Geschändet
Thriller
Jack Gannon setzt alles daran die Wahrheit über den Mord an der Schwesternschülerin Bernice Hogan und über das Verschwinden von Jolene Peller herauszufinden.
"Geschändet ist ein Thriller ohne Geschwindigkeitsbegrenzung. Einfach...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Geschändet “
Jack Gannon setzt alles daran die Wahrheit über den Mord an der Schwesternschülerin Bernice Hogan und über das Verschwinden von Jolene Peller herauszufinden.
"Geschändet ist ein Thriller ohne Geschwindigkeitsbegrenzung. Einfach großartig zu lesen."
Michael Connelly
"Geschändet ist ein Thriller ohne Geschwindigkeitsbegrenzung. Einfach großartig zu lesen."
Michael Connelly
Klappentext zu „Geschändet “
Der Mord an einer Frau mit gebrochenem Herzen In einem flachen Grab in der Nähe eines Waldes wird eine Leiche gefunden. Bernice Hogan, eine ehemalige Schwesternschülerin mit tragischer Vergangenheit. und das unerklärliche Verschwinden ihrer Freundin
Jolene Peller, alleinerziehende Mutter, versucht, ein neues Leben für sich und ihren Sohn aufzubauen. Doch sie verschwindet in der Nacht, in der sie sich auf die Suche nach Bernice begibt. lassen einen Reporter nicht eher ruhen, bis er die Wahrheit herausgefunden hat.
Der Fall verfolgt Jack Gannon, den Reporter des Buffalo Sentinel, dessen Schwester vor Jahren ebenfalls verschwunden ist. Er riskiert alles, um das Geheimnis aufzuklären.
1. Der Mord an einer Frau mit gebrochenem Herzen...: In einem flachen Grab in der Nähe eines Waldes wird eine Leiche gefunden. Bernice Hogan, eine ehemalige Schwesternschülerin mit tragischer Vergangenheit.
2. ...und das unerklärliche Verschwinden ihrer Freundin...: Jolene Peller, alleinerziehende Mutter, versucht, ein neues Leben für sich und ihren Sohn aufzubauen. Doch sie verschwindet in der Nacht, in der sie sich auf die Suche nach Bernice begibt.
3. ...lassen einen Reporter nicht eher ruhen, bis er die Wahrheit herausgefunden hat: Der Fall verfolgt Jack Gannon, den Reporter des Buffalo Sentinel, dessen Schwester vor Jahren ebenfalls verschwunden ist. Er riskiert alles, um das Geheimnis aufzuklären.
2. ...und das unerklärliche Verschwinden ihrer Freundin...: Jolene Peller, alleinerziehende Mutter, versucht, ein neues Leben für sich und ihren Sohn aufzubauen. Doch sie verschwindet in der Nacht, in der sie sich auf die Suche nach Bernice begibt.
3. ...lassen einen Reporter nicht eher ruhen, bis er die Wahrheit herausgefunden hat: Der Fall verfolgt Jack Gannon, den Reporter des Buffalo Sentinel, dessen Schwester vor Jahren ebenfalls verschwunden ist. Er riskiert alles, um das Geheimnis aufzuklären.
Lese-Probe zu „Geschändet “
Geschändet von Rick MofinaDas Taxi rollte eine Straße entlang, die am östlichen Stadtrand von Buffalo im Dunkel der Nacht verschwand.
Mit quietschenden Bremsen kam der Wagen neben einem weitläufigen Park zum Stehen.
Ein paar Sekunden lang betrachtete Jolene Peller das undurchdringliche Gebüsch, ehe sie den Fahrer bezahlte.
„Wollen Sie wirklich hier aussteigen?", fragte er.
„Ja. Können Sie die Uhr abstellen und auf mich warten?"
„Ne. Das war meine letzte Fuhre. Ich muss den Wagen zurückbringen." „Bitte! Ich muss unbedingt meine Freundin finden."
Der Fahrer gab ihr eine Fünf-Dollar-Note zurück und deutete mit dem Kopf auf den Weg. Das Licht seiner Autoscheinwerfer reichte nur ein paar Meter weit.
