Im Namen des Teufels
Im dritten Roman um die indianische Staatsanwältin steht Mary Crow vor der bislang größten Herausforderung: Ihr Erzfeind Stump Logan will sich an ihr rächen - und entführt ihr Patenkind Lily. Die Polizei glaubt nicht an Logans...
Leider schon ausverkauft
Weltbild Ausgabe
2.99 €
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Im Namen des Teufels “
Im dritten Roman um die indianische Staatsanwältin steht Mary Crow vor der bislang größten Herausforderung: Ihr Erzfeind Stump Logan will sich an ihr rächen - und entführt ihr Patenkind Lily. Die Polizei glaubt nicht an Logans Täterschaft, da dieser bereits offiziell für tot erklärt wurde. So bleibt Mary auf sich allein gestellt - und folgt Logans Spuren im alten Land der Cherokee.
Lese-Probe zu „Im Namen des Teufels “
Im Namen des Teufels von Sallie BissellPROLOG
Samstag, 30. März
Devil's Fork Gap
Madison County, North Carolina
... mehr
Der Duft nach Kaffee und Erlösung weckte ihn an diesem Morgen. Langsam drang das Aroma in sein Unterbewusstsein und nahm ihn mit zurück in die Küche seiner Mutter am frühen Morgen: Er schmeckte den heißen Kaffee auf der Zunge, spürte das kalte Linoleum unter den nackten Füßen und roch die in der Eisenpfanne brutzelnden Eier. Unwillkürlich horchte er auf den Farm-Report in dem knisternden alten Radio. Doch als er die Augen öffnete, war der Kaffeeduft nicht nur ein schöner Traum, sondern durchaus echt. Er strich sich mit der Hand über die Stirn und kam mühsam auf die Beine. Vorsichtig spähte er aus der Höhle, die ihm in den vergangenen drei Monaten Zuhause, Lazarett und Zufluchtsort vor seinen Verfolgern gewesen war.
Das Morgenlicht traf ihn scharf wie eine Klinge und trieb ihm die Tränen in die Augen. Von dem kleinen, gluckernden Bach, den er durch den Türspalt vor sich sah, stieg gespenstischer Dunst auf, und hoch oben von einer Kiefer herab ließ die Krähe, die er Charlie nannte, viermal ihr heiseres Krächzen ertönen.
Mit zusammengekniffenen Augen streckte er den Kopf vor und lauschte. Der Bach und die Krähe waren ihm wohlvertraut. Drehte er aber den Kopf leicht nach links, wehte ihm zusammen mit dem Kaffeeduft ein ungewohnter Klang entgegen - eine tiefe, gar nicht mal so unmusikalische Stimme. Jemand sang.
»Lasst uns kommen zu dem Flu-usse . . . den der Engel Fuß berührt ... dessen klare Flut auf ewig . . . uns zu Gottes Thron hinführt ...«
Schwer atmend duckte er sich wieder in den Schatten der Höhle. Der Choral ließ vor seinem inneren Auge einen längst vergangenen Sonntag erstehen, an dem er weiß gewandet vor einem Prediger gestanden hatte, der ihn fest am Arm hielt, sich tief über ihn beugte und durch seine langen gelblichen Zähne hervorstieß: Willst du Jeeesus dein Leben widmen, mein Sohn? Ja, hatte er mit piepsiger Mädchenstimme geantwortet - nicht weil ihm so viel an Jesus gelegen hätte, sondern weil er dem Alten mit dem säuerlichen Atem und dem vom grauen Star getrübten Blick rasch entkommen wollte. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, hatte der Prediger ihn rücklings ins eiskalte Wasser getaucht und ihn tropfnass und prustend wieder aus dem Fluss gezogen. Anschließend drückte seine Mutter ihm einen Kuss auf die Wangen, und sie ließen sich auf der großen Wiese hinter der Kirche kaltes Huhn und gefüllte Eier schmecken. Ob seinem Vater das Ganze zusagte, war schwer zu beurteilen ... jedenfalls hatte er sich nichts anmerken lassen.
»Ja, wir kommen zu dem Flu-usse . . . kristallklar und wunderbar . . . «
Von neuem erklang der Gesang. Die Krähe schlug mit den Flügeln, ließ sich auf einen Sauerbaum nieder und spähte herab. Wer mochte wohl am frühen Morgen hier oben Choräle singen? Bestimmt nicht die Leute vom FBI, denn die tauchten immer gleich zu mehreren auf und trampelten alles nieder wie eine Elefantenherde. Für eine Destille hatte er hier bislang noch keinerlei Anzeichen bemerkt, und bis zur Jagdsaison war es noch weit hin. Wer konnte das nur sein? War jemand auf der Jagd nach ihm? Oder war es jemand, den er jagen konnte?
