Immer ist gerade jetzt
Roman
Sie sind ein tolles Team - Freda und ihre Tochter Josy. Und das spurlose Verschwinden von Fredas Mann vor zwei Jahren hat Mutter und Tochter noch enger zusammengeschweißt. Als Josy volljährig wird, ist Freda hin- und hergerissen. Einerseits...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Immer ist gerade jetzt “
Sie sind ein tolles Team - Freda und ihre Tochter Josy. Und das spurlose Verschwinden von Fredas Mann vor zwei Jahren hat Mutter und Tochter noch enger zusammengeschweißt. Als Josy volljährig wird, ist Freda hin- und hergerissen. Einerseits hofft sie, dass Josy endlich ihr Leben in den Griff bekommt. Andererseits fürchtet sie sich davor, ihr Kind in die Freiheit zu entlassen. Doch erstaunlicherweise kommt Freda gut mit sich selbst zurecht, als Josy mit einem Hilfsprojekt nach Mexiko geht. Bis sie eines Tages eine schockierende Nachricht erreicht.
"Amelie Fried erzählt einfach großartig."
BAMS
Klappentext zu „Immer ist gerade jetzt “
Jeder Moment kann dein Leben verändernManchmal ist die Liebe so stark, dass sie zum Gefängnis wird. So wie bei Freda und ihrer achtzehnjährigen Tochter Josy. Das mysteriöse Verschwinden ihres Vaters fesselt Josy so sehr an die Mutter, dass sie kein eigenes Leben wagt. Als sie endlich Mut fasst und allein in ein fremdes Land geht, gerät sie in den Sog einer anderen Liebe und in höchste Gefahr.
Vor zwei Jahren ist Fredas Mann von einem Ausflug in die Berge nicht zurückgekehrt. Seither bleibt ihr nichts, als auf ein Wunder zu hoffen. Umso inniger wird die Beziehung zu ihrer einzigen Tochter Josy. Als die beschließt, für ein Jahr nach Mexiko zu gehen und bei einem Kinderhilfsprojekt zu arbeiten, ist das ein Schock für Freda. Auf der anderen Seite begreift sie, dass sie dem Kind die Chance geben muss, eine erwachsene Frau zu werden. Gerade als Freda begonnen hat, sich in ihrem neuen Leben einzurichten, erreicht sie eine katastrophale Nachricht: Josy ist spurlos verschwunden. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, denn das Mädchen schwebt in höchster Gefahr.
Eine mitreißende und berührende Geschichte von der schwierigen, aber einzigartigen Liebe zwischen Mutter und Tochter.
Jeder Moment kann dein Leben verändern Manchmal ist die Liebe so stark, dass sie zum Gefängnis wird. So wie bei Freda und ihrer achtzehnjährigen Tochter Josy. Das mysteriöse Verschwinden ihres Vaters fesselt Josy so sehr an die Mutter, dass sie kein eigenes Leben wagt. Als sie endlich Mut fasst und allein in ein fremdes Land geht, gerät sie in den Sog einer anderen Liebe und in höchste Gefahr.
Vor zwei Jahren ist Fredas Mann von einem Ausflug in die Berge nicht zurückgekehrt. Seither bleibt ihr nichts, als auf ein Wunder zu hoffen. Umso inniger wird die Beziehung zu ihrer einzigen Tochter Josy. Als die beschließt, für ein Jahr nach Mexiko zu gehen und bei einem Kinderhilfsprojekt zu arbeiten, ist das ein Schock für Freda. Auf der anderen Seite begreift sie, dass sie dem Kind die Chance geben muss, eine erwachsene Frau zu werden. Gerade als Freda begonnen hat, sich in ihrem neuen Leben einzurichten, erreicht sie eine katastrophale Nachricht: Josy ist spurlos verschwunden. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, denn das Mädchen schwebt in höchster Gefahr.Eine mitreißende und berührende Geschichte von der schwierigen, aber einzigartigen Liebe zwischen Mutter und Tochter.schwinden ihres Vaters fesselt Josy so sehr an die Mutter, dass sie kein eigenes Leben wagt. Als sie endlich Mut fasst und allein in ein fremdes Land geht, gerät sie in den Sog einer anderen Liebe und in höchste Gefahr.
