Jungen sind einfach anders
Wie denken, fühlen, handeln Jungs? Warum sind sie in vielem anders als Mädchen? Wie wichtig ist ein männliches Vorbild? Und was müssen Eltern beachten, damit aus dem Sohn ein glücklicher und selbstbewusster Mann...
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Produktinformationen zu „Jungen sind einfach anders “
Wie denken, fühlen, handeln Jungs? Warum sind sie in vielem anders als Mädchen? Wie wichtig ist ein männliches Vorbild? Und was müssen Eltern beachten, damit aus dem Sohn ein glücklicher und selbstbewusster Mann wird? Auf diese und viele andere Fragen geht Cornelia Nitsch, selbst sturmerprobte Mutter ein: vom Babyalter über Schule und Vorschule bis zur Pubertät.
Lese-Probe zu „Jungen sind einfach anders “
Warum Söhne eine besondere Erziehung brauchen von Cornelia Nitsch Vorwort
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Ein Junge von Anfang an wie ein kleiner Mann auftreten: kernig und robust. Heute darf er auch mal seinen Tränen freien Lauf lassen, kuscheln und Schwäche zeigen. Erwachsene halten sich inzwischen zurück mit alten Sprüchen wie »Ein Junge weint doch nicht!« und »Komm, sei keine Memme! « Seit Jahren ist im Kinderzimmer zunehmend Gleichberechtigung zwischen Jungen und Mädchen angesagt. So ist seltener die Rede von Papis kleinem, zarten »Püppchen« - dem Töchterchen, das sein Liebling ist, oder von Mamis großem, starken Jungen, der bemüht ist, ihre Gunst zu erobern, indem er ihr alles Schwere abnimmt. Auch im Kindergarten, in der Schule sitzen Jungen und Mädchen inzwischen weitgehend in einem Boot, denn die althergebrachten Privilegien der männlichen Wesen sind auf ein paar Restposten zusammengeschrumpft. Fazit dieser Beobachtungen: In der Kindererziehung wurde in den vergangenen Jahrzehnten gründlich aufgeräumt und versucht, die traditionellen, starren Rollen durch neue, weniger geschlechtsspezifische zu ersetzen: . Papis kleiner Liebling will kein schmuckes Püppchen mehr sein, sondern ein selbstbewusstes Mädchen, das sich nicht von kleinen und großen Herren sagen lassen muss, wo es lang geht im Leben. . Mamis Kuschelbär mag nicht länger als kleiner Kavalier zu Diensten sein, der schon früh lernt, weiblichen Wesen die Steinchen aus dem Weg zu räumen. Die altgewohnte Erziehung, die Kinder in festgelegte Geschlechterrollen presste, ist also ziemlich passé. Oder gibt es noch Relikte? Wo sind sie zu finden? Dieses Buch zeigt Eltern von Jungen, was sie für ihren Sohn tun können, damit er seine männliche Identität findet, sich zu einem selbstsicheren jungen Mann, authentisch und offen, entwickeln kann und auf festen Beinen im Leben steht.
JUNGEN - IMMER NOCH DAS BEVORZUGTE GESCHLECHT?
Ein Stammhalter muss her, ein Namensträger - generationenlang waren Jungen das auserwählte Geschlecht. Sie waren die Herren der Schöpfung. In der Rangordnung der Familie standen sie bei weitem über den Töchtern. Inzwischen verändert sich diese Ordnung. Die Jungen werden zunehmend entthront.
Wunschkind Nummer eins: Junge oder Mädchen? Kündigt sich ein Baby an, dann hat bei der vorangegangenen Zeugung der Mann entschieden, ob ein Junge oder ein Mädchen auf die Welt kommen wird, denn seine Samenzelle enthält entweder das Y-Chromosom für einen Jungen oder das X-Chromosom für ein Mädchen. Junge oder Mädchen? »Nicht so wichtig«, lautet die Antwort meistens, wenn man werdende Eltern nach ihren Wünschen fragt. »Ist uns beides recht!« Die Mütter und Väter von heute wollen keinen großen Unterschied in der Erziehung von Junge und Mädchen mehr sehen. In der Praxis setzen sie dann doch verschiedene Maßstäbe an - manchmal schon, bevor das Baby überhaupt auf der Welt ist. Die Babywelt in Himmelblau tunken? Die geschlechtsspezifische Erziehung beginnt oft schon in der Schwangerschaft - wenn die Eltern das Kinderzimmer einrichten. Dank Ultraschall wissen heute viele frühzeitig, ob das Baby ein Junge oder ein Mädchen sein wird. Bevor das Kind noch auf der Welt ist, stellt sich damit bereits die Frage: »Sollen wir das Mädchenhafte oder Jungenhafte besonders betonen?« Diese Frage bezieht sich auf reine Äußerlichkeiten wie: »Sollen wir, weil ein kleiner Junge geboren wird, wieder alles in Himmelblau halten - so wie es generationenlang Usus war? Sollen wir blaue Hemdchen und Höschen anschaffen?« Die meisten werdenden Eltern halten nichts mehr von dem Brauch, alles in Himmelblau oder Rosarot zu tunken, weil Form manchmal eben doch Inhalt ist. Sie wollen nicht gleich wieder in die alten, ausgetretenen Fußstapfen treten, sondern einen Neuanfang wagen - auch in Äußerlichkeiten. Deshalb lassen sie sich auf die traditionellen Jungen- oder Mädchenfarben gar nicht erst ein, sondern stellen von Anfang an klar: Weg mit den alten Etiketten. Und was bevorzugen sie stattdessen? Rosa für das Babyzimmer des kleinen Sohnes? Himmelblau für das der kleinen Tochter? Viele merken hier, wie tief verwurzelt die alten Gewohnheiten und Vorurteile in ihnen sind. Wer stattdessen lieber auf zitronengelb, eierschalenweiß, maiengrün oder schlicht rot zurückgreift, ist aus dem Schneider und umschifft damit elegant die erste Klippe einer geschlechtsspezifischen Erziehung. Erinnerung an Kinderzeiten . Während der Schwangerschaft fällt ihr Christian wieder ein - die Babypuppe mit der Kurzhaarfrisur und einem Balg aus Stoff. Lang ist es her, dass sie mit Puppen gespielt hat. Aber die Erinnerungen daran kommen jetzt wieder hoch. Christian war streng nach Vorschrift himmelblau von Kopf bis Fuß gewandet - so wie das eben zu sein hatte bei den kleinen Jungen damals. So sehr sie Christian auch liebte, war sie doch enttäuscht von dieser Puppe. Sie konnte Christian nicht richtig kämmen, denn die Kurzhaarfrisur gab nicht viel her. Konnte ihm keine Schleifen ins Haar binden. Konnte ihn nicht mit ihrer Lieblingsfarbe Rosarot schmücken. Rosa - das war die Farbe ihrer Mädchenträume: leuchtend wie Bonbons. Himmelblau - das war nichts Tolles. Nur kühl und ziemlich langweilig.