Er hockte sich hin und schnürte sich die Stiefel zu. Dass er auf dem linken Auge fast blind war und es in seinem Gehirn zischte und krachte wie bei einer defekten Elektrode, hatte Mary Crow auf dem Gewissen. Allerdings hatte er während seines langen, einsamen Genesungsprozesses genug Verstand besessen, seine Hände und Arme mit schweren Steinen aus dem Bachbett zu trainieren. Auch wenn seine Beine zu keiner schnellen und halbwegs leichtfüßigen Bewegung mehr taugten, konnte er immerhin mit bloßen Händen Knochen brechen, als wären sie trockenes Schilfrohr.
Noch einmal streckte er den Kopf nach draußen, um sich zu vergewissern, dass er nicht wieder an bloßen Wahnvorstellungen litt. Obwohl der Dunst noch über dem Wasser schwebte und Charlie sich auf einem der unteren Zweige niedergelassen hatte, hörte der Lobgesang nicht auf.
»Ja, wir kommen zu dem Flu-usse, wo uns mit der Heil'gen Schar ... Gottes Thron wird offenbar. «
»Na gut, Kumpel«, flüsterte er. »Du wünschst dir eine Zusammenkunft am Fluss? Die kannst du haben.«
Er schlüpfte aus der Höhle. Der Gesang kam von weiter flussabwärts. Er wandte sich in diese Richtung und humpelte nach Osten durch eine Gruppe pechschwarzer Kiefern, die dicht gedrängt das Ufer säumten. Der rostfarbene Teppich der vertrockneten Nadeln dämpfte seine schlurfenden Schritte. Ein hellblauer Königsfischer glitt tief über das Wasser, und plötzlich, gut sechs Meter weiter, entdeckte er den Sänger. Es war ein Mann, zweifellos ein eingefleischter Baptist, der sich über ein kleines Lagerfeuer beugte und sich in einem roten Emailletopf seinen Kaffee braute. Neben ihm auf dem Boden stand ein Kasten mit Anglerutensilien.
Der will bestimmt Forellen angeln, überlegte er. Scheint aber nicht besonders helle zu sein, wenn er gerade jetzt, wo die Fische aufwachen, so viel Radau macht.
Vorsichtig verschwand er hinter einem Baum, um den Mann zu beobachten. Er mochte etwa Mitte vierzig sein. Seine Schulterblätter zeichneten sich unter dem grünen Flanellhemd ab wie die Griffe eines Pfluges. Der Hals war sonnengegerbt und faltig, wirkte aber gleichzeitig verlockend zerbrechlich - wie ein dünner Stiel, auf dem der knorrige Kopf steckte. Er rechnete sich seine Chancen aus. Sie standen gar nicht so schlecht, falls der Mann allein war.
In seinen Handflächen begann es zu kribbeln, und er rieb sie an den Hosenbeinen. Der Mann ging in die Hocke und untersuchte den Bach mit prüfenden Blicken.
Da drüben, unterhalb der Felsbrocken, dachte der Angler vermutlich, da verstecken sich die Prachtexemplare. Werd mal rüberwaten und eine Spinne als Köder auslegen. Die stürzen sich bestimmt darauf wie auf einen Sonntagsbraten.
Er beobachtete, wie der Mann sich aufrichtete und seinen Kaffee trank. Weit und breit waren weder ein zweiter Becher noch ein weiterer zusammengerollter Schlafsack zu sehen, keine herrenlose Angelrute auf dem Boden. Damit stand fest: Der Baptist war allein.
Der Angler stellte seinen Kaffee ab und öffnete den Kasten. Nun würde er sich rasch entscheiden müssen. War der Angler erst in den Bach gewatet, wäre es zu spät. Jetzt stand er genau an der richtigen Stelle, keine sechs Meter von ihm entfernt. Früher bist du mal die HundertMeter-Strecke in weniger als dreizehn Sekunden gelaufen, rief er sich ins Gedächtnis. Die paar Meter schaffst du locker ohne Sturz.
Er rieb sich die Augen und schätzte die Entfernung noch einmal genau ein. Vier lange Schritte, und er wäre da. Nur vier lange Schritte, und er könnte den Mann überrumpeln.
Mit offenem Mund sog er genug Luft ein, um seine Brust mit Sauerstoff zu füllen, und schnellte unvermittelt hinter dem Baum hervor. Jeden Schritt spürte er wie tausend Messer in seinem Rückgrat, ließ den Hals des Mannes aber nicht eine Sekunde aus den Augen. Ihm selbst kam es vor, als tappe er wie ein Bär durch den Wald, und doch schien der Angler ihn erst im letzten Augenblick zu bemerken. Der Mann, dessen Augen nach außen schielten, sah sich erschrocken um. Zu spät. Mit beiden Händen umschloss er den Hals des Mannes und drückte fest zu.
Der Angler stieß einen Schrei des Entsetzens aus, doch schon im nächsten Augenblick hatte er ihm die Luft abgedrückt. Trotz der verzweifelten Abwehrversuche des Mannes hatte er die Wucht des Angriffs und das Überraschungsmoment auf seiner Seite, was ihm von vornherein klar gewesen war. Während der Angler vergeblich nach Atem rang, drückte er ihn mit dem Gesicht in das schäumende Wasser. Unter seinen Händen fühlte sich der Hals des Mannes an wie weiches, nasses Gummi. Und als er seinen Griff noch verstärkte, spürte er in den Fingern das sanfte Knacken der Halswirbel. Daraufhin begann der Angler zu rucken und zu zucken und führte einen kurzen, schaurigen Tanz auf. Rasch entspannten sich jedoch seine Glieder, und er glitt allmählich in die Bewusstlosigkeit und schließlich in den Tod. Und am Ende wippte der leblose Körper auf dem Wasser wie ein gefällter Baumstamm.
