Haydn, Haydn über alles
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Haydn, Haydn über alles von Peter WehleLESEPROBE
Hyper-Mega-Super-Star
Es waren rund drei Jahre ins Hainburger Land gezogen, da kam es zu einem folgenschweren Besuch, der unseren Helden ... Ja, Haydns Geschichte liest sich über weite Strecken wie ein Märchen aus alten Tagen, aber auch heute kann ein armes Kinder der Provinz zum Superstar aufsteigen - diverse Casting-Shows zahlreicher Fernsehsender machen es möglich.
Wenn heute aber ein unbekanntes Träller-Mädchen oder ein neuer Brüll-Bursch zum ultimativen Mega-Hyper-Super-Star gekürt werden, haben diese zwar ein Stahlbad medialen Blitzlichtgewitters hinter sich, aber Fähigkeiten musikalischer Art sind zumindest bei manchen noch nicht ganz so ausgeprägt, um es vorsichtig zu formulieren.
Einigen wenigen merkt man tatsächlich eine hochkarätige Ausbildung an, manche holen künstlerische Defizite in heimlicher Stille im Schnellverfahren nach, aber der Großteil versinkt wegen mangelnder Dauer-Erfolgs-Fähigkeiten sehr rasch im Treibsand vorgestriger Schlagzeilen.
Vom Leben Joseph Haydns unterscheiden sich diese »EinTraum-wird-wahr«-Geschichten vor allem in zwei Belangen: zum einen im Grad der schöpferischen Hochbegabung, zum anderen in der vergönnten Reifezeit.
Über die Begabung lässt sich zumeist nur sagen, dass sie wer hat oder nicht. Zur Reifezeit sei hier aber - hoffnungslos altmodisch wie der soeben verwendete Konjunktiv - bemerkt, dass ein langsames Immer-besser-Werden selbst heute noch Vorteile mit sich bringt.
Man kann mehr unnötige Eindrücke vom Lebenswegrand mitnehmen. Man kann mehr überflüssige Gedanken in seinen Lehr- und Wanderjahren in den eigenen Hirn- und Herzbeutel einstecken. Irgendwann stolpert man dann sanft über das »un«, wird dann beide, das »über« wie das »un«, problemlos los - und
... mehr
plötzlich fügen sich die früher un-nötigen Eindrücke und die zuvor über-flüssigen Gedanken zu einem für einen selbst zu dem Zeitpunkt nötigen neuen Gesamtbild flüssig zusammen.
Ein seltsamer Widerspruch - zur Zeit Haydns, im 18. Jahrhundert, war die durchschnittliche Lebenserwartung niedrig, aber man nahm sich Zeit. Heute leben wir lang, aber hecheln den Minuten hinterher.
Es mag zwar wie eine Binsenweisheit klingen, aber auch heute noch beginnt ein »Hyper-Mega-Super-Star« mit ... einem »H«.
»H« wie »Hyper«.
»H« wie ein Seufzer angesichts einer weiteren Trainings-Schreibtisch-Bühnenproben-etc. -Einheit.
»H« wie der befreite Aus-einem-heraus-Ausruf nach einem großen Erfolg.
»H« wie ... Haydn.
Wien-wärts auch wegen der Kirschen
Also: Es waren rund drei Jahre ins Hainburgerland gezogen ... Ja ja, ist schon gut, ich höre ja gleich auf mit diesem Brüder-Grimm-Tonfall!
Aber es war wirklich - fast - ein Märchen. Zumindest sah es so der achtjährige Haydn.
Denn da lagen Kirschen auf dem Tisch, als der wichtige Herr aus Wien seinen Freund, den Hainburger Dechanten, besuchte. Der wichtige Herr war Georg Reutter der Jüngere, Kapellmeister von St. Stephan und deshalb auf der Suche nach schönen (Knaben)Stimmen. Denn mit seinen Chorknaben am Wiener Stephansdom war das leider so eine Sache - die Kerle erlaubten sich doch glatt, erwachsen zu werden und damit ihre schönen Sopran- und Altstimmen zu verlieren. Innerlich mag Reutter manchmal der guten alten Zeit nachgeweint haben - der Zeit, als man noch durch eine kleine Operation ganz inoffiziell dafür sorgen konnte, dass die wunderschöne Knabenstimme erhalten
blieb. Doch alles Bedauern half nichts, denn offiziell war die Kastration 1587 von der katholischen Kirche verboten worden, wobei, ab und zu ... Aber allzu oft konnte man so einen kleinen Schnitt wirklich nicht - über Mittelsmänner - veranlassen lassen. Und deshalb war eben der Domkapellmeister zu St. Stephan immer auf der Suche nach der idealen Knabenstimme.
Warum aber mussten es eigentlich Knabenstimmen sein? Warum konnten nicht Frauenstimmen ihren Platz einnehmen? Oder Männerstimmen?
Aus zwei Gründen: Zum einen galten helle Stimmen als absolut notwendig, um Gottes Lob adäquat zu singen, zum anderen heißt es in der Bibel im ersten Korinther-Brief: »Wie es in allen Gemeinden der Heiligen üblich ist, sollen die Frauen in der Versammlung schweigen« (Kor 14,33-34), woraus die katholische Kirche folgerte, dass - zumindest im Kirchenstaat, aber eigentlich doch überall - Frauen in Gotteshäusern nicht singen dürften.