„Sind Sie sicher, dass Ihre Freundin sich dort aufhält?"
„Ja. Ich muss sie nach Hause bringen. Sie macht gerade eine schwere Zeit durch." „Tagsüber ist der Park ja wunderschön, aber Sie wissen doch, was manche Leute nachts dort treiben."
Das wusste Jolene nur zu gut.
Inzwischen führte sie jedoch ein anderes Leben - wenn man es denn Leben nennen konnte.
„Können Sie nicht ein paar Minuten warten?", bat sie.
„Das geht alles von meiner Freizeit ab. Außerdem fangen meine Ferien an, sobald ich den Wagen zurückgebracht habe."
„Bitte!"
„Hören Sie, Miss, weil ich Sie so nett finde, bringe ich Sie wieder nach Hause. Und da ich sowieso dieselbe Strecke zurückfahren muss, schalte ich auch die Uhr nicht ein. Aber ich werde auf keinen Fall hier warten, während Sie da draußen auf der Suche nach Ihrem Problem sind. Also - steigen Sie aus oder kommen Sie mit? Entscheiden Sie sich endlich!"
Doch Jolenes Entschluss stand fest. Sie hatte nur diese eine Nacht, um das Richtige zu tun.
„Ich muss bleiben", sagte sie.
... mehr
Der Fahrer zuckte mit den Achseln, und Jolene stieg aus. Das Taxi rollte davon. Die roten Rücklichter verschwanden, und Jolene war allein.
Sie musste es tun.
Als sie den Weg entlangeilte, schweifte ihr Blick über das Lichtermeer der großen Häuser auf den Hügeln der Vorstadt, die etwa eine halbe Meile vom Park entfernt lagen. Wenn sie Bernice erst gefunden hätte, würden sie zu einem Laden an der Straßenecke gehen und ein Taxi bestellen, das sie zu Bernice' Apartment bringen würde. Von dort wollte Jolene mit einem anderen Taxi zum Busbahnhof fahren, ihre Reisetasche an der Gepäckausgabe abholen und den nächsten Bus nehmen.
Doch erst wenn sie Bernice gefunden hatte.
Sie musste ihre Freundin retten.
Fast hätte sie es heute Nacht schon einmal geschafft. Einen Moment lang hatte sie es jedenfalls geglaubt. Vor etwa einer Stunde hatten sie in der Stadt in einem Lokal gesessen, wo Jolene auf sie eingeredet hatte.
„Honey, hör endlich auf, dir Vorwürfe zu machen wegen Dingen, für die du überhaupt nichts kannst."
Tränen waren Bernice übers Gesicht gelaufen.
„Du musst clean werden und deinen College-Abschluss machen."
„Es ist schwer, Jo. Furchtbar schwer."
„Ich weiß, aber du musst mit diesem Leben aufhören. Wenn ich es geschafft habe, schaffst du es auch. Versprich mir hier und jetzt, dass du es heute Abend nicht machst."
„Es tut so weh. Ich habe überall Schmerzen. Ich brauche etwas, um noch einen Tag durchzuhalten. Ich brauche das Geld. Übermorgen höre ich auf."
„Nein!"
Ein paar Gäste warfen ihnen müde Blicke zu. Jolene senkte die Stimme.
„Du machst dir doch selber nur etwas vor. Versprich mir, dass du dich heute Abend mit niemandem triffst und dass du nach Hause gehst."
„Aber es tut so weh."
Jolene ergriff Bernice' Hände, verschränkte die Finger mit ihren und drückte sie fest. „Du musst das tun, Honey. Du kannst so nicht weitermachen. Versprich mir, dass du nach Hause gehst. Versprich es mir, ehe ich in den Bus steige und die Stadt verlasse."
„Okay, Jo, ich verspreche es dir."
„Schwöre."
„Ich schwöre, Jo."
Jolene schloss sie ganz fest in den Arm.
Aber nachdem sie ins Taxi gestiegen und einige Häuserblocks gefahren war, wurde sie auf einmal unsicher. Sie bat den Fahrer umzukehren, damit sie noch einmal nach Bernice schauen konnte.