Vor zwei Jahren ist Fredas Mann von einem Ausflug in die Berge nicht zurückgekehrt. Seither bleibt ihr nichts, als auf ein Wunder zu hoffen. Umso inniger wird die Beziehung zu ihrer einzigen Tochter Josy. Als die beschließt, für ein Jahr nach Mexiko zu gehen und bei einem Kinderhilfsprojekt zu arbeiten, ist das ein Schock für Freda. Auf der anderen Seite begreift sie, dass sie dem Kind die Chance geben muss, eine erwachsene Frau zu werden. Gerade als Freda begonnen hat, sich in ihrem neuen Leben einzurichten, erreicht sie eine katastrophale Nachricht: Josy ist spurlos verschwunden. Ein Wettlauf gegen di
Vor zwei Jahren ist Fredas Mann von einem Ausflug in die Berge nicht zurückgekehrt. Seither bleibt ihr nichts, als auf ein Wunder zu hoffen. Umso inniger wird die Beziehung zu ihrer einzigen Tochter Josy. Als die beschließt, für ein Jahr nach Mexiko zu gehen und bei einem Kinderhilfsprojekt zu arbeiten, ist das ein Schock für Freda. Auf der anderen Seite begreift sie, dass sie dem Kind die Chance geben muss, eine erwachsene Frau zu werden. Gerade als Freda begonnen hat, sich in ihrem neuen Leben einzurichten, erreicht sie eine katastrophale Nachricht: Josy ist spurlos verschwunden. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, denn das Mädchen schwebt in höchster Gefahr.Eine mitreißende und berührende Geschichte von der schwierigen, aber einzigartigen Liebe zwischen Mutter und Tochter.schwinden ihres Vaters fesselt Josy so sehr an die Mutter, dass sie kein eigenes Leben wagt. Als sie endlich Mut fasst und allein in ein fremdes Land geht, gerät sie in den Sog einer anderen Liebe und in höchste Gefahr.
Vor zwei Jahren ist Fredas Mann von einem Ausflug in die Berge nicht zurückgekehrt. Seither bleibt ihr nichts, als auf ein Wunder zu hoffen. Umso inniger wird die Beziehung zu ihrer einzigen Tochter Josy. Als die beschließt, für ein Jahr nach Mexiko zu gehen und bei einem Kinderhilfsprojekt zu arbeiten, ist das ein Schock für Freda. Auf der anderen Seite begreift sie, dass sie dem Kind die Chance geben muss, eine erwachsene Frau zu werden. Gerade als Freda begonnen hat, sich in ihrem neuen Leben einzurichten, erreicht sie eine katastrophale Nachricht: Josy ist spurlos verschwunden. Ein Wettlauf gegen di
Lese-Probe zu „Immer ist gerade jetzt “
Immer ist gerade jetzt von Amelie Fried 1Noch bevor Freda ganz wach war, fiel ihr ein, welcher Tag heute war. Mit geschlossenen Augen blieb sie liegen und versuchte, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ihr Kind nun erwachsen war.
Vor achtzehn Jahren: Der Arzt zeigt ihr das Neugeborene, das von einer cremigen Schicht bedeckt ist und den unwiderstehlichen Wunsch in ihr auslöst, es sauberzulecken. Auch später, als ihr das Baby gewaschen und angezogen in die Arme gelegt wird, kann sie kaum dem Drang widerstehen, ihm mit der Zunge übers Gesicht zu fahren wie eine Katzenmutter.
Den ganzen ersten Tag über sieht sie es an und versucht, etwas Vertrautes an ihm zu entdecken. Nichts. Dieses Kind ist kein Teil von ihr, wie sie es sich vorgestellt hat. Es ist ein völlig eigenständiges Wesen, und es ist ihr fremd. Sie würden sich erst kennenlernen müssen, begreift Freda und ist überrascht.
