Glut der Verheißung / Hathaway Bd.2
Die zarte Winnifred Hathaway hat es dem einzelgängerischen Kev angetan, seit er denken kann. Doch bislang fand er nicht den Mut, ihr seine Liebe zu gestehen. Als Winnifred plötzlich von einem anderen Mann umworben wird, weiß Kev, dass er um...
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Produktinformationen zu „Glut der Verheißung / Hathaway Bd.2 “
Die zarte Winnifred Hathaway hat es dem einzelgängerischen Kev angetan, seit er denken kann. Doch bislang fand er nicht den Mut, ihr seine Liebe zu gestehen. Als Winnifred plötzlich von einem anderen Mann umworben wird, weiß Kev, dass er um sie kämpfen muss. Aber ein dunkles Geheimnis überschattet sein Leben, eines, das alles zu zerstören droht...
Klappentext zu „Glut der Verheißung / Hathaway Bd.2 “
Die zarte Winnifred Hathaway hat es dem einzelgängerischen Kev angetan, seit er denken kann. Doch bislang fand er nicht den Mut, ihr seine Liebe zu gestehen. Als Winnifred plötzlich von einem anderen Mann umworben wird, weiß Kev, dass er um sie kämpfen muss. Aber ein dunkles Geheimnis überschattet sein Leben, eines, das alles zu zerstören droht...
Lese-Probe zu „Glut der Verheißung / Hathaway Bd.2 “
London, 1848, Winter Für Win war Kev Merripen schon immer wunderschön gewesen, auf eine Weise, wie eine karge Landschaft oder ein Wintertag wunderschön sein können. Er war ein hochgewachsener, beeindruckender Mann, kompromisslos in jeder Hinsicht. Seine exotisch verwegenen Gesichtszüge waren die perfekte Kulisse für Augen, so dunkel, dass die Iris kaum von der Pupille zu unterscheiden war. Sein Haar war dick und rabenschwarz, seine Brauen dicht und gerade. Und seinem breiten Mund wohnte stets ein grüblerischer Zug inne, was Win einfach unwiderstehlich fand.
Merripen. Ihre Liebe, aber nie ihr Geliebter. Sie kannten sich seit ihrer Kindheit, als er von ihrer Familie regelrecht adoptiert worden war. Obwohl die Hathaways ihn immer wie einen der ihren behandelt hatten, sah er sich in der Rolle eines Dieners. Eines Beschützers. Eines Außenseiters.
Er kam zu Wins Schlafzimmer, stand lautlos an der Türschwelle und sah zu, wie sie eine Tasche mit persönlichen Utensilien von ihrer Frisierkommode packte. Eine Bürste, eine Schatulle mit Haarnadeln, eine Handvoll Taschentücher, die ihre Schwester Poppy für sie bestickt hatte. Während Win die Dinge in ihre Ledertasche legte, spürte sie auf einmal Merripens reglose Gestalt. Sie wusste, was hinter seiner schweigsamen Fassade lauerte, denn sie quälte dasselbe unstillbare Verlangen.
Der Gedanke, ihn zu verlassen, brach ihr schier das Herz. Und dennoch blieb ihr keine andere Wahl. Sie war eine Invalide, seit sie vor zwei Jahren am Scharlachfieber erkrankt war. Sie war dürr und zerbrechlich, erschöpft und stets der Ohnmacht nahe. Eine schwache Lunge, hatten die Ärzte einstimmig erklärt. Sie würde der Krankheit zwangsläufig erliegen. Ein Leben lang Bettruhe halten, um dann einen frühen Tod zu erleiden.
Win wollte ein solches Schicksal nicht hinnehmen.
Sie sehnte sich danach, gesund zu werden und all die Dinge zu genießen, die die meisten anderen Menschen als selbstverständlich hinnahmen. Tanzen, lachen, lange
... mehr
Spaziergänge machen. Sie wollte die Freiheit haben, zu lieben ^ zu heiraten ^ eines Tages ihre eigene Familie zu gründen.
Solange ihr gesundheitlicher Zustand jedoch dermaßen angeschlagen war, war ihr nichts dergleichen vergönnt. Aber das sollte sich ändern. Noch an diesem Tag brach sie zu einem französischen Sanatorium auf, in dem ein tatkräftiger junger Arzt, Julian Harrow, erstaunliche Resultate bei Patienten wie ihr erreicht hatte. Seine Behandlungen waren unkonventionell, umstritten, doch Win interessierte das nicht. Sie hätte alles getan, um geheilt zu werden. Denn erst, wenn dieser Tag anbräche, könnte sie Merripen haben.
"Geh nicht", sagte er so leise, dass sie ihn kaum verstand.
Mit großer Anstrengung gelang es Win, sich gelassen zu geben, obwohl ihr ein heißes und kaltes Kribbeln den Rücken hinabrann.
"Schließ bitte die Tür", brachte sie mühsam hervor. Die Unterhaltung, die nun folgen würde, erforderte eine gewisse Privatsphäre.
Merripen rührte sich nicht. Eine leichte Röte hatte sein bronzefarbenes Gesicht überzogen, und seine schwarzen Augen leuchteten wild und ungezähmt, was ihm eigentlich gar nicht ähnlich sah. In diesem Moment war er ganz Angehöriger der Roma, und seine Gefühle waren näher an der Oberfläche, als er es normalerweise zuließ.
Sie schloss eigenhändig die Tür, während er ihr auswich, als könne jeder noch so kleine körperliche Kontakt zwischen ihnen verheerende Folgen haben.
"Warum willst du nicht, dass ich gehe, Kev?", fragte sie sanft.
"Du wärst dort nicht sicher."
"Ich bin dort vollkommen sicher", sagte sie. "Ich habe großes Vertrauen zu Dr. Harrow. Seine Behandlung erscheint mir vernünftig, und er hat eine hohe Erfolgsquote "Er hat genauso viele Fehlschläge wie Erfolge. Es gibt bessere Ärzte hier in London. Du tätest besser daran, erst alle Möglichkeiten hier in England auszuschöpfen."
"Ich glaube, dass meine besten Chancen bei Dr. Harrow liegen." Win lächelte in Merripens harte schwarze Augen, verstand sie die Dinge doch nur zu gut, die er nicht aussprechen konnte. "Ich komme zu dir zurück. Das verspreche ich."
Er überging ihre Worte. Jeder Versuch ihrerseits, ihre wahren Gefühle zum Ausdruck zu bringen, wurde von ihm stets mit unnachgiebiger Zurückhaltung bestraft. Er würde niemals zugeben, dass er etwas für sie empfand, oder sie anders behandeln als eine schwächliche Invalide, die seines Schutzes bedurfte. Ein Schmetterling, eingesperrt unter einer Glashaube.
Während er selbst immer wieder seinem körperlichen Verlangen nachgab.
Trotz Merripens Verschwiegenheit, was sein Privatleben anbelangte, war Win überzeugt, dass es mehrere Frauen gegeben hatte, die ihm ihren Körper dargeboten und ihn zu ihrem eigenen Vergnügen benutzt hatten. Bei dem Gedanken, dass sich Merri- pen mit einer anderen Frau amüsiert haben könnte, stieg eine düstere Wut aus den Tiefen ihrer Seele in ihr hoch. Dieser brennende Zorn hätte jeden schockiert, der sie kannte, denn immerhin hätte sie damit die Stärke ihrer Begierde für ihn eingestanden. Am meisten hätte es wohl Merripen überrascht.
Beim Anblick seines ausdruckslosen Gesichts dachte Win: Also schön, Kev. Wenn es das ist, was du willst, werde ich stoisch sein. Wir werden uns freundlich und belanglos voneinander verabschieden.
Später würde sie dann in aller Stille leiden, in dem Wissen, dass eine Ewigkeit verginge, bis sie ihn endlich wiedersah. Aber das war besser, als so weiterzuleben, stets zusammen und dennoch getrennt, während ihre Krankheit zwischen ihnen stand.
"Nun", sagte sie rasch, "ich reise bald ab. Und es gibt keinen Grund, dir Sorgen zu machen, Kev. Leo wird sich auf der Reise nach Frankreich um mich kümmern, und "Dein Bruder kann sich nicht einmal um sich selbst kümmern", entgegnete Merripen barsch. "Du wirst nicht gehen. Du wirst hierbleiben, wo ich Er verstummte abrupt.
