skinwalker Bd.1 “
Skinwalker - Feindesland von Faith Hunter1
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Ich reise mit leichtem Gepäck. Ich steuerte meine Maschine die Decatur Street entlang, tiefer ins French Quarter hinein. Der Motor schnurrte gleichmäßig. Das Magazin der Flinte auf meinem Rücken, einer Benelli M4 Super 90, war zur Vampjagd mit handgefertigter Flechetmunition aus Silber bestückt. unter der Lederjacke trug ich eine Sammlung Silberkreuze im Gürtel, in den Oberschenkelhalftern steckten Pflöcke. Die Satteltaschen enthielten mein ganzes bescheidenes Reisegepäck - Klamotten auf der einen Seite, auf der anderen das Werkzeug meiner Zunft. Als freiberuflicher Vampkiller reise ich mit leichtem Gepäck. Bei dem Vorstellungsgespräch, zu dem ich unterwegs war, würde ich meine Waffen nicht so offen tragen können. Die Gastgeberin mochte Anstoß daran nehmen. Was ungünstig wäre, da besagte Gastgeberin möglicherweise meinen nächsten Honorarscheck ausstellte und zudem selbst einen Satz Reißzähne besaß. in einem Hauseingang stand ein Kerl, ein gut aussehender Typ. Er wandte den Kopf und sah mir nach, als ich vorbeifuhr. Mit Lederstiefeln, Jacke und Jeans war er angezogen wie ich, nur sein dunkles Haar war kurz, während mir meins bis über die Hüften fällt, wenn ich es nicht in stramme Zöpfe flechte, was beim Kämpfen praktischer ist. Neben ihm stand eine Kawasaki. Sein interesse war mir nicht angenehm, doch er alarmierte weder meinen Raubtier- noch meinen Territorialinstinkt. Ich fuhr die St. Louis Street entlang und bog in die Dauphine Street ein, fädelte mich durch Scharen von rastlos wirkenden Fabrikarbeitern auf dem Nachhauseweg und vereinzelte frühe Nachtschwärmer. im schwindenden Tageslicht erspähte ich das gesuchte Haus. Katies Ladies war das dienstälteste Bordell im gesamten French Quarter und seit 1845 im Geschäft, wenn auch nicht immer in denselben Räumlichkeiten, bedingt durch Hurrikans, Flutwellen, Mietpreise und das schwankende Wohlwollen der Behörden. ich parkte die Maschine, klappte den Ständer aus und löste meine langen Beine von der Harley.
Auf einem Schrottplatz in North Carolina hatte ich zwei Motorräder entdeckt, die Rahmen voller Rost, die Gummiteile verrottet. Sie sahen erbärmlich aus. Aber ich kannte Jacob, einen Mechaniker im (Halb-)Ruhestand, der sich als Harley-Restaurator und Zenmeister des Harleykults an den Catawba River zurückgezogen hatte. Er nahm mein Geld, möbelte die eine Karre wieder auf, nutzte die zweite als Ersatzteillager und bestellte übers internet, was ihm fehlte. Er brauchte sechs Monate.
in der Zwischenzeit ging ich für ihn auf die Jagd, versorgte seine Frau und seine vier Kinder mit Wildfleisch, Kaninchen, Truthahn - was immer ich in meinem angeschlagenen Zustand zu fassen bekam. Mit meinen Ersparnissen stockte ich die Vorratskammer auf und nutzte die Zeit, um mich wieder in Form zu bringen. Es war das Beste, was ich in den langen Monaten der Genesung tun konnte. Denn sogar mit meinen übermenschlichen Selbstheilungskräften und meinem flexiblen Stoffwechsel dauert es eine Weile, bis eine Beinahe-Enthauptung gänzlich verheilt ist.
Dann, als ich wieder ganz auf dem Damm war, brauchte ich Arbeit. Das beste Angebot war der Auftrag, einen Rogue zur Strecke zu bringen: einen tollwütigen Vampir, der die Stadt New Orleans heimsuchte. Er hatte bereits drei Touristen gekillt und eine ganze Polizeieinheit lächelnd und blutleer am Tatort zurückgelassen. Gerüchten zufolge hatte er sich nicht mit ihrem Blut begnügt,
sondern auch ihre inneren Organe gefressen. Alles deutete darauf hin, dass dieser Rogue uralt, mächtig und tödlich gefährlich war - ein komplett durchgeknallter Vamp. Die Wahnsinnigen sind die Schlimmsten.
Letzte Woche hatte mich Katherine »Katie« Fonteneau, inhaberin und Namensgeberin von Katies Ladies, per E-Mail kontaktiert. Auf meiner Webseite war zu lesen, dass ich in den Bergen bei Asheville eine ganze Blutfamilie ausgelöscht hatte. und das stimmte. Auf meiner Webseite und in den Medienberichten stand die Wahrheit - oder jedenfalls keine Lüge. Die ganze Wahrheit war, dass ich dabei fast draufgegangen wäre. Doch ich hatte den Job durchgezogen, mir damit einen Namen gemacht und anschließend ein paar Monate Auszeit genommen, um mein redlich verdientes Geld sinnvoll anzulegen. Oder um mich auszukurieren, aber auf die Formulierung kommt es an. Ein ausgedehnter urlaub klang einfach besser.
ich setzte den Helm ab, zog die Spange aus dem Haar, holte meine Zöpfe aus dem Jackenkragen und schüttelte sie, dass die Perlen klickten. Dann nahm ich ein paar kleinere Werkzeuge - einen Pflock aus Eschenholz mit Silberspitze, eine Minipistole und ein Kreuz -, steckte sie unter meine Zöpfe und richtete diese so, dass nichts zu sehen war. Anschließend atmete ich tief durch, versuchte mich möglichst zu entspannen. Eine Frage der Sicherheit: ich war nervös, und einem Vamp gegenüber Nervosität zu zeigen war ausgesprochen dumm.
Die untergehende Sonne ließ den Horizont rot erglühen und verlieh den alten Gebäuden mit ihren geschlossenen Fensterläden und schmiedeeisernen Balkonen eine purpurne Färbung. Ein hübscher Anblick - für menschliche Augen. ich öffnete meine Sinne und ließ Beast die Welt schmecken. Die Gerüche gefielen ihr, und sie wollte umherstreifen. Später, versprach ich. Raubtiere knurren, wenn man sie ärgert. Bald - sie schlug mentale Krallen
in meine Seele, machte knetende Bewegungen mit ihren Pranken. Ein unangenehmes Gefühl, aber das Pieken ihrer Krallen hielt mich hellwach, und für das bevorstehende Treffen war das gut. ich hatte noch nie einen zivilisierten Vamp getroffen und erst recht keine Geschäfte mit einem gemacht. Soweit ich wusste, hatten Vamps und Skinwalker niemals miteinander zu tun gehabt. Das würde ich nun ändern. Was interessant werden könnte.
ich steckte meine Sonnenbrille an den Kragen, die Gläser nach außen, und warf noch einen prüfenden Blick auf die Zauberschlösser an meinen Satteltaschen, dann ging ich beruhigt zu der schmalen roten Tür und drückte die Klingel. Der kahl rasierte Mann, der mir öffnete, war ohne Zweifel ein Mensch, aber groß genug, um etwas anderes zu sein. Profi-Wrestler, mit Anabolika aufgepumpter Bodybuilder oder ein Troll. Vielleicht auch alles zusammen. Bei diesem Gedanken musste ich schmunzeln. Er stand in der Tür, die Arme locker an den Seiten, aktionsbereit. »Was ist so komisch?«, fragte er mit einer Stimme wie Hufescharren auf steinigem Grund.
»Nichts weiter. Melden Sie Katie, Jane Yellowrock ist da.« Bei neuen Bekanntschaften ist die harte Tour zum Einstieg immer das Beste. Dass meine Knie dabei zitterten, hatte nichts zu sagen.
»Karte?«, fragte der Troll-Mann. Ein Mann von wenig Worten. ich mochte ihn jetzt schon. Mein neuer bester Freund. Mit zwei behandschuhten Fingern öffnete ich den Reißverschluss meiner Lederjacke, fischte eine Visitenkarte aus der innentasche und hielt sie ihm hin. Darauf stand: JANE YELLOWROCK - EiN PFLOCK FÜR ALLE FÄLLE. Vamps killen ist ein blutiges Geschäft. ich hatte festgestellt, dass eine Prise Humor es deutlich erträglicher machte.
Der Troll nahm die Karte und schlug mir die Tür vor der Nase zu. Vielleicht sollte ich meinem neuen Freund noch ein paar Manieren beibringen. Das allerdings galt mehr oder weniger für alle Männer, die ich kannte.
