Gleichbleibend schön
Roman
Das Meisterwerk einer außergewöhnlichen Autorin
Gleichbleibend schön und makellos blau ist der Himmel über Tasmanien, wild und von surrealer Schönheit die Landschaft. Menschen sind Fremdkörper in diesem Paradies,...
Gleichbleibend schön und makellos blau ist der Himmel über Tasmanien, wild und von surrealer Schönheit die Landschaft. Menschen sind Fremdkörper in diesem Paradies,...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Gleichbleibend schön “
Das Meisterwerk einer außergewöhnlichen Autorin
Gleichbleibend schön und makellos blau ist der Himmel über Tasmanien, wild und von surrealer Schönheit die Landschaft. Menschen sind Fremdkörper in diesem Paradies, »schutzlose weiße Körper, die wie Krabben langsam ihrer Vernichtung entgegen kriechen«. Fremd wirken auch die bunten Holzbungalows, die in den Dünen stehen. Und fremd in ihrem Leben ist die Erzählerin, junge Ehefrau und Mutter wider Willen, die sich durch die endlos langen Tage treiben lässt. Während die anderen Mütter plaudernd am Strand sitzen, bleibt sie im Haus, liest, döst und beobachtet die neue Nachbarin, die sich stundenlang um ihren Rasen kümmert. Nur dienstags und donnerstags erwacht sie aus ihrer Erstarrung. Dann stiehlt sie sich aus ihrem idyllischen Familiengefängnis und wirft sich dem Restaurantbesitzer Jonathan und dem exzentrischen Künstler Ben in die Arme. Als diese kleinen Fluchten ihr versperrt werden, sieht sie rot.
Gleichbleibend schön und makellos blau ist der Himmel über Tasmanien, wild und von surrealer Schönheit die Landschaft. Menschen sind Fremdkörper in diesem Paradies, »schutzlose weiße Körper, die wie Krabben langsam ihrer Vernichtung entgegen kriechen«. Fremd wirken auch die bunten Holzbungalows, die in den Dünen stehen. Und fremd in ihrem Leben ist die Erzählerin, junge Ehefrau und Mutter wider Willen, die sich durch die endlos langen Tage treiben lässt. Während die anderen Mütter plaudernd am Strand sitzen, bleibt sie im Haus, liest, döst und beobachtet die neue Nachbarin, die sich stundenlang um ihren Rasen kümmert. Nur dienstags und donnerstags erwacht sie aus ihrer Erstarrung. Dann stiehlt sie sich aus ihrem idyllischen Familiengefängnis und wirft sich dem Restaurantbesitzer Jonathan und dem exzentrischen Künstler Ben in die Arme. Als diese kleinen Fluchten ihr versperrt werden, sieht sie rot.
Klappentext zu „Gleichbleibend schön “
Das Meisterwerk einer außergewöhnlichen AutorinGleichbleibend schön und makellos blau ist der Himmel über Tasmanien, wild und von surrealer Schönheit die Landschaft. Menschen sind Fremdkörper in diesem Paradies, "schutzlose weiße Körper, die wie Krabben langsam ihrer Vernichtung entgegen kriechen". Fremd wirken auch die bunten Holzbungalows, die in den Dünen stehen. Und fremd in ihrem Leben ist die Erzählerin, junge Ehefrau und Mutter wider Willen, die sich durch die endlos langen Tage treiben lässt. Während die anderen Mütter plaudernd am Strand sitzen, bleibt sie im Haus, liest, döst und beobachtet die neue Nachbarin, die sich stundenlang um ihren Rasen kümmert. Nur dienstags und donnerstags erwacht sie aus ihrer Erstarrung. Dann stiehlt sie sich aus ihrem idyllischen Familiengefängnis und wirft sich dem Restaurantbesitzer Jonathan und dem exzentrischen Künstler Ben in die Arme. Als diese kleinen Fluchten ihr versperrt werden, sieht sie rot.
Lese-Probe zu „Gleichbleibend schön “
Gleichbleibend schön von Helen Hodgman Aus dem Englischen von Anne Rademacher
Ich hatte es mit angesehen. Von Anfang an.
Bevor sie kam, war unser Haus das letzte in der Straße gewesen: das schäbige Schlusslicht einer langen Reihe gepflegter Holzbungalows. Es stach ein wenig hervor, weil es nicht wie die anderen in einem Pastellton gestrichen war. Ich hatte mich nie für eine Farbe entscheiden können. Ungenutzte Farbwahlkarten lagen im Haus verstreut.
auf der anderen Seite des Hauses befand sich ein kleines Stück struppiges Buschland, das sich bis zum Strand hinabzog. Solange ich aus den richtigen Fenstern schaute, konnte ich tagelang vergessen, dass ich in einer Vorstadtsiedlung lebte.
Dann wurde das Land verkauft und gerodet. Männer zogen Gräben. Bauten das Haus.
Die Frau, die das Grundstück gekauft hatte, kam jeden Tag zur Baustelle, um sie zu beaufsichtigen. Ich stand hinter den Jalousien und hörte zu, wie sie herumquengelte, damit die Männer schneller machten. Die sonnenverbrannten Kerle scherte das nicht. Sie ließen sich Zeit und legten regelmäßige Pausen ein, um sich in einem Henkeltopf über dem Feuer ihren Billy- Tee zu brauen, zu rauchen und die Frau durch große Bissen Fleischpastete anzugrinsen.