Aber Win hatte einen Anflug wütender Pein vernommen, die kaum merklich in seiner Stimme mitschwang.
Allmählich wurde es interessant.
Ihr Herz klopfte heftig. "Es Sie musste innehalten, um Atem zu schöpfen. "Es gibt nur eines, das mich von dieser Reise abhalten könnte."
Er warf ihr einen wachsamen Blick zu. "Und das wäre?"
Es kostete sie einen langen Moment, bis sie den Mut aufbrachte, fortzufahren: "Sag mir, dass du mich liebst. Sag es, und ich bleibe."
Merripen riss die schwarzen Augen auf und sog scharf die Luft ein. Das Geräusch seines Atems durchschnitt die Luft wie die herabsausende Klinge einer Axt. Dann war er völlig ruhig, wie erstarrt.
Eine sonderbare Mischung aus Belustigung und Verzweiflung pulsierte durch Win, während sie auf seine Antwort wartete.
"Ich ^ sorge mich um jeden in deiner Familie "Nein. Du weißt genau, dass ich das nicht gemeint habe." Win bewegte sich auf ihn zu und hob ihre blassen Hände, legte ihre Handflächen auf seine harte, muskulöse Brust. Sie spürte die glutvolle Reaktion, die ihn hindurchzuckte. "Bitte ", sagte sie und hasste den verzweifelten Unterton in ihrer Stimme, "es würde mir nichts ausmachen, morgen zu sterben, hätte ich es nur ein einziges Mal gehört "Nicht ", knurrte er und wich zurück.
Win ließ alle Vorsicht fahren und folgte ihm. Sie streckte die Hände aus, um sein weites Hemd zu packen. "Sag es! Lass uns endlich ehrlich miteinander sein "Sei still! Du überanstrengst dich nur."
Es erboste Win, dass er Recht hatte. Sie konnte die gewohnte Erschöpfung bereits spüren, die Benommenheit, die einherging mit ihrem pochenden Herzen und den schwer arbeitenden Lungen. Sie verfluchte ihren dahinsiechenden Körper. "Ich liebe dich", jammerte sie. "Und wenn ich gesund wäre, könnte mich keine Macht der Welt von dir fernhalten. Wenn ich gesund wäre, würde ich dich in mein Bett zerren und dir so viel Leidenschaft entgegenbringen wie jede andere Frau " Nein ." Seine Finger glitten zu ihrem M^und, um sie zum Schweigen zu bringen, doch als er ihre warmen Lippen spürte, riss er die Hand zurück.
"Wenn ich keine Angst habe, es zuzugeben, warum dann du?" Der unbeschreibliche Genuss, in seiner Nähe zu sein, ihn zu berühren, glich einer Art Wahnsinn. Beherzt drängte sie sich an ihn. Merripen versuchte, sie behutsam von sich wegzudrücken, aber sie klammerte sich mit allerletzter Kraft an ihn. "Und wenn dies nun unser letzter gemeinsamer Moment sein sollte? Würdest du nicht bereuen, mir deine Gefühle nicht gestanden zu haben? Würdest du Merripen bedeckte ihren Mund mit seinem, ein Akt der Verzweiflung, um Win zum Schweigen zu bringen. Beide keuchten auf und verstummten schließlich, kosteten den Geschmack des anderen aus. Jeder Atemzug an ihrer Wange kam einer Hitzewelle gleich. Seine Arme umschlossen sie, umhüllten sie mit seiner enormen Stärke, zogen sie an seinen festen Körper. Und dann entzündete sich alles, und sie wurden in einen Strudel der Begierde gezogen.
Win bemerkte den Duft von süßen Äpfeln in seinem Atem, den bitteren Hauch von Kaffee, doch vor allem seinen ganz eigenen Geruch. Sie wollte mehr, sehnte sich nach ihm, presste sich an ihn. Er nahm ihr unschuldiges Angebot mit einem tiefen, unbändigen Stöhnen entgegen.
Da spürte sie seine Zunge. Sie öffnete die Lippen, gewährte ihm Einlass, benutzte zögerlich ihre eigene Zunge, um sein seidiges Eindringen zu begleiten, und er erbebte und keuchte und hielt sie noch fester. Eine neue Schwäche bemächtigte sich ihrer, und all ihre Sinne lechzten nach seinen Händen und seinem Mund und seinem Körper ^ seiner kraftvollen Stärke über und zwischen und in ihr ^ Oh, sie wollte ihn, wollte ^ Merripen küsste sie voll wilder Leidenschaft, sein Mund bewegte sich mit unnachgiebigen, köstlichen Stößen. Wins Nerven loderten vor Vergnügen, und sie drängte sich an ihn, wollte ihn noch näher wissen.
Selbst durch die vielen Lagen Unterröcke spürte sie, wie er seine Hüften in einem kaum merklichen Rhythmus gegen ihre presste. Instinktiv schob sie die Hand nach unten, wollte ihn spüren, ihn streicheln, und ihre zitternden Finger ermutigten seine harte, pralle Erregung.
Er barg ein gepeinigtes Stöhnen in ihrem Mund. Für einen siedend heißen Moment packte er ihre Hand und drückte sie an seine Männlichkeit. Ihre Augen flogen auf, als sie sein hartes Pulsieren spürte, die Hitze und Anspannung, die jede Sekunde explodieren konnte. "Kev ^ das Bett flüsterte sie und errötete vom Kopf bis zu den Zehen. Sie hatte ihn schon so lange begehrt, und jetzt würde es endlich geschehen. "Nimm mich Merripen fluchte verärgert, schob Win von sich weg und drehte sich um. Sein Atem ging stoßweise.
Win eilte zu ihm. "Kev "Komm ja nicht näher!", befahl er mit solcher Inbrunst, dass sie verängstigt zurückschreckte.
Mindestens eine Minute lang waren sie völlig still und reglos, abgesehen von dem zornigen Keuchen ihres Atems.
Merripen gewann als Erster die Sprache wieder. Seine Stimme bebte vor wütender Verachtung, doch es war unklar, ob sie gegen Win oder sich selbst gerichtet war. "Das wird nie wieder geschehen."
"Weil du Angst hast, du könntest mir wehtun?"
"Weil ich dich so nicht will."
Entrüstet stieß sie ein ungläubiges Lachen aus. "Aber ich habe doch gerade gespürt, dass du mich willst."
Er errötete. "Das wäre mir bei jeder Frau passiert."
"Du ^ du willst mir weismachen, dass du dir nichts aus mir machst?"
"Nicht mehr als aus jedem anderen deiner Familie."
Sie wusste, es war eine Lüge. Sie wusste es einfach! Aber seine herzlose Zurückweisung machte ihr wenigstens den Abschied leichter. "Ich Das Reden fiel ihr schwer. "Wie edel von dir." Ihr Versuch, einen ironischen Tonfall zu treffen, scheiterte an ihrer Atemlosigkeit. Diese verdammte schwache Lunge!
"Du bist überreizt", sagte Merripen und ging auf sie zu. "Du solltest dich ausruhen "Mir geht es gut", fauchte Win und eilte zum Waschtisch, um sich dort festzuhalten. Als sie das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, goss sie etwas Wasser auf einen Waschlappen und drückte ihn sich auf die geröteten Wangen. Als sie in den Spiegel sah, ließ sie ihr Gesicht zu seiner gewohnten Maske erstarren. Es gelang ihr, ihre Stimme ruhig klingen zu lassen. "Ich will dich ganz oder gar nicht", sagte sie. "Du kennst die Worte, die mich zum Bleiben bewegen. Wenn du sie nicht sagen willst, werde ich abreisen."
Die Luft im Zimmer war emotionsgeladen. Wins Nerven kreischten widerwillig auf, als sich das Schweigen ausdehnte. Sie starrte in den Spiegel, konnte jedoch nur den breiten Umriss seiner Schulter und seines Arms sehen. Und dann bewegte er sich, und die Tür öffnete und schloss sich hinter ihm.
