Ferdinand Porsche
Er hat Sportwagen für Daimler-Benz gebaut, den Silberpfeil der Auto-Union und den T-80, der mit 700 km/h über die Reichsautobahn rasen sollte; er konstruierte Elektroautos, Panzer, Traktoren und schliesslich den "Käfer" - Ferdinand Porsche (1875-1951) war...
Er hat Sportwagen für Daimler-Benz gebaut, den Silberpfeil der Auto-Union und den T-80, der mit 700 km/h über die Reichsautobahn rasen sollte; er konstruierte Elektroautos, Panzer, Traktoren und schliesslich den "Käfer" - Ferdinand Porsche (1875-1951) war zeitlebens ein Generalist der Mobilität. In seinem Weg vom Angestellten in einer Wiener Hofkutschenfabrik zum Chefdenker eines modernen Großwerks spiegelt sich die technische Revolution, die das gesamte 20. Jahrhundert prägte.
Wer war dieser Mann, der 1932 fast in die Dienste Stalins getreten wäre, dann aber auch Hitlers Liebling in Autofragen wurde und sich anschickte, ein deutscher Henry Ford zu werden?
Reinhard Osterroth erzählt das Leben eines genialischen Erfinders, eines charmant-cholerischen Originals udn zugleich nüchtern-rigorosen Homo Faber - und lässt, wie nebenbei, ein gutes Stück Wirtschafts- und Zeitgeschichte lebendig werden.
FerdinandPorsche von Reinhard Osteroth
LESEPROBE
Bei Austro-Daimler
Maja, Taube, Tatzelwurm
Im Jahre 1899 verhandelten der Autohändler Josef Bierenz, der Fabrikant Eduard Fischer und die Daimler-Motoren-Gesellschaft über die Gründung eines österreichischen Unternehmens. Gottlieb Daimler, er starb im März 1900, war daran noch beteiligt. Die GebrüderFischer besaßen eine seit 1865 bestehende Maschinenbaufirma im niederösterreichischen Wiener Neustadt.Jetzt setzten sie auf die Herstellung vonAutomobilen; die Österreichische Daimler-Motoren-KommanditgesellschaftBierenz, Fischer & Co. entstand.Ihr technischer Direktor wurde Daimlers Sohn Paul.
1906 nun machteEmil Jellinek die Firma zur Operationsbasis für die Verwertung seinerRechte an den Lohner-Porsche-Patenten, dadie deutsche Daimler-Motoren-Gesellschaft kein Interesse daran hatte und ihm das ehemaligeTochterunternehmen für seine Pläneempfahl. Im Zuge der komplizierten Umstrukturierung wurde aus derKommanditgesellschaft die ÖsterreichischeDaimler-Motoren-GmbH; ihr Auftraggeber war Jellineks Pariser Societe Mercedes Electrique, an der auchLudwig Lohner noch beteiligt war.Jellinek ging also, mit viel Mut zum Risiko,ein letztes unternehmerisches Abenteuer im Zeichen des Elektromobilsein. Und Ferdinand Porsche, der neue technische Direktor,sollte sein Gewährsmann für den Erfolg werden.
Produziert wurden in Wiener Neustadtnun neben Nutzfahrzeugen und OberleitungsbussenElektromobile und benzin-elektrisch angetriebene Wagen. Mantat, was man konnte, und dazu gehörte die Teilnahme an einem renommierten Rennen.Im Sommer 1907 sandte das Unternehmen zweiHybridwagen zum ersten, vomKaiserlichen Automobilclub ausgerufenen Internationalen Kaiserpreis-Rennen in den Taunus. Die beidenvon Porsche entwickelten Wagen aberwaren der Konkurrenz der Benzinerhoffnungslos unterlegen, hatten weniger Kraft und waren ungefähr 300 bis 400Kilogramm schwerer. Sie konnten sich nichteinmal für das Hauptrennen qualifizieren, an dem noch knapp die Hälfte der 92 gemeldeten Fahrzeugeteilnahm. Doch auch die meistendeutschen Hersteller errangen keinen Lorbeer. Die Sechszylinder der Zwickauer Horch-Werke fielen komplett aus. Sieger wurde ein Fiat. Umso erfreuterregistrierte Wilhelm II. den drittenPlatz von Opel-Werksfahrer Carl Jörns auf einem 7,8-Liter-Vierzylinder. Die Rüsselsheimer standen als Ehrenretter mit einem Schlag in der kaiserlichenGunst und wurden zum«Hoflieferanten».