Zwei Blocks entfernt hörte ich ein Motorrad. Keine Harley. Vielleicht eine Kawasaki, wie der hellrote Reiskocher, den ich vorhin gesehen hatte. ich war nicht überrascht, als die Maschine in Sicht kam und ich den Typ erblickte, der mir schon in der Decatur Street aufgefallen war. Er hielt neben meiner Harley, stellte den Motor ab und blieb sitzen, die Augen hinter der Sonnenbrille verborgen. Zwischen seinen Lippen steckte ein Zahnstocher, der einmal kurz zuckte, als er den Helm abnahm.
Der Typ sah verdammt gut aus. Etwas größer als ich mit meinen eins dreiundachtzig, olivfarbene Haut, schwarzes Haar, schwarze Augenbrauen. Schwarze Jacke, schwarze Jeans. Schwarze Stiefel. Ein bisschen viel Schwarz vielleicht, aber er konnte es tragen. Muskulöse Beine schmiegten sich um die rote Maschine.
Kein Silber zu sehen. Auch keine Flinte, aber eine verdächtige Beule unter seinem rechten Arm. Offenbar Linkshänder. Etwas schimmerte hinten in seinem Kragen. Der Griff eines Messers, das in einer Rückenscheide steckte. Vielleicht auch mehrere Klingen. Seine Stiefel waren abgetreten (Westernstiefel wie meine, keine Harley-Bikerboots, aber von Frye, während ich die aus Straußenleder von Lucchese trage. ich prüfte seine Witterung, meine Nasenflügel blähten sich. Seine Stiefel rochen nach frischem Pferdemist. Ein Hiesiger also, oder zumindest jemand, der lange genug hier lebte, um zu wissen, wo man reiten konnte. ich roch Pferdeschweiß und Heu, eine saubere Duftmischung. und Zigarre. Als ich Zigarre roch, fing ich an ihn zu mögen. Dazu ein Hauch von Stahl, Waffenöl und Silber - da war ich verliebt. Na ja, gewissermaßen. Beast fand, er sei ganz süß und vielleicht sogar hart genug, um unserer würdig zu sein. und doch haftete an dem Mann irgendein unterschwelliger Duft, schwächer als die anderen, der meinen Argwohn weckte.
Die Stille dauerte länger als erwartet. Da er sich neben mir aufgebaut hatte, starrte ich ihn bloß an, und das Schweigen war
dem Typ offensichtlich unbehaglich. Mir nicht. ich gönnte mir ein schiefes Grinsen. Er lächelte zurück und stieg behände von seinem Motorrad. Hinter mir, im Haus, vernahm ich Schritte. ich stellte mich lieber so, dass ich den Typ und die Haustür im Auge hatte. Das ging natürlich nicht unauffällig, aber ich hob eine Schulter zum Zeichen, dass es nicht böse gemeint war. Vorsicht war besser als Nachsicht. Auch bei gut aussehenden Männern.
Der Troll öffnete die Tür und ruckte mit dem Kopf. Was ich richtig als Einladung deutete und eintrat. »interessante Freunde haben Sie«, sagte der Troll, als sich die Tür vor dem mysteriösen Kerl schloss.
»ich kenne ihn nicht. Wo soll ich meine Waffen ablegen?« Besser, man bot es von sich aus an, als sie abgenommen zu bekommen. Es gibt viele Arten von Machtspielchen. Der Troll öffnete einen großen alten Schrank. ich schnallte das Schulterhalfter ab und legte es hinein. Dann zog ich Silberkreuze aus dem Gürtel, aus den Hosentaschen und unter der Jacke hervor, bis sich ein hübsches Häuflein angesammelt hatte. Dreizehn Kreuze - das wirkte übertrieben, aber es lenkte die Leute von meinen Reservewaffen ab. Als Nächstes kamen die hölzernen und silbernen Pflöcke. Jeweils dreizehn. und das Silberfläschchen mit Weihwasser. Nur eins. Wenn ich davon dreizehn Stück mit mir herumtrage, mache ich beim Gehen Schwappgeräusche.
ich hängte meine Lederjacke auf einen Bügel und steckte die Sonnenbrille zu meinem Handy in die innentasche. Dann schloss ich die Schranktür und stellte mich so hin, dass der Troll mich gut filzen konnte. Er grunzte überrascht, aber erfreut und machte seine Arbeit gründlich. Es sprach für ihn, dass er es nicht sonderlich zu genießen schien - er benutzte nur die Handrücken, keine Finger, und berührte mich weder unsittlich noch irgendwo länger als nötig. Seine Atmung beschleunigte sich nicht, sein Herzschlag blieb gleichmäßig - so etwas entgeht mir nicht, wenn es still genug ist. Nachdem er sorgsam die Schäfte meiner Stiefel untersucht hatte, sagte er: »Hier entlang.« Ich folgte ihm durch einen engen Flur, der zwei scharfe Kurven machte, in den rückwärtigen Teil des Hauses. Wir wanderten über alte persische Teppiche vorbei an Öl- und Aquarellgemälden von berühmten und weniger berühmten Künstlern. Die Lalique Wandleuchter aus getöntem Glas sahen echt aus, nicht wie Reproduktionen, aber vielleicht ließ sich so etwas auch auf alt trimmen, keine Ahnung. Die Wände waren in einem sehr zarten Buttergelb gestrichen, das mit den Leuchtern zusammen die Gemälde erhellte. Höchst stilvoll für ein Bordell. Das Schulmädchen aus dem christlichen Waisenhaus in mir war befremdet und zugleich fasziniert.
Als der Troll vor der roten Tür am Ende des Flurs stehen blieb, stolperte ich über eine Teppichkante. Er fing mich mit einer Hand ab, und ich drückte mich von ihm weg, wobei ich ihn kaum berührte. ich setzte ein verlegenes Gesicht auf; er schüttelte den Kopf und klopfte. ich wappnete mich innerlich und betastete das Kreuz, das er übersehen hatte. und die kleine zweischüssige Derringer. Beides war oben am Scheitel unter meinen Zöpfen versteckt, wo Männer niemals nachsahen, im Gegensatz zu meinen Stiefeln, in die sie immer ihre Finger stecken mussten. Er öffnete die Tür und machte einen Schritt zur Seite. ich trat ein.
Der Raum war spartanisch, aber kostspielig eingerichtet; die Möbel sahen durchweg spanisch aus. Altspanisch. So alt, als stammten sie aus der Zeit von Königin isabella und Christoph Kolumbus. Die Frau, die neben dem Schreibtisch stand, trug ein aquamarinblaues Kleid und weiche Slipper. Man konnte sie für zwanzig halten. Aber nur, bis man ihr in die Augen sah. Dann hätte sie für die ältere Schwester besagter Königin durchgehen können. ihr Blick war alt, uralt. Friedlich kam sie mir entgegen. Bis sie meine Witterung in die Nase bekam.
Von einem Moment auf den anderen wurden ihre Augen blutrot, die Pupillen weiteten sich, und ihre Fangzähne fuhren aus. Sie sprang auf mich los. ich duckte mich unter ihr weg, zog das Kreuz und die Derringer, wich schnell an die Wand am anderen Ende des Raumes zurück und hielt beide Waffen vor mich. Das Kreuz für die Vampirin, die Pistole für ihren Troll. Die Fangzähne voll ausgefahren, fauchte sie mich an. ihre Krallen waren weiß wie Knochen und fünf Zentimeter lang. Der Troll hatte eine Pistole gezogen. Eine große Pistole. Männer und ihre Wer-hat-den-Längsten-Spielchen. Mist. Nie ließen sie mich die Einzige mit einer Schusswaffe sein. »Ein Räuber«, fauchte sie. »in meinem Revier.« Die Alarm Pheromone eines wütenden Vamps erfüllten die Luft, so bitter wie Wermut. »ich bin kein Mensch«, sagte ich mit fester Stimme. »Das ist es, was Sie riechen.« ich wusste, dass mein wild hämmernder Herzschlag sie nur noch mehr aufbrachte, aber daran konnte ich nichts ändern - ich bin ein Tier. Biologische Faktoren sind immer stärker. So viel dazu, dass ich nicht nervös sein wollte. Das Kreuz in meiner Hand glühte in einem kalten, weißen Licht, und Katie - falls das ihr richtiger Name war - wandte den Kopf ab und beschirmte ihre Augen. Dass sie nicht sofort angriff, hieß, sie überlegte. Gut. »Katie?«, fragte der Troll. »ich bin kein Mensch«, wiederholte ich. »ich würde den Troll hier nur sehr ungern erschießen, zumal er dann den Teppich voll-blutet, aber wenn es sein muss, tue ich es. « »Troll?«, fragte Katie. ihr Körper erstarrte zu dieser unmenschlichen Reglosigkeit, die Vamps eigen ist, wenn sie nachdenken, ausruhen oder was sie sonst so tun, wenn sie nicht gerade jagen, fressen oder töten. Dann ließ sie auf einmal die Schultern sinken, und ihre Reißzähne schnappten zurück in ihren Gaumen, als der Humor die Oberhand gewann. Vampire können nicht gleichzeitig lachen und im Angriffsmodus sein. Es sind zwei unvereinbare Seiten ihrer Natur - die eine höchst menschlich, die andere ganz blutrünstiger Jäger. Wahrscheinlich hatte ich Vorurteile, aber dies war der erste sogenannte zivilisierte Vampir, den ich kennenlernte. Alle anderen, mit denen ich bisher in Kontakt gekommen war, waren kranke, verrückte Killer. und dann tot. Endgültig tot. Die Augen des Trolls hinter der 45er, die auf mich zielte, wurden schmal. Vermutlich passte es ihm nicht, mit dem unhold aus Kindermärchen gleichgesetzt zu werden. Obwohl ich im Kämpfen besser war als im Verhandeln, schien mir Letzteres angeraten. »Pfeifen Sie ihn zurück. ich will mit ihnen reden.« ich zeigte auf meine Derringer. »Oder ich erledige Sie beide, ehe er einen Schuss abfeuern kann.« Es sei denn, er merkte rechtzeitig, dass ich vorhin beim Stolpern heimlich seine Waffe gesichert hatte. in dem Fall würde ich schießen müssen. Allerdings würde meine 22er ihn kaum kampfunfähig machen, höchstens, wenn ich ein Auge traf. Ein Brusttreffer würde ihn vermutlich nicht mal spürbar bremsen, sondern lediglich sauer machen. Da keiner von beiden sich auf mich stürzte, sagte ich gemessen: »ich bin nicht hergekommen, um Sie zu pfählen. Mein Name ist Jane Yellowrock, und ich bin hier, weil ich den Auftrag übernehmen will, einen Rogue auszuschalten, den ihr Rat zum Gesetzlosen erklärt hat. Aber ich rieche nicht menschlich, also treffe ich Vorsichtsmaßnahmen. ich habe hier ein Kreuz, einen Pflock und eine zweischüssige Derringer.« Die Erwähnung des Pflocks entging ihr nicht. und ihm auch nicht. Er hatte drei Waffen übersehen. Das konnte den Troll sein Weihnachtsgeld kosten.