Der Stammhalter hat ausgespielt Wer intensiver nachfragt, bekommt öfter zu hören, dass viele Eltern allen Beteuerungen zum Trotz doch ihre speziellen Jungen- oder Mädchenträume haben, und die heißen vielleicht: . »Ich wollte immer schon einen Sohn haben!« . »Wenn es kein Junge wird, werden wir ziemlich enttäuscht sein!« Wird der Traum wahr, hängt der Himmel voller Geigen. Geht der Wunsch dagegen nicht in Erfüllung, ist das heute auch kein Drama mehr. Früher war das anders. Da musste in vielen Familien unbedingt ein Stammhalter und Namensträger her. Dieses Denken ist heute weitgehend überholt - auch dank der neueren Gesetzgebung, die mehr Freiheit bei der Wahl des Nachnamens lässt. Nur noch selten wird eine zukünftige Mutter von ihrem Partner, von ihren Schwiegereltern oder Eltern massiv unter Druck gesetzt mit Sprüchen wie: »Wann kommt denn endlich euer Stammhalter zur Welt?« Auch »gute« Ratschläge wie: »Wenn du viel Milch trinkst, wird es ein Junge!«, sind heute eher die Ausnahme. Wünschten sich die meisten Paare noch vor wenigen Jahrzehnten eher einen Sohn als eine Tochter, weil der Junge zum Stammhalter, Ernährer und neuen Familienoberhaupt heranwachsen und damit zuständig sein würde für die Versorgung seiner Eltern im Alter, zeichnet sich mittlerweile ein Umdenken ab, so neuere Umfragen. Eine mögliche Erklärung für die Trendwende: Der Aspekt der finanziellen Absicherung hat in unseren Breiten an Bedeutung verloren. Die Eltern von heute sind in der Regel nicht mehr auf materielle Zuwendungen ihrer erwachsenen Kinder angewiesen, sondern im Alter selbst ausreichend abgesichert.
Und selbst wenn finanzielle Unterstützung durch die erwachsenen Kinder angesagt sein sollte, haben sich die Gewichte verschoben: Nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen verfügen inzwischen in der Mehrzahl über ein eigenes Einkommen, und deshalb können Töchter ihre Eltern im Notfall ebenfalls unterstützen - so gut wie Söhne. Viel wichtiger als die materielle Hilfe ist vielen Eltern heute die emotionale Zuwendung ihrer erwachsenen Kinder und eine harmonische Einbindung in deren Familienleben. Mehr Einfühlungsvermögen, mehr Verständnis für ihre Belange, mehr Kommunikation erwarten Mütter und Väter inzwischen von ihren erwachsenen Kindern und zwar vornehmlich von ihren Töchtern, seltener von ihren Söhnen. Eine Tochter wird sich eher um sie sorgen, wenn sie alt und gebrechlich sind, wird sich um sie kümmern - so die Erwartung vieler, und deshalb sind in vielen Familien heute Mädchen eher Wunschkinder als Jungen. Die Frage, ob und wie ein Junge zu einem ebenso sensiblen, fürsorglichen Wesen werden kann, stellen sich viele dieser Eltern nicht.
JUNGEN: WENN SIE NOCH BABYS SIND
Der Sohn ist endlich geboren. Junge Eltern beobachten ihr Kind neugierig und begeistert, denn jeder Tag bringt Neues. Aus dem hilflosen kleinen Wesen wird schnell ein typischer Junge mit eigenem Kopf und ausgeprägtem Willen. Alle Babyeltern frönen in der Anfangszeit mit ihrem Kind einer besonderen Lieblingsbeschäftigung: Sie versuchen, sich in ihrem Kind wiederzuerkennen. Die Mutter in ihrer Tochter: »Sie ist genauso hibbelig wie ich!« Der Vater in seinem Sohn: »Der hat das gleiche energische Kinn! Sicherlich auch so ein Draufgänger wie ich!« Von Anfang an nehmen sie Jungen und Mädchen nicht nur unterschiedlich wahr, sondern gehen auch unter- schiedlich mit ihnen um. Wenn man nun das Verhalten der Erwachsenen im Umgang mit ihrem Kind außer Betracht lässt - ist ein kleiner Junge schon zu Beginn seines Lebens in vielem anders als ein kleines Mädchen?