Ihr Werk war bald vollendet, und das Haus balancierte auf einem unebenen Stück roher, rotbrauner Erde. Die Männer gingen. Es war Regenzeit. Bald spiegelte sich der Himmel in schillernden Wasserlachen. Sie umgaben das Haus wie ein Zaun aus Metallscheiben, die im Sonnenlicht glitzerten und blitzten.
Die Frau heuerte eine neue Gruppe sanftmütiger Riesen an, die das Grundstück planierten. Sie gruben den Boden um und bereiteten ihn darauf vor, säckeweise domestizierten Grassamen aufzunehmen.
... mehr
Um den kümmerte die Frau sich selbst. Vor dem Haus leuchtete bald ein unnatürlich grünes Rasenstück aus stacheligen Grashalmen. Beeindruckend aus der Ferne, von nahem gesehen jedoch ziemlich traurig. Die Halme standen weit auseinander. Durch die Lücken klaffte der staubige, im Lauf des Sommers noch staubiger werdende Boden wie Räude und trotzte den täglichen Gießattacken.
am Rand dieses verhätschelten Fleckens raschelten und wogten die heimischen Gräser. Bisweilen machten sie ihren Anspruch auf das usurpierte Homeland geltend und schleuderten einen Samen hinüber, der einen Zentimeter Boden befruchtete und zurückeroberte. Doch bei aller Zähigkeit - die fast tägliche Rasur überstand er nicht.
*
In den ersten Tagen des Rasenanlegens kam die Frau immer frühmorgens vorbei, um die Saat zu kontrollieren. Sie sah dem Gras beim Wachsen zu, mit dem Einziehen schien sie es nicht eilig zu haben. Wenn ich vom Strand zurückkam, musste ich an ihr vorbei, aber sie war viel zu beschäftigt, um etwas zu sagen. Sie hielt auf Distanz. mir war das recht. Hätte sie sich vorgestellt, wäre der Zauber des Strandes verflogen. mit etwas Glück und ohne Störungen konnte er mich über den ganzen Tag retten. Der Strand war der Hauptgrund, warum ich dort lebte.
Ich hatte ihn während eines Wochenendbesuchs bei meiner zukünftigen Schwiegermutter entdeckt. meine Schwangerschaft war erst vierundzwanzig Stunden vorher bestätigt worden, eigentlich gab es keinen Grund zur Eile. Doch mein Mann wollte wie immer alles richtig machen, und in diesem Fall hieß das, es ihnen schonend beizubringen und ein Haus für uns zu suchen.
Weil ich über alles nachdenken wollte, war ich früh morgens zu einem Spaziergang aufgebrochen. als es so aussah, als würde die Straße ewig weitergehen, stieg sie plötzlich leicht an, um auf der anderen Seite in einen Streifen aus schneidend rauem Seegras zu münden und schließlich in einem Wirrwarr aus Autospuren auf dem Sandstrand zu enden.
Die Frühmorgenüberraschung: Es war ein herrlicher Strand, wie von der Titelseite eines Urlaubsprospektes. Blassgelb und makellos erstreckte er sich zu beiden Seiten. an den jeweiligen Enden sprangen spektakulär schwarze Felsen vor, die See war tiefblau und glitzerte wie Silberlamé. absurd viel Schönheit für die frühe Stunde, ein Farbfeuerwerk, das für mich eher zur Mitternacht gehörte. Ich setzte mich zwischen die leeren Bierdosen auf den Boden und weinte.
Ich war am Meeresufer gestrandet wie das arme dumme Schildkrötenweibchen, das ich einmal in einem Film gesehen hatte. nachdem es unter großen Qualen und mühen einen Haufen Eier gelegt hatte, gab es keine Hoffnung mehr, dass es den Weg zurück ins Meer schaffte. Es würde vor Erschöpfung sterben.
Als ich die Straße entlang zurückging, sah ich ein Haus, das zum Verkauf stand.
Wir nahmen einen Kredit auf, kauften es und zogen ein. mein Mann arbeitete hart. Er musste das Darlehen abzahlen und sich auf die finanzielle Seite seiner Vaterschaft vorbereiten. Ich legte die Hände in den Schoß und wartete wie die Schildkröte auf den Tod.
Er kam nicht. Die Tage verstrichen, und bald glaubte ich selbst nicht mehr an ihn. Endlose Tage, an denen die Uhr immer drei Uhr nachmittags zeigte, egal, was man mit ihr anstellte. man konnte sie umdrehen. Versuchen, sie zu überrumpeln, indem man völlig überraschend den Kopf zur Tür hineinstreckte. alles vergeblich. So plätscherte der Tag langsam aus, und es gab nichts mehr, womit man ihn hätte füllen können.
Die anderen Bewohnerinnen dieses Naturreservats für Frauen erfanden etwas, um sich die Zeit zu vertreiben. Kreative und entspannende Beschäftigungen, wie sie von den Frauenzeitschriften vorgeschlagen wurden, jenen Placebos, deren Einnahme das Dasein versüßte und die eine Hälfte der Bevölkerung ruhig und gefügig machte. Doch solche Tätigkeiten erforderten Energie und das Bedürfnis, seine Tage sinnvoll zu gestalten. Beides fehlte mir.
*
In seiner frühmorgendlichen Perfektion wartete der Strand nur auf mich und die gelegentlichen Spaziergänger mit Hund. Wenn die Sonne höher stieg, begann der blassgelbe Sand wüstengleich zu glühen. Die schwarzen Felsen ragten auf wie primitive Kultstätten: die Stonehenges der Antipoden.
