Herausforderung China
Herausforderung China vonWolfgang Hirn
LESEPROBE
1. Wiedergeburt einer Weltmacht
Aufstieg, Fall und Rückkehr des Reichs der Mitte
»Von allen Zivilisationen der vormodernen Zeit erschienkeine so fortgeschritten,
empfand sich keine als so überlegen wie die Chinesen.«
Paul Kennedy in »Aufstieg und Fall der großen Mächte«
Es gibt Dinge, von denen wir glauben, sie sicher zu wissen -zum Beispiel, dass Johannes Gutenberg den Buchdruck erfunden habe und ChristophKolumbus der größte Seefahrer aller Zeiten gewesen sei. Die wahren Erfinderdes Buchdrucks aber sind die Chinesen (die bereits im 9. Jahrhundert n. Chr. soweit waren), und der bedeutendste Seefahrer war wohl ein Chinese namens ZhengHe, der ein paar Jahrzehnte vor Kolumbus mit einer deutlich eindrucksvollerenFlotte über die Weltmeere segelte.
Diese weit verbreiteten Irrtümer sind symptomatisch fürunser einseitiges Geschichtsbild. Das alte China kommt darin gar nicht oderhöchstens am Rande vor. Im Geschichtsunterricht dozierten die Lehrer zwarstundenlang über das Altertum, in dem aber nur die dominierenden Ägypter,Griechen, Perser sowie Römer lebten und herrschten.
Dass es im Fernen Osten zur selben Zeit eine andereHochkultur gab, wird verschwiegen, nicht aus Absicht, eher aus Ignoranz. Wenndie Asiaten mal im Geschichts-Unterricht vorkamen, dann nur in Formbarbarischer Mongolen-Stämme unter Führung des berühmt-berüchtigtenDschingis-Khan-Clans, der es anno 1241 bis nach Mitteleuropa schaffte, dannurplötzlich wieder abdrehte und Europa verschonte.
China tauchte in unserem Geschichtsbild erst wieder ein paarJahrhunderte später auf, noch zaghaft im 19. Jahrhundert, mit voller Wuchtdann Mitte des 20. Jahrhunderts, als Mao Zedong die Macht übernahm und dasgrößte kommunistische Land der Welt schuf. Der Kalte Krieg begann, und China,dessen Führer von einer Weltrevolution träumten, wurde im Westen nun plötzlichals Bedrohung empfunden.
Ignoranz und Bewunderung, Überheblichkeit und Angstgefühle -das China-Bild des Westens schwankte in den vergangenen Jahrhunderten extrem.Ein Grund für dieses diffuse Bild ist die Fremdartigkeit des Landes. Kaumeiner war je dort, kaum einer versteht die Sprache, kaum jemand ist mit derGeschichte des Landes und seiner Kultur vertraut.
Wer - außer ein paar Historikern und Sinologen - weiß denn schon,dass China die älteste und einzige Hochkultur ist, die in den vergangenenJahrhunderten nicht unterging oder zu einem unbedeutenden Staatzusammenschrumpfte wie Ägypten oder Griechenland. Rund 5000 Jahre - dieGelehrten streiten über die exakte Dauer - besteht inzwischen die chinesischeKultur. Das muss man wissen, wenn man den Stolz und manchmal auch denüberbordenden Nationalismus der Chinesen verstehen will.
Man sollte auch wissen, dass fast alle westlichen Mächte undJapan das Land über 100 Jahre gedemütigt und in seinem kollektiven Stolz tiefverletzt haben. Nur so lassen sich viele außenpolitische Ressentiments derChinesen von heute erklären.
Und man sollte wissen, dass China vor ein paar Jahrhundertendie technologisch fortschrittlichste Nation der Welt war. Dann kann man auchverstehen, dass das heutige China den Willen und das Zeug dazu hat, diesenStatus von einst wieder zu erreichen.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2005
- Autor: Wolfgang Hirn
- 2005, 7, 255 Seiten, Maße: 14 x 21,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: S. Fischer Verlag GmbH
- ISBN-10: 3100304098
- ISBN-13: 9783100304094
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