»Was sind Sie?«, fragte sie. »Sagen Sie mir, wo Sie tagsüber schlafen, dann sage ich ihnen, was ich bin. Ansonsten können wir zum Geschäftlichen kommen. Oder ich gehe.« Nur Geliebten, engsten Freunden und Familie verrät ein Vamp, wo sich sein Nest befindet - der Ort, wo er schläft. Katie lachte auf. Es war ein seidiges Lachen, typisch für ihre Art, dunkel und erotisch, der reinste Sex. Beast schnurrte. ihr gefiel der Klang. »ist das ein Angebot, für eine Weile mein Spielzeug zu sein, Sie seltsame, nichtmenschliche Frau?« Als ich nicht antwortete, rückte sie trotz des glühenden Kreuzes etwas näher und raunte mir zu: »Sie sind interessant. Groß, schlank, jung.« Sie beugte sich vor und atmete meine Witterung ein. »Oder doch nicht so jung. Was sind Sie?«, wiederholte sie drängend und fasziniert. ihre Augen hatten wieder normale Farbe angenommen, ein ins Graugrün changierendes Braun, doch ihre hochrot durchbluteten Wangen verrieten mir, dass sie immer noch gewaltbereit war. und Gewalt konnte leicht meinen Tod bedeuten. »Geheimnisvoll«, murmelte sie, und ihre Stimme nahm diesen Ton an, mit dem Vamps ihren Opfern die Sinne verwirren - tiefe Schwingungen, die über jede Drüse zu streicheln scheinen. »Verführerisch, dieser Duft. Vermutlich köstlich. Vielleicht wäre ihr Blut einen Handel wert. Würden Sie in mein Bett kommen, wenn ich Sie einlade?« »Nein«, sagte ich. Ohne jede Betonung. Meine Stimme verriet kein interesse, keinen Abscheu, keine Unruhe, gar nichts. Nichts, was Vamp oder Diener reizen könnte. »Wie schade. Leg die Waffe weg, Tom. und bring unserem Gast etwas zu trinken.« ich wartete nicht ab, bis Tommy Troll seine Pistole runter nahm, um meine wegzustecken. Beast war nicht glücklich darüber, aber sie verstand, warum ich es tat. ich war hier der Eindringling in Katies Territorium. unterwerfen konnte ich mich nicht, aber immerhin Manieren zeigen. Tom ließ mit seiner Waffe auch die drohende Pose sinken. Er schob die Pistole ins Halfter und wandte sich einer gut bestückten Bar zu. »Tom?«, sagte ich. »Vielleicht möchten Sie ihre Waffe lieber ent sichern.« Er erstarrte mitten in der Bewegung. »ich hab den Hebel umgelegt, als ich im Flur gegen Sie stieß.« »unmöglich«, sagte er. »ich bin schnell. Deswegen hat ihre Arbeitgeberin mich eingeladen.« Er überprüfte seine 45er und nickte seiner Chefin bestätigend zu. Warum jemand überhaupt mit einer entsicherten Waffe herumlief, ging über meinen Verstand. Das zeugte entweder von Dummheit oder von extremer Anspannung, und Katie lebte schon zu lange, um dumm zu sein. Anscheinend machte der Rogue ihnen ernstlich Sorgen. ich schob das Kreuz in eine mit Bleifolie gefütterte Tasche am Ledergürtel meiner Levis, steckte die kleine Pistole dazu und verschloss die Tasche sorgfältig. Zwar hatte die Derringer eine Sicherung, aber die war bei so einer kleinen Waffe schnell gelöst, wenn ich versehentlich dagegen kam. »Da verstecken Sie ihre Waffen?«, fragte Katie. Als ich sie nur stumm ansah, zuckte sie die Achseln, als hätte sich meine Antwort erübrigt, und murmelte: »Bemerkenswert. Sie sind wirklich bemerkenswert.«
Katie hatte glattes, dunkelblondes Haar, so dick, dass es bei jeder Bewegung zu flüstern schien, und so lang, dass es über die ganze aquamarinblaue Seide herabfloss, die sie umhüllte wie eine zweite Haut. Sie maß kaum eins fünfundfünfzig, aber bei ihrer Spezies war Macht keine Frage der Körpergröße. Sie bewegte sich ebenso schnell wie ich und konnte in Sekundenbruchteilen töten. Die polierten Nägel trug sie kurz geschnitten, wenn sie nicht im Angriffsmodus war. Sie hatte blasse Haut und exotisch geschminkte Augen, ägyptischer Stil, mit viel schwarzem Lidstrich und etwas Glitzerndem darüber. Ein Look, den ich mich nie getraut hätte. Aber ich persönlich würde auch lieber einen Grizzly niederstarren als versuchen, einen »Look« hinzubekommen. »Was darf es sein, Miz Yellowrock?«, fragte Tom. »Nur Cola. Kein Diätkram.« Er öffnete eine Dose und goss Cola in ein Glas mit Eiswürfeln, die knisterten und knackten, als die Flüssigkeit sie traf, dann steckte er eine Zitronenscheibe auf den Rand und reichte es mir. Seine Arbeitgeberin bekam ein schlankes, hohes Stielglas mit etwas Milchigem darin, das scharf und nach Alkohol roch. Nun ja, immerhin war es nicht Blut auf Eis. Bäh. »Danke, dass Sie den weiten Weg auf sich genommen haben.« Katie nahm auf einem der beiden Sessel Platz und wies mir mit einer Handbewegung den anderen zu. Beide standen mit dem Rücken zur Tür, was mir nicht recht war, aber ich setzte mich trotzdem, während sie fortfuhr: »Wir haben uns noch nicht miteinander bekannt gemacht, und das in-ter-net« - sie dehnte die einzelnen Silben, als wäre der Ausdruck ihr fremd - »ist kein Ersatz für eine förmliche Vorstellung. ich bin Katherine Fonteneau. « Sie hielt mir ihre Fingerspitzen hin, und ich nahm sie kurz in meine Hand. »Jane Yellowrock«, erwiderte ich, auch wenn sich das etwas überflüssig anfühlte. Sie nippte an ihrem Getränk und ich an meinem. Dann fand ich, dass der Etikette Genüge getan war. »Bekomme ich den Auftrag?«, fragte ich. Katies Handbewegung wischte meine unverfrorenheit elegant beiseite. »ich lerne Leute gern ein wenig kennen, bevor ich mit ihnen Geschäfte mache. Erzählen Sie mir von sich.«
Verflixt. Die Sonne war untergegangen. Zeit, die Stadt zu erkunden, ihre Gerüche zu sondieren, ein Gefühl für die Gegend zu bekommen. ich hatte noch viel zu regeln; ich musste eine Wohnung mieten, Felsblöcke auftreiben, Fleisch kaufen. »Sie waren auf meiner Webseite und haben mit Sicherheit meine Vita gelesen. Da steht es alles schwarz auf weiß.« Oder vielmehr in farbiger Grafik, aber trotzdem. Katie hob höflich die Augenbrauen. »ihre Vita ist dürftig und wenig aussagekräftig. Da wird zum Beispiel gar nicht erwähnt, dass Sie als Zwölfjährige aus dem Wald aufgetaucht sind, ein Kind
der Wildnis, von Wölfen aufgezogen, das nicht einmal die grundlegendsten menschlichen Verhaltensregeln kannte. Dass Sie die nächsten sechs Jahre in einem Waisenhaus verbrachten. und dass Sie dann wiederum spurlos von der Bildfläche verschwanden, bis Sie vor zwei Jahren wieder aufkreuzten und sich daranmachten, meinesgleichen zu töten.«