Die besonderen Merkmale in dieser Phase Es werden zwar mehr Mädchen als Jungen gezeugt, aber es ist erwiesen, dass ein Gros der befruchteten weiblichen Embryonen in den ersten Wochen der Schwangerschaft abstirbt. Zahlenmäßig sind die Söhne den Töchtern also zunächst überlegen: Es werden mehr Jungen als Mädchen geboren. Später kehrt sich das Bild um: Im Baby- und Kleinkindalter zeigt sich, dass ein Junge, auf den ersten Blick um einiges kräftiger und robuster als seine Altersgenossinnen - neugeborene Jungen wiegen immerhin um die fünf Prozent mehr als neugeborene Mädchen -, oft wesentlich anfälliger und sensibler auf seine Umwelt reagiert als ein Mädchen und deshalb auch häufiger erkrankt. Weltweit sterben mehr Jungen im Säuglingsalter als Mädchen. So werden Jungen häufiger Opfer des plötzlichen Kindstodes. Mädchen sind im Vergleich gesünder, ruhiger, zufriedener und weinen seltener als Jungen. Bislang hat die Wissenschaft noch keine eindeutige Erklärung dafür gefunden, warum männliche Babys körperlich empfindlicher reagieren als weibliche. Man vermutet, . dass das Nervensystem der Jungen anfangs weniger ausgereift ist als das der Mädchen und damit anfälliger, . dass Jungen eher unter Stress leiden als Mädchen (was hormonell bedingt ist). Nur auf den ersten Blick besonders robust Ein zwei Wochen alter Säugling liegt in seinem Körbchen und weint. Das Leben scheint ihm nicht besonders zu gefallen, denn er schreit viel. Schläft schlecht. Trinkt wenig. Seine Eltern machen sich Sorgen um ihn.
Die Sorgen sind unnötig. Denn ein kleiner Junge verhält sich als Säugling, statistisch gesehen, anders als ein kleines Mädchen: . Er weint häufiger. (Drei-Monats-Koliken treten vor allem bei Jungen auf.) . Er schläft schlechter. . Er lässt sich schwerer beruhigen. Ein kleiner Junge reagiert besonders intensiv auf Umwelt- reize. Ein Reise, ein Ausflug, ein Wetterumschwung - alles, was die Atmosphäre stört und den gewohnten Tagesablauf aus dem Lot bringt, belastet ihn sehr. So reagiert ein kleines Kerlchen auf ungewohnte Geräusche, auf hektische Betriebsamkeit im Durchschnitt wesentlich aufgeregter oder ärgerlicher als eine Altersgenossin. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass sich kleine Jungen, wenn sie sich unwohl fühlen, von ihrem Kummer und ihrem Frust durch Spiele und Späßchen nur schwer ablenken lassen. Kleine Mädchen sind da »pflegeleichter«. Bei ihnen greifen Ablenkungsmanöver eher. Es dauert in der Regel ein Weilchen, bis die Frustationstoleranz bei einem kleinen Burschen zunimmt. Je größer und schwerer ein Baby, desto schwieriger ist meist seine Geburt. Und da Jungen bei ihrer Geburt in der Regel größer und schwerer sind als Mädchen, haben sie oft auch eine schwierigere Geburt als ihre zierlicheren Altersgenossinnen. Weil ein Junge an den »Nachwehen« seiner anstrengenden Geburtsstunden noch wochenlang leidet, ist er in seinen ersten Lebenswochen vielleicht besonders unruhig und schwierig, wird von Fachleuten vermutet. Ist ein kleiner Junge besonders unruhig, beginnt damit nicht selten ein Kreislauf, der sich langsam zu einer Spirale hoch schraubt: denn weint der kleine Knirps alle naselang, stehen seine Eltern schnell unter Strom und reagieren dann Ihre Anspannung überträgt sich auf den Kleinen, und das hat oft Folgen: Das Baby reagiert empfindlich auf die angespannte Situation und macht deshalb immer öfter und aus nichtigem Anlass ein Riesentheater. Weil es so häufig unzufrieden ist und weint, wird es entsprechend häufig getröstet. Der kleine Sohn wird so zum kleinen Prinzen erzogen, daran gewöhnt, dass sich immer alles um ihn dreht. Er ist auf die Zuwendung seiner Vertrauten stark angewiesen. Fazit: Ein männliches Baby braucht meist besonders viel Zuwendung, und zwar nicht nur, weil es vielleicht eher daran gewöhnt ist als ein gleichaltriges weibliches Baby, sondern auch, weil es auf die Nähe und Wärme, auf die Ansprache seiner Vertrauten besonders angewiesen ist. Wird kleinen Jungen diese Fürsorge vorenthalten, dann neigen sie eher dazu, mit körperlichen oder seelischen Verhaltenstörungen darauf zu antworten als gleichaltrige Mädchen. Haben es Mama oder Papa dann endlich geschafft, ihren Wonneproppen zu beruhigen, schmusen sie noch eine Runde mit ihm, so ist der Junge am Ziel seiner Wünsche. Die Welt ist wieder in Ordnung. Der kleine Prinz entspannt sich wohlig. Abgesehen von der größeren Empfindlichkeit der Buben sind keine gravierenden Unterschiede auszumachen: Junge und Mädchen sehen dem Leben gleichermaßen mit hellwachen Sinnen entgegen, auch wenn Mädchen in der Regel etwas früher auf Gesichter reagieren als Jungen und über einen schon ausgeprägteren Tastsinn verfügen. Im Alter von zwei Monaten beginnt ein Baby zwischen Männer- und Frauenstimmen zu unterscheiden und lernt danach langsam, erste Unterschiede zwischen den Geschlechtern wahrzunehmen - zum Beispiel: . Männer sprechen mit tieferer Stimme als Frauen. . Frauen haben meist längere Haare als Männer. . Männer sind in der Regel größer als Frauen. Diese ersten Eindrücke prägen sich tief ein und werden als Muster gespeichert. Von Beginn an unreifer? Die Zeit geht dahin. Das winzige Baby verwandelt sich langsam in ein lebhaftes Krabbelkind, das sich daran macht, die Welt zu erobern. Krabbeln die Jungen den Mädchen jetzt davon? Nein, ein männliches Baby lernt weder das Krabbeln noch das Sitzen oder das Laufen früher. In der frühen kindlichen Entwicklung sind im Wesentlichen keine großen Unterschiede zwischen einem Jungen und einem Mädchen festzustellen. Nur in einigen wenigen Bereichen zeigt sich, dass ein Junge in seiner Entwicklung langsamer ist als seine weiblichen Altersgenossinnen. So hat er zum Beispiel, statistisch gesehen, mehr Schwierigkeiten mit der Feinmotorik. Oder es dauert in der Regel etwas länger, bis der Durchschnittsjunge lernt, erste Striche zu krakeln und behände mit einem Besteck zu hantieren. Streiche spielen - schon bald ein Lieblingsspiel Kommt ein Baby in Bewegung, beginnen für die Eltern aufregende Zeiten - vor allem dann, wenn dieses Baby ein Junge ist. Denn erweitert ein Junge seinen Radius robbend, krabbelnd oder erste Schritte wagend, dann eckt er besonders häufig an - häufiger als ein Mädchen. Er stößt sich zum Beispiel an der immer gleichen Tischkante. Bei vielen kleinen Draufgängern dauert es ein Weilchen, bis sie aus Schaden klüger werden. Vielen Jungen liegt es nicht, bedächtiger und achtsamer vorzugehen, sondern sie versuchen ungestüm, ihr Ziel zu erreichen.
