Ich komme, um zu schreiben
Deutsche Erstausgabe
Molly Jennings hat ein wohlbehütetes Geheimnis: Sie ist Autorin von Erotikromanen. Wenn sie nur nicht diese Schreibblockade hätte! Auf der Suche nach Ideen kehrt sie zurück in ihren Heimatort Tumble Creek und direkt in die Arme von Ben Lawson. Der...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Ich komme, um zu schreiben “
Klappentext zu „Ich komme, um zu schreiben “
Molly Jennings hat ein wohlbehütetes Geheimnis: Sie ist Autorin von Erotikromanen. Wenn sie nur nicht diese Schreibblockade hätte! Auf der Suche nach Ideen kehrt sie zurück in ihren Heimatort Tumble Creek und direkt in die Arme von Ben Lawson. Der attraktive Cop war ihr heimlicher Jugendschwarm und hat sie bereits zu ihrem ersten Roman inspiriert. Ein bewährtes Rezept? Die erste Liebesnacht mit Ben schon hat Molly die Idee für ein neues Buch! Doch nicht nur ein mysteriöser Stalker scheint ihr den Erfolg zu missgönnen. Auch Ben ist alles andere als begeistert, als er hinter ihr Geheimnis kommt
Molly Jennings hat ein wohlbehütetes Geheimnis: Sie ist Autorin von Erotikromanen. Wenn sie nur nicht diese Schreibblockade hätte! Auf der Suche nach Ideen kehrt sie zurück in ihren Heimatort Tumble Creek - und direkt in die Arme von Ben Lawson. Der attraktive Cop war ihr heimlicher Jugendschwarm und hat sie bereits zu ihrem ersten Roman inspiriert. Ein bewährtes Rezept? Die erste Liebesnacht mit Ben - schon hat Molly die Idee für ein neues Buch! Doch nicht nur ein mysteriöser Stalker scheint ihr den Erfolg zu missgönnen. Auch Ben ist alles andere als begeistert, als er hinter ihr Geheimnis kommt ...
Lese-Probe zu „Ich komme, um zu schreiben “
Ich komme um zu schreiben von Victoria Dahl1. KAPITEL
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Ungläubig und empört spähte Molly Jennings in das winzige Kaffeeregal im ebenso winzigen Tumble Creek Market. Sie entdeckte Folgers, Sanka und ein paar Marken, von denen sie noch nie im Leben gehört hatte. Und nicht eine einzige Packung Espressopulver in Sicht.
Als sie bekümmert aufseufzte, stieg ihr eine Duftmischung aus Instant-Kaffeepulver und Weichspüler in die Nase. In den letzten Jahren hatte sie die traurige Wahrheit über Kleinstadtsupermärkte erfolgreich aus ihrem Gedächtnis verdrängt. Keine ganzen Kaffeebohnen, keine Spezialröstungen. Ganz hinten im Regal stand etwas verstaubt eine einsame Dose Vanille-Kaffeeweißer. Molly schüttelte sich.
Zum Glück gab es noch das Internet. Ansonsten wäre sie nämlich nie wieder in den Genuss von hausgemachtem Espresso gekommen. Oder einem Hostess Fruit Pie. Molly warf einen vorwurfsvollen Blick in die sogenannte Snackabteilung bei den Kassen. Ihre letzte Hoffnung war die Tankstelle gegenüber vom Supermarkt. Molly war nämlich ziemlich sicher, dass Tankstellen gesetzlich oder wenigstens moralisch verpflichtet waren, Hostess-Produkte zu führen. Und CornNut.
"Oh Gott, CornNuts", murmelte sie verzückt. Ihre Laune besserte sich schlagartig. Zum letzten Mal hatte sie in der Highschool welche gegessen. Hoffentlich gab es noch die Sorte mit Barbecue-Geschmack.
Ehe sie es sich anders überlegen konnte, schnappte sie sich eine Dose
Folgers, schmiss sie in ihren Einkaufswagen und lief weiter zu den Tiefkühlregalen.
Der Backfisch, der gerade das Regal mit der Babynahrung auffüllte, beachtete sie kaum. Ganz offensichtlich hatte Moe Franklin seine Herrschaft über den Tumble Creek Market abgetreten. In Mollys Jugend hatte er seinen Supermarkt mit harter Hand und beängstigend lauter Stimme regiert und einen leidenschaftlichen Hass auf Teenager gepflegt. Alles Diebe und Punks, jedenfalls laut dem guten, alten Moe.
Also hatte sich in Tumble Creek doch ein bisschen was geändert, und das war auch gut so. Immerhin war auch Molly in den letzten zehn Jahren eine andere geworden. Sie hatte ihr großartiges Loft in Denver hinter sich gelassen, dazu ihr ziemlich lebhaftes Sozialleben, und - so hoffte sie wenigstens - einen ziemlich schweren Fall von Schreibblockade. Nicht zu vergessen die Ursache für ihre Schreibblockade: den Mistkerl, der ihr alles kaputt gemacht hatte. Offiziell bekannt als Cameron Kasten. Hauptbeschäftigungen: Exfreund und Stalker.
Jetzt lag eine vierstündige Autofahrt zwischen Molly und Cameron, und das bedeutete einen echten Neuanfang. Keine nervösen Blicke über die Schulter mehr, keine Notwendigkeit, jedes Geschäft, das sie betrat, vorher nach ihrem Exfreund abzusuchen. Kein Grund, die Partys ihrer Freundinnen zu meiden, nur weil Cameron dort auftauchen könnte.