Meine Nackenhaare wollten sich aufstellen, doch ich zwang mich zur Ruhe. Noch bevor ich die menschliche Sprache erlernte, hatte mich ein Stall voller halbwüchsiger Mädchen erbarmungslos in die Mangel genommen. Seitdem war ich gegen Provokation abgehärtet. ich grinste flegelhaft und schwang ein Bein über die Armlehne meines Sessels. Katie, eher eine Freundin der eleganten Attacke, sah leicht bestürzt drein. »ich wurde nicht von Wölfen aufgezogen. Jedenfalls glaube ich das nicht. Zumindest verspüre ich nie den Drang, den Mond anzuheulen. An die ersten zwölf Jahre meines Lebens habe ich keinerlei Erinnerung, also kann ich dazu nichts sagen, aber ich nehme an, dass ich eine Cherokee bin.« Zur Verdeutlichung tippte ich an mein schwarzes Haar, an die goldbraune Haut meines Gesichts und meine indianische Hakennase. »Von da an wuchs ich in einem christlichen Kinderheim in den Bergen von South Carolina auf. Mit achtzehn ging ich dort weg, verbrachte einige Zeit mit Reisen und machte dann eine zweijährige Ausbildung bei einem Wach- und Sicherheitsdienst. Anschließend habe ich mich selbstständig gemacht, und so kam ich zur Vampjagd. Was ist mit ihnen? Teilen Sie nun im Gegenzug ihre dunklen Geheimnisse mit mir, Katie von Katies Ladies? Allgemein bekannt als Katherine Fonteneau, alias Katherine Louisa Dupre, Katherine Pearl Duplantis oder Katherine Vuillemont - und das sind nur ein paar der vielen Namen, auf die ich gestoßen bin. Eine Dame, die letzten Februar ihre Schanklizenz erneuert hat, eingetragene Republikanerin und frenetische Wahlgängerin, wenn Sie den Ausdruck entschuldigen, mit einem Sitz im hiesigen
Vampirrat, zahlreichen Übersee-Konten unter verschiedenen Namen sowie Anteilen an zwei großen Hotels in dieser Stadt, ferner besitzt sie mindestens drei Restaurants, etliche Bars und genug Geld, um die ganze Stadt zu kaufen und weiterzuverscherbeln, wenn sie nur will.«
»ich sehe schon, wir haben beide unsere Erkundigungen eingezogen.«
Mich beschlich das Gefühl, dass Katherine mich unterhaltsam fand. Es musste hart sein, jahrhundertelang zu leben und sich dann unvermittelt in einer modernen Welt wiederzufinden, wo einen jeder kannte und man entweder lächerlich verklärt oder tödlich gefürchtet wurde. ich tat weder das eine noch das andere, und dem leichten Schmunzeln zufolge gefiel ihr das. »Also. Habe ich den Auftrag nun?«, fragte ich noch einmal. Nachdenklich betrachtete sie mich, als müsse sie meine Antworten und mein Benehmen abwägen. »Ja«, sagte sie dann. »ich habe ein kleines Haus herrichten lassen, sodass es den Anforderun gen auf ihrem in-ter-net-Formular entspricht.«
unwillkürlich hob ich die Augenbrauen. Offenbar war sie ziemlich fest entschlossen gewesen, mich anzuheuern. »Es grenzt an die Rückseite dieses Grundstücks.« Sie deutete vage hinter sich. »Der kleine L-förmige Garten ist ringsherum mit Backstein ummauert, und die Felsbrocken, die Sie sich wünschen, wurden vor zwei Tagen geliefert.« Okay. Jetzt war ich beeindruckt. Auf meiner Webseite steht, dass ich uneingeschränkten Zugang zu Felsen oder einem Steingarten benötige und keine Verpflichtung eingehe, wenn sich das nicht einrichten lässt. und diese Frau - dieser Vamp - hatte gut vor ge sorgt, damit mich nichts davon abhielt, den Auftrag zu übernehmen. Was hätte sie getan, wenn ich nein gesagt hätte? Auf einen Wink von ihr hin übernahm Tro- Tom das Reden. »Der Gärtner ist fast durchgedreht, aber dann hat er doch einen Weg gefunden, die Felsblöcke mit einem Kran in den Garten zu hieven und in seine Gestaltung zu integrieren. Er hat zwar geschimpft wie ein Rohrspatz, aber jetzt ist alles für Sie bereit.« »Würden Sie mir wohl verraten, wozu Sie Berge von Felsgestein benötigen?«, fragte Katie neugierig. »Meditation.« Als sie mich verständnislos ansah, sagte ich: »ich brauche die Steine zum Meditieren. So bereite ich mich auf die Jagd vor. « ich merkte, dass sie keine Ahnung hatte, was das sollte. Selbst für meine Ohren klang die Ausrede ziemlich dünn, dabei hatte ich sie erfunden. Daran musste ich wohl noch etwas feilen.
Katie erhob sich, und ich stellte meine Cola weg und folgte ihrem Beispiel. ihren übel riechenden Trunk hatte sie bereits geleert. ihr Atem roch leicht nach Lakritz. »Tom gibt ihnen den Vertrag und eine Übersicht der informationen, alles, was die Poli zei und von uns beauftragte Privatermittler über den Rogue zusammengetragen haben. Heute können Sie sich ausruhen oder tun, was immer ihnen gefällt. Morgen, wenn Sie mir den unterzeichneten Vertrag bringen, lade ich Sie ein, mit meinen Mädchen zu Abend zu essen, bevor Sie an die Arbeit gehen. Serviert wird zur siebten Stunde des Abends. ich werde nicht anwesend sein, sodass die Mädchen frei sprechen können. Vielleicht erfahren Sie etwas Wichtiges von ihnen.« Eine seltsame Formulierung für die uhrzeit, und noch seltsamer, dass sie mich bat, als Allererstes ihre Belegschaft auszuhorchen, aber ich ließ mir nichts anmerken. Vielleicht wusste eine von ihnen tatsächlich etwas über den Rogue. und vielleicht wusste Katie davon. »Nach dem Abendessen können Sie dann ihre Nachforschungen aufnehmen. Der Rat zahlt eine Prämie von zwanzig Prozent, wenn es ihnen gelingt, den Rogue innerhalb von zehn Tagen auszuschalten, ohne dass die Medien über uns herfallen.« Das ›uns‹ betonte sie so, dass klar war, sie meinte nicht sich und mich, sondern sprach von den Vamps. »Die Schlagzeilen und Berichte der menschlichen Medien waren recht ... heikel. und das Wüten des Rogue bringt unfrieden in den Vampirrat. Es ist also dringend«, sagte sie. Ich nickte. Klar. Von mir aus. Ich will bezahlt werden, folglich richte ich mich nach den Wünschen meiner Auftraggeber. Alles andere ist mir schnurz. Aber das sprach ich nicht laut aus. Katie hielt mir einen Hefter hin, und ich klemmte ihn unter den Arm. »Hier sind die Polizeifotos von den Tatorten, um die Sie gebeten haben. Drei Fetzen Stoff mit dem Blut der letzten Opfer, vom Hals, damit auch Speichel dran ist. « Vamp-Speichel, dachte ich. Gut, um seine Spur aufzunehmen. »Darin finden Sie auch eine Karte meiner Kontaktfrau beim New Orleans Police Department. Sie erwartet ihren Anruf. Wenn Sie sonst etwas brauchen, wenden Sie sich an Tom. « Katie sah mich mit kalten Augen an. Offensichtlich war ich entlassen. Sie war mit den Gedanken bereits woanders. Beim Abendessen? Jawohl. ihre Wangen waren jetzt bleich, und unvermittelt wirkte sie ganz ausgemergelt vor Hunger. ihr Blick streifte meinen Hals. Zeit, zu gehen.
© 2011 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH.