Natürlich stand sie da. An der Einmündung der Niagra Street, einer finsteren Gasse, wartete sie auf einen Freier. Das Taxi blieb vor einer Ampel stehen. Jolene umklammerte den Türgriff und war im Begriff, aus dem Wagen zu springen und Bernice von der Straße zu zerren.
Aber sie tat es nicht. Zum Teufel mit diesem Mädchen!
Jolene bat den Taxifahrer, sie zum Bahnhof zu bringen. Für derlei Auseinandersetzungen hatte sie keine Zeit. Jedenfalls nicht im Moment. Heute Abend würde sie nach Florida fahren, wo sie gemeinsam mit ihrem kleinen Jungen ein neues Leben anfangen wollte. Bernice war erwachsen und alt genug, um auf sich selber aufzupassen.
Jolene hatte oft genug versucht, ihr zu helfen.
Und sie hatte sich wirklich sehr viel Mühe gegeben.
Doch mit jedem Häuserblock, an dem sie vorbeifuhr, wuchs ihr Schuldgefühl. Bald verschwammen die Neonlichter vor ihren Augen. Fluchend wischte sie sich die Tränen fort. Mit dem Bild ihrer Freundin im Kopf, die allein an einer Straßenecke stand, konnte sie Buffalo heute Abend unmöglich verlassen. Sie würde sich immer daran erinnern.
Bernice war süchtig. Sie war krank. Sie brauchte Hilfe. Jolene war ihr Rettungsanker.
Und ihre innere Stimme sagte ihr, dass an diesem Abend etwas schrecklich falsch laufen würde.
Der Fahrer knurrte mürrisch, als sie ihn bat, wieder umzukehren. Als sie jedoch die Gasse erreichten, wo Bernice gewartet hatte, war sie bereits mit einem Freier verschwunden.
Jolene hatte ein ungutes Gefühl.
Aber sie wusste genau, wo sie sich aufhielten.
Weiter unten am Fluss.
Schon seltsam, überlegte Jolene jetzt, als sie dem wegfahrenden Taxi hinterherschaute. Tagsüber war der Park ein Erholungsort für ganz normale Menschen, die hier spazieren gingen, joggten oder am Wasser für ihre Hochzeitsfotos posierten.
Und hier ihren Träumen nachhängen konnten.
Die meisten Einheimischen, die ein glückliches und zufriedenes Leben führten, hatten keine Ahnung, dass hier nach Einbruch der Dunkelheit Prostituierte auf ihre Kunden warteten.
Das ist der Ort, an dem man die wirkliche Welt verlässt, wo man seine Würde verliert. Wo jedes Mal, wenn du deinen Körper als Überlebenshilfe benutzt, ein Teil von dir stirbt.
Jolene kannte sich aus. Das war früher auch ihr Leben gewesen, vor dem sie geflohen war, als sie Cody bekam. Er war das wichtigste Argument für sie gewesen, all das hinter sich zu lassen. Sie hatte sich geschworen, dass er keine süchtige Mutter haben würde, die ihren Körper für Rauschgift verkaufte.
Er hatte etwas Besseres verdient.
Genau wie Bernice.
Sie war im Stich gelassen und misshandelt worden, aber sie hatte hart gearbeitet, um es aufs College zu schaffen. Aber auch dort war sie mit Problemen konfrontiert worden, die sie mit Drogen in den Griff zu bekommen versuchte. Aber die Sucht hatte sie nur immer tiefer hinuntergezogen. Das Tragische daran war, dass es nur noch ein paar Monate bis zu ihrem Abschluss als examinierte Krankenschwester gedauert hätte.
Bernice gehörte nicht in dieses Leben.
Pfeif auf den Bus! Jolene würde sie finden und nach Hause bringen, und wenn es das Letzte war, das sie tat. Jolene hatte keine Angst davor, sich nachts in dieser Gegend aufzuhalten. Sie kannte sie gut und wusste sich zu schützen.
Sie hatte ihr Pfefferspray dabei.