Win fuhr fort, sich das Gesicht mit dem kühlen Tuch abzutupfen, und benutzte es gleichzeitig, um vereinzelte Tränen wegzuwischen. Als sie den Lappen auf den Tisch legte, bebte die Hand, mit der sie Merripen an seiner intimsten Stelle berührt hatte, immer noch unkontrolliert. Ihre Lippen kitzelten immer noch bei der Erinnerung an seine süßen, harten Küsse, und ihre Brust schmerzte vor verzweifelter Liebe.
"Also schön", sagte sie zu ihrem geröteten Spiegelbild, "jetzt hast du wenigstens einen Anreiz." Und sie brach in ein zitterndes Gelächter aus, bis sie den Strom an Tränen nicht mehr aufhalten konnte.
Während Cam Rohan das Beladen der Kutsche beaufsichtigte, die sich schon bald zum Londoner Hafen aufmachen würde, kam er nicht umhin, sich zu fragen, ob er einen Fehler beging. Er hatte seiner frischgebackenen Ehefrau versprochen, für ihre Familie zu sorgen. Aber knapp zwei Monate, nachdem er Amelia geheiratet hatte, schickte er bereits eine ihrer Schwestern nach Frankreich.
"Wir können warten", hatte er Amelia erst in der vergangenen Nacht gesagt, während er sie an seine Schulter gedrückt und ihr über das volle kastanienbraune Haar gestreichelt hatte, das sich in einer sinnlichen Flut über seiner Brust ergoss. "Wenn du Win noch ein wenig länger bei dir haben willst, können wir sie im Frühling in das Sanatorium schicken."
"Nein, sie muss so schnell wie möglich nach Frankreich. Dr. Harrow hat seinen Standpunkt klar und deutlich gemacht: Es ist bereits viel zu viel Zeit vergeudet worden. Wins größte Hoffnung auf eine Besserung ihres Gesundheitszustands liegt allein darin, auf der Stelle mit der Behandlung zu beginnen."
Cam hatte über Amelias pragmatischen Ton lächeln müssen. Seine Frau übertraf sich selbst darin, ihre Gefühle zu verbergen, und trug eine solch starke Fassade zur Schau, dass nur wenige Menschen ahnten, wie verletzlich sie in Wirklichkeit war. Cam war der Einzige, bei dem sie ihren Panzer vollständig ablegte.
"Wir müssen vernünftig sein", hatte Amelie hinzugefügt.
Cam hatte sie auf den Rücken gerollt und in ihr kleines, liebliches Gesicht gestarrt, das vom Licht der Lampe erhellt wurde. Solch runde blaue Augen, dunkel wie die tiefste Nacht, dachte er verwundert.
"Ja", hatte er sanft erwidert. "Aber es ist nicht immer einfach, vernünftig zu sein, nicht wahr?"
Sie schüttelte den Kopf, und ihre Augen wurden feucht.
Er streichelte ihre Wangen mit den Fingerspitzen. "Armer Kolibri", flüsterte er. "Du hast in den letzten Monaten so viele Veränderungen ertragen müssen - nicht zuletzt eine Heirat mit mir. Und jetzt schicke ich auch noch deine Schwester fort."
"In ein Sanatorium, damit sie geheilt wird", flüsterte Amelia. "Ich weiß, es ist zu ihrem Besten. Es ist nur ^ Ich werde sie vermissen. Win ist die Liebste und Sanftmütigste in der Familie. Die Friedensstifterin. Während ihrer Abwesenheit wird sich der Rest von uns wahrscheinlich zerfleischen." Sie bedachte ihn mit einem düsteren Blick. "Erzähl niemandem, dass ich geweint habe, oder ich werde für immer sehr böse auf dich sein!"
"Nein, Monisha", hatte er sie beruhigt und an sich gezogen, als sie schniefte. "All deine Geheimnisse sind bei mir sicher. Das weißt du."
Und dann hatte er sie geküsst, ihr Nachthemd zärtlich nach oben geschoben und noch zärtlicher mit ihr geschlafen. "Mein kleiner Liebling", hatte er geflüstert, als sie unter ihm erschauderte. "Ich werde dafür sorgen, dass du dich besser fühlst Und während er behutsam Besitz von ihr ergriff, hauchte er ihr in der alten Sprache ins Ohr, dass sie ihm auf jede erdenkliche Art gefiel, dass er es liebte, in ihr zu sein, und er sie nie verlassen würde. Obwohl Amelia die fremden Worte nicht verstand, erregte sie der Klang. Ihre samtenen Hände bearbeiteten seinen Rücken wie Katzenpfoten, und ihre Hüften drängten sich gierig an ihn. Er hatte ihr Vergnügen bereitet und sein eigenes Bedürfnis gestillt, bis seine Frau in tiefen Schlaf gefallen war.
Noch lange Zeit hatte Cam sie in den Armen gehalten, das köstliche Gewicht ihres Kopfes an seiner Schulter. Er war nun für Amelia verantwortlich, und für ihre gesamte Familie.
Die Hathaways waren ein Grüppchen von Außenseitern, das aus vier Schwestern, einem Bruder und Merripen bestand, der wie Cam ein Rom war. Niemand schien viel über Merripen zu wissen, abgesehen von dem Umstand, dass er als Junge von den Hathaways aufgenommen wurde, nachdem er bei einer Zigeunerjagd verwundet und dann sterbend zurückgelassen worden war. Er war mehr als ein Dienstbote, aber kein echtes Familienmitglied.
Man konnte nicht vorhersehen, wie Merripen Wins Abwesenheit aufnähme, aber Cam beschlich das untrügliche Gefühl, dass es keine angenehme Zeit werden würde. Es gab keine größeren Gegensätze als diese beiden Menschen, die blasse blonde Invalide und der riesige Rom. Die eine kultiviert und wie aus einer anderen Welt stammend, der andere dunkel und ungehobelt. Aber eine unsichtbare Verbindung bestand zwischen ihnen, wie der Flug eines Falken, der immer wieder zum selben Wald zurückkehrte, einer unsichtbaren Landkarte folgend, die in sein Gedächtnis eingebrannt zu sein schien.
Als die Kutsche beladen und das Gepäck mit Lederriemen befestigt war, ging Cam in die Hotelsuite, die die Familie bewohnte. Sie hatten sich zur Verabschiedung im Salon versammelt.
Merripen fehlte.
Sie drängten sich in dem kleinen Zimmer zusammen, die Schwestern und ihr Bruder Leo, der als Wins Begleiter und Eskorte nach Frankreich mitreisen würde.
"Na, na", sagte Leo schroff und tätschelte Beatrix, der Jüngsten, die gerade sechzehn geworden war, den Rücken. "Kein Grund, eine Szene zu machen."
Sie umarmte ihn fest. "Du wirst einsam sein, so weit weg von Zuhause. Willst du nicht eines meiner Haustiere mitnehmen, damit es dir Gesellschaft leistet?"
"Nein, meine Süße. Ich werde mich wohl mit der menschlichen Gesellschaft an Bord begnügen müssen." Er drehte sich zu Poppy um, einer rothaarigen Schönheit von achtzehn Jahren. "Auf Wiedersehen, Schwesterherz. Genieß deine erste Saison in der Londoner Gesellschaft. Versuch bitte, nicht den ersten Mann zu erhören, der dir einen Antrag macht."
Poppy ging auf ihn zu und schlang ihm die Arme um den Hals. "Lieber Leo", sagte sie mit gedämpfter Stimme an seiner Schulter, "versuch bitte, dich anständig zu benehmen, während du in Frankreich bist."
"Niemand benimmt sich in Frankreich anständig", erwiderte Leo. "Das ist der Grund, warum jeder dieses Land liebt." Er drehte sich zu Amelia um. Erst in diesem Augenblick bröckelte seine selbstbewusste Fassade ein wenig. Er holte seufzend Atem. Von allen Hathaway-Geschwistern lieferten sich Leo und Amelia die heftigsten und bittersten Wortgefechte. Und dennoch war sie zweifelsohne seine Lieblingsschwester. Gemeinsam hatten sie viel durchgestanden und sich nach dem Tod ihrer Eltern um die jüngeren Geschwister gekümmert. Dabei hatte Amelia mitansehen müssen, wie sich Leo von einem vielversprechenden jungen Architekten in ein menschliches Wrack verwandelt hatte. Den Titel eines Viscounts zu erben, hatte Leos Schwierigkeiten nicht vermindert. Vielmehr hatten der neu erworbene Rang und Status seinen Niedergang nur beschleunigt. Das hatte Amelia jedoch nicht davon abgehalten, für ihn zu kämpfen, ihn retten zu wollen, immer und immer wieder. Was ihm allerdings schrecklich auf die Nerven gegangen war.