Später am Tag, wenn das Glühen nachließ, kamen die Frauen der Umgebung. Diejenigen, die ganz in der Nähe lebten, gingen zu Fuß und schleppten bunte Strandtaschen, Babys und all die vielen Utensilien herbei, die sie für eine Stunde an der frischen Luft brauchten. Die Frauen von weiter oben in der Straße kamen mit dem Auto. Die Räder ihrer kleinen sparsamen Zweitwägen wühlten den Rand des Strandes um und wirbelten Staubwolken auf. Die meisten der Frauen rotteten sich an den jeweiligen Strandenden zusammen. Die in der Frühe so mysteriös wirkenden Felsen wurden zu häuslichen Zwecken entfremdet, die fachen Oberflächen hielten als Tische her und die Spalten dazwischen als Stauraum für kalte Getränke und um Kleidungsstücke aus dem Sand zu halten.
Sobald die älteren Kinder der Schule entkamen, stießen sie zu ihren Familien am Strand. Sie buddelten im Sand, bauten Burgen, formten riesige Initialen und gruben Löcher bis nach China. Die gedämpften Stimmen der Mütter und sonnenbekifften Babys wurden von den schrillen, sich in ihrer Lautstärke überbietenden Schreien der freigelassenen Schüler übertönt. Die Mütter rafften ihre Babys und Strandutensilien zusammen und gingen. Sie mussten das Abendessen für die heimkehrenden Ehemänner kochen, Rasensprenger anschalten und die Kleider von den Wäschespinnen hinter den Häusern nehmen - jenen Totemketten der Vorstädte. Die älteren Kinder durften noch bleiben und verteidigten ihre Freiheit, bis die mahnenden Rufe der Mütter durch die Abenddämmerung hallten und sie zurück in die Häuser holten.
meine Langeweile wuchs inmitten des Überflusses - des Überflusses an Menschen. Einen hatte ich sogar in mir. Manchmal trat er mich, um mich an seine Existenz zu erinnern. Eingebaute Gesellschaft.
Aber so sollte man es nicht sehen, oder? Ich hatte das Gefühl meinem Gynäkologen beschrieben.
»Oder?« O Gott, er war attraktiv, besonders, wenn er lächelte.
Er lächelte.
»Eigentlich nicht. Das ist eine etwas seltsame Einstellung. Nach meiner Erfahrung denken die meisten Frauen nicht über den zweifelsohne wichtigen Punkt hinaus, das Baby auf die Welt zu bringen. Die Zukunft liegt für sie wie hinter einem Vorhang.«
»Oder einer Jalousie«, warf ich ein und dachte, dass die Antwort nicht zur Frage passte.
»Meinetwegen.« noch ein Lächeln, aber diesmal kam es nicht von Herzen, das sah man.
*
Das Baby kam genau rechtzeitig zur Welt, sodass ich an meinem ersten Tag nach der Entlassung aus der Klinik zusehen konnte, wie die neue Nachbarin endlich einzog. Ich schob die Lamellen der Jalousie auseinander, schaute hinaus und staunte mit dem Rest der Straße über die Ausmaße ihres Fernsehers, die mächtige dreiteilige Couchgarnitur aus Kunstleder, ihren Cocktailschrank und den seltsamen Rasenmäher.
Am nächsten Morgen sprach sie mich an. Es gab keine Möglichkeit, ihr aus dem Weg zu gehen. Sie war draußen und zog den Rasenmäher hinter sich her. Noch bevor ich einen Schritt gehen konnte, hatte sie mich festgenagelt.
»Guten Tag. Ich bin Ihre neue Nachbarin. Olive, aber nennen Sie mich Ollie. am besten man fängt gleich so an, wie man weitermachen will, sage ich immer. «
Ich sagte, dass ich mich freue, sie kennenzulernen.
»Ganz meinerseits natürlich. Sie wohnen hier wohl schon länger? Ich bin neu in der Gegend. Bin vom Festland gekommen, um es in Tassie zu versuchen. War natürlich vorher schon im Urlaub hier, zusammen mit meinem verstorbenen Mann. Da ist uns die Idee gekommen.«
Sie polierte den Rasenmäher und wickelte ein langes Kabel auf, das sie direkt hinter ihrer sonnengelben Haustür in eine Steckdose steckte. Die Maschine heulte auf und zog die Frau hinter sich her über den Rasen.
»Ist er nicht wunderschön?«, schrillte sie mir über die Schulter zu. »So einen haben Sie bestimmt noch nie gesehen, was?«
Da hatte sie recht. Elektrische Rasenmäher hatten sich auf der Apfelinsel noch nicht durchgesetzt. Sie beendete ihre Demonstration mit einer schwungvollen acht um meine Füße und schaltete ihn aus.
»Nicht schlecht, was?«
Ich stimmte zu. Insgeheim hielt ich ihn für gefährlich. Damit war ich nicht allein. Bald lehnten die Leute am Gartenzaun der Frau und gaben gute Ratschläge. an schlechten Tagen, wenn mir jede Art Ablenkung recht war, tat ich dasselbe.
Sie versicherte uns, ihren wohlmeinenden Nachbarn, dass sie sich der Gefahren bewusst sei: »man muss nur ganz genau aufpassen, dass nichts im Gras herumliegt, kein Stein oder Zweig oder sonst was. Es könnte in den Motor geraten und einen Stromschlag auslösen.«
Aus diesem Grund kämmte sie das erbärmliche, sonnenversengte Stoppelstück vor dem Mähen mit einem Rechen durch, den sie extra dafür angeschafft hatte.