Am nächsten Tag hört sie die Stimme ihrer Tochter aus einem Konzert von zwanzig Babystimmen auf der Säuglingsstation heraus. Und am übernächsten Tag blickt sie in das Gesicht der Kleinen, das sich im Schlaf unwillig ver- zieht, und bricht in Tränen aus bei dem Gedanken, dass dieses hilflose Baby eines Tages erwachsen sein und sie nicht mehr brauchen wird.
... mehr
Als Josy größer wurde, entdeckte Freda, wie viel Spaß man mit einem Kind haben kann. Sie lag mit Josy auf dem Boden und untersuchte Staubflocken, stapelte Klötzchen zu Türmen und zeichnete Prinzessinnen, deren Kleider das Kind bunt ausmalte. Kein Spiel war Freda zu monoton, keine Unternehmung zu anstrengend. Sie organisierte Schnitzeljagden oder Mondscheinwanderungen im nahe gelegenen Park und sammelte einen Koffer voller Kleider und Kostüme zum Verkleiden bei schlechtem Wetter. Oft zog der Duft von frisch gebackenen Muffins oder Waffeln durch die Wohnung; sie konnte zwar nicht besonders gut kochen, buk aber gern. Die Nachbarskinder kamen in Scharen und waren willkommen, denn Freda fand es wichtig, dass ihr Einzelkind viele Spielkameraden hatte. Sie hatte es geliebt, Kinder um sich zu haben und selbst ein bisschen Kind sein zu dürfen.
Sie setzte sich im Bett auf und rieb sich das Gesicht. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass sie gerade mal fünf Stunden geschlafen hatte. Sie zog die hellblauen Silikonstöpsel aus den Ohren, die sie verwendete, wenn es spät geworden war und sie sicher sein wollte, dass kein Geräusch sie wieder aus dem Schlaf riss, in den sie mühsam gefunden hatte. Dann griff sie nach ihrem Handy auf dem Nachttisch. In einem von Josy bemalten Holzrahmen daneben stand ein Foto von Alex. Unwillkürlich tastete ihre Hand auf die andere Bettseite. Als sie die Kühle des unberührten Lakens spürte, zog sie die Hand schnell zurück.
Sie seufzte und schwang ihre Beine aus dem Bett. Ein Pochen in ihrer rechten Schläfe erinnerte sie an die vergangene Nacht. Ein bis zwei Gläser weniger hätten es auch getan, dachte sie. Aber schließlich feiert man nur einmal den achtzehnten Geburtstag seiner einzigen Tochter mit einer großen Party.
Punkt zwölf war Josy zu ihr gekommen, hatte sie umarmt und ihr ins Ohr geflüstert: »Glückwunsch, Mama, du hast es geschafft! Ich danke dir für alles.«
»Ach, meine Süße«, hatte Freda geantwortet und ein paar Tränen der Rührung verschluckt.
Dann hatte ihre Tochter den Kopf schief gelegt und mit ernstem Gesichtsausdruck gesagt: »Zwischen uns ändert sich nichts, okay?«
»Nein, nichts«, hatte Freda gesagt.
Aber gedacht hatte sie: Es hat sich doch schon so vieles geändert. Und beschützen kann ich dich jetzt auch nicht mehr.
Als hätte sie es bisher gekonnt. Als könnte man ein Kind überhaupt beschützen. Sie hatte immer alles getan, um Josy vor Schlimmem zu bewahren, vielleicht hatte sie es manch- mal übertrieben. Besonders, seit Alex weg war. Hatte nicht jeder Mensch sein individuelles Schicksal? Sein Lebensdrehbuch, an dem man ein paar Verbesserungen anbringen, dessen Handlung aber niemand wesentlich verändern könnte? Wenn man Glück hatte, drehte man an angenehmen Orten, in schicken Kostümen und mit netten Kollegen. Aber wie der Film sich entwickelte, welche Wendungen und Höhepunkte er enthielt, war die Entscheidung eines unbe- kannten Regisseurs, der sich von niemandem hereinreden ließ.