Ich reise mit leichtem Gepäck. Ich steuerte meine Maschine die Decatur Street entlang, tiefer ins French Quarter hinein. Der Motor schnurrte gleichmäßig. Das Magazin der Flinte auf meinem Rücken, einer Benelli M4 Super 90, war zur Vampjagd mit handgefertigter Flechetmunition aus Silber bestückt. unter der Lederjacke trug ich eine Sammlung Silberkreuze im Gürtel, in den Oberschenkelhalftern steckten Pflöcke. Die Satteltaschen enthielten mein ganzes bescheidenes Reisegepäck - Klamotten auf der einen Seite, auf der anderen das Werkzeug meiner Zunft. Als freiberuflicher Vampkiller reise ich mit leichtem Gepäck. Bei dem Vorstellungsgespräch, zu dem ich unterwegs war, würde ich meine Waffen nicht so offen tragen können. Die Gastgeberin mochte Anstoß daran nehmen. Was ungünstig wäre, da besagte Gastgeberin möglicherweise meinen nächsten Honorarscheck ausstellte und zudem selbst einen Satz Reißzähne besaß. in einem Hauseingang stand ein Kerl, ein gut aussehender Typ. Er wandte den Kopf und sah mir nach, als ich vorbeifuhr. Mit Lederstiefeln, Jacke und Jeans war er angezogen wie ich, nur sein dunkles Haar war kurz, während mir meins bis über die Hüften fällt, wenn ich es nicht in stramme Zöpfe flechte, was beim Kämpfen praktischer ist. Neben ihm stand eine Kawasaki. Sein interesse war mir nicht angenehm, doch er alarmierte weder meinen Raubtier- noch meinen Territorialinstinkt. Ich fuhr die St. Louis Street entlang und bog in die Dauphine Street ein, fädelte mich durch Scharen von rastlos wirkenden Fabrikarbeitern auf dem Nachhauseweg und vereinzelte frühe Nachtschwärmer. im schwindenden Tageslicht erspähte ich das gesuchte Haus. Katies Ladies war das dienstälteste Bordell im gesamten French Quarter und seit 1845 im Geschäft, wenn auch nicht immer in denselben Räumlichkeiten, bedingt durch Hurrikans, Flutwellen, Mietpreise und das schwankende Wohlwollen der Behörden. ich parkte die Maschine, klappte den Ständer aus und löste meine langen Beine von der Harley.
Auf einem Schrottplatz in North Carolina hatte ich zwei Motorräder entdeckt, die Rahmen voller Rost, die Gummiteile verrottet. Sie sahen erbärmlich aus. Aber ich kannte Jacob, einen Mechaniker im (Halb-)Ruhestand, der sich als Harley-Restaurator und Zenmeister des Harleykults an den Catawba River zurückgezogen hatte. Er nahm mein Geld, möbelte die eine Karre wieder auf, nutzte die zweite als Ersatzteillager und bestellte übers internet, was ihm fehlte. Er brauchte sechs Monate.
in der Zwischenzeit ging ich für ihn auf die Jagd, versorgte seine Frau und seine vier Kinder mit Wildfleisch, Kaninchen, Truthahn - was immer ich in meinem angeschlagenen Zustand zu fassen bekam. Mit meinen Ersparnissen stockte ich die Vorratskammer auf und nutzte die Zeit, um mich wieder in Form zu bringen. Es war das Beste, was ich in den langen Monaten der Genesung tun konnte. Denn sogar mit meinen übermenschlichen Selbstheilungskräften und meinem flexiblen Stoffwechsel dauert es eine Weile, bis eine Beinahe-Enthauptung gänzlich verheilt ist.
Dann, als ich wieder ganz auf dem Damm war, brauchte ich Arbeit. Das beste Angebot war der Auftrag, einen Rogue zur Strecke zu bringen: einen tollwütigen Vampir, der die Stadt New Orleans heimsuchte. Er hatte bereits drei Touristen gekillt und eine ganze Polizeieinheit lächelnd und blutleer am Tatort zurückgelassen. Gerüchten zufolge hatte er sich nicht mit ihrem Blut begnügt,
sondern auch ihre inneren Organe gefressen. Alles deutete darauf hin, dass dieser Rogue uralt, mächtig und tödlich gefährlich war - ein komplett durchgeknallter Vamp. Die Wahnsinnigen sind die Schlimmsten.
Letzte Woche hatte mich Katherine »Katie« Fonteneau, inhaberin und Namensgeberin von Katies Ladies, per E-Mail kontaktiert. Auf meiner Webseite war zu lesen, dass ich in den Bergen bei Asheville eine ganze Blutfamilie ausgelöscht hatte. und das stimmte. Auf meiner Webseite und in den Medienberichten stand die Wahrheit - oder jedenfalls keine Lüge. Die ganze Wahrheit war, dass ich dabei fast draufgegangen wäre. Doch ich hatte den Job durchgezogen, mir damit einen Namen gemacht und anschließend ein paar Monate Auszeit genommen, um mein redlich verdientes Geld sinnvoll anzulegen. Oder um mich auszukurieren, aber auf die Formulierung kommt es an. Ein ausgedehnter urlaub klang einfach besser.
ich setzte den Helm ab, zog die Spange aus dem Haar, holte meine Zöpfe aus dem Jackenkragen und schüttelte sie, dass die Perlen klickten. Dann nahm ich ein paar kleinere Werkzeuge - einen Pflock aus Eschenholz mit Silberspitze, eine Minipistole und ein Kreuz -, steckte sie unter meine Zöpfe und richtete diese so, dass nichts zu sehen war. Anschließend atmete ich tief durch, versuchte mich möglichst zu entspannen. Eine Frage der Sicherheit: ich war nervös, und einem Vamp gegenüber Nervosität zu zeigen war ausgesprochen dumm.
Die untergehende Sonne ließ den Horizont rot erglühen und verlieh den alten Gebäuden mit ihren geschlossenen Fensterläden und schmiedeeisernen Balkonen eine purpurne Färbung. Ein hübscher Anblick - für menschliche Augen. ich öffnete meine Sinne und ließ Beast die Welt schmecken. Die Gerüche gefielen ihr, und sie wollte umherstreifen. Später, versprach ich. Raubtiere knurren, wenn man sie ärgert. Bald - sie schlug mentale Krallen
in meine Seele, machte knetende Bewegungen mit ihren Pranken. Ein unangenehmes Gefühl, aber das Pieken ihrer Krallen hielt mich hellwach, und für das bevorstehende Treffen war das gut. ich hatte noch nie einen zivilisierten Vamp getroffen und erst recht keine Geschäfte mit einem gemacht. Soweit ich wusste, hatten Vamps und Skinwalker niemals miteinander zu tun gehabt. Das würde ich nun ändern. Was interessant werden könnte.
ich steckte meine Sonnenbrille an den Kragen, die Gläser nach außen, und warf noch einen prüfenden Blick auf die Zauberschlösser an meinen Satteltaschen, dann ging ich beruhigt zu der schmalen roten Tür und drückte die Klingel. Der kahl rasierte Mann, der mir öffnete, war ohne Zweifel ein Mensch, aber groß genug, um etwas anderes zu sein. Profi-Wrestler, mit Anabolika aufgepumpter Bodybuilder oder ein Troll. Vielleicht auch alles zusammen. Bei diesem Gedanken musste ich schmunzeln. Er stand in der Tür, die Arme locker an den Seiten, aktionsbereit. »Was ist so komisch?«, fragte er mit einer Stimme wie Hufescharren auf steinigem Grund.
»Nichts weiter. Melden Sie Katie, Jane Yellowrock ist da.« Bei neuen Bekanntschaften ist die harte Tour zum Einstieg immer das Beste. Dass meine Knie dabei zitterten, hatte nichts zu sagen.
»Karte?«, fragte der Troll-Mann. Ein Mann von wenig Worten. ich mochte ihn jetzt schon. Mein neuer bester Freund. Mit zwei behandschuhten Fingern öffnete ich den Reißverschluss meiner Lederjacke, fischte eine Visitenkarte aus der innentasche und hielt sie ihm hin. Darauf stand: JANE YELLOWROCK - EiN PFLOCK FÜR ALLE FÄLLE. Vamps killen ist ein blutiges Geschäft. ich hatte festgestellt, dass eine Prise Humor es deutlich erträglicher machte.
Der Troll nahm die Karte und schlug mir die Tür vor der Nase zu. Vielleicht sollte ich meinem neuen Freund noch ein paar Manieren beibringen. Das allerdings galt mehr oder weniger für alle Männer, die ich kannte.
Zwei Blocks entfernt hörte ich ein Motorrad. Keine Harley. Vielleicht eine Kawasaki, wie der hellrote Reiskocher, den ich vorhin gesehen hatte. ich war nicht überrascht, als die Maschine in Sicht kam und ich den Typ erblickte, der mir schon in der Decatur Street aufgefallen war. Er hielt neben meiner Harley, stellte den Motor ab und blieb sitzen, die Augen hinter der Sonnenbrille verborgen. Zwischen seinen Lippen steckte ein Zahnstocher, der einmal kurz zuckte, als er den Helm abnahm.
