Freundschaften
Die beliebte Schauspielerin Marie-Luise Marjan hat diese Erkenntnis aufgegriffen und Prominente gebeten, ihre schönsten Erfahrungen der Freundschaft aufzuschreiben. Ein...
Die beliebte Schauspielerin Marie-Luise Marjan hat diese Erkenntnis aufgegriffen und Prominente gebeten, ihre schönsten Erfahrungen der Freundschaft aufzuschreiben. Ein Geschenk für alle, die Freunde nicht missen wollen.
Über den Sinn der Freundschaft denken Philosophen und Dichter seit alters nach. "Die Freundschaft gehört zum Notwendigsten in unserem Leben", erkannte bereits der griechische Philosoph Aristoteles, und gerade in Zeiten wie der heutigen, da sich die Gesellschaft kälter denn je zeigt und nur noch materielle Werte zu kennen scheint, wird das wohltuende Element der Freundschaft wiederentdeckt - als unverzichtbarer Bestandteil eines humanen, glücklichen Lebens. Marie-Luise Marjan hat Menschen, die ihren Weg seit Jahren begleiten, gebeten, sich an ihre schönsten Freundschaftserlebnisse zu erinnern. An Geschichten, die komische und nachdenkliche Situationen schildern, an Momente, in denen sich die wahren Freunde von den falschen trennten, an Begegnungen, die man nie vergisst. Entstanden ist so eine bewegende Sammlung, die die Wahrheit eines alten Liedes bekräftigt: "Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt!" Es schreiben: Norbert Blüm, Barbara Sichtermann, Dieter Kürten, Ulrich Pleitgen, Reinhard Mey, Hans-Dietrich Genscher, Sonja Gräfin Bernadotte, Klaus Staeck, Ulla Schmidt, Ute Ohoven, Dieter Hallervorden und viele andere.
Die beliebte Schauspielerin Marie-Luise Marjan hat diese Erkenntnis aufgegriffen und Prominente gebeten, ihre schönsten Erfahrungen der Freundschaft aufzuschreiben. Ein Geschenk für alle, die Freunde nicht missen wollen.
Über den Sinn der Freundschaft denken Philosophen und Dichter seit alters nach. "Die Freundschaft gehört zum Notwendigsten in unserem Leben", erkannte bereits der griechische Philosoph Aristoteles, und gerade in Zeiten wie der heutigen, da sich die Gesellschaft kälter denn je zeigt und nur noch materielle Werte zu kennen scheint, wird das wohltuende Element der Freundschaft wiederentdeckt - als unverzichtbarer Bestandteil eines humanen, glücklichen Lebens. Marie-Luise Marjan hat Menschen, die ihren Weg seit Jahren begleiten, gebeten, sich an ihre schönsten Freundschaftserlebnisse zu erinnern. An Geschichten, die komische und nachdenkliche Situationen schildern, an Momente, in denen sich die wahren Freunde von den falschen trennten, an Begegnungen, die man nie vergisst. Entstanden ist so eine bewegende Sammlung, die die Wahrheit eines alten Liedes bekräftigt: "Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt!" Es schreiben: Norbert Blüm, Barbara Sichtermann, Dieter Kürten, Ulrich Pleitgen, Reinhard Mey, Hans-Dietrich Genscher, Sonja Gräfin Bernadotte, Klaus Staeck, Ulla Schmidt, Ute Ohoven, Dieter Hallervorden und viele andere.
Freundschaftenvon Marie-Luise Marjan
LESEPROBE
DIE GROSSMUTTER
Ulrich Pleitgen
Als ich aufden Namen Ulrich getauft wurde, meinte meine Großmutter - abweichend von ihrerWagnerleidenschaft -: »Nennt ihn doch gleich Siegfried.«
Sie liebtemich sehr. Niemand konnte sie tiefer enttäuschen. Tat ich's, sagte sie traurig:»Ulrich, das habe ich nicht um dich verdient.«
MeineGroßmutter wurde 1889 in Celle als älteste Tochter eines wohlhabenden Kaufmannsgeboren. Ihr Vater, der nicht nur Kaufmann war, sondern auch so hieß, hatteeine Schirmfabrik. Er exportierte bis in die deutschen Kolonien Afrikas. Da konnteman seine schwarzen Regenschirme zum Schutz gegen die Sonne aufspannen. MeineGroßmutter hieß mit Vornamen Margarethe. Ihre Schwester war die Antonie. Diesich innig liebenden Mädchen bestanden darauf, Grete und Toni genannt zu werden;Margarethe und Antonie klang ihnen zu gespreizt.