Amelia ging zu ihm und legte ihm den Kopf auf die Brust. "Leo", sagte sie leise schniefend. "Wenn Win etwas zustoßen sollte, bist du ein toter Mann."
Er streichelte ihr sanft übers Haar. "Du drohst mir schon seit Jahren, mich umzubringen, aber das sind doch alles bloß leere Versprechungen."
"Ich habe a-auf den richtigen Anlass gewartet", schluchzte sie.
Lächelnd schob Leo ihren Kopf von seiner Brust und küsste sie auf die Stirn. "Ich bringe sie sicher und gesund nach Hause."
"Und dich?"
"Und mich."
Mit zitternder Lippe strich sie ihm den Überzieher glatt. "Dann solltest du endlich aufhören, das Leben eines betrunkenen Nichtsnutzes zu führen."
Leo grinste. "Aber ich war immer der festen Überzeugung, man solle seine angeborenen Talente fördern." Er senkte den Kopf, so dass sie ihn auf die Wange küssen konnte. "Du bist gerade die Richtige, mich über anständiges Benehmen zu belehren", sagte er. "Du, die gerade einen Mann geheiratet hat, den sie kaum kennt."
"Und es war die beste Entscheidung meines Lebens", entgegnete Amelia.
"Da er meine Reise nach Frankreich bezahlt, kann ich wohl schlecht widersprechen." Leo streckte den Arm aus und schüttelte Cam die Hand. Nach einem schwierigen Anfang hatten die beiden Männer Gefallen aneinander gefunden. "Auf Wiedersehen, Phral", sagte Leo und benutzte das Romani-Wort für Bruder. "Ich bin überzeugt, dass du dich ausgezeichnet um meine Familie kümmern wirst. Du hast dich bereits meiner entledigt, was ein vielversprechender erster Schritt ist."
"Du wirst zurückkehren, um ein Zuhause und ein blühendes Anwesen wieder aufzubauen."
Leo lachte leise. "Ich kann kaum erwarten zu sehen, was du in der Zwischenzeit erreicht haben wirst. Immerhin würde nicht jeder Adlige seine Geschäfte in die Hand zweier Zigeuner legen."
"Ich kann wohl mit Sicherheit behaupten", erwiderte Cam, "dass du der Einzige bist."
Nachdem sich Win von ihren Schwestern verabschiedet hatte, half ihr Leo in die Kutsche und setzte sich neben sie. Mit einem sanften Ruck rollte der Landauer an, und sie brachen in Richtung des Londoner Hafens auf.
Leo musterte Wins Profil. Wie üblich zeigte sie keinerlei Gefühle, ihr fein gemeißeltes Gesicht war gelassen und ruhig. Aber er bemerkte die roten Flecken, die auf ihren blassen Wangen brannten, und die Art, wie ihre Finger sich verkrampften und das bestickte Taschentuch in ihrem Schoß zerknüllten. Es war ihm nicht entgangen, dass Merripen mit seiner Abwesenheit geglänzt und ihnen nicht Lebewohl gesagt hatte. Leo fragte sich verwundert, ob er und Win sich womöglich gestritten hatten.
Seufzend legte Leo seiner Schwester den Arm um die schmalen, zerbrechlichen Schultern. Sie versteifte sich, entwand sich jedoch nicht seiner Umarmung. Nach einem kurzen Moment hob sie das Taschentuch und betupfte sich die Augen. Sie hatte Angst, war krank und fühlte sich miserabel.
Und er war alles, was ihr geblieben war, dachte er erschrocken. Gott stehe ihr bei!
"Du hast doch hoffentlich keines von Beatrix' Haustieren mitgenommen, oder?", wollte er sie aufmuntern. "Ich warne dich, wenn du einen Igel oder eine Ratte mitgenommen hast, geht das Tier über Bord, sobald wir das Schiff betreten."
Win schüttelte den Kopf und schnäuzte sich.
"Du musst wissen", sagte Leo im Plauderton und drückte sie weiter an sich, "du bist die am wenigsten amüsante meiner Schwestern. Wie ist es eigentlich gekommen, dass ich ausgerechnet mit dir nach Frankreich fahren muss?"
"Glaub mir", kam ihre schniefende Antwort, "ich wäre nicht so langweilig, wenn ich in dieser Angelegenheit auch nur das kleinste Wörtchen mitzureden hätte. Sobald ich gesund bin, werde ich mich sehr unanständig benehmen."
"Nun, das ist doch zumindest eine Aussicht, auf die man sich freuen kann." Er legte seine Wange an ihr weiches blondes Haar.
"Leo", fragte sie zögerlich, "warum hast du dich freiwillig angeboten, mit mir in das Sanatorium zu gehen? Du willst ebenfalls gesund werden, nicht wahr?"
Leo war gleichzeitig gerührt und ungehalten über die harmlose Frage. Wie der Rest der Familie betrachtete Win seine ausschweifenden Trinkgewohnheiten als eine Krankheit, die durch eine Zeit der Abstinenz und eine förderliche Umgebung geheilt werden konnte. Doch sein Trinken war nur das Symptom der echten Krankheit - einer so überwältigenden Trauer, die bisweilen drohte, sein Herz zum Stillstand zu bringen.
Es gab kein Heilmittel, um den Verlust von Laura zu überwinden.
"Nein", sagte er zu Win. "Ich hege nicht die Hoffnung, gesund zu werden. Ich will lediglich mein ausschweifendes Leben vor einer neuen Kulisse fortsetzen." Seine Worte entlockten ihr ein leises Kichern. "Win ^ habt du und Merripen euch gestritten? Ist das der Grund, weshalb er sich nicht verabschiedet hat?" Nach einem langen Schweigen rollte Leo mit den Augen. "Wenn du auch weiterhin so wortkarg bist, Schwesterherz, wird das in der Tat eine lange Reise."
"Ja, wir haben uns gestritten."
"Worüber? Das Sanatorium?"
"Nicht wirklich. Zum Teil, aber Win zuckte unbehaglich mit den Schultern. "Es ist so kompliziert. Es würde zu lange dauern, es zu erklären."
"Wir werden einen Ozean und halb Frankreich durchqueren. Glaub mir, wir haben reichlich Zeit."
Nachdem die Kutsche abgefahren war, ging Cam zu den Stallungen hinter dem Hotel, einem sauberen Gebäude mit einem Pferdestall und einem Unterstand für Kutschen im Erdgeschoss und dem Wohntrakt der Bediensteten in der oberen Etage. Wie erwartet, kümmerte sich Merripen um die Pferde. Seine Bewegungen waren geschmeidig, schnell und methodisch, während er Cams schwarzem Wallach mit einer Bürste über die schimmernden Flanken strich.
Cam beobachtete ihn einen Moment, wobei er die Geschicktheit des Rom anerkennen musste. Das Vorurteil, dass Zigeuner außergewöhnlich gut mit Pferden zurechtkamen, war kein Mythos. Ein Rom betrachtete ein Pferd als einen Kameraden, ein Tier der Poesie mit unermesslichen Instinkten. Und Pooka tolerierte Merripens Anwesenheit mit einer ruhigen Gelassenheit, die er nur wenigen Menschen entgegenbrachte.
"Was willst du?", fragte Merripen, ohne aufzublicken.
Gemächlich betrat Cam den offenen Stall und lächelte, als Pooka den Kopf senkte und ihn anstupste. "Nein, mein Junge ^ heute habe ich kein Zuckerstück für dich." Er tätschelte ihm den muskulösen Hals. Cams Hemdärmel waren bis zu den Ellbogen aufgerollt, gaben den Blick auf die Tätowierung an seinem Unterarm frei, einem schwarzen Pferd mit Flügeln. Cam hatte keinerlei Erinnerung daran, wann er die Tätowierung bekommen hatte ^ Sie war schon immer da gewesen, aus Gründen, die ihm seine Großmutter nicht hatte erklären wollen.