Nun konnte er ausatmen. Vierzig Jahre lang hab ich keinen mehr auf diese Art getötet, dachte er und sah, wie das Haar des Baptisten im Wasser hin- und herwogte wie strähniger Seetang. Und doch ist das Gefühl immer noch dasselbe. Bei diesem Forellenangler war es auch nicht anders als bei dem kleinen braunen Cä höi-Fischer, den er am Südchinesischen Meer im trüben Wasser des Mekongdeltas ausgeschaltet hatte, um eine Mutprobe zu bestehen.
Er packte den Mann am Haar und zerrte ihn ans Ufer. Ungeachtet des leeren Blicks und der Wassermengen, die aus seinem offenen Mund strömten, steckte er ihm die Hand tief in die Hosentaschen und brachte eine Brieftasche, Autoschlüssel für irgendein Ford-Modell und siebenundfünfzig Cent zum Vorschein.
»Tja, Kumpel«, murmelte er und goss sich einen Becher Kaffee ein, während er die Habseligkeiten des Mannes genauer in Augenschein nahm. »Dann lass mal sehen, wer du überhaupt warst.«
Der Führerschein wies den Angler als einen gewissen Clootie Duncan aus, einen Mann aus Church Hill, Tennessee, von einsachtundsiebzig, mit braunen Augen - die jetzt allerdings gebrochen waren. Er trug einen unterzeichneten Organspenderausweis bei sich und besaß zusätzlich eine Fahrerlaubnis für Motorräder und Schulbusse. Kreditkarten hatte er keine bei sich, dafür jedoch Bargeld sowie den Kontrollabschnitt eines Gehaltsschecks der Hawkins-County-Schulverwaltung über insgesamt 389,02 Dollar. Auch ein Foto fand sich, auf dem er in Anzug und Fliege ziemlich steif und mit starrem Lächeln hinter einer gutmütig aussehenden alten Frau im Rollstuhl posierte, deren schütteres weißes Haar ihr wie ungepflückte Baumwolle in kleinen Büscheln vom Kopf abstand. Außer einem Sam's-Club-Mitgliedsausweis und einem Kassenzettel von Hardee's steckte in Clootie Duncans Brieftasche nur noch eine Karte mit der Aufschrift »Vertraue Jesus dein Leben an«. Darauf aufgelistet stand, was man alles tun musste, um zu den Schäfchen in Christi Herde zu zählen. Pflichtschuldig hatte Clootie jeden Punkt mit einem hellgrünen X versehen und darunter mit runden, kindlich anmutenden Buchstaben eingetragen, wo Jesus seinen Teil des Handels - das Versprechen, er wolle »immer mit ihm sein« - jeweils eingelöst hatte.
Er sah auf den Leichnam neben sich und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht so recht, Clootie, aber mir kommt's so vor, als wär Jesus heute Morgen einfach getürmt.«
Dann trank er den Rest von Clooties Kaffee aus. Er schmeckte einfach himmlisch. Schließlich hatte er länger als drei Monate nichts Warmes mehr zu sich genommen. Er klimperte mit Clooties Autoschlüsseln und beschloss, bald wieder regelmäßig Kaffee zu trinken. Kaffee trinken, Kautabak kauen und das drängende Verlangen nach Schokolade stillen, das ihn fast zum Wahnsinn getrieben hatte. Sobald er in die Zivilisation zurückkehrte, würde er einige seiner schlechten Gewohnheiten wieder aufnehmen.
Er leerte den Kaffeebecher bis auf den letzten Tropfen und hievte die Leiche über die Schulter. Auch wenn ihm hier oben noch keine Menschenseele begegnet war, hielt er es nicht gerade für klug, draußen im Freien neben einer Leiche herumzulungern. Er kannte einen hübschen Ort ganz in der Nähe, wo Clootie auf ewig ungestört Zwiesprache mit Jesus halten konnte.
Seine Last wie einen Mehlsack geschultert, hinkte er durch die Bäume und verschwand wieder in der Höhle. Problemlos schlängelte er sich durch die Dunkelheit, denn er kannte den Weg auswendig. Nach gut fünfzehn Metern legte er Clootie auf den Boden, kroch auf allen vieren weiter und tastete sich mit den Händen vorwärts. Schon nach wenigen Augenblicken hatte er gefunden, was er suchte: die weite Öffnung eines so abgrundtiefen Lochs, dass er nie gehört hatte, wie ein hinabgeworfener Kieselstein auf den Grund schlug. Die aufsteigende Luft war deutlich wärmer als die Temperatur in der Höhle, und es stank nach tausend verfaulten Eiern. Näher als hier würde er der Hölle - zumindest in diesem Leben - vermutlich nicht kommen.