Sie erreichte den sandigen Parkplatz. Er war Teil einer ehemaligen Zufahrtsstraße, die zu dem Pfad führte, der sich am Fluss entlangschlängelte. Der Parkplatz war leer. Nichts deutete darauf hin, dass hier kürzlich jemand gewesen war.
Die Grillen zirpten, und Jolene ließ ihren Blick über das Gelände und hinauf zu den Baumkronen schweifen, deren Silhouetten sich gegen einen Dreiviertelmond abhoben. Sie kannte die verborgenen Pfade und abgelegenen Wiesen, wo Drogen genommen, Freier bedient und alle möglichen dunklen Geschäfte getätigt wurden. Hinter einer Baumgruppe entdeckte sie etwas Chromblitzendes. Es sah aus wie der Kühlergrill eines Wagens, der auf einem weiter entfernten Parkplatz abgestellt war. Ein Lastwagen möglicherweise. Jolene ging näher. Sie hatte ihr Ziel fast erreicht, als ein Schrei sie erstarren ließ.
„Nein, um Himmels willen, nein! Hilfe!"
Jolenes Nackenhaare richteten sich auf.
Bernice!
Der Schrei kam aus dem dunkelsten Teil des Parks nahe beim Fluss. Jolene hastete in diese Richtung. Zweige schlugen ihr ins Gesicht und verhakten sich in ihrer Kleidung.
Das Gebüsch war dichter, als sie es in Erinnerung hatte. Da sich ihre Augen noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt hatten, lief sie nahezu blind über das hügelige Gelände.
Plötzlich trat sie ins Leere und schlug mit dem Gesicht auf den Boden.
Mühsam kam sie wieder hoch und lief weiter.
Weiter vorne bewegte sich etwas. Schattenrisse im Mondlicht.
Geräusche.
Lautlos griff Jolene in ihre Handtasche. Ihre Finger umklammerten das Pfefferspray. Eine Ladung in das Gesicht dieses Mistkerls. Ein Tritt in die Weichteile. So etwas hatte Jolene schon früher mit kranken Typen getan, die sie schlagen und würgen wollten.
Sie schluckte hart, bereit zum Kampf. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie herauszufinden versuchte, was sie erwartete. Jemand bewegte sich; sie sah die Umrisse eines Körpers.
Bernice? War das ihr Gesicht auf dem Boden?
Ein metallisches Klirren.
Werkzeuge? Was ging da vor?
Unmittelbar neben Jolene explodierte die Luft, als ein aufgescheuchter Vogel aufgeregt in den Himmel flatterte. Erschrocken trat sie einen Schritt zurück, stolperte und stürzte auf trockenes Laub und morsche Zweige. Sie war nicht verletzt. Jetzt war es totenstill. Jemand lauschte.
Jolene rührte sich nicht. Die Person schien nachzudenken. Das Blut pochte ihr in den Ohren.
Ein Zweig knackte. Die Person kam näher. Jolene hielt den Atem an. Noch näher.
All ihre Sinne waren bis zum Äußersten gespannt. Mit der Hand tastete sie über den Boden, doch sie konnte ihre Tasche nicht finden. Voller Panik suchte sie auf dem schmutzigen Boden nach ihrem Pfefferspray, bekam einen Stein zu fassen, einen Ast.
Alles mögliche.
Ihr Puls raste, und sie hielt den Atem an. Nach ein paar qualvollen Sekunden ließ die Anspannung nach. Die Bedrohung schien von einer Windbö, die durch die Baumkronen rauschte, fortgeweht worden zu sein.
Gott sei Dank!
Jolene riss sich zusammen, um die Suche nach Bernice fortzusetzen, als sie ein greller Blitz mitten ins Gesicht traf.
Blinzelnd hob sie ihre Hand gegen die blendende Helligkeit. Jemand grunzte, ein Schatten zeichnete sich ab. Sie wollten losrennen, doch in diesem Augenblick explodierten zahllose Feuerwerkskörper in ihrem Kopf und schleuderten sie ins Nichts.