Der Typ sah verdammt gut aus. Etwas größer als ich mit meinen eins dreiundachtzig, olivfarbene Haut, schwarzes Haar, schwarze Augenbrauen. Schwarze Jacke, schwarze Jeans. Schwarze Stiefel. Ein bisschen viel Schwarz vielleicht, aber er konnte es tragen. Muskulöse Beine schmiegten sich um die rote Maschine.
Kein Silber zu sehen. Auch keine Flinte, aber eine verdächtige Beule unter seinem rechten Arm. Offenbar Linkshänder. Etwas schimmerte hinten in seinem Kragen. Der Griff eines Messers, das in einer Rückenscheide steckte. Vielleicht auch mehrere Klingen. Seine Stiefel waren abgetreten (Westernstiefel wie meine, keine Harley-Bikerboots, aber von Frye, während ich die aus Straußenleder von Lucchese trage. ich prüfte seine Witterung, meine Nasenflügel blähten sich. Seine Stiefel rochen nach frischem Pferdemist. Ein Hiesiger also, oder zumindest jemand, der lange genug hier lebte, um zu wissen, wo man reiten konnte. ich roch Pferdeschweiß und Heu, eine saubere Duftmischung. und Zigarre. Als ich Zigarre roch, fing ich an ihn zu mögen. Dazu ein Hauch von Stahl, Waffenöl und Silber - da war ich verliebt. Na ja, gewissermaßen. Beast fand, er sei ganz süß und vielleicht sogar hart genug, um unserer würdig zu sein. und doch haftete an dem Mann irgendein unterschwelliger Duft, schwächer als die anderen, der meinen Argwohn weckte.
Die Stille dauerte länger als erwartet. Da er sich neben mir aufgebaut hatte, starrte ich ihn bloß an, und das Schweigen war
dem Typ offensichtlich unbehaglich. Mir nicht. ich gönnte mir ein schiefes Grinsen. Er lächelte zurück und stieg behände von seinem Motorrad. Hinter mir, im Haus, vernahm ich Schritte. ich stellte mich lieber so, dass ich den Typ und die Haustür im Auge hatte. Das ging natürlich nicht unauffällig, aber ich hob eine Schulter zum Zeichen, dass es nicht böse gemeint war. Vorsicht war besser als Nachsicht. Auch bei gut aussehenden Männern.
Der Troll öffnete die Tür und ruckte mit dem Kopf. Was ich richtig als Einladung deutete und eintrat. »interessante Freunde haben Sie«, sagte der Troll, als sich die Tür vor dem mysteriösen Kerl schloss.
»ich kenne ihn nicht. Wo soll ich meine Waffen ablegen?« Besser, man bot es von sich aus an, als sie abgenommen zu bekommen. Es gibt viele Arten von Machtspielchen. Der Troll öffnete einen großen alten Schrank. ich schnallte das Schulterhalfter ab und legte es hinein. Dann zog ich Silberkreuze aus dem Gürtel, aus den Hosentaschen und unter der Jacke hervor, bis sich ein hübsches Häuflein angesammelt hatte. Dreizehn Kreuze - das wirkte übertrieben, aber es lenkte die Leute von meinen Reservewaffen ab. Als Nächstes kamen die hölzernen und silbernen Pflöcke. Jeweils dreizehn. und das Silberfläschchen mit Weihwasser. Nur eins. Wenn ich davon dreizehn Stück mit mir herumtrage, mache ich beim Gehen Schwappgeräusche.
ich hängte meine Lederjacke auf einen Bügel und steckte die Sonnenbrille zu meinem Handy in die innentasche. Dann schloss ich die Schranktür und stellte mich so hin, dass der Troll mich gut filzen konnte. Er grunzte überrascht, aber erfreut und machte seine Arbeit gründlich. Es sprach für ihn, dass er es nicht sonderlich zu genießen schien - er benutzte nur die Handrücken, keine Finger, und berührte mich weder unsittlich noch irgendwo länger als nötig. Seine Atmung beschleunigte sich nicht, sein Herzschlag blieb gleichmäßig - so etwas entgeht mir nicht, wenn es still genug ist. Nachdem er sorgsam die Schäfte meiner Stiefel untersucht hatte, sagte er: »Hier entlang.« Ich folgte ihm durch einen engen Flur, der zwei scharfe Kurven machte, in den rückwärtigen Teil des Hauses. Wir wanderten über alte persische Teppiche vorbei an Öl- und Aquarellgemälden von berühmten und weniger berühmten Künstlern. Die Lalique Wandleuchter aus getöntem Glas sahen echt aus, nicht wie Reproduktionen, aber vielleicht ließ sich so etwas auch auf alt trimmen, keine Ahnung. Die Wände waren in einem sehr zarten Buttergelb gestrichen, das mit den Leuchtern zusammen die Gemälde erhellte. Höchst stilvoll für ein Bordell. Das Schulmädchen aus dem christlichen Waisenhaus in mir war befremdet und zugleich fasziniert.
Als der Troll vor der roten Tür am Ende des Flurs stehen blieb, stolperte ich über eine Teppichkante. Er fing mich mit einer Hand ab, und ich drückte mich von ihm weg, wobei ich ihn kaum berührte. ich setzte ein verlegenes Gesicht auf; er schüttelte den Kopf und klopfte. ich wappnete mich innerlich und betastete das Kreuz, das er übersehen hatte. und die kleine zweischüssige Derringer. Beides war oben am Scheitel unter meinen Zöpfen versteckt, wo Männer niemals nachsahen, im Gegensatz zu meinen Stiefeln, in die sie immer ihre Finger stecken mussten. Er öffnete die Tür und machte einen Schritt zur Seite. ich trat ein.
Der Raum war spartanisch, aber kostspielig eingerichtet; die Möbel sahen durchweg spanisch aus. Altspanisch. So alt, als stammten sie aus der Zeit von Königin isabella und Christoph Kolumbus. Die Frau, die neben dem Schreibtisch stand, trug ein aquamarinblaues Kleid und weiche Slipper. Man konnte sie für zwanzig halten. Aber nur, bis man ihr in die Augen sah. Dann hätte sie für die ältere Schwester besagter Königin durchgehen können. ihr Blick war alt, uralt. Friedlich kam sie mir entgegen. Bis sie meine Witterung in die Nase bekam.
Von einem Moment auf den anderen wurden ihre Augen blutrot, die Pupillen weiteten sich, und ihre Fangzähne fuhren aus. Sie sprang auf mich los. ich duckte mich unter ihr weg, zog das Kreuz und die Derringer, wich schnell an die Wand am anderen Ende des Raumes zurück und hielt beide Waffen vor mich. Das Kreuz für die Vampirin, die Pistole für ihren Troll. Die Fangzähne voll ausgefahren, fauchte sie mich an. ihre Krallen waren weiß wie Knochen und fünf Zentimeter lang. Der Troll hatte eine Pistole gezogen. Eine große Pistole. Männer und ihre Wer-hat-den-Längsten-Spielchen. Mist. Nie ließen sie mich die Einzige mit einer Schusswaffe sein. »Ein Räuber«, fauchte sie. »in meinem Revier.« Die Alarm Pheromone eines wütenden Vamps erfüllten die Luft, so bitter wie Wermut. »ich bin kein Mensch«, sagte ich mit fester Stimme. »Das ist es, was Sie riechen.« ich wusste, dass mein wild hämmernder Herzschlag sie nur noch mehr aufbrachte, aber daran konnte ich nichts ändern - ich bin ein Tier. Biologische Faktoren sind immer stärker. So viel dazu, dass ich nicht nervös sein wollte. Das Kreuz in meiner Hand glühte in einem kalten, weißen Licht, und Katie - falls das ihr richtiger Name war - wandte den Kopf ab und beschirmte ihre Augen. Dass sie nicht sofort angriff, hieß, sie überlegte. Gut. »Katie?«, fragte der Troll. »ich bin kein Mensch«, wiederholte ich. »ich würde den Troll hier nur sehr ungern erschießen, zumal er dann den Teppich voll-blutet, aber wenn es sein muss, tue ich es. « »Troll?«, fragte Katie. ihr Körper erstarrte zu dieser unmenschlichen Reglosigkeit, die Vamps eigen ist, wenn sie nachdenken, ausruhen oder was sie sonst so tun, wenn sie nicht gerade jagen, fressen oder töten. Dann ließ sie auf einmal die Schultern sinken, und ihre Reißzähne schnappten zurück in ihren Gaumen, als der Humor die Oberhand gewann. Vampire können nicht gleichzeitig lachen und im Angriffsmodus sein. Es sind zwei unvereinbare Seiten ihrer Natur - die eine höchst menschlich, die andere ganz blutrünstiger Jäger. Wahrscheinlich hatte ich Vorurteile, aber dies war der erste sogenannte zivilisierte Vampir, den ich kennenlernte. Alle anderen, mit denen ich bisher in Kontakt gekommen war, waren kranke, verrückte Killer. und dann tot. Endgültig tot. Die Augen des Trolls hinter der 45er, die auf mich zielte, wurden schmal. Vermutlich passte es ihm nicht, mit dem unhold aus Kindermärchen gleichgesetzt zu werden. Obwohl ich im Kämpfen besser war als im Verhandeln, schien mir Letzteres angeraten. »Pfeifen Sie ihn zurück. ich will mit ihnen reden.« ich zeigte auf meine Derringer. »Oder ich erledige Sie beide, ehe er einen Schuss abfeuern kann.« Es sei denn, er merkte rechtzeitig, dass ich vorhin beim Stolpern heimlich seine Waffe gesichert hatte. in dem Fall würde ich schießen müssen. Allerdings würde meine 22er ihn kaum kampfunfähig machen, höchstens, wenn ich ein Auge traf. Ein Brusttreffer würde ihn vermutlich nicht mal spürbar bremsen, sondern lediglich sauer machen. Da keiner von beiden sich auf mich stürzte, sagte ich gemessen: »ich bin nicht hergekommen, um Sie zu pfählen. Mein Name ist Jane Yellowrock, und ich bin hier, weil ich den Auftrag übernehmen will, einen Rogue auszuschalten, den ihr Rat zum Gesetzlosen erklärt hat. Aber ich rieche nicht menschlich, also treffe ich Vorsichtsmaßnahmen. ich habe hier ein Kreuz, einen Pflock und eine zweischüssige Derringer.« Die Erwähnung des Pflocks entging ihr nicht. und ihm auch nicht. Er hatte drei Waffen übersehen. Das konnte den Troll sein Weihnachtsgeld kosten.
