Im Bann der Eiskönigin
Trilogie in einem Band
Eine verzauberte Eiswelt ... Ein düsteres Geheimnis ... Zwei junge Helden ...
Aus den undurchdringbaren Nebeln und den eisigen Gebieten jenseits der Grenze der Welt kam einst die grausame Eiskönigin, um mit ihrer geheimnisvollen Macht die...
Aus den undurchdringbaren Nebeln und den eisigen Gebieten jenseits der Grenze der Welt kam einst die grausame Eiskönigin, um mit ihrer geheimnisvollen Macht die...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Im Bann der Eiskönigin “
Eine verzauberte Eiswelt ... Ein düsteres Geheimnis ... Zwei junge Helden ...
Aus den undurchdringbaren Nebeln und den eisigen Gebieten jenseits der Grenze der Welt kam einst die grausame Eiskönigin, um mit ihrer geheimnisvollen Macht die Völker des Jarls zu unterwerfen. Ihre Zauberkraft scheint ungebrochen - bis zwei unerschrockene Helden, Jessa und Thorkil, sich in die Welten des immerwährenden Schnees aufmachen, um die Schreckensherrschaft zu beenden ...
Aus den undurchdringbaren Nebeln und den eisigen Gebieten jenseits der Grenze der Welt kam einst die grausame Eiskönigin, um mit ihrer geheimnisvollen Macht die Völker des Jarls zu unterwerfen. Ihre Zauberkraft scheint ungebrochen - bis zwei unerschrockene Helden, Jessa und Thorkil, sich in die Welten des immerwährenden Schnees aufmachen, um die Schreckensherrschaft zu beenden ...
Klappentext zu „Im Bann der Eiskönigin “
Aus den undurchdringlichen Nebeln und den eisigen Gebieten jenseits der Grenze der Welt kam einst die geheimnisumwitterte Schneehexe, um mit der Macht der Runen die Völker des Jarls zu unterwerfen. Ihre Zauberkraft scheint ungebrochen - bis zwei unerschrockene Kinder, Jessa und Thorkil, in die Welten des immerwährenden Schnees aufbrechen, um die Schreckensherrschaft zu beenden.Die Trilogie bezaubert durch eine wunderbar märchenhafte Atmosphäre und eine fesselnde Abenteuergeschichte, in der zwei mutige Kinder gegen Eiswesen, Seelenfresser und nicht zuletzt gegen ihre eigenen Ängste ankämpfen.
"Ein ganz herausragendes Stück Literatur." -- New Statesman
"Catherine Fisher schreibt mit einer trügerischen Einfachheit. Ihre Geschichten fließen so natürlich wie ein Bach, folgen aber zugleich dem klangvollen Rhythmus und den unerwarteten, dramatischen Wendungen von Heldensagen." -- Independent
"Eine absolut bezaubernde Welt voller Magie, mit wunderbaren Bildern, die den Leser nicht mehr loslassen." -- Gillian Cross
"Catherine Fisher schreibt mit einer trügerischen Einfachheit. Ihre Geschichten fließen so natürlich wie ein Bach, folgen aber zugleich dem klangvollen Rhythmus und den unerwarteten, dramatischen Wendungen von Heldensagen." -- Independent
"Eine absolut bezaubernde Welt voller Magie, mit wunderbaren Bildern, die den Leser nicht mehr loslassen." -- Gillian Cross
Lese-Probe zu „Im Bann der Eiskönigin “
Im Bann der Eiskönigin von Catherine Fischer... mehr
Es war die letzte Tür, ganz am Ende des Korridors.
Im flackernden Licht der Laterne sah man,
dass sie mit einer mächtigen Eisenkette versperrt war. Der Lehmboden davor war rot von dem Rost, der im Laufe vieler Jahre durch das Aufsperren und Zuschließen abgebröckelt war.
Der Wächter hängte die Laterne an einen Nagel, löste den Schlüssel von der schmutzigen Schnur um seinen Hals und steckte ihn ins Schlüsselloch. Dann blickte er sich um.