Leseprobe zu Rick Mofina: Geschändet , MIRA Taschenbuch Band 25473,
© 2009 by Rick Mofina, Originaltitel: Vengeance Road, Übersetzung: Rainer Nolden
Der Fahrer zuckte mit den Achseln, und Jolene stieg aus. Das Taxi rollte davon. Die roten Rücklichter verschwanden, und Jolene war allein.
Sie musste es tun.
Als sie den Weg entlangeilte, schweifte ihr Blick über das Lichtermeer der großen Häuser auf den Hügeln der Vorstadt, die etwa eine halbe Meile vom Park entfernt lagen. Wenn sie Bernice erst gefunden hätte, würden sie zu einem Laden an der Straßenecke gehen und ein Taxi bestellen, das sie zu Bernice' Apartment bringen würde. Von dort wollte Jolene mit einem anderen Taxi zum Busbahnhof fahren, ihre Reisetasche an der Gepäckausgabe abholen und den nächsten Bus nehmen.
Doch erst wenn sie Bernice gefunden hatte.
Sie musste ihre Freundin retten.
Fast hätte sie es heute Nacht schon einmal geschafft. Einen Moment lang hatte sie es jedenfalls geglaubt. Vor etwa einer Stunde hatten sie in der Stadt in einem Lokal gesessen, wo Jolene auf sie eingeredet hatte.
„Honey, hör endlich auf, dir Vorwürfe zu machen wegen Dingen, für die du überhaupt nichts kannst."
Tränen waren Bernice übers Gesicht gelaufen.
„Du musst clean werden und deinen College-Abschluss machen."
„Es ist schwer, Jo. Furchtbar schwer."
„Ich weiß, aber du musst mit diesem Leben aufhören. Wenn ich es geschafft habe, schaffst du es auch. Versprich mir hier und jetzt, dass du es heute Abend nicht machst."
„Es tut so weh. Ich habe überall Schmerzen. Ich brauche etwas, um noch einen Tag durchzuhalten. Ich brauche das Geld. Übermorgen höre ich auf."
„Nein!"
Ein paar Gäste warfen ihnen müde Blicke zu. Jolene senkte die Stimme.
„Du machst dir doch selber nur etwas vor. Versprich mir, dass du dich heute Abend mit niemandem triffst und dass du nach Hause gehst."
„Aber es tut so weh."
Jolene ergriff Bernice' Hände, verschränkte die Finger mit ihren und drückte sie fest. „Du musst das tun, Honey. Du kannst so nicht weitermachen. Versprich mir, dass du nach Hause gehst. Versprich es mir, ehe ich in den Bus steige und die Stadt verlasse."
„Okay, Jo, ich verspreche es dir."
„Schwöre."
„Ich schwöre, Jo."
Jolene schloss sie ganz fest in den Arm.
Aber nachdem sie ins Taxi gestiegen und einige Häuserblocks gefahren war, wurde sie auf einmal unsicher. Sie bat den Fahrer umzukehren, damit sie noch einmal nach Bernice schauen konnte.
Natürlich stand sie da. An der Einmündung der Niagra Street, einer finsteren Gasse, wartete sie auf einen Freier. Das Taxi blieb vor einer Ampel stehen. Jolene umklammerte den Türgriff und war im Begriff, aus dem Wagen zu springen und Bernice von der Straße zu zerren.
Aber sie tat es nicht. Zum Teufel mit diesem Mädchen!
Jolene bat den Taxifahrer, sie zum Bahnhof zu bringen. Für derlei Auseinandersetzungen hatte sie keine Zeit. Jedenfalls nicht im Moment. Heute Abend würde sie nach Florida fahren, wo sie gemeinsam mit ihrem kleinen Jungen ein neues Leben anfangen wollte. Bernice war erwachsen und alt genug, um auf sich selber aufzupassen.
Jolene hatte oft genug versucht, ihr zu helfen.
Und sie hatte sich wirklich sehr viel Mühe gegeben.