»Was sind Sie?«, fragte sie. »Sagen Sie mir, wo Sie tagsüber schlafen, dann sage ich ihnen, was ich bin. Ansonsten können wir zum Geschäftlichen kommen. Oder ich gehe.« Nur Geliebten, engsten Freunden und Familie verrät ein Vamp, wo sich sein Nest befindet - der Ort, wo er schläft. Katie lachte auf. Es war ein seidiges Lachen, typisch für ihre Art, dunkel und erotisch, der reinste Sex. Beast schnurrte. ihr gefiel der Klang. »ist das ein Angebot, für eine Weile mein Spielzeug zu sein, Sie seltsame, nichtmenschliche Frau?« Als ich nicht antwortete, rückte sie trotz des glühenden Kreuzes etwas näher und raunte mir zu: »Sie sind interessant. Groß, schlank, jung.« Sie beugte sich vor und atmete meine Witterung ein. »Oder doch nicht so jung. Was sind Sie?«, wiederholte sie drängend und fasziniert. ihre Augen hatten wieder normale Farbe angenommen, ein ins Graugrün changierendes Braun, doch ihre hochrot durchbluteten Wangen verrieten mir, dass sie immer noch gewaltbereit war. und Gewalt konnte leicht meinen Tod bedeuten. »Geheimnisvoll«, murmelte sie, und ihre Stimme nahm diesen Ton an, mit dem Vamps ihren Opfern die Sinne verwirren - tiefe Schwingungen, die über jede Drüse zu streicheln scheinen. »Verführerisch, dieser Duft. Vermutlich köstlich. Vielleicht wäre ihr Blut einen Handel wert. Würden Sie in mein Bett kommen, wenn ich Sie einlade?« »Nein«, sagte ich. Ohne jede Betonung. Meine Stimme verriet kein interesse, keinen Abscheu, keine Unruhe, gar nichts. Nichts, was Vamp oder Diener reizen könnte. »Wie schade. Leg die Waffe weg, Tom. und bring unserem Gast etwas zu trinken.« ich wartete nicht ab, bis Tommy Troll seine Pistole runter nahm, um meine wegzustecken. Beast war nicht glücklich darüber, aber sie verstand, warum ich es tat. ich war hier der Eindringling in Katies Territorium. unterwerfen konnte ich mich nicht, aber immerhin Manieren zeigen. Tom ließ mit seiner Waffe auch die drohende Pose sinken. Er schob die Pistole ins Halfter und wandte sich einer gut bestückten Bar zu. »Tom?«, sagte ich. »Vielleicht möchten Sie ihre Waffe lieber ent sichern.« Er erstarrte mitten in der Bewegung. »ich hab den Hebel umgelegt, als ich im Flur gegen Sie stieß.« »unmöglich«, sagte er. »ich bin schnell. Deswegen hat ihre Arbeitgeberin mich eingeladen.« Er überprüfte seine 45er und nickte seiner Chefin bestätigend zu. Warum jemand überhaupt mit einer entsicherten Waffe herumlief, ging über meinen Verstand. Das zeugte entweder von Dummheit oder von extremer Anspannung, und Katie lebte schon zu lange, um dumm zu sein. Anscheinend machte der Rogue ihnen ernstlich Sorgen. ich schob das Kreuz in eine mit Bleifolie gefütterte Tasche am Ledergürtel meiner Levis, steckte die kleine Pistole dazu und verschloss die Tasche sorgfältig. Zwar hatte die Derringer eine Sicherung, aber die war bei so einer kleinen Waffe schnell gelöst, wenn ich versehentlich dagegen kam. »Da verstecken Sie ihre Waffen?«, fragte Katie. Als ich sie nur stumm ansah, zuckte sie die Achseln, als hätte sich meine Antwort erübrigt, und murmelte: »Bemerkenswert. Sie sind wirklich bemerkenswert.«
Katie hatte glattes, dunkelblondes Haar, so dick, dass es bei jeder Bewegung zu flüstern schien, und so lang, dass es über die ganze aquamarinblaue Seide herabfloss, die sie umhüllte wie eine zweite Haut. Sie maß kaum eins fünfundfünfzig, aber bei ihrer Spezies war Macht keine Frage der Körpergröße. Sie bewegte sich ebenso schnell wie ich und konnte in Sekundenbruchteilen töten. Die polierten Nägel trug sie kurz geschnitten, wenn sie nicht im Angriffsmodus war. Sie hatte blasse Haut und exotisch geschminkte Augen, ägyptischer Stil, mit viel schwarzem Lidstrich und etwas Glitzerndem darüber. Ein Look, den ich mich nie getraut hätte. Aber ich persönlich würde auch lieber einen Grizzly niederstarren als versuchen, einen »Look« hinzubekommen. »Was darf es sein, Miz Yellowrock?«, fragte Tom. »Nur Cola. Kein Diätkram.« Er öffnete eine Dose und goss Cola in ein Glas mit Eiswürfeln, die knisterten und knackten, als die Flüssigkeit sie traf, dann steckte er eine Zitronenscheibe auf den Rand und reichte es mir. Seine Arbeitgeberin bekam ein schlankes, hohes Stielglas mit etwas Milchigem darin, das scharf und nach Alkohol roch. Nun ja, immerhin war es nicht Blut auf Eis. Bäh. »Danke, dass Sie den weiten Weg auf sich genommen haben.« Katie nahm auf einem der beiden Sessel Platz und wies mir mit einer Handbewegung den anderen zu. Beide standen mit dem Rücken zur Tür, was mir nicht recht war, aber ich setzte mich trotzdem, während sie fortfuhr: »Wir haben uns noch nicht miteinander bekannt gemacht, und das in-ter-net« - sie dehnte die einzelnen Silben, als wäre der Ausdruck ihr fremd - »ist kein Ersatz für eine förmliche Vorstellung. ich bin Katherine Fonteneau. « Sie hielt mir ihre Fingerspitzen hin, und ich nahm sie kurz in meine Hand. »Jane Yellowrock«, erwiderte ich, auch wenn sich das etwas überflüssig anfühlte. Sie nippte an ihrem Getränk und ich an meinem. Dann fand ich, dass der Etikette Genüge getan war. »Bekomme ich den Auftrag?«, fragte ich. Katies Handbewegung wischte meine unverfrorenheit elegant beiseite. »ich lerne Leute gern ein wenig kennen, bevor ich mit ihnen Geschäfte mache. Erzählen Sie mir von sich.«
Verflixt. Die Sonne war untergegangen. Zeit, die Stadt zu erkunden, ihre Gerüche zu sondieren, ein Gefühl für die Gegend zu bekommen. ich hatte noch viel zu regeln; ich musste eine Wohnung mieten, Felsblöcke auftreiben, Fleisch kaufen. »Sie waren auf meiner Webseite und haben mit Sicherheit meine Vita gelesen. Da steht es alles schwarz auf weiß.« Oder vielmehr in farbiger Grafik, aber trotzdem. Katie hob höflich die Augenbrauen. »ihre Vita ist dürftig und wenig aussagekräftig. Da wird zum Beispiel gar nicht erwähnt, dass Sie als Zwölfjährige aus dem Wald aufgetaucht sind, ein Kind
der Wildnis, von Wölfen aufgezogen, das nicht einmal die grundlegendsten menschlichen Verhaltensregeln kannte. Dass Sie die nächsten sechs Jahre in einem Waisenhaus verbrachten. und dass Sie dann wiederum spurlos von der Bildfläche verschwanden, bis Sie vor zwei Jahren wieder aufkreuzten und sich daranmachten, meinesgleichen zu töten.«
