In guten und in schlechten Tagen
Doch Harald Juhnke ist schon zu Beginn der Ehe alkoholkrank. Susanne Juhnke ist es, die ihn immer wieder...
Doch Harald Juhnke ist schon zu Beginn der Ehe alkoholkrank. Susanne Juhnke ist es, die ihn immer wieder aufrichtet, ihn unterstützt, ihm alle Exzesse verzeiht. Es ist Juli 2000, als sie begreifen muss: Diesmal hat sie ihn für immer verloren.
Harald Juhnke lebt heute in einem Heim, das auf die Pflege von schwer Demenzkranken spezialisiert ist. Hier erzählt seine Frau zum ersten Mal, was sein Alkoholismus für ihre Liebe bedeutete.
In guten und inschlechten Tagen von Susanne Juhnke und Beate Wedekind
LESEPROBE
Prolog
Eine alte Weisheit besagt: Man muss sich etwas von der Seelereden. In den schwierigen Zeiten meines Lebens mit Harald Juhnke hieß meinoberstes Gebot Schweigen. Schweigen gegenüber
meinen besten Freunden, Schweigen gegenüber den Medien,Schweigen gegenüber meinem Mann und meiner Familie. Am Ende war mir selbstnicht bewusst, wie es eigentlich um mich stand. Ich
war eine Meisterin des Verdrängens geworden. AusSelbstschutz, aus Rücksicht, aus Unsicherheit und Verzweiflung. Und auch, umdie guten Zeiten unserer Ehe einigermaßen unbelastet genießen zu
können.
Spätestens aber, als ich in ärztlichen Gutachten lesenmusste, dass Haralds Krankheit in ein Stadium eingetreten war, das mir auch dieletzte Hoffnung auf Genesung nahm, da musste ich reden. Der Druck in meinemtiefsten Inneren war so gewaltig, dass ich ihm Luft verschaffen musste. DasSchweigen über meine verwundete Seele zu brechen war ein Gebot des Überlebens.
Aber mit wem sollte ich reden?
So beschloss ich am 11. Juli 2000, dem Tag nach Haralds letztemAbsturz, dem Tag, der unser Schicksalstag geworden ist, mir meinen Kummer vonder Seele zu schreiben. Ich begann, mich meinem Tagebuch anzuvertrauen. Als ichdie ersten Einträge niederschrieb, konnte ich natürlich überhaupt noch nichtermessen, zu welchem Zeugnis meiner Ängste und meiner Verzweiflung diesesTagebuch einmal werden würde.
Im März 2002 fragte mich Peter Wolf, der langjährige Managermeines Mannes, ob ich mir vorstellen könnte, meine eigene Biographie zuschreiben. Spontan sagte ich nein. Aber dann ließ mich der Gedanke nicht mehrlos. Je länger ich darüber nachdachte, um so mehr geriet ich in einenGewissenskonflikt. Einerseits erkannte ich die Chance, dass eine solche Arbeitauch eine Art Selbsttherapie sein könnte. Dass es mir helfen würde, dieProbleme zu erkennen, die ich mit meinem Leben hatte, und vielleicht sogar eineLösung für sie zu finden. Andererseits war ich geradezu geschockt bei demGedanken, mich mit den schmerzvollen Ereignissen meines Lebens konfrontieren zumüssen. Verlockend an dem Gedanken war allein, dass ich noch einmal meinesorglose Kindheit und Jugend, meine schönsten Erinnerungen lebendig werdenlassen konnte. Noch einmal jung sein und träumen, noch einmal den Liebestaumelspüren, in den ich verfiel, als ich dem Mann meines Lebens begegnete. Dieglücklichen Zeiten meiner Ehe würde ich noch einmal Revue passieren lassen
Ich habe viele Tage hin und her überlegt und mich inGedanken mit Harald besprochen. Meine Neugier auf diesen Prozess derSelbstbesinnung, zu dem ich so viele Jahre nicht gekommen bin, hat schließlichgesiegt. Ich sagte ja und ließ mich auf ein Abenteuer ein, das ich jetzt, daich es durchlebt habe, nicht mehr missen möchte.
All die Erfahrungen, all die Gefühle, die ich in diesem Buchmitteile, gehören zu meinem Leben. Es sind wunderschöne Erfahrungen darunterund sehr schmerzhafte, und beide sind ein Teil meines
Lebens, das in seiner Ganzheit nur zu verstehen ist, wennman neben den Höhen auch die Tiefen erfährt.
Ich nahm also die Herausforderung an, mein Inneres zu öffnenund meine Gefühle preiszugeben - zunächst mir selbst gegenüber, denn das istnach meinem Verständnis die Voraussetzung dafür, um zur Wahrheit vorzudringen.Die Wahrheit unseres Lebens zu begreifen ist das eine. Sie zu verarbeiten istein langer Prozess. Jenseits meiner persönlichen Motivation gibt es aber nocheinen weiteren Grund, dieses Buch zu schreiben: Ich möchte all den Menschen Mutzusprechen, die ein ähnliches Schicksal tragen. »Demenz« - darunter können sichviele Menschen wenig vorstellen. Offensichtlich ist diese Krankheit immer nochein Tabuthema, über das man in unserer Gesellschaft ungern spricht. Jeausführlicher wir jedoch über diese Krankheit und ihren Verlauf informiertsind, um so besser kann man mit ihr umgehen, die Betroffenen und derenAngehörige unterstützen und ihnen Hilfe zuteil werden lassen.
Erst wenn allgemein akzeptiert wird, dass Demenz kein Makelist, behält der Betroffene seine Würde. Die Erkrankten mögen verwirrterscheinen, aber sie besitzen sehr wohl Gefühle, die verletzt werden können.Wie sie die Welt erleben, hängt von ihrer individuellen Biographie ab. Es kommtdarauf an, diese Menschen in ihrer Welt verstehen zu lernen. »Normal« umzugehenmit der Krankheit, das ist die Aufgabe des Betreuenden. Den Menschen, diedieser Aufgabe gerecht werden, gebührt alle Achtung und Ehre.
Ich habe schweren Herzens den Mut gefasst, realistisch zuschildern, wie der schleichende Verlauf dieser Krankheit sich äußert, und ichbin überzeugt, dass ich mit diesem Buch meinem Mann
Harald Juhnke einen wichtigen Dienst erwiesen habe. VieleEreignisse, über die jahrzehntelang öffentlich nur gemutmaßt wurde, erscheinenjetzt sicher in einem anderen Licht. Ich persönlich habe Trost gefunden in deralten Weisheit von Reinhold Niebuhr, die ich zu befolgen versuche, auch wenn esschwerfällt:
Gott gebe mir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann.
Und die Weisheit, das eine von dem anderen zu unterscheiden.
Susanne Juhnke
Berlin, im Juli 2003
© DroemerKnaur
- Autor: Susanne Juhnke
- 2003, 409 Seiten, 8 farbige Abbildungen, teilweise Schwarz-Weiß-Abbildungen, Maße: 14,6 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Mit Beate Wedekind
- Verlag: DROEMER KNAUR
- ISBN-10: 3426273055
- ISBN-13: 9783426273050
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