Schon witzig, wie etwas so Alltägliches plötzlich die Laune heben konnte.
Aber es gab noch einen weiteren Faktor an Mollys neuer Lebenssituation, der möglicherweise gewaltig zu ihrer Aufmunterung beitragen würde: Eventuell und mit ein wenig Glück würde sie tatsächlich irgendwann mal wieder Sex haben! Nicht dass ein Umzug in ein Kuhkaff mit tausendfünfhundert Einwohnern normalerweise ein Garant für verbesserte Aussichten in Sachen Sex gewesen wäre. Aber Molly hatte da eine ganz bestimmte Person im Auge.
Zwar hatte sie Ben Lawson seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Aber der Eindruck, den er damals bei ihr hinterlassen hatte, war so prägend gewesen, dass seitdem kaum ein Tag vergangen war, an dem Molly nicht an ihn gedacht hatte. Eigentlich war er in so gut wie all ihren Fantasien der Hauptdarsteller. Ein splitterfasernackter, ausgesprochen williger Hauptdarsteller.
Molly warf ihrem Spiegelbild in der Eisschranktür ein Lächeln zu, das aber sofort gefror, als sie die mehr als mickrige Auswahl in den Regalen registrierte. Und dabei hatte Tumble Creek doch nur ein einziges Diner! Sie konnte doch nicht jeden Tag dort essen! Oder vielleicht doch?!
Wirklich, sie vermisste ihren Lieblings-Thailänder jetzt schon. Der bloße Gedanke an die würzigen Nudeln ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Schicksalsergeben öffnete sie die Schranktür und redete sich ein, dass die Packungen in ihrer Hand nicht wirklich Tiefkühl-Makkaroni mit Käse enthielten.
"Ist das dann alles, Chief?", fragte eine ziemlich verschlafen klingende Mädchenstimme. Trotz des gelangweilten Tonfalls sorgten diese Worte dafür, dass Mollys Herz einen kleinen Satz machte. Hastig schob sie ihren Einkaufswagen in Richtung der piependen Kasse und hielt am Ende des Gangs abrupt inne, weil der Anblick vor ihr sie so fesselte, dass sie wie gelähmt war.
Fesselnd, lähmend, überraschend und beängstigend umwerfend. Er. In Fleisch und Blut, nicht nur in ihrer Fantasie.
Als Molly der letzte Wille ihrer Tante mitgeteilt worden war und sie plötzlich die Möglichkeit bekam, wieder zurück nach Tumble Creek zu ziehen, hatte sie sofort an Ben Lawson gedacht. Aber mit dieser Wirkung hatte sie nicht gerechnet.
Er war perfekt. Noch immer. Er wirkte muskulöser und männlicher als bei ihrer letzten Begegnung, was Mollys ebenfalls erwachsener gewordenem Männergeschmack allerdings sehr entgegenkam. Außerdem war er bekleidet, was ein weiterer wichtiger Unterschied zu ihrer letzten Begegnung war. Aber auch gegen seine Klamotten war absolut nichts einzuwenden. Ausgeblichene, fadenscheinige Jeans und ein dunkelbraunes Uniformhemd. Die Ärmel waren hochgerollt und enthüllten kräftige Unterarme, auf denen goldene Härchen glitzerten.
Er nickte der Kassiererin zu und reichte ihr ein paar Geldscheine. Seine Augen waren genauso schokoladenbraun, wie Molly sie in Erinnerung hatte, und in seinem Blick lag noch immer derselbe Ernst wie damals. Bens Haare hatten fast dieselbe Farbe wie seine Augen, was eigentlich langweilig hätte wirken müssen, Molly aber immer fasziniert hatte. Als sich ein zurückhaltendes Lächeln auf seinen Lippen ausbreitete, bildeten sich um seine Augen herum kleine Lachfältchen. Dann blickte er auf und sah Molly direkt an.
Trotz der fünf Meter Abstand traf sein Blick Molly wie ein Blitz. Als Ben sie erkannte, hob er verblüfft die Augenbrauen und erstarrte mitten in der Bewegung. Seine Hand mit dem Wechselgeld blieb auf halben Weg zu seinem Geldbeutel einfach in der Luft hängen. Als die Kassiererin Molly einen Blick über die Schulter zuwarf, erwachte er aus seinem komatösen Zustand. Molly beobachtete, wie er sich bedankte, eine kleine Plastiktüte vom Tresen nahm und sich von der Kasse entfernte. Allerdings nicht in Richtung Ausgang, sondern in ihre Richtung.
Er erinnerte sich noch an sie!
Natürlich tut er das!
Molly war entsetzt, wie sehr sie sich darüber freute. Du bist keine siebzehn mehr, wies sie sich in Gedanken zurecht, während Ben immer näher kam. Sie fühlte sich winzig neben ihm, aber auf eine gute, eine zierliche Weise.
"Molly?", fragte er zögerlich. Das Wort polterte geradezu aus seiner Kehle, was Molly einen angenehmen Schauer den Rücken hinablaufen ließ.
"Ben! Hi! Ist ganz schön lang her, was?"
Oh, oh. Das war wohl nicht der beste Einstieg gewesen. Denn Ben nahm wieder diesen verblüfften Ausdruck an, und dann wurde er auch noch ein bisschen rot.