Sie mähte den Rasen mehrmals in der Woche und ließ ihm keine Chance zu wachsen. So viel Zeit, wie sie ihm widmete, musste sie sich genauso langweilen wie ich. Vielleicht hätten wir darüber reden und uns gemeinsam die Zeit mit Ikebanakursen oder so etwas vertreiben sollen.
Stattdessen blieb ich hinter meinen staubigen Jalousien und schob gelegentlich zwei Plastiklamellen auseinander, um sie bei der Arbeit zu beobachten.
»Ist doch überall dasselbe«, murmelte ich und sah zu, wie die Fensterscheibe von meinem Atem anlief. aber stimmte das wirklich?
Meine Nachbarin, die vernünftiger war als ich, plagte sich gnadenlos weiter. Ich kam zu dem Schluss, dass es sich um einen Fimmel von ihr handelte: ein Wettrennen mit der Natur, ein heroischer Kampf oder so was in der Art.
*
In den folgenden Wochen hielt ich es für meine Pflicht, täglich mit meiner Tochter an die frische Luft zu gehen. Wir gingen an den Strand zu unseresgleichen. Ich hörte genau zu, wenn meine Mitmütter sich über Gott und die Welt unterhielten. Das Baby strampelte in seinem Weidenkorb, den ein nützlicher Felsenschatten vor der Sonne schützte. Wo ich konnte, mischte ich mich höflich ein und gab sorgfältig abgewogene Kommentare von mir. Ich hatte sie vorher eingeübt. Die Gesprächsthemen bewegten sich im Kreis, eins für jeden immer wiederkehrenden Wochentag. Die meiste Zeit aber hörte ich einfach zu, wenn sie über Strickmuster und Inzest plapperten, und fühlte mich überlegen. Es verging kaum ein Tag, an dem sie nicht über irgendeinen hoffnungslos verwirrten Kretin sprachen, den man im Inland zusammen mit dem Hofhund an die Wand eines Bauernhauses gekettet gefunden hatte, ein heilloses Gen-Kuddelmuddel, und alles nur, weil die Eltern nie wegkamen. In der Stadt bereitete sich die Chorgemeinschaft des Landfrauenverbands auf das fünfzehnte Gilbert and Sullivan Festival vor.
Das Bild von der armen gestrandeten Schildkröte wurde in meinem Kopf von dem einer Seehundkolonie überlagert, Müttern mit ihren Babys, die sich in dampfenden Haufen am Strand zusammenrotteten, während die Väter auf Nahrungssuche waren.
Als das Seehundbild sich abnutzte, beschwor ich ein neues herauf. auf der Linie zwischen Meer und Himmel erschien das erwartungsvoll leuchtende Kürbisgesicht von King Kong. Zwei riesige arme streckten sich vom Horizont nach uns aus. Haarige Hände griffen übers Meer. King Kong nahm die Frauen zwischen Daumen und Zeigefinger und legte sie sich in die Handfläche. Dann ließ er die Hand ins Meer sinken und hielt die Frauen in einem sanft blubbernden Bündel unter den Wellen fest. Nur ich allein blieb am Strand zurück. als keine Blasen mehr aufstiegen, ließ er die Frauen los. Sie sanken, sich langsam und anmutig überschlagend, hinab auf den Meeresboden. King Kongs Kürbisgesicht leuchtete auf mich herab, die faltigen Lederschlitze seiner Augen blinzelten glücklich. Seine Faust schloss sich um meine Taille. Er hob mich hoch, drang mit seinem spitzen, haarigen kleinen Finger in mich ein, während ich in den Wolken verschwand. Unter dem lauten Klagegesang der verlassenen Babys fuhr ich in den Himmel auf.
Ich stellte die Strandbesuche ein.
ab sofort konzentrierte ich mich nicht mehr darauf, das Baby an die frische Luft zu bringen, sondern darauf, es loszuwerden. mit Höflichkeit und gutem Benehmen konnte ich mir kleine Auszeiten erkaufen. nett sein musste ich vor allem zur Mutter meines Mannes. Sie lebte in kinderwagengerechter Entfernung und tat nichts lieber, als auf das Baby aufzupassen. allerdings nicht jeden Tag, das wäre nicht richtig gewesen. aber auf zwei Tage die Woche ließ sie sich ein.
Dienstags und donnerstags. an diesen Tagen hatte ich frei und konnte die Straße vergessen, den Strand und drei Uhr nachmittags.
Meine Nachbarin wollte ich nicht vergessen. Ihre Besessenheit interessierte mich. Ich erfand Geschichten über sie, damit meine Freunde sie auch interessant fanden. Zusammen entwickelten wir die große Saga von Unserer Guten Frau vom Rasen.
Ich hatte zwei Freunde. Einen für jeden Tag. Zwei Männer. Es war schwierig, Männer zu finden, die tagsüber Zeit hatten. Anständige Männer schienen von neun bis fünf zu arbeiten, mit einer Stunde Pause in der Mitte. Aber in einer Stunde kann man nicht viel anstellen. Ich zumindest nicht.
Ben war Maler, aber er fotografierte und zeichnete auch. Er war für die Donnerstage, das Beste zum Schluss. Ben war mit Gloria verheiratet, meiner ältesten Freundin.
Dass also ein wenig pulstreibende Heimlichtuerei nötig war, tat mir gut. Ben wurde aufregend. Eine nette Abwechslung. Ich weiß noch, wie aufgekratzt Gloria nach ihrer ersten Begegnung war. Sie trafen sich in einem Park, in der Nähe seiner Kunstakademie und der PH, an der sie Lehramt studierte. Gloria hatte auf einer Bank gesessen und Mittag gegessen, als Ben vorbeikam und sich ans andere Ende setzte. Weil er so hungrig aussah und seine Brotdose leer war, hatte sie ihm einen von den selbst gebackenen Löffelbiskuits ihrer Vermieterin angeboten.