Jedes Krabbelkind ist stolz wie Oskar auf seine neuen Künste: Schaut her, ich komme vorwärts. Endlich kann man sich den Fernseher aus der Nähe angucken und die Schnur an der Stehlampe untersuchen. Setzen Eltern ihrem Kind bei seinen Expeditionen eine Grenze, sagen sie: »Nein, nicht auf die Couch klettern«, oder »Nein, nicht auf die heiße Herdplatte fassen!«, dann denkt kaum ein Baby daran, sich brav an dieses Nein zu halten. Im Gegenteil. Vor allem bei einem kleinen Jungen ist das Bravsein normalerweise wirklich nicht »in«. In seinen Augen ist es viel zu langweilig, immer nach der Pfeife der Großen zu tanzen und sich zu fügen. Kleine Jungen halten besonders wenig davon, sich unterzuordnen, haben Psychologen herausgefunden. Natürlich lässt sich nicht verallgemeinern, dass Jungen schon im Babyalter generell die Tendenz haben, über die Stränge zu schlagen, aber dass viele von ihnen bereits früh eine Menge Unsinn im Kopf haben, ist nicht zu übersehen. Jungen - schon als Babys Redemuffel? Das erste, lang ersehnte »Mama« bekommt eine Mutter, statistisch gesehen, von einem Sohn später zu hören als von einer Tochter, denn Mädchen plappern ihre ersten Wörter oft schon vor dem ersten Geburtstag. Bislang war die gängige Meinung, dass sich ein Junge dagegen in der Regel mit seiner Sprachentwicklung mehr Zeit lässt und sein Wortschatz es lange nicht mit dem eines Mädchen aufnehmen kann. Neue Untersuchungen zur Sprachentwicklung haben dagegen weniger Geschlechtsunterschiede erbracht, als bisher allgemein angenommen. Auch in anderen Bereichen des Lernens sind kaum Unterschiede auszumachen. Eltern reden mit einem Sohn seltener als mit einer Tochter, meinen die Psychologen. Eine mögliche Erklärung hierfür: Erwachsene ordnen die Freude am Reden, das Bedürfnis nach Reden eher einem Mädchen zu, denn viele orientieren sich an den Vorbildern in der eigenen Familie, und da gelten Frauen nicht selten als wahre Quasselstrippen: Tante Tilde redet wie ein Wasserfall. Die Cousine Ella nicht minder. Der Vorstellung von den redefreudigen Frauen versuchen viele dadurch gerecht zu werden, dass sie auf eine Tochter besonders intensiv einreden, in der Annahme, ein Mädchen brauche viel Unterhaltung. Ein kleiner Sohn wirkt frühzeitig daran mit, dass er anders wahrgenommen und behandelt wird als eine Tochter, denn häufig ist er wirklich weniger auf verbale Kommunikation aus als ein Mädchen - auch schon im Babyalter. Jungenbabys zeigen sich einfach etwas weniger interessiert an »Gesprächen«. Keine Lust auf lange Unterhaltungen? . Der kleine Junge, erst ein paar Monate alt, schaut interessiert zu, während seine Mutter ein Mobile über seinem Bett befestigt. Mit aufmerksamem Blick verfolgt er ihre Arbeit. Nachdem das Mobile hängt, beugt sie sich über den Sohn und will mit ihm schäkern. Das Baby schenkt ihr zwar sein schönstes Lächeln, mehr ist jedoch nicht drin, denn gleich darauf vernebelt sich sein Blick, und schon schlummert der Knabe selig ein. Kleine Mädchen plappern mehr und umgarnen damit die Großen. Kleine Jungen neigen weniger dazu, ihre Eltern mit treuherzigen Blicken aus runden Babyaugen zu becircen. Sie verhalten sich oft zurückhaltender als weibliche Babys und zeigen sich tendenziell weniger interessiert an liebevollem »Heiteitei«. So werden sie keine Weltmeister im Flirten, sind nicht ganz so geübt wie ihre weiblichen Altersgenossinnen, die Erwachsenen mit Hilfe tiefer Blicke aus sprechenden Babyaugen dazu zu verführen, mit ihnen lange »Gespräche« zu führen und damit gleichzeitig ihre Sprachentwicklung zu fördern. Die größere Zurückhaltung der kleinen Jungen hat Folgen: Die Eltern eines Jungen sprechen nicht nur seltener mit dem Baby, sondern beschäftigen sich generell seltener längere Zeit mit dem kleinen Sohn. Leider, denn Untersuchungen belegen, dass eine intensive Kommunikation zwischen den Großen und den Kleinen eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung der Intelligenz und des sozialen Verhaltens ist. Eltern können gegensteuern, indem sie sich ganz bewusst und öfter mit ihrem kleinen Sohn »unterhalten«, ihm das Flirten und Gurgeln, das Plappern und Plaudern vormachen und ihn animieren: »Mach es uns nach!« Die beschriebenen Geschlechtsunterschiede sollten dennoch nicht überbewertet werden, denn die Abweichungen zwischen Jungen und Mädchen sind oft viel geringer als die von einem Jungen zum anderen oder von einem Mädchen zum anderen: Das eine Kind lernt eher laufen als das andere. Das eine schläft nachts eher durch als das andere. Dies sind einfach die ganz individuellen und keine geschlechtsspezifischen Unterschiede. Dass im Baby- und Kleinkindalter überhaupt Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen bestehen, liegt: . an den Genen, . an den Verhaltensmustern, die Eltern weitergeben.