Ja, es war wirklich lange her. Zehn Jahre, um genau zu sein. Und das hatte seine Gründe. Wahrscheinlich musste auch er gerade an ihre letzte Begegnung denken, ebenso wie Molly . Oh Mann. Jetzt errötete sie auch.
Ben räusperte sich. "Ich, äh ..." Er verzog die Lippen zu einem schmalen Strich und räusperte sich. Wahrscheinlich wies er sich in Gedanken genauso zurecht wie Molly vor ein paar Minuten. Du bist jetzt der Polizeichef hier! Reiß dich zusammen!
"Tut mir leid mit deiner Tante Gertie. Sie war ja ziemlich ... lebhaft."
In der Tat, lebhaft war sie wirklich gewesen. Um nicht zu sagen: extrem starrsinnig. "Meine Mutter hat immer gesagt, dass Gertie zu stur zum Sterben ist, aber trotzdem kam ihr Tod ja nicht wirklich überraschend."
Ben neigte den Kopf zur Seite. "Ich habe gehört, dass sie dir das Haus hinterlassen hat. Aber niemand konnte sich vorstellen, dass du deswegen aus Denver zurückkommst. Bist du hier, um das Grundstück zu verkaufen?"
"Nö."
Ihre Antwort schien ihn leicht zu beunruhigen. "Machst du das Haus winterfest?"
"Eigentlich auch das nicht. Ich ziehe ein."
Seine beunruhigte Miene verwandelte sich schlagartig in ein undurchdringliches Pokerface, das ihm als Polizeichef vermutlich häufig gute Dienste leistete. "Du ziehst wieder nach Tumble Creek?", wiederholte er.
"Jepp. Der Umzugswagen müsste so in einer Stunde da sein."
"Im Ernst?" Für einen kurzen Moment sah er Molly von Kopf bis Fuß an, dann sah er ihr wieder in die Augen. Siedend heiß fiel ihr ein, dass sie heute Morgen nicht gerade viel Zeit auf ihre Kleiderwahl verschwendet hatte.
Sie trug weite Kakihosen und ein T-Shirt, das fast so zerfleddert war wie ihre uralten Turnschuhe. Ihr dunkelblondes Haar hatte sie zu einem unordentlichen Pferdeschwanz hochgebunden. Zum Glück trug sie wenigstens keine Shorts, sie hatte sich nämlich seit einer Woche die Beine nicht mehr rasiert. Schließlich war es im Oktober verdammt kalt in den Bergen, da konnte ein zusätzlicher Schutz nicht schaden. Doch Kälte hin oder her, jetzt würde sie sich definitiv rasieren.
"Aber du arbeitest doch unten in Denver, oder?", fuhr Ben schließlich fort.
Er sah sie an, als wäre er die Unschuld in Person, aber davon ließ Molly sich nicht täuschen. Immerhin war Ben der beste Freund ihres Bruders. Unmöglich, dass er nichts von der "Molly-Jennings-Frage" wusste.
Sie lächelte und zwinkerte ihm zu. "Netter Versuch, Chief!"
Er hob in schweigendem Protest beide Brauen, aber auch damit konnte er Molly nichts vormachen. "Wo wir schon beim Thema Arbeit sind: herzlichen Glückwunsch zu deinem schnellen Aufstieg als Chief!"
Er nickte dankend. "Außer mir wollte den Job einfach keiner."
"Wow, welch sittliche Bescheidenheit!" Ups.
Ben wurde wieder rot, und dann wurde auch Molly rot, da sie ja ganz genau wusste, woran er gerade denken musste. Das Bild in ihrem Kopf war so lebendig und detailreich, dass sich die Hitze von ihrem Gesicht im ganzen Körper ausbreitete.
"Na dann ..." Ben streckte seine Hand aus und verabschiedete sich mit einem knappen, professionellen Händedruck von Molly. "Willkommen zurück in Tumble Creek, Molly. Wir sehen uns." Ehe sie antworten konnte, war er schon weg. Mit einem leisen Klicken fiel die Eingangstür hinter ihm zu, und damit wurde Molly auch der Ausblick auf seinen spektakulären Hintern verwehrt.
Molly Jennings. Grundgütiger.
Ben zog seine Uniform aus und streifte sich die Joggingsachen über. Plötzlich wünschte er sich, Raucher zu sein. Genau, er brauchte eine Zigarette. Oder wenigstens einen Drink. Aber da er schon in ein paar Stunden wieder in den Dienst musste, würde er sich mit einem kurzen Lauf begnügen müssen. Frank hatte die nächsten paar Tage Urlaub, und da die Polizeiwache nur aus viereinhalb Beamten bestand, bedeutete das Überstunden für alle. Auch für den Chief.
Er schnappte sich Schlüssel und Handy und war schon halb zur Tür hinaus, doch dann kehrte er wieder um, um seinen Schlagstock zu holen. Die vielen Puma- und Bärenangriffe in den letzten Jahren hatten ihn vorsichtig gemacht. Der Frühling war zwar erfahrungsgemäß gefährlicher als der Herbst, aber Vorsicht war schließlich die Mutter der Porzellankugel.