»Er ist anders«, erzählte sie mir. »Er hat eine Wohnung in einem der Häuser hinterm College. Sein Schlafzimmer ist mit Silberfolie ausgeschlagen wie eine Teekiste.« Damals war Gloria diejenige, die immer Glück hatte.
Jonathan war für dienstags. Er betrieb ein Restaurant, das von denen, die etwas davon verstanden, für das Beste der Insel gehalten wurde. Ich hatte dort als Kellnerin gearbeitet, abends und an den Wochenenden. Wir wurden an dem Tag Freunde, an dem er mich beiseitenahm und mich in ein Geheimnis einweihte: »Hör mal, wenn du im Gegenlicht stehst, kann jeder durch dein Kleid sehen. Es ist durchsichtig«, fügte er dann noch unnötigerweise hinzu.
»Ich weiß«, sagte ich.
»Na, dann ist ja gut.« Er wirkte erleichtert.
Wir gewöhnten uns an, nach Feierabend in der leeren Bar zu trinken. Die Bar war das Beste. Dem Restaurant fehlte es an Atmosphäre - Kerzen in Flaschen oder keine Kerzen in Flaschen. Aber die Bar war nett. Sie hatte eine Marmortheke, hinter der die mit Flaschen gefüllten Glasregale bis unter die Decke reichten.
Neben der Bar stand ein riesiger schwarzer Kühlschrank, in dem Eis und kühle Getränke aufbewahrt wurden. Noch nie hatte ich so einen exotischen Kühlschrank gesehen; ich bewunderte ihn, obwohl man jeden einzelnen Fingerabdruck auf ihm sah. Kaum jemand konnte der Versuchung widerstehen, ihn im Vorbeigehen kurz zu berühren. Wenn man genau hinschaute, erkannte man sein Gesicht in ihm.
Das Zweitbeste am Restaurant war seine Lage unter der Erde. Man musste nur die Treppe von der Straße hinabsteigen, und schon war man in Sicherheit. In der Bar mit ihrem gedämpften Licht und den matt glänzenden Oberflächen verging die Zeit wie im Flug.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2012 beim Albrecht Knaus Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Um den kümmerte die Frau sich selbst. Vor dem Haus leuchtete bald ein unnatürlich grünes Rasenstück aus stacheligen Grashalmen. Beeindruckend aus der Ferne, von nahem gesehen jedoch ziemlich traurig. Die Halme standen weit auseinander. Durch die Lücken klaffte der staubige, im Lauf des Sommers noch staubiger werdende Boden wie Räude und trotzte den täglichen Gießattacken.
am Rand dieses verhätschelten Fleckens raschelten und wogten die heimischen Gräser. Bisweilen machten sie ihren Anspruch auf das usurpierte Homeland geltend und schleuderten einen Samen hinüber, der einen Zentimeter Boden befruchtete und zurückeroberte. Doch bei aller Zähigkeit - die fast tägliche Rasur überstand er nicht.
*
In den ersten Tagen des Rasenanlegens kam die Frau immer frühmorgens vorbei, um die Saat zu kontrollieren. Sie sah dem Gras beim Wachsen zu, mit dem Einziehen schien sie es nicht eilig zu haben. Wenn ich vom Strand zurückkam, musste ich an ihr vorbei, aber sie war viel zu beschäftigt, um etwas zu sagen. Sie hielt auf Distanz. mir war das recht. Hätte sie sich vorgestellt, wäre der Zauber des Strandes verflogen. mit etwas Glück und ohne Störungen konnte er mich über den ganzen Tag retten. Der Strand war der Hauptgrund, warum ich dort lebte.
Ich hatte ihn während eines Wochenendbesuchs bei meiner zukünftigen Schwiegermutter entdeckt. meine Schwangerschaft war erst vierundzwanzig Stunden vorher bestätigt worden, eigentlich gab es keinen Grund zur Eile. Doch mein Mann wollte wie immer alles richtig machen, und in diesem Fall hieß das, es ihnen schonend beizubringen und ein Haus für uns zu suchen.
Weil ich über alles nachdenken wollte, war ich früh morgens zu einem Spaziergang aufgebrochen. als es so aussah, als würde die Straße ewig weitergehen, stieg sie plötzlich leicht an, um auf der anderen Seite in einen Streifen aus schneidend rauem Seegras zu münden und schließlich in einem Wirrwarr aus Autospuren auf dem Sandstrand zu enden.
Die Frühmorgenüberraschung: Es war ein herrlicher Strand, wie von der Titelseite eines Urlaubsprospektes. Blassgelb und makellos erstreckte er sich zu beiden Seiten. an den jeweiligen Enden sprangen spektakulär schwarze Felsen vor, die See war tiefblau und glitzerte wie Silberlamé. absurd viel Schönheit für die frühe Stunde, ein Farbfeuerwerk, das für mich eher zur Mitternacht gehörte. Ich setzte mich zwischen die leeren Bierdosen auf den Boden und weinte.
Ich war am Meeresufer gestrandet wie das arme dumme Schildkrötenweibchen, das ich einmal in einem Film gesehen hatte. nachdem es unter großen Qualen und mühen einen Haufen Eier gelegt hatte, gab es keine Hoffnung mehr, dass es den Weg zurück ins Meer schaffte. Es würde vor Erschöpfung sterben.