Womit nur mehr herrlich helle, reine Knabenstimmen in Frage kamen. Georg Reutter fragte überall herum nach potenziellen Choristen, so auch bei seinem Besuch beim befreundeten Dechanten in Hainburg. Ob dieser nicht eine brauchbare Knabenstimme kennen würde? Und schon wurde Franck mit seinem Schützling Joseph herbeigerufen. Und da lagen eben Kirschen auf dem Tisch, an dem die hohen Herren saßen. Haydn war immer hungrig, da er - wie zitiert - mehr geprügelt als gefüttert wurde, und so fixierte er voller Lust die saftigen, roten, wohlschmeckenden, prallen, süßen, duftenden, reifen ... Kirschen eben.
Es mag ein skurriler Gedanke sein, aber in dem Moment, in dem Reutter dem mageren Knaben einige dieser Früchte gab, begann eine weitere, außerordentlich wichtige Etappe der Weltkarriere Haydns - denn nun beschloss der Bub, dorthin zu gehen, wo der Himmel voller Honig hing und die Geigen nur so flossen, nach Wien eben.
Copyright © 2008 by Verlag Kremayr & Scheriau KG, Wien
Ein seltsamer Widerspruch - zur Zeit Haydns, im 18. Jahrhundert, war die durchschnittliche Lebenserwartung niedrig, aber man nahm sich Zeit. Heute leben wir lang, aber hecheln den Minuten hinterher.
Es mag zwar wie eine Binsenweisheit klingen, aber auch heute noch beginnt ein »Hyper-Mega-Super-Star« mit ... einem »H«.
»H« wie »Hyper«.
»H« wie ein Seufzer angesichts einer weiteren Trainings-Schreibtisch-Bühnenproben-etc. -Einheit.
»H« wie der befreite Aus-einem-heraus-Ausruf nach einem großen Erfolg.
»H« wie ... Haydn.
Wien-wärts auch wegen der Kirschen
Also: Es waren rund drei Jahre ins Hainburgerland gezogen ... Ja ja, ist schon gut, ich höre ja gleich auf mit diesem Brüder-Grimm-Tonfall!
Aber es war wirklich - fast - ein Märchen. Zumindest sah es so der achtjährige Haydn.
Denn da lagen Kirschen auf dem Tisch, als der wichtige Herr aus Wien seinen Freund, den Hainburger Dechanten, besuchte. Der wichtige Herr war Georg Reutter der Jüngere, Kapellmeister von St. Stephan und deshalb auf der Suche nach schönen (Knaben)Stimmen. Denn mit seinen Chorknaben am Wiener Stephansdom war das leider so eine Sache - die Kerle erlaubten sich doch glatt, erwachsen zu werden und damit ihre schönen Sopran- und Altstimmen zu verlieren. Innerlich mag Reutter manchmal der guten alten Zeit nachgeweint haben - der Zeit, als man noch durch eine kleine Operation ganz inoffiziell dafür sorgen konnte, dass die wunderschöne Knabenstimme erhalten
blieb. Doch alles Bedauern half nichts, denn offiziell war die Kastration 1587 von der katholischen Kirche verboten worden, wobei, ab und zu ... Aber allzu oft konnte man so einen kleinen Schnitt wirklich nicht - über Mittelsmänner - veranlassen lassen. Und deshalb war eben der Domkapellmeister zu St. Stephan immer auf der Suche nach der idealen Knabenstimme.
Warum aber mussten es eigentlich Knabenstimmen sein? Warum konnten nicht Frauenstimmen ihren Platz einnehmen? Oder Männerstimmen?
Aus zwei Gründen: Zum einen galten helle Stimmen als absolut notwendig, um Gottes Lob adäquat zu singen, zum anderen heißt es in der Bibel im ersten Korinther-Brief: »Wie es in allen Gemeinden der Heiligen üblich ist, sollen die Frauen in der Versammlung schweigen« (Kor 14,33-34), woraus die katholische Kirche folgerte, dass - zumindest im Kirchenstaat, aber eigentlich doch überall - Frauen in Gotteshäusern nicht singen dürften.
Womit nur mehr herrlich helle, reine Knabenstimmen in Frage kamen. Georg Reutter fragte überall herum nach potenziellen Choristen, so auch bei seinem Besuch beim befreundeten Dechanten in Hainburg. Ob dieser nicht eine brauchbare Knabenstimme kennen würde? Und schon wurde Franck mit seinem Schützling Joseph herbeigerufen. Und da lagen eben Kirschen auf dem Tisch, an dem die hohen Herren saßen. Haydn war immer hungrig, da er - wie zitiert - mehr geprügelt als gefüttert wurde, und so fixierte er voller Lust die saftigen, roten, wohlschmeckenden, prallen, süßen, duftenden, reifen ... Kirschen eben.
Es mag ein skurriler Gedanke sein, aber in dem Moment, in dem Reutter dem mageren Knaben einige dieser Früchte gab, begann eine weitere, außerordentlich wichtige Etappe der Weltkarriere Haydns - denn nun beschloss der Bub, dorthin zu gehen, wo der Himmel voller Honig hing und die Geigen nur so flossen, nach Wien eben.
Copyright © 2008 by Verlag Kremayr & Scheriau KG, Wien
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Autoren-Porträt von Peter Wehle
MMag. Dr. Peter Wehle, geboren 1967, Musikwissenschaftler und Psychologe, wurde von Kindheit an in Klavier und Geige unterrichtet und steht seit seinem fünften Lebensjahr auf vielen Konzertbühnen. Daneben zahlreiche Radio- und Fernsehaufnahmen. Lehr-, Forschungs- und Publikationstätigkeit vor allem im Bereich musikhistorischer, aber auch neuropsychologischer Fragestellungen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Peter Wehle
- 2008, 224 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Kremayr & Scheriau
- ISBN-10: 3218007887
- ISBN-13: 9783218007887
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