Das Bild zeigte ein irisches Fabelwesen namens Pooka, ein abwechselnd bösartiges und gütiges Pferd, das mit menschlicher Stimme sprach und sich nachts mit weit ausgebreiteten Flügeln in die Lüfte erhob. Laut der Legende kam der Pooka zur mitternächtlichen Stunde an die Tür argloser Menschen und nahm sie auf eine Reise mit, die sie für immer verändern würde.
Nie zuvor hatte Cam dieses Bild an einem anderen Menschen gesehen.
Bis er Merripen getroffen hatte.
Was Cam einige Rätsel aufgegeben hatte.
Er bemerkte, dass Merripen die Tätowierung auf seinem Unterarm anstarrte. "Was könnte es bedeuten, dass ein Rom ein irisches Fabelwesen eintätowiert bekommen hat?", fragte Cam.
"Es gibt auch in Irland Roma. Das ist nicht ungewöhnlich."
"Aber diese Tätowierung ist sehr ungewöhnlich", erwiderte Cam ruhig. "Ich habe sie noch nie bei jemand anderem gesehen - außer bei dir. Und da sie selbst für die Hathaways eine Überraschung war, musst du dir offenbar große Mühe gegeben haben, sie zu verbergen. Wie kommt das, Phral?"
"Nenn mich nicht so."
"Du bist seit deiner Kindheit ein Teil der Hathaway-Familie", sagte Cam. "In die ich hineingeheiratet habe. Das macht uns zu Brüdern, nicht wahr?"
Ein verächtlicher Blick war Merripens einzige Antwort.
Solange ihr gesundheitlicher Zustand jedoch dermaßen angeschlagen war, war ihr nichts dergleichen vergönnt. Aber das sollte sich ändern. Noch an diesem Tag brach sie zu einem französischen Sanatorium auf, in dem ein tatkräftiger junger Arzt, Julian Harrow, erstaunliche Resultate bei Patienten wie ihr erreicht hatte. Seine Behandlungen waren unkonventionell, umstritten, doch Win interessierte das nicht. Sie hätte alles getan, um geheilt zu werden. Denn erst, wenn dieser Tag anbräche, könnte sie Merripen haben.
"Geh nicht", sagte er so leise, dass sie ihn kaum verstand.
Mit großer Anstrengung gelang es Win, sich gelassen zu geben, obwohl ihr ein heißes und kaltes Kribbeln den Rücken hinabrann.
"Schließ bitte die Tür", brachte sie mühsam hervor. Die Unterhaltung, die nun folgen würde, erforderte eine gewisse Privatsphäre.
Merripen rührte sich nicht. Eine leichte Röte hatte sein bronzefarbenes Gesicht überzogen, und seine schwarzen Augen leuchteten wild und ungezähmt, was ihm eigentlich gar nicht ähnlich sah. In diesem Moment war er ganz Angehöriger der Roma, und seine Gefühle waren näher an der Oberfläche, als er es normalerweise zuließ.
Sie schloss eigenhändig die Tür, während er ihr auswich, als könne jeder noch so kleine körperliche Kontakt zwischen ihnen verheerende Folgen haben.
"Warum willst du nicht, dass ich gehe, Kev?", fragte sie sanft.
"Du wärst dort nicht sicher."
"Ich bin dort vollkommen sicher", sagte sie. "Ich habe großes Vertrauen zu Dr. Harrow. Seine Behandlung erscheint mir vernünftig, und er hat eine hohe Erfolgsquote "Er hat genauso viele Fehlschläge wie Erfolge. Es gibt bessere Ärzte hier in London. Du tätest besser daran, erst alle Möglichkeiten hier in England auszuschöpfen."
"Ich glaube, dass meine besten Chancen bei Dr. Harrow liegen." Win lächelte in Merripens harte schwarze Augen, verstand sie die Dinge doch nur zu gut, die er nicht aussprechen konnte. "Ich komme zu dir zurück. Das verspreche ich."
Er überging ihre Worte. Jeder Versuch ihrerseits, ihre wahren Gefühle zum Ausdruck zu bringen, wurde von ihm stets mit unnachgiebiger Zurückhaltung bestraft. Er würde niemals zugeben, dass er etwas für sie empfand, oder sie anders behandeln als eine schwächliche Invalide, die seines Schutzes bedurfte. Ein Schmetterling, eingesperrt unter einer Glashaube.
Während er selbst immer wieder seinem körperlichen Verlangen nachgab.
Trotz Merripens Verschwiegenheit, was sein Privatleben anbelangte, war Win überzeugt, dass es mehrere Frauen gegeben hatte, die ihm ihren Körper dargeboten und ihn zu ihrem eigenen Vergnügen benutzt hatten. Bei dem Gedanken, dass sich Merri- pen mit einer anderen Frau amüsiert haben könnte, stieg eine düstere Wut aus den Tiefen ihrer Seele in ihr hoch. Dieser brennende Zorn hätte jeden schockiert, der sie kannte, denn immerhin hätte sie damit die Stärke ihrer Begierde für ihn eingestanden. Am meisten hätte es wohl Merripen überrascht.
Beim Anblick seines ausdruckslosen Gesichts dachte Win: Also schön, Kev. Wenn es das ist, was du willst, werde ich stoisch sein. Wir werden uns freundlich und belanglos voneinander verabschieden.
Später würde sie dann in aller Stille leiden, in dem Wissen, dass eine Ewigkeit verginge, bis sie ihn endlich wiedersah. Aber das war besser, als so weiterzuleben, stets zusammen und dennoch getrennt, während ihre Krankheit zwischen ihnen stand.
"Nun", sagte sie rasch, "ich reise bald ab. Und es gibt keinen Grund, dir Sorgen zu machen, Kev. Leo wird sich auf der Reise nach Frankreich um mich kümmern, und "Dein Bruder kann sich nicht einmal um sich selbst kümmern", entgegnete Merripen barsch. "Du wirst nicht gehen. Du wirst hierbleiben, wo ich Er verstummte abrupt.
Aber Win hatte einen Anflug wütender Pein vernommen, die kaum merklich in seiner Stimme mitschwang.
Allmählich wurde es interessant.
Ihr Herz klopfte heftig. "Es Sie musste innehalten, um Atem zu schöpfen. "Es gibt nur eines, das mich von dieser Reise abhalten könnte."
Er warf ihr einen wachsamen Blick zu. "Und das wäre?"
Es kostete sie einen langen Moment, bis sie den Mut aufbrachte, fortzufahren: "Sag mir, dass du mich liebst. Sag es, und ich bleibe."
Merripen riss die schwarzen Augen auf und sog scharf die Luft ein. Das Geräusch seines Atems durchschnitt die Luft wie die herabsausende Klinge einer Axt. Dann war er völlig ruhig, wie erstarrt.
Eine sonderbare Mischung aus Belustigung und Verzweiflung pulsierte durch Win, während sie auf seine Antwort wartete.
"Ich ^ sorge mich um jeden in deiner Familie "Nein. Du weißt genau, dass ich das nicht gemeint habe." Win bewegte sich auf ihn zu und hob ihre blassen Hände, legte ihre Handflächen auf seine harte, muskulöse Brust. Sie spürte die glutvolle Reaktion, die ihn hindurchzuckte. "Bitte ", sagte sie und hasste den verzweifelten Unterton in ihrer Stimme, "es würde mir nichts ausmachen, morgen zu sterben, hätte ich es nur ein einziges Mal gehört "Nicht ", knurrte er und wich zurück.
Win ließ alle Vorsicht fahren und folgte ihm. Sie streckte die Hände aus, um sein weites Hemd zu packen. "Sag es! Lass uns endlich ehrlich miteinander sein "Sei still! Du überanstrengst dich nur."
Es erboste Win, dass er Recht hatte. Sie konnte die gewohnte Erschöpfung bereits spüren, die Benommenheit, die einherging mit ihrem pochenden Herzen und den schwer arbeitenden Lungen. Sie verfluchte ihren dahinsiechenden Körper. "Ich liebe dich", jammerte sie. "Und wenn ich gesund wäre, könnte mich keine Macht der Welt von dir fernhalten. Wenn ich gesund wäre, würde ich dich in mein Bett zerren und dir so viel Leidenschaft entgegenbringen wie jede andere Frau " Nein ." Seine Finger glitten zu ihrem M^und, um sie zum Schweigen zu bringen, doch als er ihre warmen Lippen spürte, riss er die Hand zurück.