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Ein Junge von Anfang an wie ein kleiner Mann auftreten: kernig und robust. Heute darf er auch mal seinen Tränen freien Lauf lassen, kuscheln und Schwäche zeigen. Erwachsene halten sich inzwischen zurück mit alten Sprüchen wie »Ein Junge weint doch nicht!« und »Komm, sei keine Memme! « Seit Jahren ist im Kinderzimmer zunehmend Gleichberechtigung zwischen Jungen und Mädchen angesagt. So ist seltener die Rede von Papis kleinem, zarten »Püppchen« - dem Töchterchen, das sein Liebling ist, oder von Mamis großem, starken Jungen, der bemüht ist, ihre Gunst zu erobern, indem er ihr alles Schwere abnimmt. Auch im Kindergarten, in der Schule sitzen Jungen und Mädchen inzwischen weitgehend in einem Boot, denn die althergebrachten Privilegien der männlichen Wesen sind auf ein paar Restposten zusammengeschrumpft. Fazit dieser Beobachtungen: In der Kindererziehung wurde in den vergangenen Jahrzehnten gründlich aufgeräumt und versucht, die traditionellen, starren Rollen durch neue, weniger geschlechtsspezifische zu ersetzen: . Papis kleiner Liebling will kein schmuckes Püppchen mehr sein, sondern ein selbstbewusstes Mädchen, das sich nicht von kleinen und großen Herren sagen lassen muss, wo es lang geht im Leben. . Mamis Kuschelbär mag nicht länger als kleiner Kavalier zu Diensten sein, der schon früh lernt, weiblichen Wesen die Steinchen aus dem Weg zu räumen. Die altgewohnte Erziehung, die Kinder in festgelegte Geschlechterrollen presste, ist also ziemlich passé. Oder gibt es noch Relikte? Wo sind sie zu finden? Dieses Buch zeigt Eltern von Jungen, was sie für ihren Sohn tun können, damit er seine männliche Identität findet, sich zu einem selbstsicheren jungen Mann, authentisch und offen, entwickeln kann und auf festen Beinen im Leben steht.
JUNGEN - IMMER NOCH DAS BEVORZUGTE GESCHLECHT?
Ein Stammhalter muss her, ein Namensträger - generationenlang waren Jungen das auserwählte Geschlecht. Sie waren die Herren der Schöpfung. In der Rangordnung der Familie standen sie bei weitem über den Töchtern. Inzwischen verändert sich diese Ordnung. Die Jungen werden zunehmend entthront.
Wunschkind Nummer eins: Junge oder Mädchen? Kündigt sich ein Baby an, dann hat bei der vorangegangenen Zeugung der Mann entschieden, ob ein Junge oder ein Mädchen auf die Welt kommen wird, denn seine Samenzelle enthält entweder das Y-Chromosom für einen Jungen oder das X-Chromosom für ein Mädchen. Junge oder Mädchen? »Nicht so wichtig«, lautet die Antwort meistens, wenn man werdende Eltern nach ihren Wünschen fragt. »Ist uns beides recht!« Die Mütter und Väter von heute wollen keinen großen Unterschied in der Erziehung von Junge und Mädchen mehr sehen. In der Praxis setzen sie dann doch verschiedene Maßstäbe an - manchmal schon, bevor das Baby überhaupt auf der Welt ist. Die Babywelt in Himmelblau tunken? Die geschlechtsspezifische Erziehung beginnt oft schon in der Schwangerschaft - wenn die Eltern das Kinderzimmer einrichten. Dank Ultraschall wissen heute viele frühzeitig, ob das Baby ein Junge oder ein Mädchen sein wird. Bevor das Kind noch auf der Welt ist, stellt sich damit bereits die Frage: »Sollen wir das Mädchenhafte oder Jungenhafte besonders betonen?« Diese Frage bezieht sich auf reine Äußerlichkeiten wie: »Sollen wir, weil ein kleiner Junge geboren wird, wieder alles in Himmelblau halten - so wie es generationenlang Usus war? Sollen wir blaue Hemdchen und Höschen anschaffen?« Die meisten werdenden Eltern halten nichts mehr von dem Brauch, alles in Himmelblau oder Rosarot zu tunken, weil Form manchmal eben doch Inhalt ist. Sie wollen nicht gleich wieder in die alten, ausgetretenen Fußstapfen treten, sondern einen Neuanfang wagen - auch in Äußerlichkeiten. Deshalb lassen sie sich auf die traditionellen Jungen- oder Mädchenfarben gar nicht erst ein, sondern stellen von Anfang an klar: Weg mit den alten Etiketten. Und was bevorzugen sie stattdessen? Rosa für das Babyzimmer des kleinen Sohnes? Himmelblau für das der kleinen Tochter? Viele merken hier, wie tief verwurzelt die alten Gewohnheiten und Vorurteile in ihnen sind. Wer stattdessen lieber auf zitronengelb, eierschalenweiß, maiengrün oder schlicht rot zurückgreift, ist aus dem Schneider und umschifft damit elegant die erste Klippe einer geschlechtsspezifischen Erziehung. Erinnerung an Kinderzeiten . Während der Schwangerschaft fällt ihr Christian wieder ein - die Babypuppe mit der Kurzhaarfrisur und einem Balg aus Stoff. Lang ist es her, dass sie mit Puppen gespielt hat. Aber die Erinnerungen daran kommen jetzt wieder hoch. Christian war streng nach Vorschrift himmelblau von Kopf bis Fuß gewandet - so wie das eben zu sein hatte bei den kleinen Jungen damals. So sehr sie Christian auch liebte, war sie doch enttäuscht von dieser Puppe. Sie konnte Christian nicht richtig kämmen, denn die Kurzhaarfrisur gab nicht viel her. Konnte ihm keine Schleifen ins Haar binden. Konnte ihn nicht mit ihrer Lieblingsfarbe Rosarot schmücken. Rosa - das war die Farbe ihrer Mädchenträume: leuchtend wie Bonbons. Himmelblau - das war nichts Tolles. Nur kühl und ziemlich langweilig.
