Jacobs Leiter
Roman
Muss man 4 000 Bücher kaufen, um eines zu schreiben?
In Manhattan steht ein Mann aus Deutschland und sucht einen Buchhändler. Er trifft auf Jack, alias Jacob, seinen zukünftigen Geschäftspartner, Lehrer und väterlichen Freund. Jack bietet ihm 4 000 alte...
In Manhattan steht ein Mann aus Deutschland und sucht einen Buchhändler. Er trifft auf Jack, alias Jacob, seinen zukünftigen Geschäftspartner, Lehrer und väterlichen Freund. Jack bietet ihm 4 000 alte...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Jacobs Leiter “
Klappentext zu „Jacobs Leiter “
Muss man 4 000 Bücher kaufen, um eines zu schreiben? In Manhattan steht ein Mann aus Deutschland und sucht einen Buchhändler. Er trifft auf Jack, alias Jacob, seinen zukünftigen Geschäftspartner, Lehrer und väterlichen Freund. Jack bietet ihm 4 000 alte deutsche Bücher an, die aus Europa nach Amerika kamen. Der Mann fragt sich, was er mit dieser Emigrantenbibliothek soll, doch dann beginnen die Bücher zu erzählen.
Lese-Probe zu „Jacobs Leiter “
JFK, NEW YORK, MAY l, 1998, 2.55 p.m.Harris, breit und weiß, Officer der Einreisebehörde, fragt nach meiner Flugnummer, Flight Two, o, seven? Nein, sage ich, Two o one, from Zürich. Er tippt auf den grünen Fragebogen. Hier steht Two o seven. Ich habe die l mit Anstrich geschrieben, nicht römisch: I. In diesem Land, sagt er und zerhackt mit dem Kugelschreiber meine europäische Ziffer, ist das eine I. Sie wollen ein Taxi? Ein Mann im schwarzen Anzug, an der Brusttasche baumelt ein Ausweis mit Foto. Tiefgaragenluft, Busse mit laufendem Motor. Reisende wuchten Koffer in die Ladeluken riesiger Limousinen. Rechts stehen Yellowcabs. Sie wollen ein Taxi? Er hängt mir an den Fersen. Ich deute auf die Kolonne gelber Wagen. Oh no, mitleidiges Lächeln. Die fahren nach Brooklyn. Kommen Sie, ich zeige Ihnen, wo die nach Manhattan losfahren. Er schlendert in die Halle. Unschlüssig bleibe ich stehn. Er wartet, deutet nach oben. Aufs obere Parkdeck. Im Lift eine Familie aus Moskau. Zwei Frauen, blaugrau toupiert. Schnatternde Schwäne. Maiglöckchenduft. Mein neuer Freund heißt Omar Gutierez, der Namen steht auf der ID, er wirft sein Schlüsselbund von einer Hand in die andere. Das erste Mal in Amerika? Ich schürze die Lippen, um eine weltmännische Miene bemüht. Bin Jetsetter, jedes zweite Wochenende, Tokio, Sydney, LA. Der Fahrstuhl entläßt uns in grelles Sonnenlicht. Mister Gutierez greift meine Reisetasche, bevor ich zufassen kann. Ein Parkplatz, kein Taxistand weit und breit. Vielleicht dort hinten? Slalom durch Autoreihen. Im Sekundentakt verschwinden Jets über der Küste. Der Himmel blaßblau wie das Haar der Russinnen. Gutierez stoppt hinter einer schwarzen Nobelkarosse, läßt den Kofferraum aufschnappen und versenkt meine Tasche hinein. Ich fahr nach Manhattan, nehme Sie mit. Kommt überhaupt nicht in Frage. Ich schüttle energisch den Kopf. Gutierez steigt ein. Meine Tasche? Wo dein Gepäck hingeht, sollst auch du hingehn. Bis daß der Tod euch scheidet. Ich sitze im Fonds.
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Ledersitze, Lenkrad aus Mahagoni. Keine Stunde in New York und schon entführt. Warum sollte der Fahrer eines Lincoln einen Rucksacktouristen ausrauben? Hat einen sichren Arbeitsplatz. Menschenfreund oder Menschenhändler? Bestimmt ist der Wagen geklaut. Weichgefedert gleitet er über den Highway. Vororte, Reihenhäuser, Industriegelände. Ein Autofriedhof. Herrgott, laß ihn nicht links abbiegen! Im Handschuhfach liegt eine Automatic. Ich habe zu viele Filme gesehn. Klischees sind nur abgeschliffene Wahrheiten. Ich schwitze. Heißer erster Mai. Machen Sie Urlaub in New York? Das Lächeln etwas krampfig. Ich habe einen Job an der Universität. Ausweichende Antwort. Professor? Wie kommen Sie darauf? Sie sehen so aus. Du mußt ihm klarmachen, durchzuckt es mein Gehirn, daß du, was immer du bist, kein Professorengehalt beziehst. Ich bin Student. Sozialhilfeempfänger. Ich bin Hansel, ich strecke der bösen Hexe ein Stöckchen hin, dünne Finger. Zum Schlachten zu mager. Woher kommen Sie? Honduras, sagt er knapp. Wir lassen Brooklyn links, Queens rechts liegen. Als die Skyline auftaucht, vergesse ich die Todesgefahr. Wow. Yeah, it's really a big apple. Mein Kidnapper grinst wohlgefällig, als habe er an jedem Wolkenkratzer mitgebaut. Ich verrenke mir den Hals, sauge Hochhäuser ein. Queens Midtown Tunnel. Durch den East River. Landung auf der Insel, mitten im Gewühl. Freitagnachmittag. Schritt-Tempo. Willkommen im Dschungel. Ich bin in der großen bösen Stadt, gerettet. Gutierez wird mich nicht umlegen. Zehn Millionen Zeugen. Er fährt die 5th Avenue hinunter. Netter Kerl. Washington Square, hier muß es sein. Ich will aussteigen, Dank sagen für Service und Nächstenliebe. Amigo, komm an meine Brust. Gutierez macht keine Anstalten, den Kofferraum zu öffnen. Daumen und Zeigefinger reiben gegeneinander. Umsonst ist der Tod. Das Leben verlangt Kleingeld. Achtzig Dollar. Hundert Prozent über Normaltarif. Plus Trinkgeld. Ich kaufe meine Tasche ab. Gutierez stellt sie auf den harten Boden der Insel. Take care, sagt er. Und fährt davon. 50 bucks for nothing, 50 Porträts von Washington gestreut in den Wind, der über den Washington Square weht. Immerhin, ich bin am Leben, und dafür sind 50 Dollar kein so schlechtes Geschäft. Fuck you, Gutierez, big thanks.
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Autoren-Porträt von Steffen Mensching
Steffen Mensching, 1958 in Berlin geboren, 1979 redaktioneller Mitarbeiter der Zeitschrift "Temperamente", Studium der Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin. Seit 1983 freiberuflich als Autor, Schauspieler, Regisseur. Er lebt in Berlin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Steffen Mensching
- 2004, 426 Seiten, Maße: 11,6 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Aufbau TB
- ISBN-10: 3746620732
- ISBN-13: 9783746620732
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