"Wenn ich keine Angst habe, es zuzugeben, warum dann du?" Der unbeschreibliche Genuss, in seiner Nähe zu sein, ihn zu berühren, glich einer Art Wahnsinn. Beherzt drängte sie sich an ihn. Merripen versuchte, sie behutsam von sich wegzudrücken, aber sie klammerte sich mit allerletzter Kraft an ihn. "Und wenn dies nun unser letzter gemeinsamer Moment sein sollte? Würdest du nicht bereuen, mir deine Gefühle nicht gestanden zu haben? Würdest du Merripen bedeckte ihren Mund mit seinem, ein Akt der Verzweiflung, um Win zum Schweigen zu bringen. Beide keuchten auf und verstummten schließlich, kosteten den Geschmack des anderen aus. Jeder Atemzug an ihrer Wange kam einer Hitzewelle gleich. Seine Arme umschlossen sie, umhüllten sie mit seiner enormen Stärke, zogen sie an seinen festen Körper. Und dann entzündete sich alles, und sie wurden in einen Strudel der Begierde gezogen.
Win bemerkte den Duft von süßen Äpfeln in seinem Atem, den bitteren Hauch von Kaffee, doch vor allem seinen ganz eigenen Geruch. Sie wollte mehr, sehnte sich nach ihm, presste sich an ihn. Er nahm ihr unschuldiges Angebot mit einem tiefen, unbändigen Stöhnen entgegen.
Da spürte sie seine Zunge. Sie öffnete die Lippen, gewährte ihm Einlass, benutzte zögerlich ihre eigene Zunge, um sein seidiges Eindringen zu begleiten, und er erbebte und keuchte und hielt sie noch fester. Eine neue Schwäche bemächtigte sich ihrer, und all ihre Sinne lechzten nach seinen Händen und seinem Mund und seinem Körper ^ seiner kraftvollen Stärke über und zwischen und in ihr ^ Oh, sie wollte ihn, wollte ^ Merripen küsste sie voll wilder Leidenschaft, sein Mund bewegte sich mit unnachgiebigen, köstlichen Stößen. Wins Nerven loderten vor Vergnügen, und sie drängte sich an ihn, wollte ihn noch näher wissen.
Selbst durch die vielen Lagen Unterröcke spürte sie, wie er seine Hüften in einem kaum merklichen Rhythmus gegen ihre presste. Instinktiv schob sie die Hand nach unten, wollte ihn spüren, ihn streicheln, und ihre zitternden Finger ermutigten seine harte, pralle Erregung.
Er barg ein gepeinigtes Stöhnen in ihrem Mund. Für einen siedend heißen Moment packte er ihre Hand und drückte sie an seine Männlichkeit. Ihre Augen flogen auf, als sie sein hartes Pulsieren spürte, die Hitze und Anspannung, die jede Sekunde explodieren konnte. "Kev ^ das Bett flüsterte sie und errötete vom Kopf bis zu den Zehen. Sie hatte ihn schon so lange begehrt, und jetzt würde es endlich geschehen. "Nimm mich Merripen fluchte verärgert, schob Win von sich weg und drehte sich um. Sein Atem ging stoßweise.
Win eilte zu ihm. "Kev "Komm ja nicht näher!", befahl er mit solcher Inbrunst, dass sie verängstigt zurückschreckte.
Mindestens eine Minute lang waren sie völlig still und reglos, abgesehen von dem zornigen Keuchen ihres Atems.
Merripen gewann als Erster die Sprache wieder. Seine Stimme bebte vor wütender Verachtung, doch es war unklar, ob sie gegen Win oder sich selbst gerichtet war. "Das wird nie wieder geschehen."
"Weil du Angst hast, du könntest mir wehtun?"
"Weil ich dich so nicht will."
Entrüstet stieß sie ein ungläubiges Lachen aus. "Aber ich habe doch gerade gespürt, dass du mich willst."
Er errötete. "Das wäre mir bei jeder Frau passiert."
"Du ^ du willst mir weismachen, dass du dir nichts aus mir machst?"
"Nicht mehr als aus jedem anderen deiner Familie."
Sie wusste, es war eine Lüge. Sie wusste es einfach! Aber seine herzlose Zurückweisung machte ihr wenigstens den Abschied leichter. "Ich Das Reden fiel ihr schwer. "Wie edel von dir." Ihr Versuch, einen ironischen Tonfall zu treffen, scheiterte an ihrer Atemlosigkeit. Diese verdammte schwache Lunge!
"Du bist überreizt", sagte Merripen und ging auf sie zu. "Du solltest dich ausruhen "Mir geht es gut", fauchte Win und eilte zum Waschtisch, um sich dort festzuhalten. Als sie das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, goss sie etwas Wasser auf einen Waschlappen und drückte ihn sich auf die geröteten Wangen. Als sie in den Spiegel sah, ließ sie ihr Gesicht zu seiner gewohnten Maske erstarren. Es gelang ihr, ihre Stimme ruhig klingen zu lassen. "Ich will dich ganz oder gar nicht", sagte sie. "Du kennst die Worte, die mich zum Bleiben bewegen. Wenn du sie nicht sagen willst, werde ich abreisen."
Die Luft im Zimmer war emotionsgeladen. Wins Nerven kreischten widerwillig auf, als sich das Schweigen ausdehnte. Sie starrte in den Spiegel, konnte jedoch nur den breiten Umriss seiner Schulter und seines Arms sehen. Und dann bewegte er sich, und die Tür öffnete und schloss sich hinter ihm.
Win fuhr fort, sich das Gesicht mit dem kühlen Tuch abzutupfen, und benutzte es gleichzeitig, um vereinzelte Tränen wegzuwischen. Als sie den Lappen auf den Tisch legte, bebte die Hand, mit der sie Merripen an seiner intimsten Stelle berührt hatte, immer noch unkontrolliert. Ihre Lippen kitzelten immer noch bei der Erinnerung an seine süßen, harten Küsse, und ihre Brust schmerzte vor verzweifelter Liebe.
"Also schön", sagte sie zu ihrem geröteten Spiegelbild, "jetzt hast du wenigstens einen Anreiz." Und sie brach in ein zitterndes Gelächter aus, bis sie den Strom an Tränen nicht mehr aufhalten konnte.
Während Cam Rohan das Beladen der Kutsche beaufsichtigte, die sich schon bald zum Londoner Hafen aufmachen würde, kam er nicht umhin, sich zu fragen, ob er einen Fehler beging. Er hatte seiner frischgebackenen Ehefrau versprochen, für ihre Familie zu sorgen. Aber knapp zwei Monate, nachdem er Amelia geheiratet hatte, schickte er bereits eine ihrer Schwestern nach Frankreich.
"Wir können warten", hatte er Amelia erst in der vergangenen Nacht gesagt, während er sie an seine Schulter gedrückt und ihr über das volle kastanienbraune Haar gestreichelt hatte, das sich in einer sinnlichen Flut über seiner Brust ergoss. "Wenn du Win noch ein wenig länger bei dir haben willst, können wir sie im Frühling in das Sanatorium schicken."
"Nein, sie muss so schnell wie möglich nach Frankreich. Dr. Harrow hat seinen Standpunkt klar und deutlich gemacht: Es ist bereits viel zu viel Zeit vergeudet worden. Wins größte Hoffnung auf eine Besserung ihres Gesundheitszustands liegt allein darin, auf der Stelle mit der Behandlung zu beginnen."
Cam hatte über Amelias pragmatischen Ton lächeln müssen. Seine Frau übertraf sich selbst darin, ihre Gefühle zu verbergen, und trug eine solch starke Fassade zur Schau, dass nur wenige Menschen ahnten, wie verletzlich sie in Wirklichkeit war. Cam war der Einzige, bei dem sie ihren Panzer vollständig ablegte.
"Wir müssen vernünftig sein", hatte Amelie hinzugefügt.