Doch mit jedem Häuserblock, an dem sie vorbeifuhr, wuchs ihr Schuldgefühl. Bald verschwammen die Neonlichter vor ihren Augen. Fluchend wischte sie sich die Tränen fort. Mit dem Bild ihrer Freundin im Kopf, die allein an einer Straßenecke stand, konnte sie Buffalo heute Abend unmöglich verlassen. Sie würde sich immer daran erinnern.
Bernice war süchtig. Sie war krank. Sie brauchte Hilfe. Jolene war ihr Rettungsanker.
Und ihre innere Stimme sagte ihr, dass an diesem Abend etwas schrecklich falsch laufen würde.
Der Fahrer knurrte mürrisch, als sie ihn bat, wieder umzukehren. Als sie jedoch die Gasse erreichten, wo Bernice gewartet hatte, war sie bereits mit einem Freier verschwunden.
Jolene hatte ein ungutes Gefühl.
Aber sie wusste genau, wo sie sich aufhielten.
Weiter unten am Fluss.
Schon seltsam, überlegte Jolene jetzt, als sie dem wegfahrenden Taxi hinterherschaute. Tagsüber war der Park ein Erholungsort für ganz normale Menschen, die hier spazieren gingen, joggten oder am Wasser für ihre Hochzeitsfotos posierten.
Und hier ihren Träumen nachhängen konnten.
Die meisten Einheimischen, die ein glückliches und zufriedenes Leben führten, hatten keine Ahnung, dass hier nach Einbruch der Dunkelheit Prostituierte auf ihre Kunden warteten.
Das ist der Ort, an dem man die wirkliche Welt verlässt, wo man seine Würde verliert. Wo jedes Mal, wenn du deinen Körper als Überlebenshilfe benutzt, ein Teil von dir stirbt.
Jolene kannte sich aus. Das war früher auch ihr Leben gewesen, vor dem sie geflohen war, als sie Cody bekam. Er war das wichtigste Argument für sie gewesen, all das hinter sich zu lassen. Sie hatte sich geschworen, dass er keine süchtige Mutter haben würde, die ihren Körper für Rauschgift verkaufte.
Er hatte etwas Besseres verdient.
Genau wie Bernice.
Sie war im Stich gelassen und misshandelt worden, aber sie hatte hart gearbeitet, um es aufs College zu schaffen. Aber auch dort war sie mit Problemen konfrontiert worden, die sie mit Drogen in den Griff zu bekommen versuchte. Aber die Sucht hatte sie nur immer tiefer hinuntergezogen. Das Tragische daran war, dass es nur noch ein paar Monate bis zu ihrem Abschluss als examinierte Krankenschwester gedauert hätte.
Bernice gehörte nicht in dieses Leben.
Pfeif auf den Bus! Jolene würde sie finden und nach Hause bringen, und wenn es das Letzte war, das sie tat. Jolene hatte keine Angst davor, sich nachts in dieser Gegend aufzuhalten. Sie kannte sie gut und wusste sich zu schützen.
Sie hatte ihr Pfefferspray dabei.
Sie erreichte den sandigen Parkplatz. Er war Teil einer ehemaligen Zufahrtsstraße, die zu dem Pfad führte, der sich am Fluss entlangschlängelte. Der Parkplatz war leer. Nichts deutete darauf hin, dass hier kürzlich jemand gewesen war.
Die Grillen zirpten, und Jolene ließ ihren Blick über das Gelände und hinauf zu den Baumkronen schweifen, deren Silhouetten sich gegen einen Dreiviertelmond abhoben. Sie kannte die verborgenen Pfade und abgelegenen Wiesen, wo Drogen genommen, Freier bedient und alle möglichen dunklen Geschäfte getätigt wurden. Hinter einer Baumgruppe entdeckte sie etwas Chromblitzendes. Es sah aus wie der Kühlergrill eines Wagens, der auf einem weiter entfernten Parkplatz abgestellt war. Ein Lastwagen möglicherweise. Jolene ging näher. Sie hatte ihr Ziel fast erreicht, als ein Schrei sie erstarren ließ.
„Nein, um Himmels willen, nein! Hilfe!"
Jolenes Nackenhaare richteten sich auf.