Der Misserfolg war bezeichnend. EmilJellinek und auch Ludwig Lohner zogen sich aus demAutomobilbau zurück. Nur acht Elektromobile und vierOberleitungsbusse hatte Lohner im Jahre 1908 verkauft. Eine Verbesserungder Absatzzahlen war nicht abzusehen, zumal sich mit AEG und Siemens mächtigeKonkurrenten auf den kleinen Markt fürElektrowagen drängten. Die Lohner-Werkeverlegten sich auf den Karosserie- und Flugzeugbau. Damit beendete das Wiener Unternehmen einezehnjährige Ära, die von großerExperimentierfreude und steter Hoffnung auf einen Durchbruch geprägt war. Noch im Februar 1908 hatten Porsche undLohner ihr letztes gemeinsames Patent -auf eine «dynamoelektrische Kupplung» - angemeldet.Im Juli erhielt Lohner für seine Anteile an der Societe Mercedes Electriqueeine Auszahlung von 180000 Kronen, im November wurde diese Gesellschaft aufgelöst, ihr Kapital floss in dieÖsterreichische Daimler-Motoren-GmbH,die in eine Aktiengesellschaft umgewandeltwurde und bald den Firmennamen Austro-Daimler führte.
Porsche dagegen etablierte sichzunehmend bei Austro-Daimler. In den Jahren nach 1908 wandtesich die österreichische Armee mit ersten Aufträgen an dieFirma, und 1909, mit der Eröffnung eines Flugfeldesnordwestlich von Wiener Neustadt, rückte auch dieLuftfahrt in den Blick des technischen Direktors. So boten sich in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg neben dem Automobilbau zwei weitere Betätigungsfelder für den Konstrukteur. Porsche eröffnete sich in dieser technischen Frühzeit derMotorisierung ein Spielraum wie nie zuvor, zudem war es eine Phase mit deutlichsichtbaren Entwicklungssprüngen. Aus der Tüfteleigeboren, in der Werkstatt gebaut, erschien überall eine Vielfalt an neuen Autos, und die ersten Flugzeuge zogen länger als wenige Minuten ihre Bahnen. Eine Zeit für Pioniere, die sich durchMisserfolge nicht beirren ließen.
Bereits im November 1906 hatte Porscheseinen ersten Wagen entworfen, der ausschließlichvon einem Verbrennungsmotor angetrieben wurde. Das Auto hatteeinen Vierzylinder-Motor, leistete 30 PS und wurde als«Maja-Wagen» bekannt gemacht. Maja hieß Jellinekszweite Tochter, und ihr sollte nun die gleiche Ehre widerfahren wie ihrer älteren Schwester Mercedes. Es blieb aber bei diesem einen Auto, das nach ihr benannt wurde. Der MajaWagen wurde jetzt, nach dem enttäuschenden Abschneiden der Hybridwagen im Taunus, umso wichtiger. Insgesamt jedoch klagten die Verkaufsgesellschaften über mangelnden Absatz. Ausgerechnet in dieser mageren Zeit machte der Maja Schwierigkeiten.
© 2004 by Rowohlt Verlag GmbH
Interview mit Reinhard Osteroth
Die Lebensgeschichte FerdinandPorsches ist geprägt durch sein unablässiges Streben nach der Entwicklung undPerfektionierung eines Autos für die Massen". Sein bekanntestes Produkt dürfteder Volkswagen" sein. Halten Sie ihn für Porsches spektakulärste Leistung?
Natürlichist Ferdinand Porsche durch den Volkswagen berühmt geworden, aber dieGeschichte dieses deutschen Autos ist ja denkbar komplex und außerdem dieGeschichte von der Entstehung des Werkes, in dem dieses Auto gebaut werdensollte. Daher würde ich als eine spektakuläre Leistung des KonstrukteursPorsche vielleicht eher seinen Silberpfeil für die Auto Union nennen, den er1933/34 entwarf, ein legendäres Fahrzeug; außerdem den T-80, ein fastunwirkliches Überfahrzeug, das 1939 den absoluten Geschwindigkeitsrekord zuLande markieren sollte.
Spektakulärauf ganz andere Weise war Porsches so genannter Sascha-Wagen": ein robusterKleinwagen, den er Anfang der Zwanziger Jahre mit Unterstützung des WienerFilmmagnaten Graf Sascha Kolowrat baute. Ein Volkswagen" sollte das damals schon werden. Aber es entstanden nur wenigeExemplare. Die jedoch würden berühmt, als sie auf fast allen europäischenRennstrecken Siege einfuhren und das erstaunliche Potenzial der Kleinwagen unterBeweis stellten.
Porsche, der genialische Erfinder,hat Industriegeschichte geschrieben. Seine Laufbahn durchzieht eine Reihe vonBrüchen mit den Unternehmen, für die er jeweils tätig war. War Porsche einMensch, der keine Kompromisse machte?