»Na los!«, knurrte der große Mann. »Ich muss sehen, was sie dort versteckt hält!«
Der Wächter grinste. Er wusste ganz genau, wie sich Angst anhörte. Mit beiden Händen drehte er den Schlüssel im Schloss, zerrte an der roten Kette, wobei ein Rostregen nach allen Seiten stob, und drückte die Tür auf. Sie öffnete sich einen winzigen Spalt. Durch den pechschwarzen Schlitz strömten Dunkelheit und ein modriger Geruch zu ihnen heraus.
Rasch trat der Wächter einen Schritt zurück, reichte dem Fremden die Laterne und deutete mit dem Kopf auf die Tür. Eine Zunge besaß er nicht mehr. Sie hatte sichergestellt, dass er ihre Geheimnisse nicht ausplaudern würde.
Der Fremde zögerte einen Moment. Ein Luftzug strich ihm durchs Haar, und er warf einen Blick über die Schulter zu dem mit Steinen gepflasterten Gang, als sehnte er sich auf einmal nach Wärme und Licht. Und eingedenk dem, was ich gehört habe, dachte die Wache, wirst du davon nicht mehr viel bekommen.
Dann hielt der Mann die Laterne hoch und stieß die Tür auf. Sorgfältig musterte der Wächter das Gesicht des Fremden, das von rotem Licht überflutet war, und seine große Hand, die den Glücksstein umklammert hielt, den er um den Hals trug. Der Fremde trat langsam ein, und im nächsten Augenblick schloss sich die Tür hinter ihm.
Draußen wartete der Wächter und lauschte. Kein Geräusch drang aus dem Raum, und er wagte sich nicht näher heran. Bereits seit sechs Jahren öffnete er die Kammer, ließ die Hexe Gudrun und den verschlagenen, alten Zwerg hinein, der sie begleitete, und verschloss die Tür anschließend wieder. Niemand sonst war in all den Jahren gekommen - bis heute, als dieser schroffe rotbärtige Kerl erschienen war.
Seit sechs Jahren ließ er Essen an der Tür zurück und nahm die Reste wieder mit. Er hatte raschelnde Bewegungen gehört, aber niemals in die Kammer hineingeschaut. Eines Nachts allerdings, vor nun nahezu einem Jahr, hatte er sich doch einmal auf dem Weg den Gang hinab umgedreht und im Zwielicht diese Hand gesehen, abgemagert wie eine Klaue, die den Teller hochhob.
Plötzlich öffnete sich die Tür. Der Wächter zuckte zusammen, die Hand an seinem Messer. Der große Mann erschien und trug etwas Schweres, das in alte Bärenfelle gehüllt war. Behutsam hielt er es in beiden Armen. Was auch immer er an seine Schulter gepresst hatte, bewegte sich in den weichen Pelzschichten und ließ ein tiefes Geräusch erklingen, wortlos und seltsam.
Der Mann hatte sich verändert. Sein Gesicht war kreidebleich, die Stimme leise. »Sag ihr«, zischte er durch zusammengepresste Zähne, »dass ihr Geheimnis bei mir gut aufgehoben ist. Ich werde es besser hüten, als sie es getan hat.«
Mit einer raschen Bewegung schob er die Wache beiseite und eilte durch den steinernen Tunnel, an dessen Wände die tanzenden Flammen lange Schatten warfen.
Der Wächter wartete so lange, bis das Echo der fernen Ketten und Tore verebbte. Dann schlich er verstohlen zu der Tür, hielt seine Laterne hoch und spähte in die Kammer.
Es war eine kleine Zelle, mit einem Fenster hoch oben in der Mauer, von dessen Fensterbrett Eiszapfen herabhingen, einem niedrigen Bett, das mit Stroh ausgelegt war, einer Feuerstelle voller Asche. Vorsichtig trat er ein. Essensreste lagen auf dem Boden, doch nichts ließ darauf schließen, was hier gehaust hatte.
Erst als er sich umdrehte, um den Raum zu verlassen, fiel sein Blick auf das Muster: Reihen über Reihen seltsamer, sich windender Spiralen, die an die feuchte Wand neben dem Bett gekritzelt waren.
