Herrscher aus Apulien
1228: Friedrich II. begibt sich auf Kreuzzug ins Heilige Land. Froh, den sizilianischen Hof mit all seinen Intrigen hinter sich zu lassen, macht er sich auf die Reise. Es erwarten ihn viele Gefahren, waghalsige Abenteuer und Herausforderungen. Für den...
1228: Friedrich II. begibt sich auf Kreuzzug ins Heilige Land. Froh, den sizilianischen Hof mit all seinen Intrigen hinter sich zu lassen, macht er sich auf die Reise. Es erwarten ihn viele Gefahren, waghalsige Abenteuer und Herausforderungen. Für den jungen Herrscher, der das Leben und die Frauen liebt, wird es auch eine Reise zu sich selbst.
Und am Ende erwartet ihn ein großes Ziel: die Königskrone Jerusalems.
Herrscher aus Apulien von Cecelia Holland
LESEPROBE
Ich, Friedrich.Ich, Friedrich. Ich, Friedrich.
SchwarzeSchatten hüllten die Galerie mit ihren großen Bogengängen in Dunkelheit; nurauf das erste Geländer legte der Sonnenschein eine helle Kante. Im Hof darunterhörte man einen Hammer auf Metall klingen, ein sanfter Schlag, dann einscharfer, gleichmäßig und monoton. Die Glyzinie, die sich an der Wand zurGalerie hochrankte, stand in Blüte und duftete wie eine reife Frucht. Seit dreiTagen war er jetzt in Barletta und wartete auf dieNachricht aus Rom.
Er stand aufund trat ans Geländer und ins Sonnenlicht, lehnte sich hinüber und blicktehinaus. Aus dieser Entfernung konnte er nicht sehen, worauf der Mann im Hofseinen Hammer fallen ließ. Für einen Augenblick dachte er daran, nach Hasan zurufen, um es herauszufinden, aber Hasan, der neben der Türöffnung direkt unterihm lehnte, döste allzu offensichtlich vor sich hin. Über die windschiefenZiegeldächer der Stadt hinweg konnte er so eben das Glitzern der Sonne auf demWasser sehen.
Er nahm einentiefen Atemzug und freute sich an der eigenen Kraft. Selbst in Gaeta, noch vor vierzehn Tagen, war er jeden Morgen soschwach gewesen, dass er aufpassen musste, damit seine Hände nicht zitterten.Wie ein alter Mann. Hinter ihm raschelten die Urkunden im Wind, und erdachtedaran, zurückzugehen und ein Gewicht darauf zu legen. Wenn sie wegflogen, würdeMichele eben neue Kopien herstellen müssen.
Urkunden! DieKehle wurde ihm so eng, dass er sich am liebstenübergeben hätte. Seit sechs Monaten zwang er sich jetzt zur Milde, wobei seineKrankheit durchaus hilfreich gewesen war. Aber jetzt verdunkelte seine blindeWut das Sonnenlicht vor seinen Augen, und seine Hände verkrampften sich zuFäusten. Er bemerkte es und streckte vorsichtig die Finger aus.
Er konntenichts anderes tun als warten. Alles Nötige und Mögliche hatte er schon getan,hatte seit sechs Monaten stetig und geduldig gearbeitet, um für seinen eigenenzukünftigen Vorteil zu sorgen, der seinem Feind schaden würde. Die Briefe - »königlicher Vetter, im Namen Gottes flehe ich Euch an, mich unvoreingenommenanzuhören« - all die Briefe, dieso sorgfältigkomponiert und so sorgfältig an alle Fürsten Europas geschickt worden waren.Niemandem hatte er seinen Zorn gezeigt, nicht einmal Piero. Er fragte sich, obPiero etwas ahnte. Wenn es so weit ist, werde ich mir erlauben, genau so langewütend zu sein, dass Piero sich aufregt.
Aber dieunterdrückte Raserei ebbte bereits wieder ab. Erfragte sich allmählich, weshalbseine Stimmungen nur noch so kurz anhielten. Das hatte er seit Jahrentrainiert, es war letzten Endes seine eigene Schuld. Jahr für Jahr hatte er denKreuzzug aufgeschoben: Nicht jetzt, Papa, ich habe anderes zu tun. Vielleichthabe ich auch einfach Angst vor dem Kirchenbann, dachte er, prüfte seineReaktionen auf den Gedanken und entschied, dass es so war. Aber im September,als Gregor auf dem Balkon in Rieti gestanden und ihnzum ersten Mal exkommuniziert hatte, da hatte er sich mehr gefürchtet alsjetzt.
Wütend war ervor allem, weil Gregor nach all den grellen Anlässen, die er drei Päpstengegeben hatte, die einzige Tatsache ausgesucht hatte, über die er keineKontrolle hatte: seine Krankheit. Nach einigem Nachdenken und mehrmaligem Lesender Anklagen, die wie eine stinkende Flut aus Rom heranströmten, gab er sichdamit zufrieden, dass selbst für Papst Gregor das Scheitern seines frommenGangs nach Jerusalem - zitternd vor Schüttelfrost und rot gefleckt vom Fieber -nur ein Vorwand war. Eine politische Angelegenheit. Nun gut. Er beobachtetezwei Pagen, die über den Hof geschlendert kamen und die Köpfe im Gesprächzusammensteckten. Einer der beiden jungen Männer bemerkte ihn und fuhr miteiner Verbeugung zusammen, der andere wirbelte herum, errötete bis unter dieHaarwurzeln, riss seine Mütze herunter und verbeugte sich gleich zweimal. Erhob die Hand, und sie eilten davon.
Exkommuniziert.Aber vielleicht konnte ihm das noch nützlich sein. Es brachte sie auf zwei entgegengesetzte Seiten, den Papst auf der einen, denKaiser auf der anderen, wie es sich schließlich gehörte. Ich bin der Kaiser.Die Welt gehört mir. Soll er sich doch mit dem Himmel abgeben. Mische ich michvielleicht in das jüngste Gericht ein?
Seine Augenwurden schmal, und er starrte über die roten Dächer von Barlettahinaus aufs Meer. Es war ein ausgesprochen unfreundlicher Akt von Gregor, dieWaffen der Religion in einem vollkommen irdischen Streit zu benutzen. Erstreckte die Hände aus, um sie im Sonnenschein zu wärmen. Einen ganzen Winterlang hatte er den europäischen Fürsten zu erklären versucht, wie unnatürlichund unfromm die Amtsführung des Papstes war. Wieder spürte er dem Gefühl nach,von dem er hoffte, dass auch die Könige und Herzöge es erleben würden: innigeEntrüstung. Das ist nicht fair! Wie kann er es wagen? Er spuckte in den Hofhinunter und grinste.
© Verlagsgruppe Weltbild
Deutsch von Marie Henriksen
- Autor: Cecelia Holland
- 2006, 1, 366 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Kartoniert (TB)
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3898974596
- ISBN-13: 9783898974592
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