Schweiß perlte auf seiner Stirn. Er zog seine eigene Brieftasche aus der Hose und holte seine letzten dreißig Dollar heraus sowie ein verblichenes Foto von zwei Teenagern beim Tanz. Am Kreditkartenfach war eine kleine goldene Plakette angesteckt mit der Gravur »Sheriff« und darunter »Pisgah County«. Er fuhr mit den Fingerspitzen über die filigranartige Oberfläche der Plakette und seufzte. Nach seinem letzten Zusammentreffen mit Mary Crow war das alles, was von seinem bisherigen Leben noch übrig geblieben war: Geld, das er nicht ausgeben konnte, eine Plakette, die er nicht tragen durfte, und ein einziges Foto aus einer längst vergangenen Zeit - als wollte es sich über ihn lustig machen.
»Verdammtes Miststück«, flüsterte er, klappte seine Brieftasche zu und stopfte sie in die Gesäßtasche von Clooties Jeans.
Dann packte er die Leiche unter den Armen und zerrte sie an den Rand des Abgrunds. Als er sie bis zur Taille über die Kante geschoben hatte, bewirkte der starke Druck auf den Magen, dass Luft durch ihre Stimmbänder gepresst wurde. Der Tote stöhnte, als würde er wieder zum Leben erweckt.
»Fang jetzt bloß nicht an zu trauern, Clootie«, schalt er und schob die Leiche mit aller Kraft weiter in die Grube. »Du bist tot, und dabei bleibt's. Jetzt geh und freunde dich mit Jesus an.«
Clooties Gürtelschnalle sprühte beim Kratzen über den Höhlenboden einen winzigen Funken. Dann bekam sein Körper Übergewicht und stürzte kopfüber an einen Ort, an dem er sich nie wieder Gedanken machen musste über Sonderangebote in Sam's Club oder über die alte Frau auf dem Foto. Sicher würde auch sie bald sterben vor Kummer, weil sie sich nicht erklären konnte, warum ihr lieber Junge nicht mehr vom Forellenangeln nach Hause zurückgekehrt war.
Wie jedes Mal lauschte er auf den Aufprall, hörte aber nichts als das laute Hämmern seines eigenen Herzens.
Nach einer Weile kroch er rückwärts von dem Loch weg und ging zum Höhleneingang. Als er erneut in das helle Morgenlicht hinaustrat, ließ Charlie noch einmal sein Krächzen hören.
»Hast alles genau mitgekriegt, wie?« Logan sah zu dem Vogel hinauf. Der flatterte auf einen höheren Ast, ließ den Blick seiner schwarzen Knopfaugen aber unbeirrt auf ihm ruhen. Logan hob einen Stein auf und wollte ihn nach dem Vogel werfen, ließ es aber doch lieber bleiben. Auch wenn es zwischen ihm und den Krähen eine lange Verbindung gab, beunruhigten ihn die auf zwei Beinen doch weit mehr. Erst Martha Crow, und jetzt ihre Tochter Mary. Beide waren neugierig und klug - wie die Vögel, nach denen sie benannt waren. Beide Frauen hatten ihre Nase in geheime Angelegenheiten gesteckt, die sie nichts angingen. Beide hatten sie versucht, ihn runterzuziehen und ihm die Augen auszuhacken. Mary war es auch beinahe gelungen. Sie hatte seinen alten Freund Wurth getötet und ihn selbst zu einem halbblinden wilden Tier degradiert, so dass er sein gesamtes Leben hinter sich zurücklassen musste. Doch heute war das Glücksrad an seiner Nummer stehen geblieben. Zuerst musste er zusehen, dass er von hier wegkam. Danach konnte er sich mit Mary Crow beschäftigen. Vielleicht würde er es sogar schaffen, sie hierherzubringen und auch sie in das bodenlose Loch zu werfen, in das er Clootie Duncan versenkt hatte. Genau das hatte sie verdient.
Den für den Vogel vorgesehenen Stein ließ er fallen und fing an, stattdessen den Choral des Baptisten zu summen. Nicht nur Clootie Duncan, auch er, Stump Logan, war soeben wiedergeboren worden. Er besaß etwas Bargeld und verfügte offenbar über einen Ford, der hoffentlich nicht allzu weit weg parkte. Und er hatte eine völlig neue Identität als Clootie Duncan, unbescholtener Bürger aus Church Hill, Tennessee.
Er zog Clooties Brieftasche heraus, steckte sein Foto und sein Geld hinein und warf nochmals einen Blick auf die Vertraue-Jesus-dein-Leben-an-Karte. Nicht dass er Jesus sein Leben bisher sonderlich anvertraut hätte, aber vielleicht war seit heute Morgen alles anders geworden. Wer weiß, vielleicht hatte Jesus höchstpersönlich ihm die Karte »Du kommst aus dem Gefängnis frei« zugespielt. Schwer zu sagen. Er wusste nur, dass seine Erlösung unmittelbar bevorstand. Nicht am Ende des schmalen Pfades, der zur Tugend führt, sondern irgendwo im Süden auf der Interstate 85, an einer der Autobahnausfahrten, die ihn auf direktem Wege zu Mary Crow bringen würde.