Als ich die Straße entlang zurückging, sah ich ein Haus, das zum Verkauf stand.
Wir nahmen einen Kredit auf, kauften es und zogen ein. mein Mann arbeitete hart. Er musste das Darlehen abzahlen und sich auf die finanzielle Seite seiner Vaterschaft vorbereiten. Ich legte die Hände in den Schoß und wartete wie die Schildkröte auf den Tod.
Er kam nicht. Die Tage verstrichen, und bald glaubte ich selbst nicht mehr an ihn. Endlose Tage, an denen die Uhr immer drei Uhr nachmittags zeigte, egal, was man mit ihr anstellte. man konnte sie umdrehen. Versuchen, sie zu überrumpeln, indem man völlig überraschend den Kopf zur Tür hineinstreckte. alles vergeblich. So plätscherte der Tag langsam aus, und es gab nichts mehr, womit man ihn hätte füllen können.
Die anderen Bewohnerinnen dieses Naturreservats für Frauen erfanden etwas, um sich die Zeit zu vertreiben. Kreative und entspannende Beschäftigungen, wie sie von den Frauenzeitschriften vorgeschlagen wurden, jenen Placebos, deren Einnahme das Dasein versüßte und die eine Hälfte der Bevölkerung ruhig und gefügig machte. Doch solche Tätigkeiten erforderten Energie und das Bedürfnis, seine Tage sinnvoll zu gestalten. Beides fehlte mir.
*
In seiner frühmorgendlichen Perfektion wartete der Strand nur auf mich und die gelegentlichen Spaziergänger mit Hund. Wenn die Sonne höher stieg, begann der blassgelbe Sand wüstengleich zu glühen. Die schwarzen Felsen ragten auf wie primitive Kultstätten: die Stonehenges der Antipoden.
Später am Tag, wenn das Glühen nachließ, kamen die Frauen der Umgebung. Diejenigen, die ganz in der Nähe lebten, gingen zu Fuß und schleppten bunte Strandtaschen, Babys und all die vielen Utensilien herbei, die sie für eine Stunde an der frischen Luft brauchten. Die Frauen von weiter oben in der Straße kamen mit dem Auto. Die Räder ihrer kleinen sparsamen Zweitwägen wühlten den Rand des Strandes um und wirbelten Staubwolken auf. Die meisten der Frauen rotteten sich an den jeweiligen Strandenden zusammen. Die in der Frühe so mysteriös wirkenden Felsen wurden zu häuslichen Zwecken entfremdet, die fachen Oberflächen hielten als Tische her und die Spalten dazwischen als Stauraum für kalte Getränke und um Kleidungsstücke aus dem Sand zu halten.
Sobald die älteren Kinder der Schule entkamen, stießen sie zu ihren Familien am Strand. Sie buddelten im Sand, bauten Burgen, formten riesige Initialen und gruben Löcher bis nach China. Die gedämpften Stimmen der Mütter und sonnenbekifften Babys wurden von den schrillen, sich in ihrer Lautstärke überbietenden Schreien der freigelassenen Schüler übertönt. Die Mütter rafften ihre Babys und Strandutensilien zusammen und gingen. Sie mussten das Abendessen für die heimkehrenden Ehemänner kochen, Rasensprenger anschalten und die Kleider von den Wäschespinnen hinter den Häusern nehmen - jenen Totemketten der Vorstädte. Die älteren Kinder durften noch bleiben und verteidigten ihre Freiheit, bis die mahnenden Rufe der Mütter durch die Abenddämmerung hallten und sie zurück in die Häuser holten.
meine Langeweile wuchs inmitten des Überflusses - des Überflusses an Menschen. Einen hatte ich sogar in mir. Manchmal trat er mich, um mich an seine Existenz zu erinnern. Eingebaute Gesellschaft.
Aber so sollte man es nicht sehen, oder? Ich hatte das Gefühl meinem Gynäkologen beschrieben.
»Oder?« O Gott, er war attraktiv, besonders, wenn er lächelte.
Er lächelte.
»Eigentlich nicht. Das ist eine etwas seltsame Einstellung. Nach meiner Erfahrung denken die meisten Frauen nicht über den zweifelsohne wichtigen Punkt hinaus, das Baby auf die Welt zu bringen. Die Zukunft liegt für sie wie hinter einem Vorhang.«
»Oder einer Jalousie«, warf ich ein und dachte, dass die Antwort nicht zur Frage passte.
»Meinetwegen.« noch ein Lächeln, aber diesmal kam es nicht von Herzen, das sah man.
*
Das Baby kam genau rechtzeitig zur Welt, sodass ich an meinem ersten Tag nach der Entlassung aus der Klinik zusehen konnte, wie die neue Nachbarin endlich einzog. Ich schob die Lamellen der Jalousie auseinander, schaute hinaus und staunte mit dem Rest der Straße über die Ausmaße ihres Fernsehers, die mächtige dreiteilige Couchgarnitur aus Kunstleder, ihren Cocktailschrank und den seltsamen Rasenmäher.
Am nächsten Morgen sprach sie mich an. Es gab keine Möglichkeit, ihr aus dem Weg zu gehen. Sie war draußen und zog den Rasenmäher hinter sich her. Noch bevor ich einen Schritt gehen konnte, hatte sie mich festgenagelt.
»Guten Tag. Ich bin Ihre neue Nachbarin. Olive, aber nennen Sie mich Ollie. am besten man fängt gleich so an, wie man weitermachen will, sage ich immer. «
Ich sagte, dass ich mich freue, sie kennenzulernen.