Ganz ungernjedenfalls, stets und ständig perfektionierte er seine Konstruktionen, änderteBauteile, erfand Neues. Vielleicht ein oftmals notwendiger Konflikt zwischendem technischen Entwickler und den Anforderungen der Fertigungsplaner, geradein den Zwanziger Jahren, als die deutschen Autohersteller allesamt in demschwierigen Prozess steckten, ihre Werkstätten zu modernisieren und Anschlusszu finden an die moderne Serienproduktion. Aber Ferdinand Porsche hatte den Rufdes Querkopfs zeitlebens. Umso folgerichtiger erscheint es im Rückblick, dasser sich schließlich selbstständig machte und mit der Gründung seinesKonstruktionsbüros in Stuttgart einen Sonderweg einschlug.
In den 1930er und 1940er Jahrenarbeitete Ferdinand Porsche eng mit Hitler zusammen. Zu Beginn dieserZusammenarbeit legte er auf ein entsprechendes Verlangen gar seine tschechischeStaatsbürgerschaft ab und wurde Deutscher. Glauben Sie, Porsche kamen imVerlauf dieser Zusammenarbeit Bedenken, oder ging es ihm einzig und allein umsein unternehmerisches Ziel?
Es gehörtzur Geschichte des KdF-Wagens, dass aus demanfänglichen Auftrag an Porsche, ein vollwertiges und kostengünstiges Auto zuentwerfen, nach und nach auch die Geschichte einer großen, modernenAutomobilfabrik nach amerikanischem Vorbild wurde. Porsche wurde nun vomKonstrukteur zum Organisator eines riesigen Unternehmens. Mit dem Beginn desKrieges geriet das neue Werk, das sich noch in der Aufbauphase befand, in eineheikle Lage. Von Beginn an kämpfte Porsche mit Entschlossenheit um dasUnternehmen, positionierte sich wirkungsvoll neben der Parteihierarchie undkonnte sich, wenn nötig, auf seine Rückendeckung durch Hitler berufen. Auch alsdie Erwartung eines kurzen Krieges sich als Trugbild erwies, ging der Kampf derWerksleitung um Rohstoffe, Arbeitskräfte und Rüstungsaufträge weiter. Porschescheute auch vor der Kooperation mit Himmler und der SS nicht zurück. Dasunternehmerische Ziel blieb von erschreckender Dominanz, selbst als dieProduktion angesichts der alliierten Bombenangriffe unter Tage verlegt wurde.
Ferdinand Porsches Sohn Ferry warGründer des heute bekannten Sportwagenunternehmens, überhaupt war seine ganzeFamilie eng mit dem Werdegang seiner Unternehmen und Unternehmungen verbunden.Haben Sie bei Ihren Recherchen selber Mitglieder der Familie Porsche kennen gelernt?
Nein, dagab es keine Kontakte.
Würde Ferdinand Porsche heute nochleben, welche Entwicklung im KFZ-Sektor würde ihnwohl am meisten faszinieren? An welchen Projekt würde er wohl heute arbeiten?
Das istnatürlich eine verlockende Frage, die um so mehr Raum für Spekulationen lässt,als Porsche ein Konstrukteur von enormer Vielseitigkeit war. Das ThemaLeichtbauweise hat ihn nie losgelassen, daran würde er wohl noch heutearbeiten.
Ihr Buch beschreibt den Lebenswegdes innovativen Konstrukteurs mit unverhohlener Sympathie, ohne Fragwürdigesvöllig auszublenden. Wie sind Sie zu der Beschäftigung mit Porsche gekommen,wie entstand die Idee zu diesem Buch?
Am Anfangstand die überraschende Feststellung, dass es eine solche Biografie neuerenDatums nicht gab. Andererseits waren wichtige historische Arbeiten,insbesondere zur Geschichte des Volkswagenwerks, erschienen. Aus all dementstand das Vorhaben, Porsches Leben neu zu beschreiben, mit einem technik- undzeitgeschichtlichen Akzent, als eine Gratwanderung zwischen Momenten derSympathie und kritischer Distanz. Zugleich sollte dabei ein Rückblick auf dieAutomobilisierung des 20. Jahrhunderts entstehen. Man darf ja nicht vergessen,Ferdinand Porsche wurde 1875 geboren und feierte bereits auf der PariserWeltausstellung im Jahre 1900 mit einem Elektrofahrzeug seinen ersten großenErfolg als Konstrukteur. Diese Biographie aber erscheint ein Jahr, nachdem imSommer 2003 in Mexiko der allerletzte Käfer vom Band lief.
Die Fragen stellte Ulrike Künnecke, literaturtest.de.
- Autor: Reinhard Osteroth
- 2004, 304 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 15 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Rowohlt, Reinbek
- ISBN-10: 3498050362
- ISBN-13: 9783498050368
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