Übersetzung: Ursula Guinaldo
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Der Duft nach Kaffee und Erlösung weckte ihn an diesem Morgen. Langsam drang das Aroma in sein Unterbewusstsein und nahm ihn mit zurück in die Küche seiner Mutter am frühen Morgen: Er schmeckte den heißen Kaffee auf der Zunge, spürte das kalte Linoleum unter den nackten Füßen und roch die in der Eisenpfanne brutzelnden Eier. Unwillkürlich horchte er auf den Farm-Report in dem knisternden alten Radio. Doch als er die Augen öffnete, war der Kaffeeduft nicht nur ein schöner Traum, sondern durchaus echt. Er strich sich mit der Hand über die Stirn und kam mühsam auf die Beine. Vorsichtig spähte er aus der Höhle, die ihm in den vergangenen drei Monaten Zuhause, Lazarett und Zufluchtsort vor seinen Verfolgern gewesen war.
Das Morgenlicht traf ihn scharf wie eine Klinge und trieb ihm die Tränen in die Augen. Von dem kleinen, gluckernden Bach, den er durch den Türspalt vor sich sah, stieg gespenstischer Dunst auf, und hoch oben von einer Kiefer herab ließ die Krähe, die er Charlie nannte, viermal ihr heiseres Krächzen ertönen.
Mit zusammengekniffenen Augen streckte er den Kopf vor und lauschte. Der Bach und die Krähe waren ihm wohlvertraut. Drehte er aber den Kopf leicht nach links, wehte ihm zusammen mit dem Kaffeeduft ein ungewohnter Klang entgegen - eine tiefe, gar nicht mal so unmusikalische Stimme. Jemand sang.
»Lasst uns kommen zu dem Flu-usse . . . den der Engel Fuß berührt ... dessen klare Flut auf ewig . . . uns zu Gottes Thron hinführt ...«
Schwer atmend duckte er sich wieder in den Schatten der Höhle. Der Choral ließ vor seinem inneren Auge einen längst vergangenen Sonntag erstehen, an dem er weiß gewandet vor einem Prediger gestanden hatte, der ihn fest am Arm hielt, sich tief über ihn beugte und durch seine langen gelblichen Zähne hervorstieß: Willst du Jeeesus dein Leben widmen, mein Sohn? Ja, hatte er mit piepsiger Mädchenstimme geantwortet - nicht weil ihm so viel an Jesus gelegen hätte, sondern weil er dem Alten mit dem säuerlichen Atem und dem vom grauen Star getrübten Blick rasch entkommen wollte. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, hatte der Prediger ihn rücklings ins eiskalte Wasser getaucht und ihn tropfnass und prustend wieder aus dem Fluss gezogen. Anschließend drückte seine Mutter ihm einen Kuss auf die Wangen, und sie ließen sich auf der großen Wiese hinter der Kirche kaltes Huhn und gefüllte Eier schmecken. Ob seinem Vater das Ganze zusagte, war schwer zu beurteilen ... jedenfalls hatte er sich nichts anmerken lassen.
»Ja, wir kommen zu dem Flu-usse . . . kristallklar und wunderbar . . . «
Von neuem erklang der Gesang. Die Krähe schlug mit den Flügeln, ließ sich auf einen Sauerbaum nieder und spähte herab. Wer mochte wohl am frühen Morgen hier oben Choräle singen? Bestimmt nicht die Leute vom FBI, denn die tauchten immer gleich zu mehreren auf und trampelten alles nieder wie eine Elefantenherde. Für eine Destille hatte er hier bislang noch keinerlei Anzeichen bemerkt, und bis zur Jagdsaison war es noch weit hin. Wer konnte das nur sein? War jemand auf der Jagd nach ihm? Oder war es jemand, den er jagen konnte?
Er hockte sich hin und schnürte sich die Stiefel zu. Dass er auf dem linken Auge fast blind war und es in seinem Gehirn zischte und krachte wie bei einer defekten Elektrode, hatte Mary Crow auf dem Gewissen. Allerdings hatte er während seines langen, einsamen Genesungsprozesses genug Verstand besessen, seine Hände und Arme mit schweren Steinen aus dem Bachbett zu trainieren. Auch wenn seine Beine zu keiner schnellen und halbwegs leichtfüßigen Bewegung mehr taugten, konnte er immerhin mit bloßen Händen Knochen brechen, als wären sie trockenes Schilfrohr.
Noch einmal streckte er den Kopf nach draußen, um sich zu vergewissern, dass er nicht wieder an bloßen Wahnvorstellungen litt. Obwohl der Dunst noch über dem Wasser schwebte und Charlie sich auf einem der unteren Zweige niedergelassen hatte, hörte der Lobgesang nicht auf.