Eins
Jung war ich einst, da ging ich einsam
Verlassne Wege wandern,
Doch fühlt ich mich reich, wenn ich andere fand...
Die Halle war leer.
Wachsam huschte Jessa hinein und wanderte
ziellos umher, während sie den dicken Pelzkra-
gen ihres Mantels hochschlug. Sie war früh dran.
Die Nacht war bitterkalt gewesen. Der stürmische Wind hatte den Schnee unter der Tür hereingeblasen und ihn auf dem Fußboden verteilt. Eine Weinlache, die jemand unter dem Tisch verschüttet hatte, war zu einer roten Eisplatte gefroren. Sie stupste leicht mit dem Fuß dagegen - hart wie Glas. Sogar die Spinnen hingen tot in ihren fein gewebten Netzen, die im Luftzug hin und her geweht wurden.
Sie ging zu der mächtigen Eiche, die in der Mitte der Halle emporwuchs. In den Baum waren rundherum alte Runen und magische Inschriften eingeritzt, doch alles überdeckend gab es eine neue Schnitzerei: eine gewundene Schlange, die sich in weißen Spiralen um sich selbst ringelte. Mit behandschuhten Fingern wischte Jessa den Reif von der Gravur. Die Schlange war Gudruns Zeichen, das Zeichen der Hexe. Jessa wartete und zerrieb das Eis unter ihren Absätzen zu weißem Pulver.
Das Licht der Morgendämmerung brach nur langsam herein. Zaghaft traten die Konturen der Tische und Wandteppiche aus den Schatten. Ein Karren rumpelte draußen vorbei, und die Schreie des Fuhrmanns hallten im Dachgebälk wider.
Wütend trat Jessa gegen die eingefrorene Feuerstelle. Warum war sie nicht zu spät gekommen - und mit unbeteiligter Miene hereinspaziert, während der Jarl bereits auf sie wartete, nur um ihm zu zeigen, dass ihr das Treffen völlig gleichgültig war und er sie nicht herumkommandieren konnte, wie es ihm beliebte? Das war jetzt nicht mehr möglich.
Fünf lange Minuten zogen sich endlos hin.
Dann wurde ein dicker Wandvorhang zurückgeschlagen, und ein Leibeigener erschien, der sich augenblicklich daranmachte, die Fensterläden zu öffnen. Raureif zerbrach mit einem lauten Knacken und fiel von den scheibenlosen Fenstern. Ein schneidender Wind peitschte herein und zerrte an den Tapisserien.
Der Knecht hatte Jessa nicht bemerkt, was sie ärgerte. Sie schlurfte vernehmlich und beobachtete, wie er herumwirbelte, das Gesicht aschfahl. Als er sie erblickte, fiel mit einem Schlag die Furcht von ihm ab. Das erboste sie noch mehr.
»Ich warte darauf, mit dem Jarl zu sprechen«, blaffte sie ihn mit klarer Stimme an. »Mein Name ist Jessa Horolfsdaughter.«
Es war der Tonfall, den sie immer bei Bediensteten verwendete, kalt und ein wenig distanziert. Die alte Marrika, ihr Kindermädchen, hatte stets gesagt, es sei die Stimme des Stolzes. Was wohl Marrika jetzt tut?, fragte sich Jessa.
Der Mann nickte und ging hinaus. Ungeduldig scharrte sie mit dem Fuß über den Boden. Sie hasste diesen Ort. Jeder Bewohner hier hatte Angst und war mit Amuletten und Glückssteinen überladen. Verstohlen sahen sie sich um, bevor sie miteinander sprachen, als würde sie immer jemand belauschen. Gudrun. Die seltsame Frau des Jarls. Eine aus dem Volk der Schneewanderer. Die Leute sagten, Gudrun wüsste, was man denkt, wenn man nur vor ihr stand. Jessa zitterte.
Der Mann kam zurück und kniete sich neben die Feuerstelle. Jessa sah das einladende Flackern der Flammen und eilte hinüber, wärmte sich die Hände und rieb sich das Gesicht, bis ihr die Wangen schmerzten. Der Leibeigene schichtete noch einige Holzscheite in der Glut auf und ging hinaus. Jessa wechselte kein Wort mit ihm. Man sagte, alle Diener des Jarls seien stumm. Ob das der Wahrheit entsprach, wusste sie nicht, allerdings redeten sie tatsächlich nie.