Cam hatte sie auf den Rücken gerollt und in ihr kleines, liebliches Gesicht gestarrt, das vom Licht der Lampe erhellt wurde. Solch runde blaue Augen, dunkel wie die tiefste Nacht, dachte er verwundert.
"Ja", hatte er sanft erwidert. "Aber es ist nicht immer einfach, vernünftig zu sein, nicht wahr?"
Sie schüttelte den Kopf, und ihre Augen wurden feucht.
Er streichelte ihre Wangen mit den Fingerspitzen. "Armer Kolibri", flüsterte er. "Du hast in den letzten Monaten so viele Veränderungen ertragen müssen - nicht zuletzt eine Heirat mit mir. Und jetzt schicke ich auch noch deine Schwester fort."
"In ein Sanatorium, damit sie geheilt wird", flüsterte Amelia. "Ich weiß, es ist zu ihrem Besten. Es ist nur ^ Ich werde sie vermissen. Win ist die Liebste und Sanftmütigste in der Familie. Die Friedensstifterin. Während ihrer Abwesenheit wird sich der Rest von uns wahrscheinlich zerfleischen." Sie bedachte ihn mit einem düsteren Blick. "Erzähl niemandem, dass ich geweint habe, oder ich werde für immer sehr böse auf dich sein!"
"Nein, Monisha", hatte er sie beruhigt und an sich gezogen, als sie schniefte. "All deine Geheimnisse sind bei mir sicher. Das weißt du."
Und dann hatte er sie geküsst, ihr Nachthemd zärtlich nach oben geschoben und noch zärtlicher mit ihr geschlafen. "Mein kleiner Liebling", hatte er geflüstert, als sie unter ihm erschauderte. "Ich werde dafür sorgen, dass du dich besser fühlst Und während er behutsam Besitz von ihr ergriff, hauchte er ihr in der alten Sprache ins Ohr, dass sie ihm auf jede erdenkliche Art gefiel, dass er es liebte, in ihr zu sein, und er sie nie verlassen würde. Obwohl Amelia die fremden Worte nicht verstand, erregte sie der Klang. Ihre samtenen Hände bearbeiteten seinen Rücken wie Katzenpfoten, und ihre Hüften drängten sich gierig an ihn. Er hatte ihr Vergnügen bereitet und sein eigenes Bedürfnis gestillt, bis seine Frau in tiefen Schlaf gefallen war.
Noch lange Zeit hatte Cam sie in den Armen gehalten, das köstliche Gewicht ihres Kopfes an seiner Schulter. Er war nun für Amelia verantwortlich, und für ihre gesamte Familie.
Die Hathaways waren ein Grüppchen von Außenseitern, das aus vier Schwestern, einem Bruder und Merripen bestand, der wie Cam ein Rom war. Niemand schien viel über Merripen zu wissen, abgesehen von dem Umstand, dass er als Junge von den Hathaways aufgenommen wurde, nachdem er bei einer Zigeunerjagd verwundet und dann sterbend zurückgelassen worden war. Er war mehr als ein Dienstbote, aber kein echtes Familienmitglied.
Man konnte nicht vorhersehen, wie Merripen Wins Abwesenheit aufnähme, aber Cam beschlich das untrügliche Gefühl, dass es keine angenehme Zeit werden würde. Es gab keine größeren Gegensätze als diese beiden Menschen, die blasse blonde Invalide und der riesige Rom. Die eine kultiviert und wie aus einer anderen Welt stammend, der andere dunkel und ungehobelt. Aber eine unsichtbare Verbindung bestand zwischen ihnen, wie der Flug eines Falken, der immer wieder zum selben Wald zurückkehrte, einer unsichtbaren Landkarte folgend, die in sein Gedächtnis eingebrannt zu sein schien.
Als die Kutsche beladen und das Gepäck mit Lederriemen befestigt war, ging Cam in die Hotelsuite, die die Familie bewohnte. Sie hatten sich zur Verabschiedung im Salon versammelt.
Merripen fehlte.
Sie drängten sich in dem kleinen Zimmer zusammen, die Schwestern und ihr Bruder Leo, der als Wins Begleiter und Eskorte nach Frankreich mitreisen würde.
"Na, na", sagte Leo schroff und tätschelte Beatrix, der Jüngsten, die gerade sechzehn geworden war, den Rücken. "Kein Grund, eine Szene zu machen."
Sie umarmte ihn fest. "Du wirst einsam sein, so weit weg von Zuhause. Willst du nicht eines meiner Haustiere mitnehmen, damit es dir Gesellschaft leistet?"
"Nein, meine Süße. Ich werde mich wohl mit der menschlichen Gesellschaft an Bord begnügen müssen." Er drehte sich zu Poppy um, einer rothaarigen Schönheit von achtzehn Jahren. "Auf Wiedersehen, Schwesterherz. Genieß deine erste Saison in der Londoner Gesellschaft. Versuch bitte, nicht den ersten Mann zu erhören, der dir einen Antrag macht."
Poppy ging auf ihn zu und schlang ihm die Arme um den Hals. "Lieber Leo", sagte sie mit gedämpfter Stimme an seiner Schulter, "versuch bitte, dich anständig zu benehmen, während du in Frankreich bist."
"Niemand benimmt sich in Frankreich anständig", erwiderte Leo. "Das ist der Grund, warum jeder dieses Land liebt." Er drehte sich zu Amelia um. Erst in diesem Augenblick bröckelte seine selbstbewusste Fassade ein wenig. Er holte seufzend Atem. Von allen Hathaway-Geschwistern lieferten sich Leo und Amelia die heftigsten und bittersten Wortgefechte. Und dennoch war sie zweifelsohne seine Lieblingsschwester. Gemeinsam hatten sie viel durchgestanden und sich nach dem Tod ihrer Eltern um die jüngeren Geschwister gekümmert. Dabei hatte Amelia mitansehen müssen, wie sich Leo von einem vielversprechenden jungen Architekten in ein menschliches Wrack verwandelt hatte. Den Titel eines Viscounts zu erben, hatte Leos Schwierigkeiten nicht vermindert. Vielmehr hatten der neu erworbene Rang und Status seinen Niedergang nur beschleunigt. Das hatte Amelia jedoch nicht davon abgehalten, für ihn zu kämpfen, ihn retten zu wollen, immer und immer wieder. Was ihm allerdings schrecklich auf die Nerven gegangen war.
Amelia ging zu ihm und legte ihm den Kopf auf die Brust. "Leo", sagte sie leise schniefend. "Wenn Win etwas zustoßen sollte, bist du ein toter Mann."
Er streichelte ihr sanft übers Haar. "Du drohst mir schon seit Jahren, mich umzubringen, aber das sind doch alles bloß leere Versprechungen."
"Ich habe a-auf den richtigen Anlass gewartet", schluchzte sie.
Lächelnd schob Leo ihren Kopf von seiner Brust und küsste sie auf die Stirn. "Ich bringe sie sicher und gesund nach Hause."
"Und dich?"
"Und mich."
Mit zitternder Lippe strich sie ihm den Überzieher glatt. "Dann solltest du endlich aufhören, das Leben eines betrunkenen Nichtsnutzes zu führen."
Leo grinste. "Aber ich war immer der festen Überzeugung, man solle seine angeborenen Talente fördern." Er senkte den Kopf, so dass sie ihn auf die Wange küssen konnte. "Du bist gerade die Richtige, mich über anständiges Benehmen zu belehren", sagte er. "Du, die gerade einen Mann geheiratet hat, den sie kaum kennt."
"Und es war die beste Entscheidung meines Lebens", entgegnete Amelia.
"Da er meine Reise nach Frankreich bezahlt, kann ich wohl schlecht widersprechen." Leo streckte den Arm aus und schüttelte Cam die Hand. Nach einem schwierigen Anfang hatten die beiden Männer Gefallen aneinander gefunden. "Auf Wiedersehen, Phral", sagte Leo und benutzte das Romani-Wort für Bruder. "Ich bin überzeugt, dass du dich ausgezeichnet um meine Familie kümmern wirst. Du hast dich bereits meiner entledigt, was ein vielversprechender erster Schritt ist."
"Du wirst zurückkehren, um ein Zuhause und ein blühendes Anwesen wieder aufzubauen."