Apropos: Vorsichtig war genau das, was er nicht gewesen war, als er Molly Jennings im Supermarkt über den Weg gelaufen war. Sie hatte dagestanden wie eine Horrorvision aus seinem allerpeinlichsten Albtraum. Mit schamverzerrtem Gesicht knallte er die Haustür hinter sich zu und rannte einfach drauflos, ohne einen Gedanken ans Aufwärmen zu verschwenden. Warm genug war ihm schließlich schon. Er war ja rot geworden wie ein verdammter Schuljunge! Noch einer von diesen blamablen Augenblicken mit Molly Jennings.
Aber heute war er kein zweiundzwanzigjähriger Junge mehr. Und Molly war definitiv nicht mehr siebzehn. Sie hatte so frisch, natürlich und reif gewirkt, wie sie dagestanden hatte mit ihrem dunkelgoldenen Pferdeschwanz. Und wie ihr Bauchnabel zwischen dem engen hellblauen T-Shirt und den schäbigen Cargohosen hervorgelugt hatte ...
Gott, er liebte Cargohosen! Seiner zugegebenermaßen etwas ausgefallenen Meinung nach kamen Frauenärsche in keiner Verpackung besser zur Geltung. Zum Glück hatte er keine Möglichkeit gehabt, einen Blick auf Mollys Hintern zu werfen. Schließlich war der Rest von ihr schon fast zu viel für ihn gewesen.
Ben zwang sich die steile Strecke am Ende der Straße hinauf und bog dann nach links in den zugewucherten Wanderweg ab. Zufälligerweise führte der Pfad den Bergrat entlang, der genau hinter Mollys Haus verlief. Aber das hier war nun mal Bens Lieblingsstrecke, und die würde er ganz sicher nicht aufgeben, nur um Molly aus dem Weg zu gehen. Und wenn er ganz aus Versehen einen Blick durch die Fenster warf, dann war das nur natürlich. Klar war er neugierig! Sie waren schließlich befreundet gewesen. Na ja, zumindest hatte er seine gesamte Jugend in Mollys Nähe verbracht. Und ja, er hatte sie als Teenager unglaublich süß gefunden, aber sie war nun mal auch die minderjährige kleine Schwester seines besten Freundes gewesen. Also verbotenes Terrain. Und jetzt war sie siebenundzwanzig ... und immer noch verbotenes Terrain.
Ben hatte sich nämlich geschworen, nie im Leben etwas mit einer Frau aus Tumble Creek anzufangen. Zu viel Gerede, zu viele Komplikationen. Wenn es etwas Schlimmeres gab, als ein Kleinstadtpaar zu sein, dann, ein Ex-Kleinstadtpaar zu sein. Die reinste Chaos-Garantie.
Also hielt sich Ben an Frauen, die nicht aus der Stadt kamen. Und da im Winter der Großteil der Straßen geschlossen war, beschränkten sich seine Affären meist auf die wärmeren Jahreszeiten.
Molly würde das ganze Jahr über hier sein. Na ja, oder auch nicht. Vielleicht wollte sie ja nur den Winter über bleiben! Vielleicht würde sie es ein paar Monate lang in Tumble Creek aushalten und dann wieder für zehn Jahre verschwinden.
Das Jahrzehnt in Denver hatte ihr gutgetan. Sie war schlank, aber nicht mager, rund und fest an jeweils den genau richtigen Stellen. Und ihre funkelnden grünen Augen wirkten noch lebhafter als damals. Selbstbewusster, irgendwie ... erfahren und weltoffen. Verlockend.
Ben schüttelte diese gefährlichen Gedanken ab und folgte dem Pfad weiter nach oben bis zur Gabelung. Der eine Weg führte wieder zur Straße, der andere mündete nach einer Weile in einen Bergkamm, der einen atemberaubenden Blick auf das breite Tal westlich der Stadt bot. Die Sonne strahlte hell und warm, und die Luft war gerade frisch genug, um Bens Schweiß zu kühlen. Gegen das Gefühlschaos in seiner Brust wäre allerdings leider etwas mehr nötig gewesen als das.
Tief atmete er den erdigen Duft der Espen ein und beschloss, den Weg zum Bergkamm einzuschlagen. Wenn er noch ein bisschen weiterlief, wurde er vielleicht die Erinnerungen an Molly los, die so beharrlich durch seine Gedanken geisterten.
Er joggte gerade mitten durchs tiefe Dickicht, als sein Handy klingelte. "Lawson", keuchte er in den Hörer.
"Ben", sagte seine Sekretärin, die er seit Schulzeiten kannte. "Hier ist Brenda. Bist du zu Hause?"
"Nicht wirklich. Wieso?"
"Oh, wir haben hier ein kleines Problem. Andrew ist rüber zu den Blackmounds, da ist Vieh durch ein Loch im Zaun getürmt. Und jetzt steht hier ein riesiger Umzugswagen, der die halbe Main Street blockiert und nicht weiterkommt. Das Auto von Jess Germaine steht im Weg, und er geht nicht ans Telefon."
Ben knurrte genervt und drosselte sein Lauftempo. Bis er zurück im Ort war, hatte sich das Problem wahrscheinlich von selbst gelöst, aber falls Jess mal wieder seinen Rausch ausschlief ...
"In Ordnung. Ich brauche zwanzig Minuten. Falls sich Jess meldet, ruf mich bitte kurz an."
"Klar. Sag mal, weißt du, was der Umzugswagen hier überhaupt will?"