»Ja, wir kommen zu dem Flu-usse, wo uns mit der Heil'gen Schar ... Gottes Thron wird offenbar. «
»Na gut, Kumpel«, flüsterte er. »Du wünschst dir eine Zusammenkunft am Fluss? Die kannst du haben.«
Er schlüpfte aus der Höhle. Der Gesang kam von weiter flussabwärts. Er wandte sich in diese Richtung und humpelte nach Osten durch eine Gruppe pechschwarzer Kiefern, die dicht gedrängt das Ufer säumten. Der rostfarbene Teppich der vertrockneten Nadeln dämpfte seine schlurfenden Schritte. Ein hellblauer Königsfischer glitt tief über das Wasser, und plötzlich, gut sechs Meter weiter, entdeckte er den Sänger. Es war ein Mann, zweifellos ein eingefleischter Baptist, der sich über ein kleines Lagerfeuer beugte und sich in einem roten Emailletopf seinen Kaffee braute. Neben ihm auf dem Boden stand ein Kasten mit Anglerutensilien.
Der will bestimmt Forellen angeln, überlegte er. Scheint aber nicht besonders helle zu sein, wenn er gerade jetzt, wo die Fische aufwachen, so viel Radau macht.
Vorsichtig verschwand er hinter einem Baum, um den Mann zu beobachten. Er mochte etwa Mitte vierzig sein. Seine Schulterblätter zeichneten sich unter dem grünen Flanellhemd ab wie die Griffe eines Pfluges. Der Hals war sonnengegerbt und faltig, wirkte aber gleichzeitig verlockend zerbrechlich - wie ein dünner Stiel, auf dem der knorrige Kopf steckte. Er rechnete sich seine Chancen aus. Sie standen gar nicht so schlecht, falls der Mann allein war.
In seinen Handflächen begann es zu kribbeln, und er rieb sie an den Hosenbeinen. Der Mann ging in die Hocke und untersuchte den Bach mit prüfenden Blicken.
Da drüben, unterhalb der Felsbrocken, dachte der Angler vermutlich, da verstecken sich die Prachtexemplare. Werd mal rüberwaten und eine Spinne als Köder auslegen. Die stürzen sich bestimmt darauf wie auf einen Sonntagsbraten.
Er beobachtete, wie der Mann sich aufrichtete und seinen Kaffee trank. Weit und breit waren weder ein zweiter Becher noch ein weiterer zusammengerollter Schlafsack zu sehen, keine herrenlose Angelrute auf dem Boden. Damit stand fest: Der Baptist war allein.
Der Angler stellte seinen Kaffee ab und öffnete den Kasten. Nun würde er sich rasch entscheiden müssen. War der Angler erst in den Bach gewatet, wäre es zu spät. Jetzt stand er genau an der richtigen Stelle, keine sechs Meter von ihm entfernt. Früher bist du mal die HundertMeter-Strecke in weniger als dreizehn Sekunden gelaufen, rief er sich ins Gedächtnis. Die paar Meter schaffst du locker ohne Sturz.
Er rieb sich die Augen und schätzte die Entfernung noch einmal genau ein. Vier lange Schritte, und er wäre da. Nur vier lange Schritte, und er könnte den Mann überrumpeln.
Mit offenem Mund sog er genug Luft ein, um seine Brust mit Sauerstoff zu füllen, und schnellte unvermittelt hinter dem Baum hervor. Jeden Schritt spürte er wie tausend Messer in seinem Rückgrat, ließ den Hals des Mannes aber nicht eine Sekunde aus den Augen. Ihm selbst kam es vor, als tappe er wie ein Bär durch den Wald, und doch schien der Angler ihn erst im letzten Augenblick zu bemerken. Der Mann, dessen Augen nach außen schielten, sah sich erschrocken um. Zu spät. Mit beiden Händen umschloss er den Hals des Mannes und drückte fest zu.
Der Angler stieß einen Schrei des Entsetzens aus, doch schon im nächsten Augenblick hatte er ihm die Luft abgedrückt. Trotz der verzweifelten Abwehrversuche des Mannes hatte er die Wucht des Angriffs und das Überraschungsmoment auf seiner Seite, was ihm von vornherein klar gewesen war. Während der Angler vergeblich nach Atem rang, drückte er ihn mit dem Gesicht in das schäumende Wasser. Unter seinen Händen fühlte sich der Hals des Mannes an wie weiches, nasses Gummi. Und als er seinen Griff noch verstärkte, spürte er in den Fingern das sanfte Knacken der Halswirbel. Daraufhin begann der Angler zu rucken und zu zucken und führte einen kurzen, schaurigen Tanz auf. Rasch entspannten sich jedoch seine Glieder, und er glitt allmählich in die Bewusstlosigkeit und schließlich in den Tod. Und am Ende wippte der leblose Körper auf dem Wasser wie ein gefällter Baumstamm.