»Ganz meinerseits natürlich. Sie wohnen hier wohl schon länger? Ich bin neu in der Gegend. Bin vom Festland gekommen, um es in Tassie zu versuchen. War natürlich vorher schon im Urlaub hier, zusammen mit meinem verstorbenen Mann. Da ist uns die Idee gekommen.«
Sie polierte den Rasenmäher und wickelte ein langes Kabel auf, das sie direkt hinter ihrer sonnengelben Haustür in eine Steckdose steckte. Die Maschine heulte auf und zog die Frau hinter sich her über den Rasen.
»Ist er nicht wunderschön?«, schrillte sie mir über die Schulter zu. »So einen haben Sie bestimmt noch nie gesehen, was?«
Da hatte sie recht. Elektrische Rasenmäher hatten sich auf der Apfelinsel noch nicht durchgesetzt. Sie beendete ihre Demonstration mit einer schwungvollen acht um meine Füße und schaltete ihn aus.
»Nicht schlecht, was?«
Ich stimmte zu. Insgeheim hielt ich ihn für gefährlich. Damit war ich nicht allein. Bald lehnten die Leute am Gartenzaun der Frau und gaben gute Ratschläge. an schlechten Tagen, wenn mir jede Art Ablenkung recht war, tat ich dasselbe.
Sie versicherte uns, ihren wohlmeinenden Nachbarn, dass sie sich der Gefahren bewusst sei: »man muss nur ganz genau aufpassen, dass nichts im Gras herumliegt, kein Stein oder Zweig oder sonst was. Es könnte in den Motor geraten und einen Stromschlag auslösen.«
Aus diesem Grund kämmte sie das erbärmliche, sonnenversengte Stoppelstück vor dem Mähen mit einem Rechen durch, den sie extra dafür angeschafft hatte.
Sie mähte den Rasen mehrmals in der Woche und ließ ihm keine Chance zu wachsen. So viel Zeit, wie sie ihm widmete, musste sie sich genauso langweilen wie ich. Vielleicht hätten wir darüber reden und uns gemeinsam die Zeit mit Ikebanakursen oder so etwas vertreiben sollen.
Stattdessen blieb ich hinter meinen staubigen Jalousien und schob gelegentlich zwei Plastiklamellen auseinander, um sie bei der Arbeit zu beobachten.
»Ist doch überall dasselbe«, murmelte ich und sah zu, wie die Fensterscheibe von meinem Atem anlief. aber stimmte das wirklich?
Meine Nachbarin, die vernünftiger war als ich, plagte sich gnadenlos weiter. Ich kam zu dem Schluss, dass es sich um einen Fimmel von ihr handelte: ein Wettrennen mit der Natur, ein heroischer Kampf oder so was in der Art.
*
In den folgenden Wochen hielt ich es für meine Pflicht, täglich mit meiner Tochter an die frische Luft zu gehen. Wir gingen an den Strand zu unseresgleichen. Ich hörte genau zu, wenn meine Mitmütter sich über Gott und die Welt unterhielten. Das Baby strampelte in seinem Weidenkorb, den ein nützlicher Felsenschatten vor der Sonne schützte. Wo ich konnte, mischte ich mich höflich ein und gab sorgfältig abgewogene Kommentare von mir. Ich hatte sie vorher eingeübt. Die Gesprächsthemen bewegten sich im Kreis, eins für jeden immer wiederkehrenden Wochentag. Die meiste Zeit aber hörte ich einfach zu, wenn sie über Strickmuster und Inzest plapperten, und fühlte mich überlegen. Es verging kaum ein Tag, an dem sie nicht über irgendeinen hoffnungslos verwirrten Kretin sprachen, den man im Inland zusammen mit dem Hofhund an die Wand eines Bauernhauses gekettet gefunden hatte, ein heilloses Gen-Kuddelmuddel, und alles nur, weil die Eltern nie wegkamen. In der Stadt bereitete sich die Chorgemeinschaft des Landfrauenverbands auf das fünfzehnte Gilbert and Sullivan Festival vor.
Das Bild von der armen gestrandeten Schildkröte wurde in meinem Kopf von dem einer Seehundkolonie überlagert, Müttern mit ihren Babys, die sich in dampfenden Haufen am Strand zusammenrotteten, während die Väter auf Nahrungssuche waren.
Als das Seehundbild sich abnutzte, beschwor ich ein neues herauf. auf der Linie zwischen Meer und Himmel erschien das erwartungsvoll leuchtende Kürbisgesicht von King Kong. Zwei riesige arme streckten sich vom Horizont nach uns aus. Haarige Hände griffen übers Meer. King Kong nahm die Frauen zwischen Daumen und Zeigefinger und legte sie sich in die Handfläche. Dann ließ er die Hand ins Meer sinken und hielt die Frauen in einem sanft blubbernden Bündel unter den Wellen fest. Nur ich allein blieb am Strand zurück. als keine Blasen mehr aufstiegen, ließ er die Frauen los. Sie sanken, sich langsam und anmutig überschlagend, hinab auf den Meeresboden. King Kongs Kürbisgesicht leuchtete auf mich herab, die faltigen Lederschlitze seiner Augen blinzelten glücklich. Seine Faust schloss sich um meine Taille. Er hob mich hoch, drang mit seinem spitzen, haarigen kleinen Finger in mich ein, während ich in den Wolken verschwand. Unter dem lauten Klagegesang der verlassenen Babys fuhr ich in den Himmel auf.