Unwillkürlich verkrampfte Ben die Kiefermuskulatur. Zum Glück wusste niemand von dieser heiklen Episode mit Molly vor zehn Jahren. Ansonsten würden sich jetzt nämlich alle das Maul zerreißen, sobald sich die Nachricht verbreitete, dass Molly wieder in der Stadt war. "Molly Jennings zieht zurück nach Tumble Creek", sagte er betont ruhig.
Und macht mir vom ersten Tag an Ärger.
Das würde ein verdammt langer Winter werden.
...
Übersetzung: Sarah Heidelberger
© MIRA Taschenbuch
Ungläubig und empört spähte Molly Jennings in das winzige Kaffeeregal im ebenso winzigen Tumble Creek Market. Sie entdeckte Folgers, Sanka und ein paar Marken, von denen sie noch nie im Leben gehört hatte. Und nicht eine einzige Packung Espressopulver in Sicht.
Als sie bekümmert aufseufzte, stieg ihr eine Duftmischung aus Instant-Kaffeepulver und Weichspüler in die Nase. In den letzten Jahren hatte sie die traurige Wahrheit über Kleinstadtsupermärkte erfolgreich aus ihrem Gedächtnis verdrängt. Keine ganzen Kaffeebohnen, keine Spezialröstungen. Ganz hinten im Regal stand etwas verstaubt eine einsame Dose Vanille-Kaffeeweißer. Molly schüttelte sich.
Zum Glück gab es noch das Internet. Ansonsten wäre sie nämlich nie wieder in den Genuss von hausgemachtem Espresso gekommen. Oder einem Hostess Fruit Pie. Molly warf einen vorwurfsvollen Blick in die sogenannte Snackabteilung bei den Kassen. Ihre letzte Hoffnung war die Tankstelle gegenüber vom Supermarkt. Molly war nämlich ziemlich sicher, dass Tankstellen gesetzlich oder wenigstens moralisch verpflichtet waren, Hostess-Produkte zu führen. Und CornNut.
"Oh Gott, CornNuts", murmelte sie verzückt. Ihre Laune besserte sich schlagartig. Zum letzten Mal hatte sie in der Highschool welche gegessen. Hoffentlich gab es noch die Sorte mit Barbecue-Geschmack.
Ehe sie es sich anders überlegen konnte, schnappte sie sich eine Dose
Folgers, schmiss sie in ihren Einkaufswagen und lief weiter zu den Tiefkühlregalen.
Der Backfisch, der gerade das Regal mit der Babynahrung auffüllte, beachtete sie kaum. Ganz offensichtlich hatte Moe Franklin seine Herrschaft über den Tumble Creek Market abgetreten. In Mollys Jugend hatte er seinen Supermarkt mit harter Hand und beängstigend lauter Stimme regiert und einen leidenschaftlichen Hass auf Teenager gepflegt. Alles Diebe und Punks, jedenfalls laut dem guten, alten Moe.
Also hatte sich in Tumble Creek doch ein bisschen was geändert, und das war auch gut so. Immerhin war auch Molly in den letzten zehn Jahren eine andere geworden. Sie hatte ihr großartiges Loft in Denver hinter sich gelassen, dazu ihr ziemlich lebhaftes Sozialleben, und - so hoffte sie wenigstens - einen ziemlich schweren Fall von Schreibblockade. Nicht zu vergessen die Ursache für ihre Schreibblockade: den Mistkerl, der ihr alles kaputt gemacht hatte. Offiziell bekannt als Cameron Kasten. Hauptbeschäftigungen: Exfreund und Stalker.
Jetzt lag eine vierstündige Autofahrt zwischen Molly und Cameron, und das bedeutete einen echten Neuanfang. Keine nervösen Blicke über die Schulter mehr, keine Notwendigkeit, jedes Geschäft, das sie betrat, vorher nach ihrem Exfreund abzusuchen. Kein Grund, die Partys ihrer Freundinnen zu meiden, nur weil Cameron dort auftauchen könnte.
Schon witzig, wie etwas so Alltägliches plötzlich die Laune heben konnte.
Aber es gab noch einen weiteren Faktor an Mollys neuer Lebenssituation, der möglicherweise gewaltig zu ihrer Aufmunterung beitragen würde: Eventuell und mit ein wenig Glück würde sie tatsächlich irgendwann mal wieder Sex haben! Nicht dass ein Umzug in ein Kuhkaff mit tausendfünfhundert Einwohnern normalerweise ein Garant für verbesserte Aussichten in Sachen Sex gewesen wäre. Aber Molly hatte da eine ganz bestimmte Person im Auge.
Zwar hatte sie Ben Lawson seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Aber der Eindruck, den er damals bei ihr hinterlassen hatte, war so prägend gewesen, dass seitdem kaum ein Tag vergangen war, an dem Molly nicht an ihn gedacht hatte. Eigentlich war er in so gut wie all ihren Fantasien der Hauptdarsteller. Ein splitterfasernackter, ausgesprochen williger Hauptdarsteller.
Molly warf ihrem Spiegelbild in der Eisschranktür ein Lächeln zu, das aber sofort gefror, als sie die mehr als mickrige Auswahl in den Regalen registrierte. Und dabei hatte Tumble Creek doch nur ein einziges Diner! Sie konnte doch nicht jeden Tag dort essen! Oder vielleicht doch?!