Der Stammhalter hat ausgespielt Wer intensiver nachfragt, bekommt öfter zu hören, dass viele Eltern allen Beteuerungen zum Trotz doch ihre speziellen Jungen- oder Mädchenträume haben, und die heißen vielleicht: . »Ich wollte immer schon einen Sohn haben!« . »Wenn es kein Junge wird, werden wir ziemlich enttäuscht sein!« Wird der Traum wahr, hängt der Himmel voller Geigen. Geht der Wunsch dagegen nicht in Erfüllung, ist das heute auch kein Drama mehr. Früher war das anders. Da musste in vielen Familien unbedingt ein Stammhalter und Namensträger her. Dieses Denken ist heute weitgehend überholt - auch dank der neueren Gesetzgebung, die mehr Freiheit bei der Wahl des Nachnamens lässt. Nur noch selten wird eine zukünftige Mutter von ihrem Partner, von ihren Schwiegereltern oder Eltern massiv unter Druck gesetzt mit Sprüchen wie: »Wann kommt denn endlich euer Stammhalter zur Welt?« Auch »gute« Ratschläge wie: »Wenn du viel Milch trinkst, wird es ein Junge!«, sind heute eher die Ausnahme. Wünschten sich die meisten Paare noch vor wenigen Jahrzehnten eher einen Sohn als eine Tochter, weil der Junge zum Stammhalter, Ernährer und neuen Familienoberhaupt heranwachsen und damit zuständig sein würde für die Versorgung seiner Eltern im Alter, zeichnet sich mittlerweile ein Umdenken ab, so neuere Umfragen. Eine mögliche Erklärung für die Trendwende: Der Aspekt der finanziellen Absicherung hat in unseren Breiten an Bedeutung verloren. Die Eltern von heute sind in der Regel nicht mehr auf materielle Zuwendungen ihrer erwachsenen Kinder angewiesen, sondern im Alter selbst ausreichend abgesichert.
Und selbst wenn finanzielle Unterstützung durch die erwachsenen Kinder angesagt sein sollte, haben sich die Gewichte verschoben: Nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen verfügen inzwischen in der Mehrzahl über ein eigenes Einkommen, und deshalb können Töchter ihre Eltern im Notfall ebenfalls unterstützen - so gut wie Söhne. Viel wichtiger als die materielle Hilfe ist vielen Eltern heute die emotionale Zuwendung ihrer erwachsenen Kinder und eine harmonische Einbindung in deren Familienleben. Mehr Einfühlungsvermögen, mehr Verständnis für ihre Belange, mehr Kommunikation erwarten Mütter und Väter inzwischen von ihren erwachsenen Kindern und zwar vornehmlich von ihren Töchtern, seltener von ihren Söhnen. Eine Tochter wird sich eher um sie sorgen, wenn sie alt und gebrechlich sind, wird sich um sie kümmern - so die Erwartung vieler, und deshalb sind in vielen Familien heute Mädchen eher Wunschkinder als Jungen. Die Frage, ob und wie ein Junge zu einem ebenso sensiblen, fürsorglichen Wesen werden kann, stellen sich viele dieser Eltern nicht.
JUNGEN: WENN SIE NOCH BABYS SIND
Der Sohn ist endlich geboren. Junge Eltern beobachten ihr Kind neugierig und begeistert, denn jeder Tag bringt Neues. Aus dem hilflosen kleinen Wesen wird schnell ein typischer Junge mit eigenem Kopf und ausgeprägtem Willen. Alle Babyeltern frönen in der Anfangszeit mit ihrem Kind einer besonderen Lieblingsbeschäftigung: Sie versuchen, sich in ihrem Kind wiederzuerkennen. Die Mutter in ihrer Tochter: »Sie ist genauso hibbelig wie ich!« Der Vater in seinem Sohn: »Der hat das gleiche energische Kinn! Sicherlich auch so ein Draufgänger wie ich!« Von Anfang an nehmen sie Jungen und Mädchen nicht nur unterschiedlich wahr, sondern gehen auch unter- schiedlich mit ihnen um. Wenn man nun das Verhalten der Erwachsenen im Umgang mit ihrem Kind außer Betracht lässt - ist ein kleiner Junge schon zu Beginn seines Lebens in vielem anders als ein kleines Mädchen?
Die besonderen Merkmale in dieser Phase Es werden zwar mehr Mädchen als Jungen gezeugt, aber es ist erwiesen, dass ein Gros der befruchteten weiblichen Embryonen in den ersten Wochen der Schwangerschaft abstirbt. Zahlenmäßig sind die Söhne den Töchtern also zunächst überlegen: Es werden mehr Jungen als Mädchen geboren. Später kehrt sich das Bild um: Im Baby- und Kleinkindalter zeigt sich, dass ein Junge, auf den ersten Blick um einiges kräftiger und robuster als seine Altersgenossinnen - neugeborene Jungen wiegen immerhin um die fünf Prozent mehr als neugeborene Mädchen -, oft wesentlich anfälliger und sensibler auf seine Umwelt reagiert als ein Mädchen und deshalb auch häufiger erkrankt. Weltweit sterben mehr Jungen im Säuglingsalter als Mädchen. So werden Jungen häufiger Opfer des plötzlichen Kindstodes. Mädchen sind im Vergleich gesünder, ruhiger, zufriedener und weinen seltener als Jungen. Bislang hat die Wissenschaft noch keine eindeutige Erklärung dafür gefunden, warum männliche Babys körperlich empfindlicher reagieren als weibliche. Man vermutet, . dass das Nervensystem der Jungen anfangs weniger ausgereift ist als das der Mädchen und damit anfälliger, . dass Jungen eher unter Stress leiden als Mädchen (was hormonell bedingt ist). Nur auf den ersten Blick besonders robust Ein zwei Wochen alter Säugling liegt in seinem Körbchen und weint. Das Leben scheint ihm nicht besonders zu gefallen, denn er schreit viel. Schläft schlecht. Trinkt wenig. Seine Eltern machen sich Sorgen um ihn.