Bernice!
Der Schrei kam aus dem dunkelsten Teil des Parks nahe beim Fluss. Jolene hastete in diese Richtung. Zweige schlugen ihr ins Gesicht und verhakten sich in ihrer Kleidung.
Das Gebüsch war dichter, als sie es in Erinnerung hatte. Da sich ihre Augen noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt hatten, lief sie nahezu blind über das hügelige Gelände.
Plötzlich trat sie ins Leere und schlug mit dem Gesicht auf den Boden.
Mühsam kam sie wieder hoch und lief weiter.
Weiter vorne bewegte sich etwas. Schattenrisse im Mondlicht.
Geräusche.
Lautlos griff Jolene in ihre Handtasche. Ihre Finger umklammerten das Pfefferspray. Eine Ladung in das Gesicht dieses Mistkerls. Ein Tritt in die Weichteile. So etwas hatte Jolene schon früher mit kranken Typen getan, die sie schlagen und würgen wollten.
Sie schluckte hart, bereit zum Kampf. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie herauszufinden versuchte, was sie erwartete. Jemand bewegte sich; sie sah die Umrisse eines Körpers.
Bernice? War das ihr Gesicht auf dem Boden?
Ein metallisches Klirren.
Werkzeuge? Was ging da vor?
Unmittelbar neben Jolene explodierte die Luft, als ein aufgescheuchter Vogel aufgeregt in den Himmel flatterte. Erschrocken trat sie einen Schritt zurück, stolperte und stürzte auf trockenes Laub und morsche Zweige. Sie war nicht verletzt. Jetzt war es totenstill. Jemand lauschte.
Jolene rührte sich nicht. Die Person schien nachzudenken. Das Blut pochte ihr in den Ohren.
Ein Zweig knackte. Die Person kam näher. Jolene hielt den Atem an. Noch näher.
All ihre Sinne waren bis zum Äußersten gespannt. Mit der Hand tastete sie über den Boden, doch sie konnte ihre Tasche nicht finden. Voller Panik suchte sie auf dem schmutzigen Boden nach ihrem Pfefferspray, bekam einen Stein zu fassen, einen Ast.
Alles mögliche.
Ihr Puls raste, und sie hielt den Atem an. Nach ein paar qualvollen Sekunden ließ die Anspannung nach. Die Bedrohung schien von einer Windbö, die durch die Baumkronen rauschte, fortgeweht worden zu sein.
Gott sei Dank!
Jolene riss sich zusammen, um die Suche nach Bernice fortzusetzen, als sie ein greller Blitz mitten ins Gesicht traf.
Blinzelnd hob sie ihre Hand gegen die blendende Helligkeit. Jemand grunzte, ein Schatten zeichnete sich ab. Sie wollten losrennen, doch in diesem Augenblick explodierten zahllose Feuerwerkskörper in ihrem Kopf und schleuderten sie ins Nichts.
Leseprobe zu Rick Mofina: Geschändet , MIRA Taschenbuch Band 25473,
© 2009 by Rick Mofina, Originaltitel: Vengeance Road, Übersetzung: Rainer Nolden
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Autoren-Porträt von Rick Mofina
Vom Todestrakt in Texas bis nach Afrika und in den Mittleren Osten - seine Reportagen führten en erfolgreichen Journalisten Rick Mofina um die ganze Welt. Viele dieser Eindrücke verarbeitet er in seinen erfolgreichen Thrillern, von denen "Der Countdown" nun als erster auf Deutsch erscheint. Derzeit lebt der Autor mit seiner Frau und zwei Kindern in Ottawa.
Bibliographische Angaben
- Autor: Rick Mofina
- 2010, 460 Seiten, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Rainer Nolden
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3899417747
- ISBN-13: 9783899417746
- Erscheinungsdatum: 13.09.2010
Rezension zu „Geschändet “
">Geschändet< ist ein Thriller ohne Geschwindigkeitsbegrenzung. Einfach großartig zu lesen." - Michael Connelly, New York Times Bestsellerautor
Kommentar zu "Geschändet"
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