Wirklich, sie vermisste ihren Lieblings-Thailänder jetzt schon. Der bloße Gedanke an die würzigen Nudeln ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Schicksalsergeben öffnete sie die Schranktür und redete sich ein, dass die Packungen in ihrer Hand nicht wirklich Tiefkühl-Makkaroni mit Käse enthielten.
"Ist das dann alles, Chief?", fragte eine ziemlich verschlafen klingende Mädchenstimme. Trotz des gelangweilten Tonfalls sorgten diese Worte dafür, dass Mollys Herz einen kleinen Satz machte. Hastig schob sie ihren Einkaufswagen in Richtung der piependen Kasse und hielt am Ende des Gangs abrupt inne, weil der Anblick vor ihr sie so fesselte, dass sie wie gelähmt war.
Fesselnd, lähmend, überraschend und beängstigend umwerfend. Er. In Fleisch und Blut, nicht nur in ihrer Fantasie.
Als Molly der letzte Wille ihrer Tante mitgeteilt worden war und sie plötzlich die Möglichkeit bekam, wieder zurück nach Tumble Creek zu ziehen, hatte sie sofort an Ben Lawson gedacht. Aber mit dieser Wirkung hatte sie nicht gerechnet.
Er war perfekt. Noch immer. Er wirkte muskulöser und männlicher als bei ihrer letzten Begegnung, was Mollys ebenfalls erwachsener gewordenem Männergeschmack allerdings sehr entgegenkam. Außerdem war er bekleidet, was ein weiterer wichtiger Unterschied zu ihrer letzten Begegnung war. Aber auch gegen seine Klamotten war absolut nichts einzuwenden. Ausgeblichene, fadenscheinige Jeans und ein dunkelbraunes Uniformhemd. Die Ärmel waren hochgerollt und enthüllten kräftige Unterarme, auf denen goldene Härchen glitzerten.
Er nickte der Kassiererin zu und reichte ihr ein paar Geldscheine. Seine Augen waren genauso schokoladenbraun, wie Molly sie in Erinnerung hatte, und in seinem Blick lag noch immer derselbe Ernst wie damals. Bens Haare hatten fast dieselbe Farbe wie seine Augen, was eigentlich langweilig hätte wirken müssen, Molly aber immer fasziniert hatte. Als sich ein zurückhaltendes Lächeln auf seinen Lippen ausbreitete, bildeten sich um seine Augen herum kleine Lachfältchen. Dann blickte er auf und sah Molly direkt an.
Trotz der fünf Meter Abstand traf sein Blick Molly wie ein Blitz. Als Ben sie erkannte, hob er verblüfft die Augenbrauen und erstarrte mitten in der Bewegung. Seine Hand mit dem Wechselgeld blieb auf halben Weg zu seinem Geldbeutel einfach in der Luft hängen. Als die Kassiererin Molly einen Blick über die Schulter zuwarf, erwachte er aus seinem komatösen Zustand. Molly beobachtete, wie er sich bedankte, eine kleine Plastiktüte vom Tresen nahm und sich von der Kasse entfernte. Allerdings nicht in Richtung Ausgang, sondern in ihre Richtung.
Er erinnerte sich noch an sie!
Natürlich tut er das!
Molly war entsetzt, wie sehr sie sich darüber freute. Du bist keine siebzehn mehr, wies sie sich in Gedanken zurecht, während Ben immer näher kam. Sie fühlte sich winzig neben ihm, aber auf eine gute, eine zierliche Weise.
"Molly?", fragte er zögerlich. Das Wort polterte geradezu aus seiner Kehle, was Molly einen angenehmen Schauer den Rücken hinablaufen ließ.
"Ben! Hi! Ist ganz schön lang her, was?"
Oh, oh. Das war wohl nicht der beste Einstieg gewesen. Denn Ben nahm wieder diesen verblüfften Ausdruck an, und dann wurde er auch noch ein bisschen rot.
Ja, es war wirklich lange her. Zehn Jahre, um genau zu sein. Und das hatte seine Gründe. Wahrscheinlich musste auch er gerade an ihre letzte Begegnung denken, ebenso wie Molly . Oh Mann. Jetzt errötete sie auch.
Ben räusperte sich. "Ich, äh ..." Er verzog die Lippen zu einem schmalen Strich und räusperte sich. Wahrscheinlich wies er sich in Gedanken genauso zurecht wie Molly vor ein paar Minuten. Du bist jetzt der Polizeichef hier! Reiß dich zusammen!
"Tut mir leid mit deiner Tante Gertie. Sie war ja ziemlich ... lebhaft."
In der Tat, lebhaft war sie wirklich gewesen. Um nicht zu sagen: extrem starrsinnig. "Meine Mutter hat immer gesagt, dass Gertie zu stur zum Sterben ist, aber trotzdem kam ihr Tod ja nicht wirklich überraschend."
Ben neigte den Kopf zur Seite. "Ich habe gehört, dass sie dir das Haus hinterlassen hat. Aber niemand konnte sich vorstellen, dass du deswegen aus Denver zurückkommst. Bist du hier, um das Grundstück zu verkaufen?"
"Nö."
Ihre Antwort schien ihn leicht zu beunruhigen. "Machst du das Haus winterfest?"
"Eigentlich auch das nicht. Ich ziehe ein."
Seine beunruhigte Miene verwandelte sich schlagartig in ein undurchdringliches Pokerface, das ihm als Polizeichef vermutlich häufig gute Dienste leistete. "Du ziehst wieder nach Tumble Creek?", wiederholte er.