Über das Feuer gebückt, blickte sie die hohe Halle entlang. Die Bänke und Stühle lagen teilweise umgestürzt auf dem Stroh. Am anderen Ende gab es eine erhöhte Plattform. Dort türmten sich rote Kissen auf den Sitzgelegenheiten, die Tische waren mit halb leeren Tellern übersät. Jessa ging hinüber und hob einen Zinnkrug hoch. Der Wein darin war gefroren. Mit einem lauten Poltern stellte sie ihn wieder ab.
Als sie sich umdrehte, wurde einer der Wandbehänge hinter dem Podium zurückgeschlagen und ein älterer Mann trat ein, einen Jungen ihres Alters im Schlepptau. Sie erkannte den Knaben sofort. Thorkil Harraldsson war ihr Cousin ersten Grades. Sie hatten ihn vor etwa drei Monaten hierhergebracht. Seine Kleidung sieht sehr vornehm aus, dachte sie verächtlich. Genau wie er selbst.
Die andere Person war Jarl Ragnar. Er war zwar hochgewachsen, ging jedoch leicht gebeugt. Das prächtige, blau gesteppte Gewand hing lose an ihm herab. Er wirkte wie ein ausgetrockneter Mann, dem das Leben ausgesaugt worden war, mit kleinen, kalten Augen.
Sie verbeugte sich so spöttisch wie möglich.
»Du hast die Manieren deines Vaters«, sagte er ironisch.
Schweigend beobachtete sie, wie Thorkil zwei Hocker und den Stuhl des Jarls herbeizog. Er blickte zu ihr auf und bedachte sie mit einem kurzen, matten Lächeln. Es kam ihr vor, als fühle er sich unbehaglich und sei froh, sie zu sehen. Kein Wunder. Ein Gefängnis war ein Gefängnis, trotz vornehmer Kleidung.
Sie nahmen Platz. Der Jarl starrte in die Flammen. Schließlich setzte er zum Sprechen an, ohne die zwei jedoch anzuschauen. »Eure Väterwaren Brüder. Ich hatte angenommen, sie seien mir treu ergeben, bis sie sich diesem letzten törichten Marsch der Wölflinge anschlossen. Alle meine Feinde waren vereint. Es war sehr schade, dass sie beide im Schnee den Tod fanden.«
Zornentbrannt funkelte Jessa ihn an. »Die Zauberkraft deiner Frau hat den Schnee herbeigerufen. Sie hat den Kampf für dich gewonnen!«
Er war verärgert, doch das kümmerte Jessa nicht. »Der Jarl stammte immer aus der Familie der Wölflinge. Das ist der Grund, weshalb sie gegen dich kämpften. Du hast nicht das Recht, der Jarl zu sein!«
Sie fing Thorkils nervösen, warnenden Blick auf, aber nun war es bereits geschehen. Sie hatte es ausgesprochen. Ihr Gesicht glühte, ihre Hände zitterten.
Erbittert starrte der Jarl in die Flammen. »Die Nachkommen der Wölflinge sind fast alle tot«, entgegnete er. »Und all jene, die noch leben, halten sich auf Bauernhöfen, in Scheunen und Kuhställen versteckt, ihre Frauen und Kinder als Diener verkleidet, die hineineilen, wenn Reiter vorbeikommen. Gudrun weiß das. Sie kann sie sehen. Einen nach dem anderen spüre ich sie auf. Der Anführer, Wulf-gar, wurde vor zwei Tagen geschnappt. Er befindet sich in einer Zelle unter deinen Füßen, in Gesellschaft von Eis und Ratten. Und dann gibt es natürlich noch dich.« Er rieb die Hände aneinander, die trocken wie Papier waren. »Ich habe dich in Ruhe gelassen, habe dich auf deinem Hof leben lassen, habe dir zu essen gegeben und dich verschont. Jetzt bist du alt genug, um gefährlich zu werden.«
Jessa betrachtete seine Augen, die auf die züngelnden Flammen gerichtet waren. Sie wollte, dass er den Kopf drehte und sie ansah, doch diesen Gefallen tat er ihr nicht.