Der kaufmännische Herr Kaufmann war ein strengerPatriarch. Als er einmal seinen Nachttopf vermisste, befahl er zornig den Kaufvon 25 Nachttöpfen auf Vorrat. Mittags bei Tisch konnte man ein Flaumfederchenniederschweben hören, wenn er den Löffel hob, die Suppe probierte und seinUrteil abgab. »Er hat noch beim Heringsbändiger gelernt!«, hieß es stolz in derFamilie, womit man seinen Weg vom Lehrling in einem Kolonialwarenladen zumFabrikbesitzer beschrieb.
VaterKaufmann schickte seine beiden Mädchen auf die Höhere Töchterschule. Sielernten Französisch und einiges mehr und spielten Klavier.
Gretes großeLiebe fiel im Ersten Weltkrieg. Trost fand sie in der Musik. Sie war auf demWeg zur Konzertpianistin, als sie Otto Meyer kennen lernte, einen gutherzigenBauernsohn aus der Lüneburger Heide, der Jura studiert hatte und Zollbeamter war.Grete stieg von der ersten Sprosse ihrer Karriereleiter wieder herunter undwidmete sich fortan voll Liebe ihrem Mann und den beiden Töchtern - und demHaushalt mit leisem Zorn. Sie spielte weiter Klavier. Jeden Tag. Sie übteleidenschaftlich, nun für den Hausgebrauch. Manchmal fragte sie ihren Mann, obsie ihm etwas vorspielen solle. Dann antwortete er sanft, denn er war sanft:»Ja, spiel du nur, Grete. Es stört mich nicht.« Und sie war nicht beleidigt,denn sie liebte ihn.
Nach dertotalen Ausbombung im Zweiten Weltkrieg blieb nichts übrig; kein Klavier, keineBücher, keine Möbel, kein Haus. Der schwerste Schlag für meine Großmutter warder Tod ihres Mannes im Jahr 1941. Sie schloss ohne sichtbare Trauer mit ihremfrüheren Leben ab und schaute nur nach vorn.
Wirverstanden nicht, warum sie nie mehr Klavier spielte, obwohl sie aufFamilienfesten oft darum gebeten wurde. Nur ein einziges Mal tat sie es nachlangem Widerstreben dann doch. Eilig wurde die Partitur der »Mondscheinsonate«hervorgekramt. Die Finger meiner Großmutter glitten über die Tasten und suchtennach der Melodie. Sie klimperte hilflos, brach ab, suchte erneut nach einemAnfang, geriet in Panik, versuchte es nach einer nicht enden wollenden Pausenoch einmal und verzweifelte so sehr, dass Hände, Knie und die Brille aufihrer Nase zu zittern begannen.
Beschämtschloss sie den Klavierdeckel. In ihren Augen glitzerten zwei Tränen. Siestand auf, lächelte uns an, und das Thema Klavier war endgültig erledigt.
An diesemAbend habe ich begriffen, warum sie sich seit Jahren sträubte, Klavier zuspielen. Das Klavierspiel war ein Symbol für ihr früheres schönes, intaktesLeben. Sie wollte nicht daran erinnert werden. Sie wollte der Vergangenheitnicht nachtrauern. Sie wollte heute leben. Und das mit aller Kraft. Diesesletzte Mal am Klavier hatte sie in ein Chaos der Erinnerungen und Gefühlegestürzt. Ich war sehr betrübt. Ich hätte gern ihre Hand genommen, aber ichtraute mich nicht.
DasGrundstück des zerstörten Patrizierhauses in Hannover, das meine Großmutter vonihrem Vater geerbt hatte, verkaufte sie für wenig Geld. Sie war zu stolz und zumüde zum Handeln.
Der clevereKäufer errichtete auf dem Trümmerhaufen ein graues Fünfziger-Jahre-Mietshaus.Meine Großmutter wohnte im dritten Stock in einer winzigen Zweizimmerwohnung.Sie nahm meine Mutter und mich auf, als die Ehe meiner Eltern scheiterte.