Freda stopfte ihr Kissen im Rücken zurecht und zog die Knie an die Brust. Eine frühe Erinnerung kam ihr in den Sinn. Josy musste ungefähr zehn Monate alt gewesen sein, sie übte das Sichhochziehen und Stehen und entwickelte Interesse an anderen Kindern. Freda begann, regelmäßig mit ihr auf den Spielplatz zu gehen. Eines Tages beobachtete sie einen kleinen Jungen, der den Sitz einer Holzschaukel festhielt und genau in dem Moment losließ, als Josy sich gerade aufgerichtet hatte. Das Holzbrett raste auf ihren Hinterkopf zu, Freda sprang auf, die Schaukel prallte mit einem dumpfen Geräusch gegen den Kleinkindschädel, Josy fiel um. Sie schrie nicht. Sie machte nur ein kleines Geräusch, wie eine Art Japsen oder Aufstoßen, dann rührte sie sich nicht mehr. Fredas Herz blieb stehen. Sie riss Josy in ihre Arme, der kleine Körper fühlte sich schlaff an. Vor Fredas Augen schien ein schwarzer Vorhang herabzufallen. Da zuckte der Körper in ihren Armen, und Josy begann zu schreien.
Im nächsten Moment schrie auch Freda los. Sie schrie den verängstigten Jungen an, schrie sich die Panik aus dem Leib, bis die andere Mutter dazwischenging und Freda wie- der zu Bewusstsein kam. Es war ihr peinlich, und sie entschuldigte sich. Der kleine Blödmann hatte es ja wohl nicht mit Absicht getan, und wenn doch, dann hatte er die möglichen Folgen seines Tuns nicht abschätzen können.
Im Krankenhaus wurden eine Prellung und eine Gehirnerschütterung diagnostiziert. Und mit derselben Heftigkeit, mit der Josy von dem Holzbrett getroffen worden war, traf Freda die Erkenntnis, dass sie nie mehr aufhören würde, sich um ihr Kind zu sorgen. Ja, dass die ständige Angst, es könnte ihm etwas zustoßen, der Preis für das Glück war, das sie durch ihr Kind empfand.
Alex war ganz anders, er hatte nie Angst. Er warf das Baby in die Luft, schnallte es auf seinen Rücken, wenn er steile Skiabfahrten runterraste, unternahm später riskante Bergtouren mit seiner Tochter, immer nach dem Motto: »Was sie nicht umbringt, macht sie hart.« Freda nannte es Leichtsinn, er nannte es Gottvertrauen. »Das Leben ist nun mal lebensgefährlich«, erklärte er, »deshalb kannst du dich doch nicht zu Hause einsperren.«
Über die Jahre hatte sich zu Fredas Erleichterung gezeigt, dass viele scheinbar gefährliche Situationen in Wirklichkeit harmlos waren. Sie machte die Erfahrung, dass Kinder erstaunlich viel aushalten und meistens mehr können, als ihre Mütter ihnen zutrauen. Der beste Beweis dafür war schließlich, dass ihre Tochter ohne sichtbare Schäden zu einer jungen Frau herangewachsen war. Eine große Dankbarkeit erfüllte Freda plötzlich. Sie nahm das Foto von Alex in die Hand und betrachtete es.
»Du kannst stolz auf deine Kleine sein«, sagte sie leise. »Und auf mich auch.«
Beim Zähneputzen betrachtete Freda sich im Spiegel. Geschwollene Augen, müder Teint. Sonst war der Anblick nicht so übel, immerhin war sie schon dreiundvierzig. Nicht mehr jung. Noch nicht alt. Irgendwas dazwischen. Irgendwas, von dem sie hoffte, dass es ein »Noch nicht« wäre, und kein »Nicht mehr«.