»Dein Land wird Männern zugeteilt, die mir treu ergeben sind, und du wirst woanders leben müssen.«
»Hier?«, fragte Thorkil.
»Nicht hier.« Der Jarl lächelte kurz. »Weit weg von hier.«
Jessa war froh darüber. Sie hatte zwei Tage an diesem Ort verweilt, und das genügte ihr. Aber sein Lächeln war ihr nicht geheuer.
»Wo denn?«
Der Jarl bewegte sich unruhig hin und her, als fühlte er sich auf einmal unbehaglich in seiner Haut. Die silbernen Amulette und die Thorhammer schlugen geräuschvoll aneinander. »Du wirst bei meinem Sohn leben«, antwortete er.
Für einen Moment verstanden die beiden nicht, was Ragnar damit sagen wollte. Dann wurde Jessa übel, und kalter Schweiß kitzelte sie am Rücken. Langsam tastete ihre Hand nach dem Amulett, das Marrika ihr gegeben hatte.
Übersetzung: Beate Brammertz
© 2007 für die deutschsprachige Ausgabe Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Es war die letzte Tür, ganz am Ende des Korridors.
Im flackernden Licht der Laterne sah man,
dass sie mit einer mächtigen Eisenkette versperrt war. Der Lehmboden davor war rot von dem Rost, der im Laufe vieler Jahre durch das Aufsperren und Zuschließen abgebröckelt war.
Der Wächter hängte die Laterne an einen Nagel, löste den Schlüssel von der schmutzigen Schnur um seinen Hals und steckte ihn ins Schlüsselloch. Dann blickte er sich um.
»Na los!«, knurrte der große Mann. »Ich muss sehen, was sie dort versteckt hält!«
Der Wächter grinste. Er wusste ganz genau, wie sich Angst anhörte. Mit beiden Händen drehte er den Schlüssel im Schloss, zerrte an der roten Kette, wobei ein Rostregen nach allen Seiten stob, und drückte die Tür auf. Sie öffnete sich einen winzigen Spalt. Durch den pechschwarzen Schlitz strömten Dunkelheit und ein modriger Geruch zu ihnen heraus.
Rasch trat der Wächter einen Schritt zurück, reichte dem Fremden die Laterne und deutete mit dem Kopf auf die Tür. Eine Zunge besaß er nicht mehr. Sie hatte sichergestellt, dass er ihre Geheimnisse nicht ausplaudern würde.
Der Fremde zögerte einen Moment. Ein Luftzug strich ihm durchs Haar, und er warf einen Blick über die Schulter zu dem mit Steinen gepflasterten Gang, als sehnte er sich auf einmal nach Wärme und Licht. Und eingedenk dem, was ich gehört habe, dachte die Wache, wirst du davon nicht mehr viel bekommen.
Dann hielt der Mann die Laterne hoch und stieß die Tür auf. Sorgfältig musterte der Wächter das Gesicht des Fremden, das von rotem Licht überflutet war, und seine große Hand, die den Glücksstein umklammert hielt, den er um den Hals trug. Der Fremde trat langsam ein, und im nächsten Augenblick schloss sich die Tür hinter ihm.
Draußen wartete der Wächter und lauschte. Kein Geräusch drang aus dem Raum, und er wagte sich nicht näher heran. Bereits seit sechs Jahren öffnete er die Kammer, ließ die Hexe Gudrun und den verschlagenen, alten Zwerg hinein, der sie begleitete, und verschloss die Tür anschließend wieder. Niemand sonst war in all den Jahren gekommen - bis heute, als dieser schroffe rotbärtige Kerl erschienen war.
Seit sechs Jahren ließ er Essen an der Tür zurück und nahm die Reste wieder mit. Er hatte raschelnde Bewegungen gehört, aber niemals in die Kammer hineingeschaut. Eines Nachts allerdings, vor nun nahezu einem Jahr, hatte er sich doch einmal auf dem Weg den Gang hinab umgedreht und im Zwielicht diese Hand gesehen, abgemagert wie eine Klaue, die den Teller hochhob.