Trotz derEnge fanden lustige Familienfeste statt. Das Wohnzimmer war voll gestopft mitMenschen. Bei den Nachbarn wurden Stühle geliehen. Geschichten wurden erzählt.Eine davon:
Zum Todemeines Großvaters kam ein Beileidsschreiben von Cousine Dorothea. MeineGroßmutter saß ernst in würdigem Schwarz da und las den Brief vor. Auf langenzwei Seiten schilderte die Mittrauernde Ottos liebenswertes Wesen, Ottos trockenenHeidjerhumor, Ottos großen Familiensinn, Ottos Warmherzigkeit. Am Schluss desBriefes schrieb sie: »Und vergiss vor allem nicht, deinen lieben Otto zugrüßen.
Deinetraurige Dorothea«.
Da brachmeine Großmutter in ein lebensvolles Gelächter aus. Die anderen ernstenSchwarzgewandeten ließen sich anstecken - und schließlich bogen sich alle vorLachen.
Wenn meineGroßmutter über ihren Mann sprach, erschienen zwei glasklare Tränen in ihrenAugenwinkeln hinter der randlosen Brille. Am liebsten mochte ich sie mitBrille, weil die nicht ganz dünnen Gläser ihre gütigen Augen ins Sanftevergrößerten. Wenn sie die Brille abnahm, um sie zu putzen, blinzelte sie kurzsichtigund war mir plötzlich fremd.
Trümmerfrauenhatten meiner Großmutter angeschlagene Porzellantassen, Vasen und leichtverbogenes Silber verkauft, Gegenstände, die sie auf dem Grundstück vonGroßmutter ausgebuddelt hatten. Manchmal zeigte sie mir einen Teelöffel und meintegleichmütig: »Guck mal, davon hatten wir mal vierundzwanzig.«
Nach demZweiten Weltkrieg hat sie für sich nur noch das gekauft, was wirklichnotwendig war. Das hektisch ausbrechende Wirtschaftswunder- und Konsumlebenließ sie kalt. Kaufen konnten wir sowieso nicht viel. Wir lebten von derPension meiner Großmutter und dem Wenigen, das meine Mutter verdiente.
Tagsüberkümmerte sich meine Großmutter um mich. Sie wurde zu meiner Vertrauten und Verbündeten,sie war der Mensch, der mich früh einführte in die Wunder der Literatur undMusik. Hier in unsrer kleinen Welt wuchsen wir zusammen. Und wir malten unsunsere eigenen Bilder von der Welt. Wir lebten in einer liebevollen Symbiose.Meine Großmutter sagte: »Ich bin dein Freund.«
Einige Malehabe ich sehr um meine Großmutter gebangt. Eines Morgens saß sie wirr redendaufrecht in ihrem Bett. Im Krankenhaus stellte sich heraus, dass sie eineschwere Kohlenmonoxidvergiftung hatte, hervorgerufen durch einen defekten Ofenin ihrem Schlafzimmer. Meine Familie hatte Todesangst um sie. Ich wurde mitSpielzeug zugedeckt, um meine vielen bangen Fragen zu ersticken.
Nicht vielspäter zog sie sich bei einem Verkehrsunfall so schwere Kopfverletzungen zu,dass sie ihren Geruchs- und Geschmackssinn verlor. Das hinderte sie aber nichtdaran, weiterhin vorzüglich für uns zu kochen. Nichts versalzen, nichts verpfeffert,nichts zerwürzt. Sie sagte: »Das mit dem Würzen hat man so im Griff.«
An manchenTagen rief sie plötzlich: »Oh, heute schmecke ich wieder was!« Dann war ichglücklich. Alles, was meine Großmutter kochte, aß ich gern. »Oma, machst du mirFrikandellen?«, bettelte ich. »Frikaaadellen! «, verbesserte meine Mutter.Großmutter milde: »Lass ihm die Frikandellen. Kindermund ist so schnellerwachsen.« - Mit neun Jahren entdeckte ich plötzlich das sportliche Rülpsen.Da wurde meine Großmutter streng: »Ulrich, das tu ich nicht einmal, wenn ichalleine bin.«
(...)
© 2004 by Hoffman und Campe Verlag, Hamburg
- Autor: Marie-luise Marjan
- 2004, 1, Maße: 13 x 21 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Hoffmann und Campe
- ISBN-10: 3455051413
- ISBN-13: 9783455051414
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