Sie stellte die elektrische Zahnbürste in die Halterung zurück und zog ihren gemütlichen Hausanzug an, den Josy als »Strampelanzug« bezeichnet hatte. Egal, heute Vormittag würde niemand außer ihrer Tochter ihn zu Gesicht bekommen.
Ihre Gedanken wanderten wieder zurück in die Vergangenheit. Plötzlich blieb sie stehen und suchte angestrengt in ihrer Erinnerung, ging in ihr Zimmer, öffnete nacheinander alle Schubladen einer Kommode, durchwühlte den Inhalt und zog schließlich eine mit bunten Mandalas bedruckte Mappe hervor.
Sie setzte sich an ihren Schreibtisch, schob die Computertastatur zur Seite und schlug die Mappe auf, in der sich einige zusammengeheftete Blätter befanden. »Horoskop« stand in schnörkeliger Handschrift auf der ersten Seite, darunter Josys vollständiger Name und ihr Geburtsdatum.
Es war das Geschenk von Marie gewesen, einer Kollegin aus der Buchhandlung, in der sie damals gearbeitet hatte. Marie hatte sich außer als Handauflegerin, Hellseherin und Mandala-Deuterin auch als Hobby-Astrologin betätigt. Freda hatte diese Neigungen insgeheim belächelt, ihre Zweifel aber für sich behalten, weil sie ihre Kollegin mochte und nicht kränken wollte. Und so ganz genau konnte man ja nie wissen, ob nicht doch etwas dran war an dem Eso-Kram.
»Damit du weißt, was auf euch zukommt«, hatte Marie gesagt, als sie Freda drei Wochen nach Josys Geburt die Mappe überreichte und sphinxhaft dazu lächelte. Vielleicht war es dieser Satz gewesen, der Freda all die Jahre davon abgehalten hatte, das Horoskop zu lesen. Wer wollte schon so genau wissen, was auf ihn zukam?
Heute, achtzehn Jahre danach, könnte sie ja überprüfen, ob Marie mit ihren Prognosen Recht behalten hatte. Neugierig blätterte sie die zweite Seite auf. Sie zeigte die Zeichnung der Sternenkonstellation zum Zeitpunkt von Josys Geburt, ein Gewirr von Punkten und Linien, aus dem sie nicht schlau wurde. Darunter stand: »Zwilling mit Aszendent Widder, Mond im Wassermann.«
© Heyne Verlag
Sie setzte sich im Bett auf und rieb sich das Gesicht. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass sie gerade mal fünf Stunden geschlafen hatte. Sie zog die hellblauen Silikonstöpsel aus den Ohren, die sie verwendete, wenn es spät geworden war und sie sicher sein wollte, dass kein Geräusch sie wieder aus dem Schlaf riss, in den sie mühsam gefunden hatte. Dann griff sie nach ihrem Handy auf dem Nachttisch. In einem von Josy bemalten Holzrahmen daneben stand ein Foto von Alex. Unwillkürlich tastete ihre Hand auf die andere Bettseite. Als sie die Kühle des unberührten Lakens spürte, zog sie die Hand schnell zurück.
Sie seufzte und schwang ihre Beine aus dem Bett. Ein Pochen in ihrer rechten Schläfe erinnerte sie an die vergangene Nacht. Ein bis zwei Gläser weniger hätten es auch getan, dachte sie. Aber schließlich feiert man nur einmal den achtzehnten Geburtstag seiner einzigen Tochter mit einer großen Party.
Punkt zwölf war Josy zu ihr gekommen, hatte sie umarmt und ihr ins Ohr geflüstert: »Glückwunsch, Mama, du hast es geschafft! Ich danke dir für alles.«
»Ach, meine Süße«, hatte Freda geantwortet und ein paar Tränen der Rührung verschluckt.
Dann hatte ihre Tochter den Kopf schief gelegt und mit ernstem Gesichtsausdruck gesagt: »Zwischen uns ändert sich nichts, okay?«
»Nein, nichts«, hatte Freda gesagt.
Aber gedacht hatte sie: Es hat sich doch schon so vieles geändert. Und beschützen kann ich dich jetzt auch nicht mehr.