Die Sorgen sind unnötig. Denn ein kleiner Junge verhält sich als Säugling, statistisch gesehen, anders als ein kleines Mädchen: . Er weint häufiger. (Drei-Monats-Koliken treten vor allem bei Jungen auf.) . Er schläft schlechter. . Er lässt sich schwerer beruhigen. Ein kleiner Junge reagiert besonders intensiv auf Umwelt- reize. Ein Reise, ein Ausflug, ein Wetterumschwung - alles, was die Atmosphäre stört und den gewohnten Tagesablauf aus dem Lot bringt, belastet ihn sehr. So reagiert ein kleines Kerlchen auf ungewohnte Geräusche, auf hektische Betriebsamkeit im Durchschnitt wesentlich aufgeregter oder ärgerlicher als eine Altersgenossin. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass sich kleine Jungen, wenn sie sich unwohl fühlen, von ihrem Kummer und ihrem Frust durch Spiele und Späßchen nur schwer ablenken lassen. Kleine Mädchen sind da »pflegeleichter«. Bei ihnen greifen Ablenkungsmanöver eher. Es dauert in der Regel ein Weilchen, bis die Frustationstoleranz bei einem kleinen Burschen zunimmt. Je größer und schwerer ein Baby, desto schwieriger ist meist seine Geburt. Und da Jungen bei ihrer Geburt in der Regel größer und schwerer sind als Mädchen, haben sie oft auch eine schwierigere Geburt als ihre zierlicheren Altersgenossinnen. Weil ein Junge an den »Nachwehen« seiner anstrengenden Geburtsstunden noch wochenlang leidet, ist er in seinen ersten Lebenswochen vielleicht besonders unruhig und schwierig, wird von Fachleuten vermutet. Ist ein kleiner Junge besonders unruhig, beginnt damit nicht selten ein Kreislauf, der sich langsam zu einer Spirale hoch schraubt: denn weint der kleine Knirps alle naselang, stehen seine Eltern schnell unter Strom und reagieren dann Ihre Anspannung überträgt sich auf den Kleinen, und das hat oft Folgen: Das Baby reagiert empfindlich auf die angespannte Situation und macht deshalb immer öfter und aus nichtigem Anlass ein Riesentheater. Weil es so häufig unzufrieden ist und weint, wird es entsprechend häufig getröstet. Der kleine Sohn wird so zum kleinen Prinzen erzogen, daran gewöhnt, dass sich immer alles um ihn dreht. Er ist auf die Zuwendung seiner Vertrauten stark angewiesen. Fazit: Ein männliches Baby braucht meist besonders viel Zuwendung, und zwar nicht nur, weil es vielleicht eher daran gewöhnt ist als ein gleichaltriges weibliches Baby, sondern auch, weil es auf die Nähe und Wärme, auf die Ansprache seiner Vertrauten besonders angewiesen ist. Wird kleinen Jungen diese Fürsorge vorenthalten, dann neigen sie eher dazu, mit körperlichen oder seelischen Verhaltenstörungen darauf zu antworten als gleichaltrige Mädchen. Haben es Mama oder Papa dann endlich geschafft, ihren Wonneproppen zu beruhigen, schmusen sie noch eine Runde mit ihm, so ist der Junge am Ziel seiner Wünsche. Die Welt ist wieder in Ordnung. Der kleine Prinz entspannt sich wohlig. Abgesehen von der größeren Empfindlichkeit der Buben sind keine gravierenden Unterschiede auszumachen: Junge und Mädchen sehen dem Leben gleichermaßen mit hellwachen Sinnen entgegen, auch wenn Mädchen in der Regel etwas früher auf Gesichter reagieren als Jungen und über einen schon ausgeprägteren Tastsinn verfügen. Im Alter von zwei Monaten beginnt ein Baby zwischen Männer- und Frauenstimmen zu unterscheiden und lernt danach langsam, erste Unterschiede zwischen den Geschlechtern wahrzunehmen - zum Beispiel: . Männer sprechen mit tieferer Stimme als Frauen. . Frauen haben meist längere Haare als Männer. . Männer sind in der Regel größer als Frauen. Diese ersten Eindrücke prägen sich tief ein und werden als Muster gespeichert. Von Beginn an unreifer? Die Zeit geht dahin. Das winzige Baby verwandelt sich langsam in ein lebhaftes Krabbelkind, das sich daran macht, die Welt zu erobern. Krabbeln die Jungen den Mädchen jetzt davon? Nein, ein männliches Baby lernt weder das Krabbeln noch das Sitzen oder das Laufen früher. In der frühen kindlichen Entwicklung sind im Wesentlichen keine großen Unterschiede zwischen einem Jungen und einem Mädchen festzustellen. Nur in einigen wenigen Bereichen zeigt sich, dass ein Junge in seiner Entwicklung langsamer ist als seine weiblichen Altersgenossinnen. So hat er zum Beispiel, statistisch gesehen, mehr Schwierigkeiten mit der Feinmotorik. Oder es dauert in der Regel etwas länger, bis der Durchschnittsjunge lernt, erste Striche zu krakeln und behände mit einem Besteck zu hantieren. Streiche spielen - schon bald ein Lieblingsspiel Kommt ein Baby in Bewegung, beginnen für die Eltern aufregende Zeiten - vor allem dann, wenn dieses Baby ein Junge ist. Denn erweitert ein Junge seinen Radius robbend, krabbelnd oder erste Schritte wagend, dann eckt er besonders häufig an - häufiger als ein Mädchen. Er stößt sich zum Beispiel an der immer gleichen Tischkante. Bei vielen kleinen Draufgängern dauert es ein Weilchen, bis sie aus Schaden klüger werden. Vielen Jungen liegt es nicht, bedächtiger und achtsamer vorzugehen, sondern sie versuchen ungestüm, ihr Ziel zu erreichen.