"Jepp. Der Umzugswagen müsste so in einer Stunde da sein."
"Im Ernst?" Für einen kurzen Moment sah er Molly von Kopf bis Fuß an, dann sah er ihr wieder in die Augen. Siedend heiß fiel ihr ein, dass sie heute Morgen nicht gerade viel Zeit auf ihre Kleiderwahl verschwendet hatte.
Sie trug weite Kakihosen und ein T-Shirt, das fast so zerfleddert war wie ihre uralten Turnschuhe. Ihr dunkelblondes Haar hatte sie zu einem unordentlichen Pferdeschwanz hochgebunden. Zum Glück trug sie wenigstens keine Shorts, sie hatte sich nämlich seit einer Woche die Beine nicht mehr rasiert. Schließlich war es im Oktober verdammt kalt in den Bergen, da konnte ein zusätzlicher Schutz nicht schaden. Doch Kälte hin oder her, jetzt würde sie sich definitiv rasieren.
"Aber du arbeitest doch unten in Denver, oder?", fuhr Ben schließlich fort.
Er sah sie an, als wäre er die Unschuld in Person, aber davon ließ Molly sich nicht täuschen. Immerhin war Ben der beste Freund ihres Bruders. Unmöglich, dass er nichts von der "Molly-Jennings-Frage" wusste.
Sie lächelte und zwinkerte ihm zu. "Netter Versuch, Chief!"
Er hob in schweigendem Protest beide Brauen, aber auch damit konnte er Molly nichts vormachen. "Wo wir schon beim Thema Arbeit sind: herzlichen Glückwunsch zu deinem schnellen Aufstieg als Chief!"
Er nickte dankend. "Außer mir wollte den Job einfach keiner."
"Wow, welch sittliche Bescheidenheit!" Ups.
Ben wurde wieder rot, und dann wurde auch Molly rot, da sie ja ganz genau wusste, woran er gerade denken musste. Das Bild in ihrem Kopf war so lebendig und detailreich, dass sich die Hitze von ihrem Gesicht im ganzen Körper ausbreitete.
"Na dann ..." Ben streckte seine Hand aus und verabschiedete sich mit einem knappen, professionellen Händedruck von Molly. "Willkommen zurück in Tumble Creek, Molly. Wir sehen uns." Ehe sie antworten konnte, war er schon weg. Mit einem leisen Klicken fiel die Eingangstür hinter ihm zu, und damit wurde Molly auch der Ausblick auf seinen spektakulären Hintern verwehrt.
Molly Jennings. Grundgütiger.
Ben zog seine Uniform aus und streifte sich die Joggingsachen über. Plötzlich wünschte er sich, Raucher zu sein. Genau, er brauchte eine Zigarette. Oder wenigstens einen Drink. Aber da er schon in ein paar Stunden wieder in den Dienst musste, würde er sich mit einem kurzen Lauf begnügen müssen. Frank hatte die nächsten paar Tage Urlaub, und da die Polizeiwache nur aus viereinhalb Beamten bestand, bedeutete das Überstunden für alle. Auch für den Chief.
Er schnappte sich Schlüssel und Handy und war schon halb zur Tür hinaus, doch dann kehrte er wieder um, um seinen Schlagstock zu holen. Die vielen Puma- und Bärenangriffe in den letzten Jahren hatten ihn vorsichtig gemacht. Der Frühling war zwar erfahrungsgemäß gefährlicher als der Herbst, aber Vorsicht war schließlich die Mutter der Porzellankugel.
Apropos: Vorsichtig war genau das, was er nicht gewesen war, als er Molly Jennings im Supermarkt über den Weg gelaufen war. Sie hatte dagestanden wie eine Horrorvision aus seinem allerpeinlichsten Albtraum. Mit schamverzerrtem Gesicht knallte er die Haustür hinter sich zu und rannte einfach drauflos, ohne einen Gedanken ans Aufwärmen zu verschwenden. Warm genug war ihm schließlich schon. Er war ja rot geworden wie ein verdammter Schuljunge! Noch einer von diesen blamablen Augenblicken mit Molly Jennings.
Aber heute war er kein zweiundzwanzigjähriger Junge mehr. Und Molly war definitiv nicht mehr siebzehn. Sie hatte so frisch, natürlich und reif gewirkt, wie sie dagestanden hatte mit ihrem dunkelgoldenen Pferdeschwanz. Und wie ihr Bauchnabel zwischen dem engen hellblauen T-Shirt und den schäbigen Cargohosen hervorgelugt hatte ...
Gott, er liebte Cargohosen! Seiner zugegebenermaßen etwas ausgefallenen Meinung nach kamen Frauenärsche in keiner Verpackung besser zur Geltung. Zum Glück hatte er keine Möglichkeit gehabt, einen Blick auf Mollys Hintern zu werfen. Schließlich war der Rest von ihr schon fast zu viel für ihn gewesen.