Als hätte sie es bisher gekonnt. Als könnte man ein Kind überhaupt beschützen. Sie hatte immer alles getan, um Josy vor Schlimmem zu bewahren, vielleicht hatte sie es manch- mal übertrieben. Besonders, seit Alex weg war. Hatte nicht jeder Mensch sein individuelles Schicksal? Sein Lebensdrehbuch, an dem man ein paar Verbesserungen anbringen, dessen Handlung aber niemand wesentlich verändern könnte? Wenn man Glück hatte, drehte man an angenehmen Orten, in schicken Kostümen und mit netten Kollegen. Aber wie der Film sich entwickelte, welche Wendungen und Höhepunkte er enthielt, war die Entscheidung eines unbe- kannten Regisseurs, der sich von niemandem hereinreden ließ.
Freda stopfte ihr Kissen im Rücken zurecht und zog die Knie an die Brust. Eine frühe Erinnerung kam ihr in den Sinn. Josy musste ungefähr zehn Monate alt gewesen sein, sie übte das Sichhochziehen und Stehen und entwickelte Interesse an anderen Kindern. Freda begann, regelmäßig mit ihr auf den Spielplatz zu gehen. Eines Tages beobachtete sie einen kleinen Jungen, der den Sitz einer Holzschaukel festhielt und genau in dem Moment losließ, als Josy sich gerade aufgerichtet hatte. Das Holzbrett raste auf ihren Hinterkopf zu, Freda sprang auf, die Schaukel prallte mit einem dumpfen Geräusch gegen den Kleinkindschädel, Josy fiel um. Sie schrie nicht. Sie machte nur ein kleines Geräusch, wie eine Art Japsen oder Aufstoßen, dann rührte sie sich nicht mehr. Fredas Herz blieb stehen. Sie riss Josy in ihre Arme, der kleine Körper fühlte sich schlaff an. Vor Fredas Augen schien ein schwarzer Vorhang herabzufallen. Da zuckte der Körper in ihren Armen, und Josy begann zu schreien.
Im nächsten Moment schrie auch Freda los. Sie schrie den verängstigten Jungen an, schrie sich die Panik aus dem Leib, bis die andere Mutter dazwischenging und Freda wie- der zu Bewusstsein kam. Es war ihr peinlich, und sie entschuldigte sich. Der kleine Blödmann hatte es ja wohl nicht mit Absicht getan, und wenn doch, dann hatte er die möglichen Folgen seines Tuns nicht abschätzen können.
Im Krankenhaus wurden eine Prellung und eine Gehirnerschütterung diagnostiziert. Und mit derselben Heftigkeit, mit der Josy von dem Holzbrett getroffen worden war, traf Freda die Erkenntnis, dass sie nie mehr aufhören würde, sich um ihr Kind zu sorgen. Ja, dass die ständige Angst, es könnte ihm etwas zustoßen, der Preis für das Glück war, das sie durch ihr Kind empfand.
Alex war ganz anders, er hatte nie Angst. Er warf das Baby in die Luft, schnallte es auf seinen Rücken, wenn er steile Skiabfahrten runterraste, unternahm später riskante Bergtouren mit seiner Tochter, immer nach dem Motto: »Was sie nicht umbringt, macht sie hart.« Freda nannte es Leichtsinn, er nannte es Gottvertrauen. »Das Leben ist nun mal lebensgefährlich«, erklärte er, »deshalb kannst du dich doch nicht zu Hause einsperren.«
Über die Jahre hatte sich zu Fredas Erleichterung gezeigt, dass viele scheinbar gefährliche Situationen in Wirklichkeit harmlos waren. Sie machte die Erfahrung, dass Kinder erstaunlich viel aushalten und meistens mehr können, als ihre Mütter ihnen zutrauen. Der beste Beweis dafür war schließlich, dass ihre Tochter ohne sichtbare Schäden zu einer jungen Frau herangewachsen war. Eine große Dankbarkeit erfüllte Freda plötzlich. Sie nahm das Foto von Alex in die Hand und betrachtete es.