Nun konnte er ausatmen. Vierzig Jahre lang hab ich keinen mehr auf diese Art getötet, dachte er und sah, wie das Haar des Baptisten im Wasser hin- und herwogte wie strähniger Seetang. Und doch ist das Gefühl immer noch dasselbe. Bei diesem Forellenangler war es auch nicht anders als bei dem kleinen braunen Cä höi-Fischer, den er am Südchinesischen Meer im trüben Wasser des Mekongdeltas ausgeschaltet hatte, um eine Mutprobe zu bestehen.
Er packte den Mann am Haar und zerrte ihn ans Ufer. Ungeachtet des leeren Blicks und der Wassermengen, die aus seinem offenen Mund strömten, steckte er ihm die Hand tief in die Hosentaschen und brachte eine Brieftasche, Autoschlüssel für irgendein Ford-Modell und siebenundfünfzig Cent zum Vorschein.
»Tja, Kumpel«, murmelte er und goss sich einen Becher Kaffee ein, während er die Habseligkeiten des Mannes genauer in Augenschein nahm. »Dann lass mal sehen, wer du überhaupt warst.«
Der Führerschein wies den Angler als einen gewissen Clootie Duncan aus, einen Mann aus Church Hill, Tennessee, von einsachtundsiebzig, mit braunen Augen - die jetzt allerdings gebrochen waren. Er trug einen unterzeichneten Organspenderausweis bei sich und besaß zusätzlich eine Fahrerlaubnis für Motorräder und Schulbusse. Kreditkarten hatte er keine bei sich, dafür jedoch Bargeld sowie den Kontrollabschnitt eines Gehaltsschecks der Hawkins-County-Schulverwaltung über insgesamt 389,02 Dollar. Auch ein Foto fand sich, auf dem er in Anzug und Fliege ziemlich steif und mit starrem Lächeln hinter einer gutmütig aussehenden alten Frau im Rollstuhl posierte, deren schütteres weißes Haar ihr wie ungepflückte Baumwolle in kleinen Büscheln vom Kopf abstand. Außer einem Sam's-Club-Mitgliedsausweis und einem Kassenzettel von Hardee's steckte in Clootie Duncans Brieftasche nur noch eine Karte mit der Aufschrift »Vertraue Jesus dein Leben an«. Darauf aufgelistet stand, was man alles tun musste, um zu den Schäfchen in Christi Herde zu zählen. Pflichtschuldig hatte Clootie jeden Punkt mit einem hellgrünen X versehen und darunter mit runden, kindlich anmutenden Buchstaben eingetragen, wo Jesus seinen Teil des Handels - das Versprechen, er wolle »immer mit ihm sein« - jeweils eingelöst hatte.
Er sah auf den Leichnam neben sich und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht so recht, Clootie, aber mir kommt's so vor, als wär Jesus heute Morgen einfach getürmt.«
Dann trank er den Rest von Clooties Kaffee aus. Er schmeckte einfach himmlisch. Schließlich hatte er länger als drei Monate nichts Warmes mehr zu sich genommen. Er klimperte mit Clooties Autoschlüsseln und beschloss, bald wieder regelmäßig Kaffee zu trinken. Kaffee trinken, Kautabak kauen und das drängende Verlangen nach Schokolade stillen, das ihn fast zum Wahnsinn getrieben hatte. Sobald er in die Zivilisation zurückkehrte, würde er einige seiner schlechten Gewohnheiten wieder aufnehmen.
Er leerte den Kaffeebecher bis auf den letzten Tropfen und hievte die Leiche über die Schulter. Auch wenn ihm hier oben noch keine Menschenseele begegnet war, hielt er es nicht gerade für klug, draußen im Freien neben einer Leiche herumzulungern. Er kannte einen hübschen Ort ganz in der Nähe, wo Clootie auf ewig ungestört Zwiesprache mit Jesus halten konnte.
Seine Last wie einen Mehlsack geschultert, hinkte er durch die Bäume und verschwand wieder in der Höhle. Problemlos schlängelte er sich durch die Dunkelheit, denn er kannte den Weg auswendig. Nach gut fünfzehn Metern legte er Clootie auf den Boden, kroch auf allen vieren weiter und tastete sich mit den Händen vorwärts. Schon nach wenigen Augenblicken hatte er gefunden, was er suchte: die weite Öffnung eines so abgrundtiefen Lochs, dass er nie gehört hatte, wie ein hinabgeworfener Kieselstein auf den Grund schlug. Die aufsteigende Luft war deutlich wärmer als die Temperatur in der Höhle, und es stank nach tausend verfaulten Eiern. Näher als hier würde er der Hölle - zumindest in diesem Leben - vermutlich nicht kommen.
Schweiß perlte auf seiner Stirn. Er zog seine eigene Brieftasche aus der Hose und holte seine letzten dreißig Dollar heraus sowie ein verblichenes Foto von zwei Teenagern beim Tanz. Am Kreditkartenfach war eine kleine goldene Plakette angesteckt mit der Gravur »Sheriff« und darunter »Pisgah County«. Er fuhr mit den Fingerspitzen über die filigranartige Oberfläche der Plakette und seufzte. Nach seinem letzten Zusammentreffen mit Mary Crow war das alles, was von seinem bisherigen Leben noch übrig geblieben war: Geld, das er nicht ausgeben konnte, eine Plakette, die er nicht tragen durfte, und ein einziges Foto aus einer längst vergangenen Zeit - als wollte es sich über ihn lustig machen.