Plötzlich öffnete sich die Tür. Der Wächter zuckte zusammen, die Hand an seinem Messer. Der große Mann erschien und trug etwas Schweres, das in alte Bärenfelle gehüllt war. Behutsam hielt er es in beiden Armen. Was auch immer er an seine Schulter gepresst hatte, bewegte sich in den weichen Pelzschichten und ließ ein tiefes Geräusch erklingen, wortlos und seltsam.
Der Mann hatte sich verändert. Sein Gesicht war kreidebleich, die Stimme leise. »Sag ihr«, zischte er durch zusammengepresste Zähne, »dass ihr Geheimnis bei mir gut aufgehoben ist. Ich werde es besser hüten, als sie es getan hat.«
Mit einer raschen Bewegung schob er die Wache beiseite und eilte durch den steinernen Tunnel, an dessen Wände die tanzenden Flammen lange Schatten warfen.
Der Wächter wartete so lange, bis das Echo der fernen Ketten und Tore verebbte. Dann schlich er verstohlen zu der Tür, hielt seine Laterne hoch und spähte in die Kammer.
Es war eine kleine Zelle, mit einem Fenster hoch oben in der Mauer, von dessen Fensterbrett Eiszapfen herabhingen, einem niedrigen Bett, das mit Stroh ausgelegt war, einer Feuerstelle voller Asche. Vorsichtig trat er ein. Essensreste lagen auf dem Boden, doch nichts ließ darauf schließen, was hier gehaust hatte.
Erst als er sich umdrehte, um den Raum zu verlassen, fiel sein Blick auf das Muster: Reihen über Reihen seltsamer, sich windender Spiralen, die an die feuchte Wand neben dem Bett gekritzelt waren.
Eins
Jung war ich einst, da ging ich einsam
Verlassne Wege wandern,
Doch fühlt ich mich reich, wenn ich andere fand...
Die Halle war leer.
Wachsam huschte Jessa hinein und wanderte
ziellos umher, während sie den dicken Pelzkra-
gen ihres Mantels hochschlug. Sie war früh dran.
Die Nacht war bitterkalt gewesen. Der stürmische Wind hatte den Schnee unter der Tür hereingeblasen und ihn auf dem Fußboden verteilt. Eine Weinlache, die jemand unter dem Tisch verschüttet hatte, war zu einer roten Eisplatte gefroren. Sie stupste leicht mit dem Fuß dagegen - hart wie Glas. Sogar die Spinnen hingen tot in ihren fein gewebten Netzen, die im Luftzug hin und her geweht wurden.
Sie ging zu der mächtigen Eiche, die in der Mitte der Halle emporwuchs. In den Baum waren rundherum alte Runen und magische Inschriften eingeritzt, doch alles überdeckend gab es eine neue Schnitzerei: eine gewundene Schlange, die sich in weißen Spiralen um sich selbst ringelte. Mit behandschuhten Fingern wischte Jessa den Reif von der Gravur. Die Schlange war Gudruns Zeichen, das Zeichen der Hexe. Jessa wartete und zerrieb das Eis unter ihren Absätzen zu weißem Pulver.
Das Licht der Morgendämmerung brach nur langsam herein. Zaghaft traten die Konturen der Tische und Wandteppiche aus den Schatten. Ein Karren rumpelte draußen vorbei, und die Schreie des Fuhrmanns hallten im Dachgebälk wider.
Wütend trat Jessa gegen die eingefrorene Feuerstelle. Warum war sie nicht zu spät gekommen - und mit unbeteiligter Miene hereinspaziert, während der Jarl bereits auf sie wartete, nur um ihm zu zeigen, dass ihr das Treffen völlig gleichgültig war und er sie nicht herumkommandieren konnte, wie es ihm beliebte? Das war jetzt nicht mehr möglich.
Fünf lange Minuten zogen sich endlos hin.
Dann wurde ein dicker Wandvorhang zurückgeschlagen, und ein Leibeigener erschien, der sich augenblicklich daranmachte, die Fensterläden zu öffnen. Raureif zerbrach mit einem lauten Knacken und fiel von den scheibenlosen Fenstern. Ein schneidender Wind peitschte herein und zerrte an den Tapisserien.