Meine Nackenhaare wollten sich aufstellen, doch ich zwang mich zur Ruhe. Noch bevor ich die menschliche Sprache erlernte, hatte mich ein Stall voller halbwüchsiger Mädchen erbarmungslos in die Mangel genommen. Seitdem war ich gegen Provokation abgehärtet. ich grinste flegelhaft und schwang ein Bein über die Armlehne meines Sessels. Katie, eher eine Freundin der eleganten Attacke, sah leicht bestürzt drein. »ich wurde nicht von Wölfen aufgezogen. Jedenfalls glaube ich das nicht. Zumindest verspüre ich nie den Drang, den Mond anzuheulen. An die ersten zwölf Jahre meines Lebens habe ich keinerlei Erinnerung, also kann ich dazu nichts sagen, aber ich nehme an, dass ich eine Cherokee bin.« Zur Verdeutlichung tippte ich an mein schwarzes Haar, an die goldbraune Haut meines Gesichts und meine indianische Hakennase. »Von da an wuchs ich in einem christlichen Kinderheim in den Bergen von South Carolina auf. Mit achtzehn ging ich dort weg, verbrachte einige Zeit mit Reisen und machte dann eine zweijährige Ausbildung bei einem Wach- und Sicherheitsdienst. Anschließend habe ich mich selbstständig gemacht, und so kam ich zur Vampjagd. Was ist mit ihnen? Teilen Sie nun im Gegenzug ihre dunklen Geheimnisse mit mir, Katie von Katies Ladies? Allgemein bekannt als Katherine Fonteneau, alias Katherine Louisa Dupre, Katherine Pearl Duplantis oder Katherine Vuillemont - und das sind nur ein paar der vielen Namen, auf die ich gestoßen bin. Eine Dame, die letzten Februar ihre Schanklizenz erneuert hat, eingetragene Republikanerin und frenetische Wahlgängerin, wenn Sie den Ausdruck entschuldigen, mit einem Sitz im hiesigen
Vampirrat, zahlreichen Übersee-Konten unter verschiedenen Namen sowie Anteilen an zwei großen Hotels in dieser Stadt, ferner besitzt sie mindestens drei Restaurants, etliche Bars und genug Geld, um die ganze Stadt zu kaufen und weiterzuverscherbeln, wenn sie nur will.«
»ich sehe schon, wir haben beide unsere Erkundigungen eingezogen.«
Mich beschlich das Gefühl, dass Katherine mich unterhaltsam fand. Es musste hart sein, jahrhundertelang zu leben und sich dann unvermittelt in einer modernen Welt wiederzufinden, wo einen jeder kannte und man entweder lächerlich verklärt oder tödlich gefürchtet wurde. ich tat weder das eine noch das andere, und dem leichten Schmunzeln zufolge gefiel ihr das. »Also. Habe ich den Auftrag nun?«, fragte ich noch einmal. Nachdenklich betrachtete sie mich, als müsse sie meine Antworten und mein Benehmen abwägen. »Ja«, sagte sie dann. »ich habe ein kleines Haus herrichten lassen, sodass es den Anforderun gen auf ihrem in-ter-net-Formular entspricht.«
unwillkürlich hob ich die Augenbrauen. Offenbar war sie ziemlich fest entschlossen gewesen, mich anzuheuern. »Es grenzt an die Rückseite dieses Grundstücks.« Sie deutete vage hinter sich. »Der kleine L-förmige Garten ist ringsherum mit Backstein ummauert, und die Felsbrocken, die Sie sich wünschen, wurden vor zwei Tagen geliefert.« Okay. Jetzt war ich beeindruckt. Auf meiner Webseite steht, dass ich uneingeschränkten Zugang zu Felsen oder einem Steingarten benötige und keine Verpflichtung eingehe, wenn sich das nicht einrichten lässt. und diese Frau - dieser Vamp - hatte gut vor ge sorgt, damit mich nichts davon abhielt, den Auftrag zu übernehmen. Was hätte sie getan, wenn ich nein gesagt hätte? Auf einen Wink von ihr hin übernahm Tro- Tom das Reden. »Der Gärtner ist fast durchgedreht, aber dann hat er doch einen Weg gefunden, die Felsblöcke mit einem Kran in den Garten zu hieven und in seine Gestaltung zu integrieren. Er hat zwar geschimpft wie ein Rohrspatz, aber jetzt ist alles für Sie bereit.« »Würden Sie mir wohl verraten, wozu Sie Berge von Felsgestein benötigen?«, fragte Katie neugierig. »Meditation.« Als sie mich verständnislos ansah, sagte ich: »ich brauche die Steine zum Meditieren. So bereite ich mich auf die Jagd vor. « ich merkte, dass sie keine Ahnung hatte, was das sollte. Selbst für meine Ohren klang die Ausrede ziemlich dünn, dabei hatte ich sie erfunden. Daran musste ich wohl noch etwas feilen.
Katie erhob sich, und ich stellte meine Cola weg und folgte ihrem Beispiel. ihren übel riechenden Trunk hatte sie bereits geleert. ihr Atem roch leicht nach Lakritz. »Tom gibt ihnen den Vertrag und eine Übersicht der informationen, alles, was die Poli zei und von uns beauftragte Privatermittler über den Rogue zusammengetragen haben. Heute können Sie sich ausruhen oder tun, was immer ihnen gefällt. Morgen, wenn Sie mir den unterzeichneten Vertrag bringen, lade ich Sie ein, mit meinen Mädchen zu Abend zu essen, bevor Sie an die Arbeit gehen. Serviert wird zur siebten Stunde des Abends. ich werde nicht anwesend sein, sodass die Mädchen frei sprechen können. Vielleicht erfahren Sie etwas Wichtiges von ihnen.« Eine seltsame Formulierung für die uhrzeit, und noch seltsamer, dass sie mich bat, als Allererstes ihre Belegschaft auszuhorchen, aber ich ließ mir nichts anmerken. Vielleicht wusste eine von ihnen tatsächlich etwas über den Rogue. und vielleicht wusste Katie davon. »Nach dem Abendessen können Sie dann ihre Nachforschungen aufnehmen. Der Rat zahlt eine Prämie von zwanzig Prozent, wenn es ihnen gelingt, den Rogue innerhalb von zehn Tagen auszuschalten, ohne dass die Medien über uns herfallen.« Das ›uns‹ betonte sie so, dass klar war, sie meinte nicht sich und mich, sondern sprach von den Vamps. »Die Schlagzeilen und Berichte der menschlichen Medien waren recht ... heikel. und das Wüten des Rogue bringt unfrieden in den Vampirrat. Es ist also dringend«, sagte sie. Ich nickte. Klar. Von mir aus. Ich will bezahlt werden, folglich richte ich mich nach den Wünschen meiner Auftraggeber. Alles andere ist mir schnurz. Aber das sprach ich nicht laut aus. Katie hielt mir einen Hefter hin, und ich klemmte ihn unter den Arm. »Hier sind die Polizeifotos von den Tatorten, um die Sie gebeten haben. Drei Fetzen Stoff mit dem Blut der letzten Opfer, vom Hals, damit auch Speichel dran ist. « Vamp-Speichel, dachte ich. Gut, um seine Spur aufzunehmen. »Darin finden Sie auch eine Karte meiner Kontaktfrau beim New Orleans Police Department. Sie erwartet ihren Anruf. Wenn Sie sonst etwas brauchen, wenden Sie sich an Tom. « Katie sah mich mit kalten Augen an. Offensichtlich war ich entlassen. Sie war mit den Gedanken bereits woanders. Beim Abendessen? Jawohl. ihre Wangen waren jetzt bleich, und unvermittelt wirkte sie ganz ausgemergelt vor Hunger. ihr Blick streifte meinen Hals. Zeit, zu gehen.
© 2011 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH.
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Autoren-Porträt von Faith Hunter
Faith Hunter ist in Louisiana aufgewachsen. Bereits in ihrer Jugend entwickelte sie eine Vorliebe für Science Fiction und Fantasy. 2006 wurde ihr erster eigener Fantasy-Roman veröffentlicht.
Bibliographische Angaben
- Autor: Faith Hunter
- 2011, 1. Aufl., 448 Seiten, Maße: 12,6 x 18,1 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Ins Dtsche. übertr. v. Stefanie Zeller
- Übersetzer: Stefanie Zeller
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802583876
- ISBN-13: 9783802583872
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