»Verdammtes Miststück«, flüsterte er, klappte seine Brieftasche zu und stopfte sie in die Gesäßtasche von Clooties Jeans.
Dann packte er die Leiche unter den Armen und zerrte sie an den Rand des Abgrunds. Als er sie bis zur Taille über die Kante geschoben hatte, bewirkte der starke Druck auf den Magen, dass Luft durch ihre Stimmbänder gepresst wurde. Der Tote stöhnte, als würde er wieder zum Leben erweckt.
»Fang jetzt bloß nicht an zu trauern, Clootie«, schalt er und schob die Leiche mit aller Kraft weiter in die Grube. »Du bist tot, und dabei bleibt's. Jetzt geh und freunde dich mit Jesus an.«
Clooties Gürtelschnalle sprühte beim Kratzen über den Höhlenboden einen winzigen Funken. Dann bekam sein Körper Übergewicht und stürzte kopfüber an einen Ort, an dem er sich nie wieder Gedanken machen musste über Sonderangebote in Sam's Club oder über die alte Frau auf dem Foto. Sicher würde auch sie bald sterben vor Kummer, weil sie sich nicht erklären konnte, warum ihr lieber Junge nicht mehr vom Forellenangeln nach Hause zurückgekehrt war.
Wie jedes Mal lauschte er auf den Aufprall, hörte aber nichts als das laute Hämmern seines eigenen Herzens.
Nach einer Weile kroch er rückwärts von dem Loch weg und ging zum Höhleneingang. Als er erneut in das helle Morgenlicht hinaustrat, ließ Charlie noch einmal sein Krächzen hören.
»Hast alles genau mitgekriegt, wie?« Logan sah zu dem Vogel hinauf. Der flatterte auf einen höheren Ast, ließ den Blick seiner schwarzen Knopfaugen aber unbeirrt auf ihm ruhen. Logan hob einen Stein auf und wollte ihn nach dem Vogel werfen, ließ es aber doch lieber bleiben. Auch wenn es zwischen ihm und den Krähen eine lange Verbindung gab, beunruhigten ihn die auf zwei Beinen doch weit mehr. Erst Martha Crow, und jetzt ihre Tochter Mary. Beide waren neugierig und klug - wie die Vögel, nach denen sie benannt waren. Beide Frauen hatten ihre Nase in geheime Angelegenheiten gesteckt, die sie nichts angingen. Beide hatten sie versucht, ihn runterzuziehen und ihm die Augen auszuhacken. Mary war es auch beinahe gelungen. Sie hatte seinen alten Freund Wurth getötet und ihn selbst zu einem halbblinden wilden Tier degradiert, so dass er sein gesamtes Leben hinter sich zurücklassen musste. Doch heute war das Glücksrad an seiner Nummer stehen geblieben. Zuerst musste er zusehen, dass er von hier wegkam. Danach konnte er sich mit Mary Crow beschäftigen. Vielleicht würde er es sogar schaffen, sie hierherzubringen und auch sie in das bodenlose Loch zu werfen, in das er Clootie Duncan versenkt hatte. Genau das hatte sie verdient.
Den für den Vogel vorgesehenen Stein ließ er fallen und fing an, stattdessen den Choral des Baptisten zu summen. Nicht nur Clootie Duncan, auch er, Stump Logan, war soeben wiedergeboren worden. Er besaß etwas Bargeld und verfügte offenbar über einen Ford, der hoffentlich nicht allzu weit weg parkte. Und er hatte eine völlig neue Identität als Clootie Duncan, unbescholtener Bürger aus Church Hill, Tennessee.
Er zog Clooties Brieftasche heraus, steckte sein Foto und sein Geld hinein und warf nochmals einen Blick auf die Vertraue-Jesus-dein-Leben-an-Karte. Nicht dass er Jesus sein Leben bisher sonderlich anvertraut hätte, aber vielleicht war seit heute Morgen alles anders geworden. Wer weiß, vielleicht hatte Jesus höchstpersönlich ihm die Karte »Du kommst aus dem Gefängnis frei« zugespielt. Schwer zu sagen. Er wusste nur, dass seine Erlösung unmittelbar bevorstand. Nicht am Ende des schmalen Pfades, der zur Tugend führt, sondern irgendwo im Süden auf der Interstate 85, an einer der Autobahnausfahrten, die ihn auf direktem Wege zu Mary Crow bringen würde.
Übersetzung: Ursula Guinaldo
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
... weniger
Bibliographische Angaben
- Autor: Sallie Bissell
- 2011, 1, 476 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3868004009
- ISBN-13: 9783868004007
Kommentar zu "Im Namen des Teufels"
0 Gebrauchte Artikel zu „Im Namen des Teufels“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
5 von 5 Sternen
5 Sterne 1Schreiben Sie einen Kommentar zu "Im Namen des Teufels".
Kommentar verfassen