»Du kannst stolz auf deine Kleine sein«, sagte sie leise. »Und auf mich auch.«
Beim Zähneputzen betrachtete Freda sich im Spiegel. Geschwollene Augen, müder Teint. Sonst war der Anblick nicht so übel, immerhin war sie schon dreiundvierzig. Nicht mehr jung. Noch nicht alt. Irgendwas dazwischen. Irgendwas, von dem sie hoffte, dass es ein »Noch nicht« wäre, und kein »Nicht mehr«.
Sie stellte die elektrische Zahnbürste in die Halterung zurück und zog ihren gemütlichen Hausanzug an, den Josy als »Strampelanzug« bezeichnet hatte. Egal, heute Vormittag würde niemand außer ihrer Tochter ihn zu Gesicht bekommen.
Ihre Gedanken wanderten wieder zurück in die Vergangenheit. Plötzlich blieb sie stehen und suchte angestrengt in ihrer Erinnerung, ging in ihr Zimmer, öffnete nacheinander alle Schubladen einer Kommode, durchwühlte den Inhalt und zog schließlich eine mit bunten Mandalas bedruckte Mappe hervor.
Sie setzte sich an ihren Schreibtisch, schob die Computertastatur zur Seite und schlug die Mappe auf, in der sich einige zusammengeheftete Blätter befanden. »Horoskop« stand in schnörkeliger Handschrift auf der ersten Seite, darunter Josys vollständiger Name und ihr Geburtsdatum.
Es war das Geschenk von Marie gewesen, einer Kollegin aus der Buchhandlung, in der sie damals gearbeitet hatte. Marie hatte sich außer als Handauflegerin, Hellseherin und Mandala-Deuterin auch als Hobby-Astrologin betätigt. Freda hatte diese Neigungen insgeheim belächelt, ihre Zweifel aber für sich behalten, weil sie ihre Kollegin mochte und nicht kränken wollte. Und so ganz genau konnte man ja nie wissen, ob nicht doch etwas dran war an dem Eso-Kram.
»Damit du weißt, was auf euch zukommt«, hatte Marie gesagt, als sie Freda drei Wochen nach Josys Geburt die Mappe überreichte und sphinxhaft dazu lächelte. Vielleicht war es dieser Satz gewesen, der Freda all die Jahre davon abgehalten hatte, das Horoskop zu lesen. Wer wollte schon so genau wissen, was auf ihn zukam?
Heute, achtzehn Jahre danach, könnte sie ja überprüfen, ob Marie mit ihren Prognosen Recht behalten hatte. Neugierig blätterte sie die zweite Seite auf. Sie zeigte die Zeichnung der Sternenkonstellation zum Zeitpunkt von Josys Geburt, ein Gewirr von Punkten und Linien, aus dem sie nicht schlau wurde. Darunter stand: »Zwilling mit Aszendent Widder, Mond im Wassermann.«
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Autoren-Porträt von Amelie Fried
Amelie Fried, geboren 1958, moderierte nach ihrem Studium zahlreiche Fernsehsendungen, darunter "Live aus dem Alabama", "Live aus der Alten Oper", "Stern-TV" und "Kinderella". Von 1998 bis 2009 war sie Gastgeberin der Talkshow "3 nach 9". Sie wurde mit dem Grimme-Preis, dem Telestar-Förderpreis und dem Bambi ausgezeichnet. Ihre beiden ersten Romane wurden auf Anhieb zu Bestsellern. Für ihre Kinderbücher erhielt sie viele Auszeichnungen, darunter den "Deutschen Jugendliteraturpreis". Die Autorin lebt mit ihrer Familie bei München.
Bibliographische Angaben
- Autor: Amelie Fried
- 2009, 399 Seiten, Maße: 13,5 x 20,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453001524
- ISBN-13: 9783453001527
Rezension zu „Immer ist gerade jetzt “
"Amelie Fried erzählt einfach ganz großartig"
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