Der Knecht hatte Jessa nicht bemerkt, was sie ärgerte. Sie schlurfte vernehmlich und beobachtete, wie er herumwirbelte, das Gesicht aschfahl. Als er sie erblickte, fiel mit einem Schlag die Furcht von ihm ab. Das erboste sie noch mehr.
»Ich warte darauf, mit dem Jarl zu sprechen«, blaffte sie ihn mit klarer Stimme an. »Mein Name ist Jessa Horolfsdaughter.«
Es war der Tonfall, den sie immer bei Bediensteten verwendete, kalt und ein wenig distanziert. Die alte Marrika, ihr Kindermädchen, hatte stets gesagt, es sei die Stimme des Stolzes. Was wohl Marrika jetzt tut?, fragte sich Jessa.
Der Mann nickte und ging hinaus. Ungeduldig scharrte sie mit dem Fuß über den Boden. Sie hasste diesen Ort. Jeder Bewohner hier hatte Angst und war mit Amuletten und Glückssteinen überladen. Verstohlen sahen sie sich um, bevor sie miteinander sprachen, als würde sie immer jemand belauschen. Gudrun. Die seltsame Frau des Jarls. Eine aus dem Volk der Schneewanderer. Die Leute sagten, Gudrun wüsste, was man denkt, wenn man nur vor ihr stand. Jessa zitterte.
Der Mann kam zurück und kniete sich neben die Feuerstelle. Jessa sah das einladende Flackern der Flammen und eilte hinüber, wärmte sich die Hände und rieb sich das Gesicht, bis ihr die Wangen schmerzten. Der Leibeigene schichtete noch einige Holzscheite in der Glut auf und ging hinaus. Jessa wechselte kein Wort mit ihm. Man sagte, alle Diener des Jarls seien stumm. Ob das der Wahrheit entsprach, wusste sie nicht, allerdings redeten sie tatsächlich nie.
Über das Feuer gebückt, blickte sie die hohe Halle entlang. Die Bänke und Stühle lagen teilweise umgestürzt auf dem Stroh. Am anderen Ende gab es eine erhöhte Plattform. Dort türmten sich rote Kissen auf den Sitzgelegenheiten, die Tische waren mit halb leeren Tellern übersät. Jessa ging hinüber und hob einen Zinnkrug hoch. Der Wein darin war gefroren. Mit einem lauten Poltern stellte sie ihn wieder ab.
Als sie sich umdrehte, wurde einer der Wandbehänge hinter dem Podium zurückgeschlagen und ein älterer Mann trat ein, einen Jungen ihres Alters im Schlepptau. Sie erkannte den Knaben sofort. Thorkil Harraldsson war ihr Cousin ersten Grades. Sie hatten ihn vor etwa drei Monaten hierhergebracht. Seine Kleidung sieht sehr vornehm aus, dachte sie verächtlich. Genau wie er selbst.
Die andere Person war Jarl Ragnar. Er war zwar hochgewachsen, ging jedoch leicht gebeugt. Das prächtige, blau gesteppte Gewand hing lose an ihm herab. Er wirkte wie ein ausgetrockneter Mann, dem das Leben ausgesaugt worden war, mit kleinen, kalten Augen.
Sie verbeugte sich so spöttisch wie möglich.
»Du hast die Manieren deines Vaters«, sagte er ironisch.
Schweigend beobachtete sie, wie Thorkil zwei Hocker und den Stuhl des Jarls herbeizog. Er blickte zu ihr auf und bedachte sie mit einem kurzen, matten Lächeln. Es kam ihr vor, als fühle er sich unbehaglich und sei froh, sie zu sehen. Kein Wunder. Ein Gefängnis war ein Gefängnis, trotz vornehmer Kleidung.