Ich stellte die Strandbesuche ein.
ab sofort konzentrierte ich mich nicht mehr darauf, das Baby an die frische Luft zu bringen, sondern darauf, es loszuwerden. mit Höflichkeit und gutem Benehmen konnte ich mir kleine Auszeiten erkaufen. nett sein musste ich vor allem zur Mutter meines Mannes. Sie lebte in kinderwagengerechter Entfernung und tat nichts lieber, als auf das Baby aufzupassen. allerdings nicht jeden Tag, das wäre nicht richtig gewesen. aber auf zwei Tage die Woche ließ sie sich ein.
Dienstags und donnerstags. an diesen Tagen hatte ich frei und konnte die Straße vergessen, den Strand und drei Uhr nachmittags.
Meine Nachbarin wollte ich nicht vergessen. Ihre Besessenheit interessierte mich. Ich erfand Geschichten über sie, damit meine Freunde sie auch interessant fanden. Zusammen entwickelten wir die große Saga von Unserer Guten Frau vom Rasen.
Ich hatte zwei Freunde. Einen für jeden Tag. Zwei Männer. Es war schwierig, Männer zu finden, die tagsüber Zeit hatten. Anständige Männer schienen von neun bis fünf zu arbeiten, mit einer Stunde Pause in der Mitte. Aber in einer Stunde kann man nicht viel anstellen. Ich zumindest nicht.
Ben war Maler, aber er fotografierte und zeichnete auch. Er war für die Donnerstage, das Beste zum Schluss. Ben war mit Gloria verheiratet, meiner ältesten Freundin.
Dass also ein wenig pulstreibende Heimlichtuerei nötig war, tat mir gut. Ben wurde aufregend. Eine nette Abwechslung. Ich weiß noch, wie aufgekratzt Gloria nach ihrer ersten Begegnung war. Sie trafen sich in einem Park, in der Nähe seiner Kunstakademie und der PH, an der sie Lehramt studierte. Gloria hatte auf einer Bank gesessen und Mittag gegessen, als Ben vorbeikam und sich ans andere Ende setzte. Weil er so hungrig aussah und seine Brotdose leer war, hatte sie ihm einen von den selbst gebackenen Löffelbiskuits ihrer Vermieterin angeboten.
»Er ist anders«, erzählte sie mir. »Er hat eine Wohnung in einem der Häuser hinterm College. Sein Schlafzimmer ist mit Silberfolie ausgeschlagen wie eine Teekiste.« Damals war Gloria diejenige, die immer Glück hatte.
Jonathan war für dienstags. Er betrieb ein Restaurant, das von denen, die etwas davon verstanden, für das Beste der Insel gehalten wurde. Ich hatte dort als Kellnerin gearbeitet, abends und an den Wochenenden. Wir wurden an dem Tag Freunde, an dem er mich beiseitenahm und mich in ein Geheimnis einweihte: »Hör mal, wenn du im Gegenlicht stehst, kann jeder durch dein Kleid sehen. Es ist durchsichtig«, fügte er dann noch unnötigerweise hinzu.
»Ich weiß«, sagte ich.
»Na, dann ist ja gut.« Er wirkte erleichtert.
Wir gewöhnten uns an, nach Feierabend in der leeren Bar zu trinken. Die Bar war das Beste. Dem Restaurant fehlte es an Atmosphäre - Kerzen in Flaschen oder keine Kerzen in Flaschen. Aber die Bar war nett. Sie hatte eine Marmortheke, hinter der die mit Flaschen gefüllten Glasregale bis unter die Decke reichten.
Neben der Bar stand ein riesiger schwarzer Kühlschrank, in dem Eis und kühle Getränke aufbewahrt wurden. Noch nie hatte ich so einen exotischen Kühlschrank gesehen; ich bewunderte ihn, obwohl man jeden einzelnen Fingerabdruck auf ihm sah. Kaum jemand konnte der Versuchung widerstehen, ihn im Vorbeigehen kurz zu berühren. Wenn man genau hinschaute, erkannte man sein Gesicht in ihm.
Das Zweitbeste am Restaurant war seine Lage unter der Erde. Man musste nur die Treppe von der Straße hinabsteigen, und schon war man in Sicherheit. In der Bar mit ihrem gedämpften Licht und den matt glänzenden Oberflächen verging die Zeit wie im Flug.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2012 beim Albrecht Knaus Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Helen Hodgman
Helen Hodgman, 1945 in Schottland geboren, zog als Jugendliche mit ihrer Familie nach Tasmanien. 1976 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, der von der Kritik begeistert aufgenommen wurde. Mit ihrem zweiten Roman gewann sie 1978 den Somerset Maugham Award, mit ihrem dritten den Christina Stead Prize. 1983 erkrankte Helen Hodgman an Morbus Parkinson. Sie lebt heute, nach längeren Aufenthalten in England und Kanada, wieder in Australien.Anne Rademacher, geb. 1961 in Lippstadt, lebt als freie Lektorin und Übersetzerin in Bad Waldsee.
Bibliographische Angaben
- Autor: Helen Hodgman
- 2012, 1. Aufl., 190 Seiten, Maße: 13,3 x 20,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Rademacher, Anne
- Übersetzer: Anne Rademacher
- Verlag: Knaus
- ISBN-10: 3813504727
- ISBN-13: 9783813504729
Rezension zu „Gleichbleibend schön “
"Ein auf brillante Weise beunruhigendes Buch, das zunächst ganz harmlos daherkommt, in Wahrheit aber in allen Farben des Bösen schimmert." Christoph Schröder, kulturSPIEGEL
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