Leo lachte leise. "Ich kann kaum erwarten zu sehen, was du in der Zwischenzeit erreicht haben wirst. Immerhin würde nicht jeder Adlige seine Geschäfte in die Hand zweier Zigeuner legen."
"Ich kann wohl mit Sicherheit behaupten", erwiderte Cam, "dass du der Einzige bist."
Nachdem sich Win von ihren Schwestern verabschiedet hatte, half ihr Leo in die Kutsche und setzte sich neben sie. Mit einem sanften Ruck rollte der Landauer an, und sie brachen in Richtung des Londoner Hafens auf.
Leo musterte Wins Profil. Wie üblich zeigte sie keinerlei Gefühle, ihr fein gemeißeltes Gesicht war gelassen und ruhig. Aber er bemerkte die roten Flecken, die auf ihren blassen Wangen brannten, und die Art, wie ihre Finger sich verkrampften und das bestickte Taschentuch in ihrem Schoß zerknüllten. Es war ihm nicht entgangen, dass Merripen mit seiner Abwesenheit geglänzt und ihnen nicht Lebewohl gesagt hatte. Leo fragte sich verwundert, ob er und Win sich womöglich gestritten hatten.
Seufzend legte Leo seiner Schwester den Arm um die schmalen, zerbrechlichen Schultern. Sie versteifte sich, entwand sich jedoch nicht seiner Umarmung. Nach einem kurzen Moment hob sie das Taschentuch und betupfte sich die Augen. Sie hatte Angst, war krank und fühlte sich miserabel.
Und er war alles, was ihr geblieben war, dachte er erschrocken. Gott stehe ihr bei!
"Du hast doch hoffentlich keines von Beatrix' Haustieren mitgenommen, oder?", wollte er sie aufmuntern. "Ich warne dich, wenn du einen Igel oder eine Ratte mitgenommen hast, geht das Tier über Bord, sobald wir das Schiff betreten."
Win schüttelte den Kopf und schnäuzte sich.
"Du musst wissen", sagte Leo im Plauderton und drückte sie weiter an sich, "du bist die am wenigsten amüsante meiner Schwestern. Wie ist es eigentlich gekommen, dass ich ausgerechnet mit dir nach Frankreich fahren muss?"
"Glaub mir", kam ihre schniefende Antwort, "ich wäre nicht so langweilig, wenn ich in dieser Angelegenheit auch nur das kleinste Wörtchen mitzureden hätte. Sobald ich gesund bin, werde ich mich sehr unanständig benehmen."
"Nun, das ist doch zumindest eine Aussicht, auf die man sich freuen kann." Er legte seine Wange an ihr weiches blondes Haar.
"Leo", fragte sie zögerlich, "warum hast du dich freiwillig angeboten, mit mir in das Sanatorium zu gehen? Du willst ebenfalls gesund werden, nicht wahr?"
Leo war gleichzeitig gerührt und ungehalten über die harmlose Frage. Wie der Rest der Familie betrachtete Win seine ausschweifenden Trinkgewohnheiten als eine Krankheit, die durch eine Zeit der Abstinenz und eine förderliche Umgebung geheilt werden konnte. Doch sein Trinken war nur das Symptom der echten Krankheit - einer so überwältigenden Trauer, die bisweilen drohte, sein Herz zum Stillstand zu bringen.
Es gab kein Heilmittel, um den Verlust von Laura zu überwinden.
"Nein", sagte er zu Win. "Ich hege nicht die Hoffnung, gesund zu werden. Ich will lediglich mein ausschweifendes Leben vor einer neuen Kulisse fortsetzen." Seine Worte entlockten ihr ein leises Kichern. "Win ^ habt du und Merripen euch gestritten? Ist das der Grund, weshalb er sich nicht verabschiedet hat?" Nach einem langen Schweigen rollte Leo mit den Augen. "Wenn du auch weiterhin so wortkarg bist, Schwesterherz, wird das in der Tat eine lange Reise."
"Ja, wir haben uns gestritten."
"Worüber? Das Sanatorium?"
"Nicht wirklich. Zum Teil, aber Win zuckte unbehaglich mit den Schultern. "Es ist so kompliziert. Es würde zu lange dauern, es zu erklären."
"Wir werden einen Ozean und halb Frankreich durchqueren. Glaub mir, wir haben reichlich Zeit."
Nachdem die Kutsche abgefahren war, ging Cam zu den Stallungen hinter dem Hotel, einem sauberen Gebäude mit einem Pferdestall und einem Unterstand für Kutschen im Erdgeschoss und dem Wohntrakt der Bediensteten in der oberen Etage. Wie erwartet, kümmerte sich Merripen um die Pferde. Seine Bewegungen waren geschmeidig, schnell und methodisch, während er Cams schwarzem Wallach mit einer Bürste über die schimmernden Flanken strich.
Cam beobachtete ihn einen Moment, wobei er die Geschicktheit des Rom anerkennen musste. Das Vorurteil, dass Zigeuner außergewöhnlich gut mit Pferden zurechtkamen, war kein Mythos. Ein Rom betrachtete ein Pferd als einen Kameraden, ein Tier der Poesie mit unermesslichen Instinkten. Und Pooka tolerierte Merripens Anwesenheit mit einer ruhigen Gelassenheit, die er nur wenigen Menschen entgegenbrachte.
"Was willst du?", fragte Merripen, ohne aufzublicken.
Gemächlich betrat Cam den offenen Stall und lächelte, als Pooka den Kopf senkte und ihn anstupste. "Nein, mein Junge ^ heute habe ich kein Zuckerstück für dich." Er tätschelte ihm den muskulösen Hals. Cams Hemdärmel waren bis zu den Ellbogen aufgerollt, gaben den Blick auf die Tätowierung an seinem Unterarm frei, einem schwarzen Pferd mit Flügeln. Cam hatte keinerlei Erinnerung daran, wann er die Tätowierung bekommen hatte ^ Sie war schon immer da gewesen, aus Gründen, die ihm seine Großmutter nicht hatte erklären wollen.
Das Bild zeigte ein irisches Fabelwesen namens Pooka, ein abwechselnd bösartiges und gütiges Pferd, das mit menschlicher Stimme sprach und sich nachts mit weit ausgebreiteten Flügeln in die Lüfte erhob. Laut der Legende kam der Pooka zur mitternächtlichen Stunde an die Tür argloser Menschen und nahm sie auf eine Reise mit, die sie für immer verändern würde.
Nie zuvor hatte Cam dieses Bild an einem anderen Menschen gesehen.
Bis er Merripen getroffen hatte.
Was Cam einige Rätsel aufgegeben hatte.
Er bemerkte, dass Merripen die Tätowierung auf seinem Unterarm anstarrte. "Was könnte es bedeuten, dass ein Rom ein irisches Fabelwesen eintätowiert bekommen hat?", fragte Cam.
"Es gibt auch in Irland Roma. Das ist nicht ungewöhnlich."
"Aber diese Tätowierung ist sehr ungewöhnlich", erwiderte Cam ruhig. "Ich habe sie noch nie bei jemand anderem gesehen - außer bei dir. Und da sie selbst für die Hathaways eine Überraschung war, musst du dir offenbar große Mühe gegeben haben, sie zu verbergen. Wie kommt das, Phral?"
"Nenn mich nicht so."
"Du bist seit deiner Kindheit ein Teil der Hathaway-Familie", sagte Cam. "In die ich hineingeheiratet habe. Das macht uns zu Brüdern, nicht wahr?"
Ein verächtlicher Blick war Merripens einzige Antwort.
... weniger
Autoren-Porträt von Lisa Kleypas
Schon früher war es Lisa Kleypas größter Wunsch, eines Tages erfolgreich Bücher zu schreiben. Mit 21 Jahren ging dieser Traum in Erfüllung: Ihr erster Liebesroman wurde veröffentlicht. Seitdem hat sie zahlreiche historische Romances verfasst, die eine weltweite Fangemeinde gefunden haben. Unsere Erfolgsautorin lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Texas.
Bibliographische Angaben
- Autor: Lisa Kleypas
- 2010, 426 Seiten, Maße: 11,6 x 18,4 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Brammertz, Beate
- Übersetzer: Beate Brammertz
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453772598
- ISBN-13: 9783453772595
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