Sie nahmen Platz. Der Jarl starrte in die Flammen. Schließlich setzte er zum Sprechen an, ohne die zwei jedoch anzuschauen. »Eure Väterwaren Brüder. Ich hatte angenommen, sie seien mir treu ergeben, bis sie sich diesem letzten törichten Marsch der Wölflinge anschlossen. Alle meine Feinde waren vereint. Es war sehr schade, dass sie beide im Schnee den Tod fanden.«
Zornentbrannt funkelte Jessa ihn an. »Die Zauberkraft deiner Frau hat den Schnee herbeigerufen. Sie hat den Kampf für dich gewonnen!«
Er war verärgert, doch das kümmerte Jessa nicht. »Der Jarl stammte immer aus der Familie der Wölflinge. Das ist der Grund, weshalb sie gegen dich kämpften. Du hast nicht das Recht, der Jarl zu sein!«
Sie fing Thorkils nervösen, warnenden Blick auf, aber nun war es bereits geschehen. Sie hatte es ausgesprochen. Ihr Gesicht glühte, ihre Hände zitterten.
Erbittert starrte der Jarl in die Flammen. »Die Nachkommen der Wölflinge sind fast alle tot«, entgegnete er. »Und all jene, die noch leben, halten sich auf Bauernhöfen, in Scheunen und Kuhställen versteckt, ihre Frauen und Kinder als Diener verkleidet, die hineineilen, wenn Reiter vorbeikommen. Gudrun weiß das. Sie kann sie sehen. Einen nach dem anderen spüre ich sie auf. Der Anführer, Wulf-gar, wurde vor zwei Tagen geschnappt. Er befindet sich in einer Zelle unter deinen Füßen, in Gesellschaft von Eis und Ratten. Und dann gibt es natürlich noch dich.« Er rieb die Hände aneinander, die trocken wie Papier waren. »Ich habe dich in Ruhe gelassen, habe dich auf deinem Hof leben lassen, habe dir zu essen gegeben und dich verschont. Jetzt bist du alt genug, um gefährlich zu werden.«
Jessa betrachtete seine Augen, die auf die züngelnden Flammen gerichtet waren. Sie wollte, dass er den Kopf drehte und sie ansah, doch diesen Gefallen tat er ihr nicht.
»Dein Land wird Männern zugeteilt, die mir treu ergeben sind, und du wirst woanders leben müssen.«
»Hier?«, fragte Thorkil.
»Nicht hier.« Der Jarl lächelte kurz. »Weit weg von hier.«
Jessa war froh darüber. Sie hatte zwei Tage an diesem Ort verweilt, und das genügte ihr. Aber sein Lächeln war ihr nicht geheuer.
»Wo denn?«
Der Jarl bewegte sich unruhig hin und her, als fühlte er sich auf einmal unbehaglich in seiner Haut. Die silbernen Amulette und die Thorhammer schlugen geräuschvoll aneinander. »Du wirst bei meinem Sohn leben«, antwortete er.
Für einen Moment verstanden die beiden nicht, was Ragnar damit sagen wollte. Dann wurde Jessa übel, und kalter Schweiß kitzelte sie am Rücken. Langsam tastete ihre Hand nach dem Amulett, das Marrika ihr gegeben hatte.
Übersetzung: Beate Brammertz
© 2007 für die deutschsprachige Ausgabe Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Catherine Fisher
Catherine Fisher arbeitete als Lehrerin und Archäologin, bevor sie begann, phantastische Romane und Lyrik zu schreiben. Für ihre Gedichte und ihre Kinder- und Jugendbücher wurde sie mehrfach ausgezeichnet, etwa mit dem "Welsh Arts Council Young Writers Prize" und dem "Tir Na n'Og". Nominiert war sie unter anderem für den "Smarties Book Prize". An der Universität von Glamorgan unterrichtet Catherine Fisher Literarisches Schreiben für Kinder und Jugendliche. Die Autorin lebt und arbeitet in Newport, Wales.
Bibliographische Angaben
- Autor: Catherine Fisher
- Altersempfehlung: 12 - 15 Jahre
- 2010, 656 Seiten, Maße: 12,6 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Brammertz, Beate
- Übersetzer: Beate Brammertz
- Verlag: cbj
- ISBN-10: 3570400581
- ISBN-13: 9783570400586
Rezension zu „Im Bann der Eiskönigin “
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