Jedes Krabbelkind ist stolz wie Oskar auf seine neuen Künste: Schaut her, ich komme vorwärts. Endlich kann man sich den Fernseher aus der Nähe angucken und die Schnur an der Stehlampe untersuchen. Setzen Eltern ihrem Kind bei seinen Expeditionen eine Grenze, sagen sie: »Nein, nicht auf die Couch klettern«, oder »Nein, nicht auf die heiße Herdplatte fassen!«, dann denkt kaum ein Baby daran, sich brav an dieses Nein zu halten. Im Gegenteil. Vor allem bei einem kleinen Jungen ist das Bravsein normalerweise wirklich nicht »in«. In seinen Augen ist es viel zu langweilig, immer nach der Pfeife der Großen zu tanzen und sich zu fügen. Kleine Jungen halten besonders wenig davon, sich unterzuordnen, haben Psychologen herausgefunden. Natürlich lässt sich nicht verallgemeinern, dass Jungen schon im Babyalter generell die Tendenz haben, über die Stränge zu schlagen, aber dass viele von ihnen bereits früh eine Menge Unsinn im Kopf haben, ist nicht zu übersehen. Jungen - schon als Babys Redemuffel? Das erste, lang ersehnte »Mama« bekommt eine Mutter, statistisch gesehen, von einem Sohn später zu hören als von einer Tochter, denn Mädchen plappern ihre ersten Wörter oft schon vor dem ersten Geburtstag. Bislang war die gängige Meinung, dass sich ein Junge dagegen in der Regel mit seiner Sprachentwicklung mehr Zeit lässt und sein Wortschatz es lange nicht mit dem eines Mädchen aufnehmen kann. Neue Untersuchungen zur Sprachentwicklung haben dagegen weniger Geschlechtsunterschiede erbracht, als bisher allgemein angenommen. Auch in anderen Bereichen des Lernens sind kaum Unterschiede auszumachen. Eltern reden mit einem Sohn seltener als mit einer Tochter, meinen die Psychologen. Eine mögliche Erklärung hierfür: Erwachsene ordnen die Freude am Reden, das Bedürfnis nach Reden eher einem Mädchen zu, denn viele orientieren sich an den Vorbildern in der eigenen Familie, und da gelten Frauen nicht selten als wahre Quasselstrippen: Tante Tilde redet wie ein Wasserfall. Die Cousine Ella nicht minder. Der Vorstellung von den redefreudigen Frauen versuchen viele dadurch gerecht zu werden, dass sie auf eine Tochter besonders intensiv einreden, in der Annahme, ein Mädchen brauche viel Unterhaltung. Ein kleiner Sohn wirkt frühzeitig daran mit, dass er anders wahrgenommen und behandelt wird als eine Tochter, denn häufig ist er wirklich weniger auf verbale Kommunikation aus als ein Mädchen - auch schon im Babyalter. Jungenbabys zeigen sich einfach etwas weniger interessiert an »Gesprächen«. Keine Lust auf lange Unterhaltungen? . Der kleine Junge, erst ein paar Monate alt, schaut interessiert zu, während seine Mutter ein Mobile über seinem Bett befestigt. Mit aufmerksamem Blick verfolgt er ihre Arbeit. Nachdem das Mobile hängt, beugt sie sich über den Sohn und will mit ihm schäkern. Das Baby schenkt ihr zwar sein schönstes Lächeln, mehr ist jedoch nicht drin, denn gleich darauf vernebelt sich sein Blick, und schon schlummert der Knabe selig ein. Kleine Mädchen plappern mehr und umgarnen damit die Großen. Kleine Jungen neigen weniger dazu, ihre Eltern mit treuherzigen Blicken aus runden Babyaugen zu becircen. Sie verhalten sich oft zurückhaltender als weibliche Babys und zeigen sich tendenziell weniger interessiert an liebevollem »Heiteitei«. So werden sie keine Weltmeister im Flirten, sind nicht ganz so geübt wie ihre weiblichen Altersgenossinnen, die Erwachsenen mit Hilfe tiefer Blicke aus sprechenden Babyaugen dazu zu verführen, mit ihnen lange »Gespräche« zu führen und damit gleichzeitig ihre Sprachentwicklung zu fördern. Die größere Zurückhaltung der kleinen Jungen hat Folgen: Die Eltern eines Jungen sprechen nicht nur seltener mit dem Baby, sondern beschäftigen sich generell seltener längere Zeit mit dem kleinen Sohn. Leider, denn Untersuchungen belegen, dass eine intensive Kommunikation zwischen den Großen und den Kleinen eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung der Intelligenz und des sozialen Verhaltens ist. Eltern können gegensteuern, indem sie sich ganz bewusst und öfter mit ihrem kleinen Sohn »unterhalten«, ihm das Flirten und Gurgeln, das Plappern und Plaudern vormachen und ihn animieren: »Mach es uns nach!« Die beschriebenen Geschlechtsunterschiede sollten dennoch nicht überbewertet werden, denn die Abweichungen zwischen Jungen und Mädchen sind oft viel geringer als die von einem Jungen zum anderen oder von einem Mädchen zum anderen: Das eine Kind lernt eher laufen als das andere. Das eine schläft nachts eher durch als das andere. Dies sind einfach die ganz individuellen und keine geschlechtsspezifischen Unterschiede. Dass im Baby- und Kleinkindalter überhaupt Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen bestehen, liegt: . an den Genen, . an den Verhaltensmustern, die Eltern weitergeben.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Cornelia Nitsch
- 192 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Kartoniert (TB)
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828954456
- ISBN-13: 9783828954458
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