Ben zwang sich die steile Strecke am Ende der Straße hinauf und bog dann nach links in den zugewucherten Wanderweg ab. Zufälligerweise führte der Pfad den Bergrat entlang, der genau hinter Mollys Haus verlief. Aber das hier war nun mal Bens Lieblingsstrecke, und die würde er ganz sicher nicht aufgeben, nur um Molly aus dem Weg zu gehen. Und wenn er ganz aus Versehen einen Blick durch die Fenster warf, dann war das nur natürlich. Klar war er neugierig! Sie waren schließlich befreundet gewesen. Na ja, zumindest hatte er seine gesamte Jugend in Mollys Nähe verbracht. Und ja, er hatte sie als Teenager unglaublich süß gefunden, aber sie war nun mal auch die minderjährige kleine Schwester seines besten Freundes gewesen. Also verbotenes Terrain. Und jetzt war sie siebenundzwanzig ... und immer noch verbotenes Terrain.
Ben hatte sich nämlich geschworen, nie im Leben etwas mit einer Frau aus Tumble Creek anzufangen. Zu viel Gerede, zu viele Komplikationen. Wenn es etwas Schlimmeres gab, als ein Kleinstadtpaar zu sein, dann, ein Ex-Kleinstadtpaar zu sein. Die reinste Chaos-Garantie.
Also hielt sich Ben an Frauen, die nicht aus der Stadt kamen. Und da im Winter der Großteil der Straßen geschlossen war, beschränkten sich seine Affären meist auf die wärmeren Jahreszeiten.
Molly würde das ganze Jahr über hier sein. Na ja, oder auch nicht. Vielleicht wollte sie ja nur den Winter über bleiben! Vielleicht würde sie es ein paar Monate lang in Tumble Creek aushalten und dann wieder für zehn Jahre verschwinden.
Das Jahrzehnt in Denver hatte ihr gutgetan. Sie war schlank, aber nicht mager, rund und fest an jeweils den genau richtigen Stellen. Und ihre funkelnden grünen Augen wirkten noch lebhafter als damals. Selbstbewusster, irgendwie ... erfahren und weltoffen. Verlockend.
Ben schüttelte diese gefährlichen Gedanken ab und folgte dem Pfad weiter nach oben bis zur Gabelung. Der eine Weg führte wieder zur Straße, der andere mündete nach einer Weile in einen Bergkamm, der einen atemberaubenden Blick auf das breite Tal westlich der Stadt bot. Die Sonne strahlte hell und warm, und die Luft war gerade frisch genug, um Bens Schweiß zu kühlen. Gegen das Gefühlschaos in seiner Brust wäre allerdings leider etwas mehr nötig gewesen als das.
Tief atmete er den erdigen Duft der Espen ein und beschloss, den Weg zum Bergkamm einzuschlagen. Wenn er noch ein bisschen weiterlief, wurde er vielleicht die Erinnerungen an Molly los, die so beharrlich durch seine Gedanken geisterten.
Er joggte gerade mitten durchs tiefe Dickicht, als sein Handy klingelte. "Lawson", keuchte er in den Hörer.
"Ben", sagte seine Sekretärin, die er seit Schulzeiten kannte. "Hier ist Brenda. Bist du zu Hause?"
"Nicht wirklich. Wieso?"
"Oh, wir haben hier ein kleines Problem. Andrew ist rüber zu den Blackmounds, da ist Vieh durch ein Loch im Zaun getürmt. Und jetzt steht hier ein riesiger Umzugswagen, der die halbe Main Street blockiert und nicht weiterkommt. Das Auto von Jess Germaine steht im Weg, und er geht nicht ans Telefon."
Ben knurrte genervt und drosselte sein Lauftempo. Bis er zurück im Ort war, hatte sich das Problem wahrscheinlich von selbst gelöst, aber falls Jess mal wieder seinen Rausch ausschlief ...
"In Ordnung. Ich brauche zwanzig Minuten. Falls sich Jess meldet, ruf mich bitte kurz an."
"Klar. Sag mal, weißt du, was der Umzugswagen hier überhaupt will?"
Unwillkürlich verkrampfte Ben die Kiefermuskulatur. Zum Glück wusste niemand von dieser heiklen Episode mit Molly vor zehn Jahren. Ansonsten würden sich jetzt nämlich alle das Maul zerreißen, sobald sich die Nachricht verbreitete, dass Molly wieder in der Stadt war. "Molly Jennings zieht zurück nach Tumble Creek", sagte er betont ruhig.
Und macht mir vom ersten Tag an Ärger.
Das würde ein verdammt langer Winter werden.
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Übersetzung: Sarah Heidelberger
© MIRA Taschenbuch
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Autoren-Porträt von Victoria Dahl
Victoria Dahl lebt mit ihrer Familie in einer Kleinstadt in den Bergen. Im Winter macht sie es sich mit einem Buch und einer Tasse heißer Schokolade gemütlich und denkt an all die armen frierenden Skifahrer, die so hart draußen im Schnee arbeiten. Im Sommer wandert sie und trinkt Margaritas - aber das gewöhnlich nicht gleichzeitig. Seit ihrem zwölften Lebensjahr liest sie Liebesromane, mit zwanzig begann sie selbst zu schreiben - zunächst historische Romances. "Ich komme, um zu schreiben" ist ihr erster zeitgenössischer Liebesroman.
Bibliographische Angaben
- Autor: Victoria Dahl
- 2012, 364 Seiten, Maße: 12,5 x 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Sarah Heidelberger
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3862783200
- ISBN-13: 9783862783205
- Erscheinungsdatum: 14.05.2012
Rezension zu „Ich komme, um zu schreiben “
"Ein unterhaltsames, unangepasstes und unendlich sexy Abenteuer."- Publishers Weekly
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